Zwischen Alltagschaos und Liebesleben von ZerosWolf (Tausend Ideen in einer FanFiction) ================================================================================ Kapitel 37: Berichterstattung ----------------------------- Der späte Mai in diesem Jahr wurde warm und trocken, nachdem es zuvor wochenlang geregnet hatte. Der beständige Sonnenschein hob die Gemüter der Stadtbewohner Magnolias soweit, dass sie mit viel Elan ihre Stadt auf Hochglanz brachten. Jeder war fröhlich und freundlich, auch einer missmutigen Fremden gegenüber. Narcys Gesichtsausdruck sagte eindeutig „sprecht mich nicht an“ und doch ging ihr jeder auf die Nerven. War es zu viel verlangt, einfach nur in Ruhe gelassen zu werden? Die Frische der Waren interessierte sie nicht! Alles, was sie wollte, war ein ruhiges Plätzchen zum Schlafen, damit sie in der Nacht nicht ganz so müde war. Es war der Jahrestag, an dem sie einst alles verloren hatte. Dieser schreckliche Tag, an dem sie zusehen musste, wie man ihren Mann und ihren ältesten Sohn, noch ein kleines Kind von fünf Jahren, abschlachtete. Nachdenklich sah sie eben diesem Sohn dabei zu, wie er gerade fröhlich winkend auf sie zukam. Warum lebte er? Zuerst hatte sie an eine Fälschung geglaubt oder einen Zufall, einen Menschen, der nur so aussah wie ihr geliebter Sohn und ganz zufällig auch so hieß. Doch es war ihr Natsu. Das erste Kind, dem sie in ihren über tausend Lebensjahren das Leben geschenkt hatte. Sie war alt und wusste viel, einige Menschen hatten ihr die Bezeichnung Genie gegeben, doch das Rätsel seines Lebens vermochte sie nicht zu lösen. Nur Theorien, für die sie keine Bestätigung fand. Sicher hatte der große Bruder etwas damit zu tun. Nicht ihr Kind, aber das ihres verstorbenen Mannes, welches sie nach dem Tod der leiblichen Mutter aufgezogen hatte. Gerüchten zufolge lebte dieser ebenfalls noch immer. Zuletzt hörte sie von ihm als Herrscher eines großen Reiches an der Westküste ihres Heimatkontinents, doch viel Zeit verbachte er dort nicht. Jedes Mal, wenn sie versuchte ihn aufzusuchen, befand er sich auf Reisen, deren Routen seinen Untertanen unbekannt waren. Vielleicht rannte er auch vor ihr weg. Ihm musste klar sein, wenn sie ihn jemals in die Finger bekam, müsste er ihr viel erklären. Das er ordentlich Respekt für sie empfand, dafür hatte sie von Anfang an gesorgt. „Hallo, Mutter“, grinste Natsu. Irgendetwas war anders an ihm, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Irgendwie wirkte er entspannter und nicht mehr ganz so überdreht. Sie kannte diesen Gemütswechsel von seinem Vater. Es bedeutete, dass er seine sexuellen Bedürfnisse hatte befriedigen können. Schön für ihn, dachte Narcy sich, wurde auch Zeit, dass seine Frau aufhörte so selbstsüchtig zu sein. Die modernen Frauen nahmen kaum noch Rücksicht auf die Bedürfnisse ihrer Männer. Gleichsam nahmen diese sich ihren Partnerinnen gegenüber auch zurück. Dann noch diese ständige Rücksichnahme auf ihre Umgebung und dem Schamgefühl diesem Thema gegenüber. Es wunderte Narcy nicht, dass es bei diesen ganzen Kriterien in vielen Ehen kaum noch zum Geschlechtsverkehr kam und die Familiengrößen schrumpften. Vielleicht waren ihre Ansichten auch veraltet. Sie wurde in eine wildere, zügellosere Zeit hineingeboren, in der Sex kein Tabuthema war, es den Eltern egal war, ob ihre Kinder oder die Nachbarn mitbekamen, dass sie sich liebten. „Kommst du mit uns essen?