Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Jayden – Akt 2, Szene 6 ----------------------- 8 Jahre vor Team Shadows Gründung     Jayden hatte sich in seinem Leben noch nie so miserabel gefühlt. Nicole sprach kein Wort mit ihm, während sie an Maris Seite lief und das Arkaniweibchen mit einer Hand im getigerten Fell zum Pokécenter lotste. Als sie die Waldlichtung hinter sich gelassen hatten, fanden sie sich bald im geschäftigen Orania City wieder. Dank dem Meer, das die Stadt an zwei Seiten säumte, war die sommerliche Hitze hier leichter zu ertragen. Eine salzige Brise wirbelte die aufgeheizte Luft auf. Zahllose Trainer, Kinder mit ihren Eltern und Pärchen liefen in Schwimmkleidung oder luftigen Kleidern durch die Straßen, schleckten Eiscreme und schützten sich mit Sonnenbrillen und breiten Hüten vor dem grellen Licht. Vom Hafen echoten die Rufe von Matrosen. Jayden hingegen saß mit pochendem Fuß auf einem Feuerpokémon mit dichtem Fell, das ihn von unten her nur noch mehr wärmte, der Geruch der fettig frittierten Snacks und des süßen Eis` bohrten ihm ein Loch in den Magen und zu allem Überfluss fühlte er sich wie ein Verbrecher, den man zum Richter führte. Er konnte nicht an ein danach denken, sein ganzes Leben schien im Pokécenter zu enden. Er hätte sich von Chris verabschieden sollen. Zu allem Überfluss fühlte er jetzt auch die Scham, die er die ganze Zeit erfolgreich unterdrückt hatte. Aber es war zu spät. Nicole würde ihm Glutexo wegnehmen, er würde ins Gefängnis kommen und er würde seine Eltern nie wieder sehen. Wenn sie überhaupt noch etwas mit einem Verbrecher wie ihm zu tun haben wollten. Obwohl er sein bestes tat, rollten wieder stumme Tränen seine Wangen hinunter. Er wischte sie unauffällig weg, aber als Nicole kurz zu ihm rüber sah, wurde ihr Gesichtsausdruck etwas weicher. „Oh Jayden“, sagte sie. „Da hast du aber gewaltigen Bockmist veranstaltet. Ein Shiny Pokémon aus dem Labor stehlen? Was hat dich nur geritten? Dir muss doch klar gewesen sein, dass du nicht damit durchkommst.“ Jayden starrte auf seine Hände, die Maris weiches Fell festhielten. „Ich hab nicht nachgedacht“, nuschelte er. Nicole schnaubte. „Das hat man gemerkt.“ „Was ist ein Shiny?“, fragte er. Nicole sah ihn nachdenklich an. „So bezeichnen wir umgangssprachlich Pokémon mit einem Phänotyp, der durch eine spezielle Genmutation verändert ist. Thomas forscht seit Jahren daran, welche Gene für diese spezielle Farbgebung verantwortlich sind und er hat bereits mehrere Gene identifiziert. Das erste nannte er SHN1, und daraus wurde im Sprachgebrauch dann Shiny, weil die 1 wie ein I aussieht.“ Jayden hatte nur die Hälfte verstanden, aber scheinbar war Glutexo aufgrund seiner Farbe etwas extrem Wichtiges für das Labor in Alabastia. Und er hatte es einfach mitgenommen. Er schluckte.     Im Pokécenter angekommen nahm die hiesige Schwester Joy ihn unter ihre Fittiche. Sie betastete den Knöchel, röntgte den Fuß und stabilisierte ihn anschließend mit Heilsalbe und Verband. Er bekam außerdem ein paar Krücken, die er für die nächsten Tage nutzen sollte. Regel Nummer Eins war aber: Fuß hochlegen und ruhig halten. Und so fand sich Jayden etwa eine Stunde später wiedermal auf der Liege in einem Behandlungszimmer wieder, Fuß hochgelegt und ein großes Glas Wasser mit belegten Brötchen auf einem Tablett neben ihm. Das Glas war schon zweimal aufgefüllt worden. Ihre Rationen in der Höhle waren mehr als spärlich gewesen. Er war gerade dabei, sein zweites Brötchen zu verschlingen, als es klopfte. Er schluckte hastig runter. „H-herein!“ Nicole betrat den Raum, schloss die Tür hinter sich und kam zu seinem Bett. „Geht es dir besser?