Zwischen Alltagschaos und Liebesleben von ZerosWolf (Tausend Ideen in einer FanFiction) ================================================================================ Kapitel 42: Ruinen ------------------ „Ich“, schnaufte Lucy, während sie sich auf dem Felsvorsprung ausbreitete, „bin absolut nicht mehr in Form.“ „Mach dich nicht so breit, Alte!“, motzte Sorria, die Lucys Bein in die Seite bekam. „Ich bin nicht alt!“, widersprach Lucy heftig. „Oh, beklag dich nicht, Sol!“, jammerte Flambre. Der Drache hatte einen Vorsprung für sich, hockte dort jedoch wie eine Katze auf einem Zaunpfahl. „Die soll sich nicht so anstellen!“, entgegnete Sorria. „Stadtmenschen sind doch echt nix gewohnt. Die kleine Kletterpartie ist doch nix!“ „Dann kletter doch schonmal voraus, dann haben wir hier mehr Platz“, schlug Lucy zickig vor. „Und Tallys Lunchbox verpassen? Niemals!“, grinste Sorria und nahm den Snack von ihrer Partnerin entgegen. „Lucys...“, sagte diese unbeeindruckt. „Ey, Weiber kriegen nicht vor Männern Essen!“, gab Sorria ihre verquere Weltansicht zum Besten. „Eltern vor... Kind...“, konterte Thalasy. „Da hat sie dich“, lachte Lucy und nahm der kleinen Magierin das Paket ab. Es waren Momente wie diese, in denen sie ihre Vorrechte als Mutter genoss – und sei es nur, um Sorrias wütendes Gesicht zu sehen. „Sie ist aber nicht meine Mutter!“, versuchte Sorria es noch einmal, obwohl sie die Argumentation schon verloren hatte. „Recht... älter...“, meinte Thalasy und gab Sorria eine andere Dose. „Du hast mich eben alt genannt“, trumpfte Lucy. „Aber du willst ja gar nicht alt sein!“, diskutierte Sorria und widersprach sich damit selbst. „Älter, nicht alt, Süße“, neckte Lucy. „Ich bin ein Junge! Jungs sind nicht süß!“, schrie Sorria und sprang auf, wobei sie ihre Lunchbox über den Rand des Vorsprungs warf. Ihr verzweifelter Schrei klang doch sehr weiblich. Von oben hallte eine neugierige Stimme zu ihnen herunter: „Ist jemand abgestürzt?“ „Nur Sorrias Essen“, rief Lucy hoch. „Wenn das alles ist“, wurde zurückgerufen. „Das ist nicht alles!“, kreischte Sorria aufgebracht. „Wenn dein blöder Phönix nicht so eine Diva wär, wären wir alle schon oben!“ Es wurde nicht darauf eingegangen. Lucy seufzte, sie war der Diskussion überdrüssig. Narcys überdimensionaler Phönix bot genug Platz für zehn Personen, aber er ließ nur Menschen auf seinen Rücken, die er kannte und denen er vertraute. Dazu zählte Lucy ebenso wenig wie Sorria oder Thalasy. „Tally, gib mir was ab!“, bettelt Sorria, doch Thalasy war unerbittlich, zumindest wenn es um Essen ging. Wenn Sorria lieb darum bat gäbe Lucy ihr wahrscheinlich etwas ab, aber da diese es vorzog, Lucy zu beschuldigen, das Ganze sei nur ihre Schuld, aß die Beleidigte still und kommentarlos die ganze Box leer, selbst als sie längst keinen Hunger mehr hatte. So ging es schon seit sie aufgebrochen waren. Nichts als Streit zwischen Lucy und Sorria. Letztere versuchte beständig sich aufzuspielen und Lucy als schwach darzustellen, was diese sich natürlich nicht gefallen ließ. Sie spürte den Drang, der Kleinen ordentlich eine hinter die Löffel zu geben. Der Reiz des Abenteuers und des fremden Landes trieben Lucy dazu, sich der Expedition anzuschließen. Hätte sie auch nur ansatzweise geahnt welche Scherereien es ihr bereitete, sie wäre lieber zu Hause geblieben. Die Zwillinge waren nicht einmal halb so anstrengend wie Sorria - und die waren zu zweit. „Was für eine blöde Idee, ein Dorf so zu errichten, dass man Felswände erklimmen muss, um es zu erreichen“, murrte Sorria. „... Weg … nehmen ...