“, fragte Natsu und deutete mit dem Daumen hinter sich, dorthin, wo ihre Schwiegertochter mit dem Exceed – die Existenz dieser katzenhaften Art war auch für sie etwas neues gewesen – namens Happy und ihren Enkelkindern saß. Ihre süßen kleinen Enkelkinder. Narcy ging jedes Mal das Herz auf, wenn sie die beiden sah. Sie waren so wunderschöne Wonneproppen, ein Blick von ihnen und Narcy hätte bereitwillig ja gesagt. Diese Gefühle waren gefährlich. Sie lief wieder Gefahr, sich in ihrem Wunsch nach Familie zu verlieren. Noch einen solchen Zusammenbruch wie damals könnte sie niemals überstehen. Ihre jährlichen Gespräche mit Tsuyas Geist waren ihr einziger Trost. Zum Glück konnte sie ihre Enkel in dem Kinderwagen nicht sehen. „Nein“, lehnte sie entschieden ab, „ich habe keinen Appetit. Ich bevorzugte ein Bett.“ „Dann geh zu uns nach Hause“, schlug Natsu vor. „Wir haben das noch freie Kinderzimmer als Gästezimmer eingerichtet. Der Kühlschrank ist auch gut gefüllt, nimm dir was, wenn du Hunger bekommst.“ Das war ein Angebot, dass Narcy nicht abzulehnen vermochte. Es war praktisch, niemand würde sie stören und sie müsste nichts bezahlen. Wobei letzterer Punkt uninteressant war, sie besaß mehr Geld als sie in den nächsten einhundert Jahren ausgeben könnte, dank des Liebesapfelbaums auf ihrem Hof. Narcy nahm den Hausschlüssel von ihrem Sohn entgegen, verabschiedete sich und machte sich auf den Weg. Sie liebte ihren Sohn. Sie liebtes jedes ihrer Kinder, doch sie konnte es ihnen nicht zeigen. Noch frisch war die Erinnerung an den Tod Shiyas, ihrem zweiten Sohn. Das Loch, welches sein Verlust in ihre Seele gerissen hatte, schmerzte noch immer. Natsus Leben war für Narcy einerseits tröstlich, andererseits tat es weh, ihn zu sehen. Abgesehen von Augen und Haaren war er das Ebenbild seines Vaters. Das gleiche Gesicht, der gleiche Mund, das gleiche Lächeln, mit dem Tsuya sie einst um den Finger wickelte. Wie sehr sie ihn vermisste! Ein Jahr war viel zu lang. Noch eine Eigenart von Vater und Sohn war die, dass sie alles lieber selbst in die Hand nahmen, anstatt sie geschulten Personen zu überlassen. So wie den Hausbau, wie Narcy beim Anblick von Natsus zusammengewürfelten Haus schmunzelt feststellte. Der Originalbau war krumm und schief, aber stabil, der neue Anbau passte mit seinen geraden Formen nicht ins Bild. Natsu hatte aus seinen alten Fehlern gelernt. In diesem Punkt unterschied er sich von seinem Vater, denn dieser hatte nie einfach drauflos gearbeitet, sondern erst einen Plan gemacht. Woher Natsu seinen Hitzkopf, den er mit seiner kleinen Schwester teilte, hatte, konnte Narcy sich nicht erklären. Seine ungestühme Art hatte sie schon einige Nerven beraubt, dachte sie, lächelnd in Erinnerungen an seine Kindheit schwelgend, während sie das Gästezimmer aufsuchte und es sich in dem weichen Bett gemütlich machte. Familie war doch das schönste. Spät am Abend stieß Narcy zu ihrer Familie, die sich im Wohnzimmer versammelt hatte und Karten spielte. „Gut geschlafen?