Zwischen Alltagschaos und Liebesleben von ZerosWolf (Tausend Ideen in einer FanFiction) ================================================================================ Kapitel 21: Blutsbande ---------------------- Narcy hielt Natsu den Griff eines sehr scharfen Küchenmessers entgegen. „Schneide dir die Pulsadern auf“, wiederholte sie, als würde sie nicht gerade von ihrem eigenen Sohn verlangen, sich mit einem Bein ins Grab zu stellen. „Soll ich mich umbringen? Hasst du mich so sehr?!“, rief Natsu geschockt. Narcy stöhnte genervt, packte Natsus rechte Hand und drückte das Messer hinein. „Ich brauche dein Blut für das Gegenmittel.“ Sie holte eine Schale auf dem Küchentisch näher heran und deutete auf eine Markierung am Rand. „Mache sie bis dorthin voll. Danach werde ich dich verarzten.“ Natsu starrte zögernd auf das scharfe Messer in seiner Hand. Narcy hatte sichtlich keine Lust auf eine Diskussion, entwand dem unvorbereiteten jungen Mann das Messer, zog sein linkes Handgelenk über die Schale und schnitt schneller einen tiefen Schnitt in Natsus Fleisch, als dieser realisieren konnte was überhaupt passierte. „Stillhalten!“, fuhr sie ihn an, bevor er seinen Arm zurückziehen konnte, während sein Blut begann aus der Wunde zu sprudeln. „So eine Anstellerei“, tadelte ihn Narcy. „Dein Vater stellte sich nie so an, nicht einmal beim ersten Mal! Wenn er sich so geziert hätte, gäbe es dich nicht.“ Sie achtete sehr genau darauf, dass kein Tropfen daneben ging. „Vater musste das auch machen?“, fragte Natsu überrascht. „Ja sicher, er war schließlich auch ein Dragon Slayer. Igneel drängte ihn mir einst auf, als ich um einen Vertrag bat. Für einen Drachenvertrag tue ich fast alles.“ Sie unterbrach ihren Redefluss, griff ein Band vom Tisch und band Natsus Unterarm ab, bevor sie begann, einen Druckverband anzulegen. „Es war Vertragsbedingung, dass ich mich um ihn kümmere, damit er unter den Menschen keine Schwierigkeiten bekommt. Ich hätte damals nie erwartet, dass diese kleine Klette mir mal etwas bedeuten würde, geschweige denn, dass er mir nach zwölf Jahrhunderten die Unschuld raubte.“ Sie nahm die Schale warmen Blutes und brachte sie zum Herd, wo bereits ein Sud aus verschiedenen Kräutern brodelte. Langsam gab sie es unter Rühren der Brühe zu. Lucy wurde schlecht von dem Gestank, der nun vom Topf aufstieg. Sie hatte der Herstellung beiwohnen wollen, um es eventuell nachzumachen, aber Natsus Mutter hatte keine Geduld, um es ihr beizubringen. Narcy legte den Deckel auf den Topf und band ihn mit einem Küchentuch fest. „Das muss jetzt eine Stunde kochen. Lasst uns hinaus gehen, sonst können wir die nächsten Tage nicht riechen.“ Sanft drängte sie Natsu und Lucy aus der Küche und raus aus dem Haus in den Hof. Narya saß hier an einer Sitzgruppe aus Holz unter dem Liebesapfelbaum und begutachtete die Auftragszettel, die sie von Mirajane bekommen hatte. Natsus Geburtshaus hatte sich anders herausgestellt, als Lucy es sich vorgestellt hatte. Ein kleiner Bauernhof auf der Spitze eines Berges, zu dem eine schmale Straße entlang einer Klippe an Nord und Westseite des Berges hinaufführte. Am Südhang hatte die Familie eine Apfelplantage angepflanzt, deren Früchte golden in der frühen Oktobersonne leuchteten. Es hatte Lucy überrascht, dass sie vom Osthang einen wundervollen Ausblick auf Magnolia hatte. Sie hatte nicht erwartet, dass Natsus Familie aus der Nähe stammen könnte. „Ich verliebte mich in diesen Ausblick, also baute Tsuya unser Haus hier“, hatte Narya erzählt. Lucy betrachtete das windschiefe Haus. Das letzte Jahrhundert hatte dem Holzgebilde stark zugesetzt: Die Fensterläden, sofern vorhanden, hingen schief und ließen sich nicht mehr schließen, die Haustür klemmte, das Dach leckte und es zog im ganzen Haus. „Wir sind kaum hier“, antwortete Narcy desinteressiert, als Lucy sie darauf ansprach. „Ich werde immer melancholisch. So ungern ich es zugeben mag, ich habe Schwierigkeiten mit diesem Teil meines Lebens abzuschließen.“ „Musst du doch auch gar nicht!“, meinte Narya entrüstet. „Mich wirst du so schnell nicht los. Und Catty auch nicht!