“, murmelte Thalasy. Sorria schnellte zu ihrer Partnerin herum. „Was soll das heißen, wir hätten auch den Weg nehmen können? Es gibt einen Weg?! Warum hast du das nicht gleich gesagt?!“ „Du hast dich auf die Felswand gestürzt“, antwortete Lucy und schüttelte seufzend den Kopf. „Und warum seid ihr mit nachgeklettert?“, fauchte Sorria. „Ich bin Thalasy gefolgt“, verteidigte sich Lucy. „... Spaß ...“, sagte Thalasy und lächelte schon fast. Sorria stieß einen genervten Wutschrei aus und fluchte in abgehakten Worten und Lauten vor sich hin. Thalasy packte gelassen die leeren Dosen ein und stand auf. „... Weiter ...“, bat sie. „Oh ja!“, seufzte Flambre und schlug wieder ihre Krallen in die Felswand. Trotz ihrer Größte erklomm sie die Felswand nicht schneller als ihre Freunde. Ab und zu rutschte sie ab und hinterließ dann tiefe Krallenspuren. „Die Einheimischen werden sich fragen, welches Monster etwas gegen den Berg gehabt hat“, scherzte Sorria, nachdem sie, endlich oben angekommen, den Abhang hinunter blickte. „Das tut mir furchtbar Leid“, bedauerte Flambre und ließ die Halskrause hängen. „Zeichen... Götter...“, vermutete Thalasy. „Die Bewohner Sevens sind sehr gläubig, richtig?“, lächelte Lucy und bekam ein Nicken zur Antwort. Sie sah sich nach ihrer Schwiegermutter um, konnte jedoch niemanden entdecken. Thalasy klopfte sich den Staub von ihrer Robe, bevor sie weiter ging. „Kannst du noch, altes Mütterlein?“, wollte Sorria an Lucy gewandt wissen. „Und ob!“, rief diese schnippisch, obwohl sie durchaus eine weitere Pause vertragen könnte. Die letzte Rast auf halbem Weg schien endlos lange her zu sein. Sie folgten Thalasy in einen Urwald aus großen Laubbäumen und dichten Büschen. Wählte Thalasy ihren Weg nicht so sicher, Lucy hätte niemals ein Dorf hier oben vermutet. Alles wirkte unberührt als hätte noch nie ein Menschenseele sich hier hinauf gewagt. Ein Busch in ihrer Nähe raschelte, was Lucy sehr erschreckte. Was mochten in dieser Landschaft wohl für Raubtiere leben? Sie malte sich in ihrer Panik alle möglichen Raubtiere aus, doch aus dem Busch sprang nur ein kleines Äffchen. In seiner Hand hielt es ein Bündel Kräuter. Es sah die Menschen kurz an, dann eilte es davon. „Wie süß!“, seufzte Lucy. Thalasy blickter finster drein. „Nicht... einheimisch...“, warnte sie. Sie ging geduckt weiter und bewegte sich förmlich lautlos durch das Unterholz. Lucy hatte es schon eher bemerkt. Gegen Thalasy war sie ein Elefant, der durch die Welt stampfte. Die Grünhaarige bewegte sich wie ein Geist. Das Äffchen kreuzte nur wenige Schritte später erneut ihren Weg, dieses Mal hielt es nichts in seinen Pfoten. Es schnüffelte am Boden, blickte auf - dann jagte es auf allen Vieren wie ein wütend gewordenes Wildschwein auf ein Gräserbüschel neben einem wilden Erdbeerstrauch zu. Kurz vor dem Ziel sprang etwas aus dem Gebüsch daneben. Ein weiteres kleines Äffchen. Sie stießen zusammen und blieben benommen auf dem Rück liegen. Lucy machte Anstalten, zu ihnen zu laufen und nach Verletzungen zu sehen, doch da sprangen die Tierchen zeitgleich auf, als wären sie eine Einheit. Entgegen diesem Eindruck begannen sie, sich anzukreischen und gegenseitig zu kratzen. Das Gezeter war so laut, dass es die Vögel in den Bäumen aufschreckte und Lucy sich die Ohren zuhalten musste. „Auseinander!