“, grüßte Natsu. Der Exceed nutzte seine Abgelenktheit, um ihm in die Karten zu spicken. Selbst Schuld, fand Narcy und sagte nichts davon. „Scheint so“, entgegnete sie auf die Frage und trat näher. Sie kam nicht an ihren Enkeln vorbei, ohne einen Blick auf sie zu werfen. Sie schliefen wie die Engel. Narcy wollte sie halten, sie küssen und knuddeln und verwöhnen und Kleidung für sie machen und sie in Magie unterrichten und noch all die anderen schönen Dinge tun, die man als Großmutter nunmal machte. Sie musste sich zusammenreißen! Ein Glück beherrschte sie ein unnachgiebiges Pokerface. In harter Arbeit antrainiert. Ohne ihre innere Rührung zu zeigen trat sie an den Tisch. „Möchtest du etwas essen? Ich kann das Abendessen nochmal aufwärmen“, bot Lucy an. Sie war so ein liebes, kluges Mädchen, trotz ihres lauten Temperaments. Eine dieser Chancebegegnungen, die ihr Sohn kein zweites Mal im Leben gemacht hätte. Narcy wäre schwer enttäuscht gewesen, wenn er sie verspielt hätte. Der Grund, warum sie nachgeholfen hatte. „Es liegt mir fern dieses Angebot abzulehnen“, entgegnete Narcy, die der Hunger aus dem Bett getrieben hatte. Sie blickte sich nach einer Uhr um. Halb zehn, in einer Stünde müssten sie los zum Friedhof. „Spielst du dann bitte für mich weiter?“ Narcy bekam Lucys Karten in die Hand gedrückt. „Wir sind gerade am gewinnen!“ „Das wollen wir doch erstmal sehen!“, rief Natsu und machte seinen Zug. „Natürlich gewinnen wir“, sagte Narcy und nahm Lucys angewärmten Platz ein. Kartenspiele galten im allgemeinen als Glücksspiel, dabei spielte Intelligenz eine viel größere Rolle als Glück, da es am Spieler lag, wie er das gegebene Glück nutzte. Und Intelligenz besaßen Narcy mehr als genug. Sie war sich nur nicht sicher, ob diese von der Natur gegeben oder durch Malattas Einfluss entstanden war. Sie hatte aufgegeben zu ergründen, welche ihre natürlichen und welche die gottgegebenen Gaben waren. „Gewonnen“, stellte sie trocken fest, als sie ihre letzte Karte auf den Tisch legte. Zum fünften Mal in Folge, beendete sie das Spiel. Natsu stieß einen frustrierten Laut aus und beschwerte sich, dass seine Mutter schummelte. „Alles eine Frage der Taktik“, entgegnete diese gelassen und aß noch etwas von Lucys aufgewärmten Curry-Reis. Es fehlte ein bisschen Salz und etwas Golrawurzel würde das ganze abrunden, aber es schmeckte trotzdem gut für die Küche einer jungen Hausfrau. Lucy würde noch viele Jahren Zeit haben, ihre Künste zu verbessern. „Nächste Runde hätte ich dicht gemacht“, seufzte Lucy enttäuscht und sammelte die Karten ein. Es war Zeit, sie mussten los. Narcy erhob sich und griff ihren Umhang. Dieses Jahr würde sie keine Sekunde ihrer Zeit ungenutzt lassen. Im letzten Jahr hatte sie kaum ein Wort mit ihrem Mann sprechen können. Eine Unannehmlichkeit, die sie ihrem Sohn und seinen Freunden noch immer übel nahm. Es missfiel ihr, dass sie dieses Jahr wieder nicht alleine mit ihm sein konnte, aber so war die Abmachung: jedes zweite Jahre durften ihre Kinder ihren Vater auch treffen. Natsu und seine Familie sollten in diesem Jahr das erste Mal dabei sein. Er sah freudig aufgeregt aus, als er die Haustür öffnete. Der Lichtschein des Raumes fiel auf einen dichten Schleiher aus dicken Regentropfen. „Oh nein“, seufzte Lucy enttäuscht. „So was dummes. Ich kann doch mit den Kindern nicht in den Regen raus.