Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Chris – Akt 3, Szene 3 ---------------------- 8 Jahre vor Team Shadows Gründung   Eine Woche verging, dann zwei. Chris verbrachte jeden Morgen mit Pikachus Training, wobei sie abwechselnd die südliche und westliche Route besuchte. Während der Kämpfe versuchte sie, die ihr unbekannten Pokémon mit dem Pokédex ihres Vaters zu identifizieren. Erfolglos. Der Kantodex war vor vielen Jahren vervollständigt worden, und die Modelle konnten diese Informationen jederzeit abrufen. Aber sie war hier in Johto, und ihr Pokédex so gut wie nutzlos. Also musste sie es auf die altmodische Art versuchen.     „Was für ein Pokemon ist das?“, fragte sie den Mönch, der gerade in goldenem Gewand von einer Zeremonie zurückkam und verdutzt auf den Stapel beschriebener Blätter schaute, die Chris ihm vor die Nase hielt. Sie deutete auf eine der zahlreichen Beschreibungen. „Es ist ein Vogelpokémon, und es ist braun mit helleren Augenbrauen, die nach oben abstehen. Seine Augen waren rot und rund.“ Der Mönch rückte seine runde Brille zurecht und lehnte sich vor, um die kleine Skizze zu begutachten, die Chris daneben gemalt hatte. „Das scheint mir ein Noctuh zu sein“, erklärte er schließlich. „Die Weiterentwicklung von Hoot-Hoot. Es ist Typ Fliegen und Normal.“ Chris nickte und notierte sich den Namen. Typ Fliegen hatte sie sich bereits selbst gedacht, aber es hätte genauso gut ein Psychopokémon sein können, mit diesem durchdringenden Blick … „Und dieses?“, fragte sie und zeigte ihm die nächste Skizze. „Es war pink und hatte einen Euter. Und es hat sich in einen Ball zusammengerollt und Walzer benutzt.“ „Das wäre wohl Miltank“, überlegte der Mönch laut. „Die Arenaleiterin in Dukatia City benutzt so eins, wenn ich mich nicht irre. Aber weshalb fragst du mich das alles, Chris? Reicht dir das Studium von Ho-Oh nicht?“ Sie sah ihn verdutzt an. „Nein. Natürlich nicht.“ „Haaa …“ Der Mönch seufzte und ging voran zu seinem Archiv, in dem er und Chris seit zwei Wochen gemeinsam recherchierten. „Deine Wissbegier ist wirklich unersättlich.“     „Und das hier ist ein Webarak!“, erklärte Chris Jayden aufgeregt, als sie sich abends wieder im Tanztheater befanden. Sie saß im Schneidersitz auf einem der Stühle, während Jayden versuchte, Irenes Schritte und Bewegungen nachzumachen, die sie ihm nach ihrem eigenen Training beibrachte. Chris verstand seine Faszination mit diesem Tanzen nicht, aber es erlaubte ihr, ihm alles über ihr eigenes Training zu erzählen, ohne dass er sich wehren konnte. Und Irene war auch da. Sie war fast genauso hilfreich wie ihr Mönch. „Seine Entwicklung ist Ariados“, fuhr sie fort, als Jayden keine Antwort gab. „Ich habe leider noch keins getroffen. Weißt du, wie sie aussehen, Irene?“ „Wie Webarak, nur größer und rot-schwarz gestreift. Du musst hier mehr aus der Hüfte drehen, Jayden, dein Fuß bewegt sich nur ein klein bisschen, siehst du?“ „Ja, ich seh`s, aber das heißt noch lange nicht, dass meine Füße kapieren, was sie tun sollen.“ „Das wird noch. Oh, und mir ist eingefallen, welche Pokémon du gestern meintest, Chris. Das sind die drei legendären Hundepokémon. Suicune, Entei und Raikou.“ Irene wies Jayden an, seine Routine zu wiederholen und ließ sich am Rand der Bühne nieder, sodass ihre Beine in der Luft baumelten und sie Chris direkt gegenübersaß. „Aus der Legende mit der Wiedergeburt aus Ho-Ohs Asche?“, fragte Chris. „Genau. Hier in Teak City gibt es den Aberglauben, dass die Legendären im niedergebrannten Turm hausen und fliehen, sobald sich jemand ihrem Versteck nähert. Aber ich glaube, das ist einfach eine Begründung dafür, dass niemand sie je zu Gesicht bekommen hat.“ „Aber Pokémon können sich entwickeln“, entgegnete Chris. „Ist es dann nicht denkbar, dass ein anderes Pokémon eine weitere Entwicklung hervorrufen könnte?“ Irene kniff nachdenklich die Lippen zusammen. „Möglich. Ich glaube da nicht dran, aber ich weiß schließlich nicht alles.