“, tönte Narcys herrische Stimme aus dem Wald. Die Äffchen schreckten zusammen und stellten sich stramm links und rechts neben das Kraut, um welches sie sich scheinbar stritten. Lucy vermutete, dass es sich um Beschwörungen ihrer Schwiegermutter handelte. Neugierig musterte sie das sandfarbene Fell mit dem dunkelbraunen Flecken. Sie erinnerte sich an einen Eintrag in einem zoologischen Werk ihres Vaters über Kräuteräffchen. Es machte durchaus Sinn, dass Narcy als Kräuterkundige welche unter Vertrag hielt. Die Äffchen begannen erneut sich zu streiten. Sie hatten zeitgleich ihre Pfoten nach dem Grasbüschel ausgestreckt und waren dabei erneut aneinander gestoßen. „Es reicht!“, herrschte Narcy und kämpfte sich dabei zwischen zwei Büschen durch. Lucy verkniff sich ein Lachen. Von der Wildnis zerrissene Kleidung und Reste von Ästen und Blättern in ihren abstehenden kurzen Haaren gaben ihr ein fast urzeitliches Aussehen. „Alte, du siehst aus wie 'n Höhlenmensch!“, lachte Sorria. Narcys wütende Augen schnellten zu ihr. „Immernoch besser als immer wie ein kreischender Schimpanse auszusehen“, bemerkte sie kühl, wobei sie Sorria überlegen musterte. „Lieber ein Schimpanse als 'ne Frau!“, schrie Sorria sie an. Wohl für sie die größere Beleidigung: die Weiblichkeit. „Nun, einfacher ist es, das stimmt. Wir Frauen müssen viel mehr unseren Grips benutzen, da bist du eindeutig im Nachteil. Männerflüstern ist eine Kunst, die dem weiblichen Geschlecht von Geburt an inne liegt, doch bei dir scheint die Natur es nicht gut gemeint zu haben, armes Kind“, sinnierte Narcy, während sie unbekümmert das Kraut pflückte, um dass ihre Beschwörungen sich zankten. „Natürlich kann ich Männerflüstern!“, behauptete Sorria. „Wart's nur ab! Ich werd's dir beweisen, alte Hexe! Ein Mann kann genauso Männerflüstern!“ Narcy ging nicht mehr auf sie ein, sondern legte das Kraut in ein kleines Täschen von dem Lucy glaubte, dass es verzaubert sei. Irgendein Trick sorgte dafür, dass der Inhalt nicht verdarb. „Ich muss sagen, Thalasy, deine Heimat ist eine Schatztruhe der Natur. Vielen Dank, dass du sie mir gezeigt hast.“ „Profitgier...“, murmelte Thalasy und es lag ein leichtes Misstrauen in ihren Augen. „Gelegenheitseinnahmen“, entgegnete Narcy. „Als Produzentrin bringe ich die Arzneien in Umlauf. Für wie viel die Händler sie handeln ist ihre Sache. Durch eine höhere Auswahl gibt es mehr Heilungschancen, also kein schlechter Kompromiss.“ Thalasy sah nicht überzeugt aus, aber sie schwieg. Sorria störte sich daran. „Ach, bei ihr sagst du nichts dagegen, dass sie Geld anhäufen will! Aber bei mir oder was? Das ist nicht fair!“ „Sehr... alte Augen...“, sagte Thalasy und sah Narcy an. Narcy lächelte geheimnisvoll und entließ ihre Äffchen. „Nun, da ihr angekommen seid, verrate uns bitte, wo es zu deinem Dorf geht.“ Thalasy ging schweigend an ihr vorbei, hinein ins Dickicht, gefolgt von ihren Kameraden. Sorria lief neben Lucy und betrachtete den Rücken ihrer Partnerin verwirrt. „Weiß du, was sie meint?“ Sie sprach ungewohnt leise. Lucy versuchte, Narcys Lächeln nachzuahmen. „Vielleicht. Immerhin ist sie die Mutter meines Mannes.