“ Innerlich johlte Narcy. Ein Störenfried weniger! Mehr Ruhe und vielleicht mehr Zeit nur für sie und und ihren Liebsten! Aber sie musste an dessen Recht denken, seine Enkelkinder kennenzulernen. Er könnte es ihr übel nehmen, wenn sie nicht mit offenen Karten spielte, denn Natsu erzählte ihm mit Sicherheit von seiner Familie. Also musste Narcy in den sauren Apfel beißen. „Kein Problem“, sagte sie, ohne jede emotionale Regung. Sie erstellte einen Magischen Schild und trat in den Regen hinaus. Der Regen perlte an der Energiehülle ab. „Den Trick muss ich lernen“, rief Happy, der unter dem Schutz seine Kreise um Narcy flog. „Er ist äußerst praktisch“, stimmte Narcy zu, „und nicht schwer. Ledigleich eine Formgebung der magischen Energie, nur eine andere Form deiner Flügel oder Natsus Feuers.“ „Kannst du den denn die ganze Zeit aufrecht erhalten?“, zweifelte Lucy. Narcy sah sie an und weigerte sich, eine Antwort zu geben. Sie hatte bereits erwähnt, dass sie ein sehr großes Magievolumen hatte. Wozu also die blöde Frage? Manchmal stellte dieses kluge Kind unheimlich dumme Fragen. „Schon gut“, murmelte Lucy, scheinbar eingeschüchtert. Narcy plante nie, böse zu gucken, aber die anderen fassten ihren grüblerischen Blick es so auf und knickten häufig ein. Als Kind hatte sie das gestört, nun fand sie es praktisch, da es ihr die Menschen vom Hals hielt. Narcy genoss die Ruhe der Nacht, die Einsamkeit des Friedhofs, die Stille der Toten. Ihre Familie war nicht leise.Wie konnten sie es hinkriegen, wirklich die ganze Zeit zu reden? Wurden sie nicht irgendwann mal heiser? Gingen ihnen nie die Gesprächsthemen aus? Konnten sie nicht den Toten gegenüber Respekt zeigen, wie es in der modernen Gesellschaft üblich war? Auf dem Weg reaktivierte Narcy ihre Sicherheitsvorkehrungen. Auch wenn Natsu und seine Freunde diese im letzten Jahr durchbrochen hatten, so funktionierten sie doch seit Jahrhunderten gegen das gewöhnliche Volk. Narya erwartete ihre Familie schon ungeduldig. Die Ansammlung von Müll und Decken neben ihr erweckte den Eindruck, dass sie auf dem Grab ihres Vaters kampiert hatte. „Hast du dich schon wieder im Tag versehen?“, wollte Narcy wissen. Sie gab sich Mühe, sich nicht ihren Ärger über die Unzuverlässigkeit ihrer Tochter anmerken zu lassen, deren verlegenes Lachen ihren Verdacht bestätigte, auch wenn sie keine Antwort bekam. „Ich bin lieber zu früh da, als zu spät“, behauptete Narya. Ihre Mutter seufzte, kannte sie doch den wahren Grund für die ständige zeitliche Verwirrung. Narya richtete sich nicht nach Uhren oder Kalendern, nur nach ihrem inneren Gefühl. Sie merkte, dass ihr Zeitgefühl abwich, doch erinnerte sie sich nicht mehr wieso. Ein Zeitloch, jenes Phänomen welches Malatta zu beseitigen wünschte, hatte Narcy und ihre Familie um fast genau dreihundert Jahre in die Zukunft versetzt. Ein Tag fehlte zur Abrundung, jener welcher Naryas Zeitgefühl aus dem Takt brachte. Es war nicht zu ändern und Narya musste es nicht wissen. Es war nicht relevant für ihr Leben. Mit einem unterdrückten