“ Jayden brachte vor Angst vor dem Kommenden kein Wort heraus, daher nickte er nur. „Gut. Dann gib mir jetzt bitte Glutexos Pokéball.“ „I-ich kann nicht.“ Jayden kniff die Augen zusammen. „Wir haben schon so viel zusammen durchgemacht, ich kann ihn jetzt nicht einfach zurückgeben. Wir sind Partner!“ „Das hast nicht du zu entscheiden“, konterte Nicole. „Gib mir den Ball. Glutexo hat mit Sicherheit ebenfalls eine Heilung nötig und danach werden wir alle gemeinsam entscheiden, was wir tun.“ Jayden horchte auf. Das klang … nicht ganz so schlimm wie er gedacht hatte? Aber was war mit dem Gefängnis? Nicole hob ungeduldig die Augenbraue und er reichte ihr schnell den Pokéball. Damit in der Hand verschwand sie. Es dauerte eine Viertelstunde, bevor sie mit Glutexo im Schlepptau zurückkam. Sein Starter wirkte frisch und völlig erholt. Als er Jayden entdeckte, brummte er glücklich und trabte zu ihm, um sich den Kopf tätscheln zu lassen. „Dir geht es gut?“, fragte Jayden und betastete sein Pokémon. „Es tut mir leid, dass du so viel in der Höhle durchmachen musstest. Du warst der Wahnsinn.“ Glutexo blies stolz einige Rauchringe in die Luft und reckte die Brust. „Wie ich sehe, hast du es zumindest gut behandelt“, stellte Nicole fest. „Wenn Glutexo keine Bindung zu dir aufgebaut hätte, wäre es definitiv mit mir mitgekommen.“ „Heißt das …“, fragte Jayden, der seinen Ohren kaum traute. „Ja, Jayden. Das heißt, du darfst Glutexo behalten“, seufzte Nicole. „Aber bevor du Luftsprünge machst: Dieses Privileg ist an einige Bedingungen geknüpft. Und bevor ich dir die sage, habe ich noch eine Frage. Warum zum Teufel hast du das Pokémon gestohlen?“ „Der Forscher meinte, es gäbe keine Glumandas mehr, aber da war ja noch eins, und ich wollte unbedingt dasselbe Pokémon wie Red damals …“ „Du hättest 3 Monate warten können, genau wie all die anderen Kinder, wenn sie keins mehr abbekommen“, unterbrach Nicole ihn zornig. „Hast du eine Ahnung, wie viel Schaden du mit dieser Aktion angerichtet hast? Thomas forscht seit Jahren an den Shiny-Genen. Er schreibt ein Paper, welches dank dir nun mindestens ein halbes Jahr später veröffentlich wird, weil seine gesamte Versuchsreihe unterbrochen wurde und wiederholt werden muss. Und das mit einem anderen Exemplar, denn jetzt wo Glutexo an einen Trainer gebunden ist, kann es nicht mehr ins Labor zurück. Dein Vater musste eine Untersuchung über sich ergehen lassen, weil die Theorie im Raum stand, er habe dich benutzt, um das Glumanda zu stehlen und es dir danach abgenommen und auf dem Schwarzmarkt für viel Geld verkauft. Er hätte fast seinen Job verloren, den er seit fünfzehn Jahren innehat.“ Jayden wurde schlecht. Sein Vater … „Aber das ist doch Unsinn!“, protestierte er. „Mein Vater würde so etwas nie tun!“ „Das ist die Welt der Erwachsenen“, entgegnete Nicole. „Es gibt Regeln, und es gibt Konsequenzen. Und nur weil du über etwas nicht nachdenkst oder etwas nicht beabsichtigt hast, beschützt dich das nicht vor den Folgen deiner Handlungen. Du kannst von Glück sagen, dass sich sehr bald belegen ließ, dass dein Vater nichts mit der Sache zu tun hatte, aber er war für zwei Wochen suspendiert und musste um seine Arbeit bangen. Und dazu kommt noch der emotionale Ballast für deine Eltern, die nun damit umgehen mussten, dass ihr einziger Sohn erstens ein Pokémon gestohlen hat und wer weiß damit vorhat, und zweitens nun deswegen verfolgt wird. Deine Mutter war außer sich vor Sorge und hat Thomas und Professor Eich angefleht, dich nicht polizeilich suchen zu lassen und keine Anzeige zu erstatten. Wie du daran merkst, dass Blue und ich losgeschickt wurden, hatte sie damit Erfolg, auch wenn Thomas sehr versucht war.