“ Sorria blieb sprachlos stehen und sah den anderen Frauen nach. Flambre, stehts bemüht die Vegetation nicht zu sehr durch ihren großen Körper zu beschädigen, fragte sie, ob es ihr gut ginge, weil sie so blass sei. „Das glaubt doch keiner, dass das Natsus Mutter sein soll“, brachte diese in nicht überzeugendem Tonfall heraus. „Nun, doch, sie riechen sehr ähnlich“, entgegnete Flambre verwirrt. „Also ich habe das gleich gerochen. Du nicht?“ „Menschen können nicht so gut riechen“, murrte Sorria und setzte sich wieder in Bewegung. „Oh“, machte Flambre nur und schlich geduckt hinterher. Irgendwann erreichte die Gruppe einen fast zugewachsenen Trampelpfad, dem Thalasy folgte. Es dauerte nicht lange und die Bewaldung um sie herum wurde lichter. Kurz darauf erkannte Lucy, dass die Bäume Brandspruren aufwiesen, ein Stück weiter waren sie ganz verbrannt und Asche flog durch die Luft. Eine weitläufige Lichtung eröffnete sich der Gruppe, als diese das Ende des Pfades erreichte. Vereinzelt standen abgebrannte Steinhäuser, einige zum Teil verfallen, manche ließen sich nur noch durch schwarz verruste Fundamente erahnen. Ein Geruch nach Kohle und verbranntem Fleisch und Verwesung lag in der Luft. Letzteres kam von den traurigen, unkenntlich verbrannten Leichen, welche überall verstreut zwischen und in den Häusern lagen. „... Zuhause ...“, murmelte Thalasy und Lucy wurde das Herz schwer. Sie wusste, was Natsu ihr erzählt hatte: Das Thalasys Dorf von Räubern überfallen und die junge Frau entführt worden war. Die Ausmaße der menschlichen Grausamkeit, die sich hier zugetragen hatten, hatte sie nicht erahnen können. Wie musste Thalasy sich fühlen? Hierher zurückzukehren fiel ihr bestimmt nicht leicht. Trotzdem zeigte sich keine Regung in ihrem abgestumpften Blick. Armes Mädchen. „Oh, du meine Güte!“, rief Flambre entsetzt aus, als sie die Ruinen erblickte. „Nein, was für ein gräulicher Anblick! Also, soetwas ist nun wirklich nichts für mich.“ Sie rollte sich eng zusammen und verbarg ihren Kopf unter ihrem Flügel. „Wie zart besaitet“, stellte Narcy ironisch fest. „Deine Mutter hätte sich für dich geschämt. Frédriane war nicht zimperlich, sie hätte euch für ein solches Verschließen vor der Realität gescholten.“ „Oh, hört auf mich anzulügen!“, fauchte Flambre. „Ihr könnt meine Mutter nicht gekannt haben! Ihr Menschen lebt nicht lange genug!“ „Es gibt mehr Möglichkeiten für uns Menschen auf dieser Welt, als ihr euch auch nur erträumen könntet“, entgegnete Narcy mit einem gereizten Unterton in der Stimme und ging voran. „Eures mochte ein intelligentes und mächtiges Volk gewesen sein, doch es kam nie an den Erfinderreichtum der Menschen heran. Es musste nie erfinderisch werden, schließlich war ihresgleichen stark. Doch all ihre Stärke hat ihnen gegen Acnologia nichts genützt, denn er war einst ein Mensch und überlistete alle Drachen.“ „Genug!“, grollte Flambre. Lucy nahm vorsichtshalber Abstand. Sie sah es nicht als eine gute Idee an, einen Drachen wütend zu machen und sei er noch so friedfertig. „Ja, genug trifft es“, meinte Narcy schulternzuckend. „Genug dieser Reise. Thalasy, zeige uns bitte die Aurelliten, es wird Zeit, dass jeder wieder seinen eigenen Weg geht. Diese Gruppenkonstellation ist äußerst unpassend.