Lächeln beobachtete Narca, wie die Geschwister sich überschwänglich begrüßten. Wenigstens verstanden sie sich. Zwischen Narya und ihrer Schwägerin blieb immer eine kühle Distanz, seit Narya ihre Meinung über Kinder das Muttersein kund getan hatte. Der Vorschlag, die Zwillinge zur Adoption freizugeben damit sie ihnen nicht im Weg seien, war empört aufgenommen worden und wog schwer zwischen den beiden. Narcy schüttelte den Kopf. Genug! Sie musste aufhören, so viel zu denken. Die Turmuhr der Kathedrale signalisierte, dass die Stunde der Familienvereinigung gekommen war. Roax, dessen Vertrag sie allein Malatta verdankte, erfüllte seinen Auftrag wie immer, ohne jegliche Regung oder Änderung seiner Routine. Manchmal fragte sich Narcy, ob er überhaupt selbstständig denken konnte. Doch das war jetzt egal. Tsuya, ihr Mann, der einzige Mensch den sie je zu lieben gewagt hatte, erschien vor ihr. „Hallo, Narcy“, grinste er, bevor er einen Blick in die Runde warf, „Sieht so aus, als wäre unsere Runde größer geworden.“ „Die Fortsetzung vom letzten Jahr“, grinste Natsu und nahm von Lucy seine friedlich schlafende Tochter entgegen. „Oh, das erste Kind!“, rief Tsuya entzückt. Er liebte Kinder. Sicher wünschte er sich, er könnte sie spüren. Halten ginge, doch spüren konnte nur ein Körper den er nicht besaß. „Eigentlich das zweite“, korrigierte Lucy und nahm Nuka auf. „Ihr großer Bruder kam zuerst.“ „Zwillinge!“, stellte Tsuya lachend fest. „Ich habe schon gehört, dass ihr immer zu Übertreibungen neigt.“ „Was hast du ihm erzählt, Mutter?“, fragte Natsu skeptisch. „Nichts als die Wahrheit“, antwortete Narcy gelassen. „Wir Dragneels sind halt so“, grinste Narya. „Shiya hat sich schließlich auch immer alles übertrieben kompliziert gemacht.“ „Und damit den Fortschritt in der Fahrzeugbranche weit vorangebracht“, merkte Narcy an. „Und Natsu hat schon viel Unheil von eurer Welt abgewandt“, fügte Tsuya hinzu. „Keine falsche Bescheidenheit, im Jenseits seit ihr berühmt und berüchtigt.“ Er wandte seinen Blick seiner Schwiegertochter zu. „Ich nehme an, du bist Lucy? Du musst es sein, nur auf dich passt die Beschreibung 'Blonde Stellargeistmagierin mit einem Körper, für den manche Frauen gemordet hätten'. Du hast dich nach der Zwillingsschwangerschaft gut gehalten, Hut ab.“ Lucy errötete und Natsu lachte. „Ich finde, sie ist noch sexier geworden.“ „Jetzt hör aber auf!“, rief Lucy verlegen und verpasste ihm einen Schlag auf den Hinterkopf. „Ach ja, dein schlagkräftiges Temperament war auch erwähnt worden“, lachte Tsuya und Lucy schien vor Scham im Boden versinken zu wollen. „Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen“, merkte Narcy kühl an. „Es gibt Dinge, die sagt man nicht so frei heraus.“ „Aber wir sind hier doch in der Familie“, protestierte Narya. „Lass ihnen doch den Spaß“, meitne Tsuya. Seufzend gab Narcy nach. Sie wollte in der kurzen Zeit keinen Streit vom Zaun brechen, egal wie sehr sie die Disziplinlosigkeit ihrer Kinder störte. Narya hatte sie selbst zu verschulden, aber Natsu ging auf Igneels konnte. Wenn der Drache noch lebte, sie würde ihm ordentlich die Meinung geigen. „Hey, Vater, wusstest du schon, dass Mutter letztes Jahr mehrere Wochen eingefroren war?