“ „Hey“, warf Jayden dazwischen, der sich neben Irene die Bühne hinunter schwang. „Warum gehen wir nicht nachgucken? Jetzt gleich?“ Irene wurde blass. „Bist du irre?“, stammelte sie. „Es ist stockduster draußen! Und du hast Glutexo nicht bei dir.“ Jayden grinste sie frech an. „Was, hast du etwa Angst?“ „Nein! Ich meine, nicht direkt. Aber warum gehen wir nicht morgen, wenn wir auch wirklich etwas sehen können … Chris, du stimmst mir zu, oder?“ Chris dachte kurz nach, dann erhob sie sich. „Ich gehe mit Jayden. Du kannst aber hier warten, Irene.“ „Blödsinn, ich lass euch doch nicht alleine dahinlaufen! Ich wohne schließlich hier … Ach verdammt, na gut, dann gehen wir halt jetzt! Hast du deine Freunde dabei?“, fragte sie an Jayden gewandt, der kurz in den Raum schielte. „Ja, sind alle von der Partie. Worauf warten wir noch?“ Irene rieb sich die Stirn. „Oh, ich werde das sowas von bereuen …“     Als sie nach einer halben Stunde Fußmarsch die Turmruine im Westen von Teak City erreichten, war Chris fast bereit, mit Irene umzukehren. Ihre Freundin schlotterte am ganzen Leib, gab aber der kalten Brise die Schuld, wenn sie darauf angesprochen wurde. Jayden ging furchtlos voran und die Treppen zum halb eingestürzten Eingang hinauf. Das Schild, auf dem Einsturzgefahr, betreten verboten stand, schob er ungeniert nach oben, um darunter hindurch zu gehen. „Kommt schon ihr lahmen Entons“, feuerte er sie an. Über seiner Schulter schimmerte die Luft im Mondlicht, ein Zeichen für die Nebulak, die Jayden seit einer Woche pausenlos begleiteten. Chris vergaß regelmäßig ihre Namen, aber sie hatte sich ein wenig mit dem ältesten der drei angefreundet. Jayden, Irene und sie wollten es am Wochenende zum Grab seines Trainers bringen, damit es Abschied nehmen konnte. Die anderen beiden hatte sie noch nie zu Gesicht bekommen, aber Jayden schien sie hin und wieder zu sehen, wenn sie sich ihm offenbarten. Etwas griff ihren Arm und Chris sprang fast in die Luft. Sie sah zur Seite, wo Irene sich an sie geklammert hatte. „D-da war was! Hinter Jayden!“ „Das sind meine Nebulak.“ „Nein, etwas anderes! Ach verdammt, ich hätte nicht mitkommen sollen. Bringen wir es schnell hinter uns, okay?“ Chris nickte und ließ Irene an ihrem Arm festhalten, während sie gemeinsam die Treppen zum ehemaligen Bronzeturm erklommen. Der Sturm hatte der alten Ruine keinen Gefallen getan. Ein Großteil der violetten Dachziegel lag zerschellt am Boden und die Holzstruktur wirkte an vielen Stellen brüchig. „Wir sollten nicht zu lange bleiben“, sagte Chris in die Dunkelheit, als sie den Turm betraten. Mit ihrer freien Hand rief sie Pikachu, dessen Statik zumindest ein bisschen Licht spendete. Irene tat es ihr gleich und rief Aquana, das seine Flanke eng an ihr Bein presste und ängstlich fauchte. „Er will auch nicht hier sein“, stellte Irene trocken fest. „Schaut mal!“ Jayden stand bereits am Rand des riesigen Lochs im Parkett und starrte hinunter. Obwohl Irene zitterte, ließ Irene Chris los und ging zu ihm. Jayden seufzte. „Es ist zu dunkel. Ich kann kaum was sehen.“ Pikachu hopste vor und formte einen kleinen Elektroball, den es zwischen seinen Pfoten festhielt und emporstreckte. „Danke Kumpel!“, lobte Jayden ihn. Chris kam ebenfalls näher. Es war immer noch zu dunkel, um Details zu erkennen, aber sie war sich ziemlich sicher, dass dort unten keine Legendären auf sie warteten. „Lasst uns zurückgehen“, sagte sie, nachdem sie alle einige Minuten lang angestrengt in die Dunkelheit gestarrt hatten. „Hier sind sie zumindest nicht.“ „Sag ich doch“, maulte Irene. Sie drehte sich um und lief Richtung Ausgang. Da machte es Knack. Chris und Jayden hatten gerade genug Zeit, sich zu ihrer Freundin um zu sehen, bevor das morsche Parkett unter Irenes Füßen einbrach und sie schreiend in die Tiefe stürzte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)