“ Lucy gab ihr recht. Je eher sie das hier hinter sich brachten, desto schneller konnte sie die ganzen Streitereien hinter sich lassen und endlich zurück zu ihren Kindern! Sie vermisste ihre Kleinen so sehr, es zerriss ihr das Herz! Dabei war sie erst etwas mehr als einen Tag von ihnen getrennt. Sie würde sich ganz langsam wieder an ihr Leben als Abenteurerin gewöhnen müssen. Nur eintägige Kleinigkeiten. Thalasy nickte ebenfalls zustimmend. Nur eine winzig kleine Bewegung, doch sie drückte doch ganz gut ihre angegriffene Nerven aus. Sie ging zielstrebig durch die Ruinen, bis zu einem großen Platz, auf dem zwischen Steinwandtrümmern nur noch das Fundament eines großen Gebäudes zu erkennen war. „Dein Haus?“, wollte Sorria wissen. Thalasy nickte. „Ganz schön protzig“, grinste Sorria neckend. „Kleines Prinzesschen, was?“ „Priesterin...“, entgegnete Thalasy. „Dann war dies eine Art Kirche? Wem habt ihr gehuldigt?“, fragte Lucy interessiert. „Anchselam“, antwortete Thalasy. „...tausend Jahre... Prophetin...“ „Vor tausend Jahren kam eine Prophetin in ihr Dorf“, übersetzte Sorria. „...Kind... vergiftet... wiederbelebt...“ „Ein Kind, das an einer Vergiftung gestorben war, wurde durch sie wiederbelebt.“ „...großer Dank … Schrein ...“ „Aus großem Dankbarkeitsgefühl bauten sie ihr einen Schrein.“ „Und daraus entwickelte sich die Kirche?“, fragte Lucy. Thalasy nickte. Sie bewegte sich vorsichtig über den mit Asche, Staub und trockenen Blättern bedeckten Fußboden. „Und was wurde aus der Prophetin?“, wollte Flambre wissen. „Half ... Lebensweise … besser ...“ „Sie half die Lebensweise der Dorfbewohner zu verbessen, wodurch diese länger lebten.“ „Irgendwie logisch für eine Prophetin vom Gott des Lebens“, überlegte Lucy laut und ihr Blick huschte zu Narcy, die sie in Verdacht hatte, die so genannte Prophetin zu sein. Ihre Schwiegermutter blickte aus den Augenwinkeln zurück, hob die Augenbrauen und zuckte kaum merklich mit den Schultern, als wollte sie sagen, dass sie sich nicht mehr erinnern könnte, schon einmal hier gewesen zu sein. Nun ja, tausend Jahre waren eine lange Zeit. „Faszinierend, dass sich diese Religion so lange gehalten hat.“, bemerkte Lucy, während sie Thalasy zusah, wie sie sich in den Trümmern Orientierung suchte. Sie erhielt keine Antwort. Stattdessen blieb Thalasy an einer Stelle stehen und vor ihr schob sich eine Bodenplatte beiseite, als hätte sie nur auf die Rückkehr der Priesterin gewartet. Sie gab eine Treppe frei, die sich spiralförmig in die Erde wand. „Cool“, grinste Sorria. „Das sind Schalock-Runen, die reagieren auf eine bestimmte Magiewellenfrequenz.“ „In diesem Fall auf Thalasy. Interessant. Es muss einen sehr guten Runenschmied in diesem Dorf gegeben habe“, vermutete Narcy. „Sorria... noch lernen...“, meinte Thalasy und begann den Abstieg. Lucy glaubte, etwas Stolz in ihrer Stimme zu hören. „Ich hätte liebend gerne von ihm gelernt!“, stellte Sorria klar und folgte ihrer Freundin. „Schalock kannte meine Lehrerin auch nur aus Legenden.“ Lucy und Narcy kletterten ihr nach. „Und ich?“, rief Flambre den absteigenden Menschen hinterher. „Warte dort!“, befahl Sorria. „Immer nur warten“, schmollte Flambre und auch wenn sie flüsterte, verstanden ihre Freunde jeden Fluch auf ihre Größe, den sie vor sich hin zischte, Die Gruppe erreichte das Ende des Abstiegs. Lacryma an den Wänden erleuchteten den Weg, sobald Thalasy näher kam und gingen aus, wenn sie außer Reichweite war. „Das ist so genial!