“ Glutexo rieb seine Schnauze gegen seine Hand, aber Jayden war wie taub. Nicoles Worte ließen alles, was er getan und sich gegenüber gerechtfertigt hatte, in einem ganz anderen Licht erscheinen. Wie hatte er nur so dumm sein können. „Kann ich meine Eltern anrufen?“, fragte er matt. „Und Thomas? Ich möchte mich entschuldigen.“ Zum ersten Mal seit sie den Raum betreten hatte, lächelte Nicole. „Ich freue mich, dass du das von dir aus angeboten hast. Das ist nämlich tatsächlich Teil der Bedingungen. Ich lasse dich gleich zum Telefon bringen. Aber das ist nicht alles.“ Jayden nickte und streichelte Glutexos Schnauze. Egal, was er tun musste, um seinen Partner zu behalten war es ihm das wert. „Was muss ich tun?“ „Thomas braucht ein neues Shiny Glumanda. In verschiedenen Pokémonarten sind die Gene unterschiedlich ausgeprägt und sie interagieren sehr komplex miteinander. Deswegen sehen manche Shinys unterschiedlicher vom Normaltyp aus als andere. Seine Versuchsreihe ist auf Glumanda und seine Evolutionen fokussiert. Damit er seine Forschung so schnell wie möglich weiterführen kann, wirst du Glutexo später, wenn es sich zu Glurak entwickelt hat, zu einem Pokécenter bringen, eine DNA-Probe abgeben und diese nach Alabastia ins Labor schicken lassen. Glutexo hier war so freundlich und hat die erste Probe bereits gegeben. Viel wichtiger ist aber, dass Thomas ein neues Forschungspokémon im Labor braucht.“ „Ich soll ein Shiny Glumanda finden?“, fragte Jayden skeptisch. Von allem, was er gehört hatte, waren diese Pokémon extrem selten. Und wo würde er überhaupt wilde Glumanda finden? „Natürlich nicht“, lachte Nicole. „Das würde ja ewig dauern. Nein, wir haben eine Partnerschaft mit der Pokémon-Pension südlich von Dukatia City in Johto. Es war die erste Pension, die Pokémonzucht vorangetrieben hat und sie besitzen einige Glumandaweibchen, welche uns mit neuen Glumanda für die jungen Trainer versorgen. Die nächsten Eier werden dort in zwei bis drei Wochen schlüpfen. Da du ein Shiny Glutexo hast, ist die Chance ein weiteres Shiny Glumanda zu züchten, etwas erhöht. Du wirst also ohne Umwege nach Dukatia City reisen und Glutexo dort in die Pension bringen. Vermutlich wird es eine Weile dortbleiben müssen, aber sobald mit einem der dortigen Glumandaweibchen ein Shiny Glumanda entstanden ist, wird es zu uns geschickt und du kannst Glutexo wieder mitnehmen.“ Jaydens Kopf brummte von all den Informationen. „Glutexo soll also solange Babys machen, bis ein Shiny dabei herauskommt“, wiederholte er. Nicole seufzte. „Ja, es soll Babys machen. Ganz genau.“ „Und danach darf ich es für immer behalten.“ „Das ist der Deal.“ Er sah zu Glutexo, das einen schelmischen Blick aufgesetzt hatte. „Du wirkst nicht gerade unglücklich über diese Entwicklung“, stellte er fest. Glutexo schnaubte ihm ins Gesicht. „Also gut. Wenn Glutexo keine Einwände hat, bin ich dabei.“ „Ausgezeichnet“, sagte Nicole und erhob sich. „Ich werde dir ein Magnetzugticket von Saffronia City nach Dukatia City besorgen. Du fährst in einer Woche ab. Schwester Joy versichert mir, dass du bis dahin wieder fit sein solltest. Die Kosten für das Ticket strecken deine Eltern vor, aber du wirst ihnen das Geld selbstverständlich zurückzahlen.“ Jayden nickte aufgeregt. Dukatia City. Johto. Eine ganz andere Region. Das war wirklich ein Pokémonabenteuer. Plötzlich sank ihm das Herz in die Hose. „Was ist mit Chris?“, fragte er. „Darf sie auch mitkommen?“ „Ich bin sicher, das wird Blue in Erfahrung bringen“, sagte Nicole. „Und jetzt hör auf zu grinsen. Du hast noch zwei Anrufe zu tätigen, und die Gespräche werden bei weitem nicht so milde sein wie mit mir.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)