“, began Narya ihren Bericht der Dinge, wie sie seit ihrem letzten Treffen abgelaufen waren. Zusammenhangslos und zeitlich inkorrekt wurden Anekdoten aus dem letzten Jahr preisgegeben. Tsuya fragte neugierig nach weiteren Details, wollte mehr über Natsus Freunde und seine Abenteuer erfahren und die Familie erzählte bereitwillig. „Ihr habt so viel Spaß, so aufregende Leben, ich werde richtig neidisch“, seufzte Tsuya, als ihre Stunde sich dem Ende näherte. Er schwieg einen Augenblick, doch dann sah er seine Frau direkt an. „Narcy, ich möchte wiedergeboren werden.“ Narcy fühlte sich, wie in Eiswasser getaucht. Wiedergeboren werden? Ein neues Leben beginngen? Ein neuer Mensch werden, ohne seine Erinnerungen? Ohne sie? Was hatte sie falsch gemacht? „Bitte, schau nicht so“, er legte ihr seine kalte Geisterhand auf die Wange. „Ich kann das hier nicht mehr, von euch getrennt sein. Allein in der Ewigkeit zu warten, die anderen Seelen kommen und gehen sehen. Versteh doch, ich bin sehr einsam.“ Narcy spürte einen Kloß im Hals, als sie sprach: „Ich bin auch einsam, ohne dich.“ „Du hast Narya und Natsu, Lucy und unsere Enkel“, erinnerte Tsuya sie. „Aber nicht dich“, erwiderte Narcy trotzig. „Daran ändern auch unsere jährlichen Treffen nichts“, seufzte Tsuya. „Es wird Zeit, loszulassen.“ Narcy blinzelte ihre Tränen weg. Sie wollte vor anderen nicht schwach erscheinen, nichteinmal vor ihrer eigenen Familie. Nur vor Tsuya. „Du brauchst diese Treffen nicht mehr, du bist stark genug geworden“, behauptete Tsuya. „Außerdem, wer weiß schon was kommt? Du hast die Ewigkeit, wir finden uns bestimmt wieder.“ Narcy konnte ein schwaches Lächeln bei dem Gedanken nicht unterdrücken. Sie stellte sich vor, wie sie nach Jahrhunderten ein zweiter Tsuya über den Weg lief. „Na also“, grinste Tsuya. Narya wagte nichts zu antworten. Es schmerzte, doch es war sein Wunsch. Ihr Egoismus hatte ihn schon viel zu lange in der Zwischenwelt festgehalten. Sie verstand seinen Wunsch, doch es tat weh. Roax Aufschrei zeitgleich mit dem ersten Glockenschlag des Mitternachtsgeläuts verhinderte jegliche Diskussion. Fast panisch sah Narcy zu ihrem Mann auf, doch er grinste sie zuverlässig an. „Ich werde ich finden! Ich verspreche es!“, rief er noch, bevor sein Geist zwischen den Schwingen Roax' verschwand, welcher gemeinsam mit dem Geist diese Welt verließ. „Lügner“, flüsterte Narcy tränenerstickt. „Warum?“, wollte Lucy wissen, erinnerte ihre Schwiegermutter an die Anwesenheit ihrer Familie. Narcy fasste sich, bevor sie antwortete: „Er wird sich nicht mehr erinnern. Niemand erinnert sich an seine vorigen Leben. Das ist Gesetz.“ „Aber es gibt doch Berichte von Menschen die behaupten, sie würden sich aus einem früheren Leben kennen“, versuchte Lucy sie aufzuheitern. „Unfug“, sagte Narcy bestimmt. Sie blickte zum Himmel, sah den Regentropfen zu, die von ihrem Schutz abperlten. Wenn sie ihn löste, der Regen könnte ihre Tränen verbergen. Sie ließ zu, dass Lucy ihr tröstend die Hände auf die Schultern legte, während ihr selbst stumme Tränen über die Wangen rollten. Sie würde den wichtigsten Menschen in ihrem Leben nie mehr wiedersehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)