“, schwärmte Sorria und konnte kaum Schritt halten, weil sie versuchte, die Runen zu finden. Der Gang endete in einer kleinen Krypta. In ihr stand nur ein Altar und ein Kleiderständer, der über und über mit Schmuck aus meerblauen Steinen behangen war. „Wir sind reich!“, stieß Sorria aus und stürzte auf die Kostbarkeiten zu. „Das ist alles Aurellit! Dafür kriegen wir ein Vermögen!“ „Nein!“, sagte Thalasy ungewohnt bestimmt. Sorria zuckte verängstigt zusammen und sah ihre Partnerin unsicher an. „Zeremonieschmuck ist heilig. Einen. Für Juvia“, stellte sie klar. Sie wirkte ungewohnt wach und beeindruckend. „Okay“, sagte Sorria kleinlaut. Lucy lächelte milde. Sie verstand Thalasy. Diese Krypta und ihr Inhalt waren alles, was noch von ihrem früheren Leben übrig geblieben war. Ähnlich wie die letzten Geschenke ihres Vaters, die Lucy in Ehren hielt. „Du denkst wahrscheinlich, dass du das Dorf eines Tages wieder aufbauen kannst“, sagte Narcy plötzlich. „Dass du deine Religion verbreitest, die Menschen hierher lockst und wieder eine Priesterin sein kannst, unberührt von der bösen Außenwelt.“ Sie blätterte in einem Buch, das auf dem Altar gelegen hatte. „Wach auf.“ Sie ließ es auf den Boden fallen. Thalasy machte einen Hechtsprung, doch sie konnte es nicht vor dem Aufprall bewahren. Narcy trat drauf, noch bevor Thalasy danach greifen konnte. „Was tust du da?“, rief Lucy entsetzt. „Heilige... Schriften!“, stieß Thalasy hervor und versuchte, das Buch unter Narcys Füßen hervorzuziehen. „Unsinnige Phrasen“, schnaubte Narcy und das Buch ging in Flammen auf. Thalasy versuchte panisch, es zu löschen, doch sie verbrannte sich nur die Hände. Narcy wandte sich den Schmuck zu. Ein Stück nach dem anderen verschwand er in ihrer Tasche. „Diese Aurelliten können sinnvoller verwendet werden, anstatt für alle Ewigkeit in diesen Katakomben zu Schimmeln.“ Sie begegnete Thalasys hasserfüllten Blick. „Da stimmst du mit doch sicher zu? Diese Steine können Leben retten.“ „Sie sind Teil der heiligen Robe! Ich brauche sie für die Messe!“, rief Thalasy, stürzte sich auf Narcy und kämpfte wie eine Irre um den Schmuck. „Es wird keine Messer mehr geben!“ Dieser strenge Satz ließ Thalasy erstarren. „Es ist niemand mehr übrig, der deine Religion praktiziert. Deinen Gott, deine Prophetin, die kümmert es nicht, ob du ihnen huldigst, das bekommen sie nichteinmal mit. Es interessiert sie nur, dass möglichst wenig Leben vorzeitig beendet werden. Wenn du wirklich an den Gott des Lebens glaubst, dann gib diese Steine solchen, die sie nötiger haben als ein Dorf ohne Bewohner.“ „Ich werde es wieder aufbauen“, sagte Thalasy verbissen. „Und was dann?“, fragte Narcy. „Ein weiteres Leben in Isolation, voller Inzest? Wie viele von euch waren nicht miteinander verwandt? Wie viele Kinder kamen tot oder behindert zur Welt?“ Thalasy antwortete nicht. Ihr Rücken bebte, während sie verzweifelt versuchte, ihre Tränen wegzublinzeln. Narcy zog das zitternde Mädchen in ihre Arme und strich ihr beruhigend über den Rücken. „Es ist an der Zeit loszulassen.“ Wie auf Kommando begann Thalasy zu weinen. Sie schluchzte und schluchzte, während Narcy sie sanft im Arm wiegte. „Es wird eine Weile dauern und noch lange weh tun, doch eines Tages wirst du deine Vergangenheit hinter die lassen können.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)