“ „Ob Cattleya unseren Weg einschlägt ist noch nicht entschieden.“, entgegnete Narcy. „Und du, Fräulein, hast dir den Zauber ohne meine Einwilligung angeeignet.“ „Du hast einfach mein Gedächtnis unterschätzt“, grinste Narya und tippte sich gegen den Kopf. „Der Fehler passiert mir auch nicht wieder“, murrte Narcy und ging zur Scheune, die im Gegensatz zum ehemaligen Stall noch stand, während Natsu und Lucy sich zu Narya setzten. Diese streckte ihrer Mutter die Zunge hinterher. „Mutter sollte froh sein, dass ich mich dazu entschieden habe, die Ewigkeit mit ihr zu verbringen“, schnaubte sie. „Es hält ja sonst keiner mit ihr aus.“ „Warum hast du dich dafür entschieden?“, wollte Lucy wissen. Unsterblichkeit war für sie keine angenehme Vorstellung. All ihre Freunde sterben sehen und alleine zurückbleiben? Nein, dass konnte sie nicht. Narya sah unangenehm berührt zur Seite. „Mutter hat mich nie geliebt und wenn doch, hatse's nie gezeigt. Shiya hat mir immer erzählt, dass sie mal anders war, liebevoll, aber das hat Vaters Tod und Natsus Verschwinden wohl zerstört. Als ich älter wurde, begriff ich, dass Mutter die Verluste nicht erträgt und sich deswegen von uns distanziert. Ich hatte gehofft, dass sich das ändert, wenn ich für immer an ihrer Seite bleiben könnte. Also beobachtete ich sie, guckte mir den Unsterblichkeitszauber ab und hab ihn eingesetzt.“ „Und dann ist es besser geworden?“, fragte Lucy vorsichtig. „Kein Stück!“, grinste Narya. „Mutter ist ausgeflippt! Der Wutausbruch gestern war nichts dagegen. Sie hat sich dreißig Jahre geweigert mit mir zu sprechen. Aber ich bin hartnäckig, irgendwann krieg ich sie schon dazu, mich zu akzeptieren. Und wenn's noch Jahrhunderte dauert!“ Die bekam eine leichte Kopfnuss mit dem Handrücken von Narcy, die sich von ihrer Tochter unbemerkt wieder zu der Gruppe gesellt hatte. „Was redest du da?“, seufzte sie und stellte einen Teller mit Apfelspalten auf den Tisch. „Ich habe mein bestes gegeben um mich unbeliebt zu machen, damit keiner von euch auf die Idee käme, meinen Lebensweg einzuschlagen. Ich wünsche mir für meine Kinder, dass sie Partner finden und ein glückliches Leben führen bis zu einem natürlich Tod. Mein Lebensweg ist beschissen.“ „Aber ich bin glücklich“, widersprach Narya. „Was gibt’s cooleres, als eine der wichtigsten Rollen in der Welt zu haben? Außerdem kannst du unmöglich die gesamte überschüssige Lebensenergie alleine leben. Nimm doch einfach meine Hilfe an! Um mich wirst du jedenfalls niemals trauern müssen“, fügte sie beleidigt hinzu und stopfte sich ein Apfelstück in den Mund. Narcys Miene blieb stoisch, aber das kannte Lucy von Natsu. Es war ihre Methode Gefühle zu verbergen, die ihnen unangenehm oder peinlich waren. Noch durfte Lucy sich nicht Mutter nennen, aber sie war sich sicher, dass eine Mutter ihr Kind unmöglich nicht lieben oder nicht akzeptieren konnte. „Außerdem hätte ich nie Bruder Natsu kennengelernt, wenn ich nicht unsterblich geworden wäre.“ Die Geschwister grinsten sich an und Narcy schüttelte seufzend den Kopf. Es war beneidenswert, wie simpel die Geschwister die Dinge einfach hinnahmen. „Ich hoffe sehr, dass keinem eurer Nachkommen die Idee kommt, meinen Weg einzuschlagen“, murmelte ihre Mutter. „Das wird sich zeigen“, meinte Lucy unsicher. Niemand konnte jetzt schon erahnen, wie viele Kinder mit welchen Persönlichkeiten sie noch mit Natsu bekommen würde. Er hatte sie erst in der Nacht zuvor daran erinnert, dass er sich ganz viele Kinder wünschte. Dank Narcys Trank stand dem nun nichts mehr im Weg. „Eines wird auf jeden Fall ein Wildfang“, stöhnte sie, als eines ihrer Kinder mal wieder um sich trat. Sie streichelte sich beruhigend über den Bauch. Es würde ein Haufen Arbeit werden, allein diese Beiden zu erziehen. „Wie wir jetzt wissen, kommt das aus Mutters Linie“, lachte Natsu und zog Lucy an sich. „Genaugenommen entstammt es der Linie meines Vaters“, fügte Narcy hinzu. „Er prügelte mich einst fast zu Tode. Hätte meine Mutter nicht vorgeschlagen mich zu verkaufen, ich wäre gestorben, bevor Malattas großer Plan in Kraft trat.“ „Du wurdest verkauft?“, platzte es Natsu schockiert heraus. Seine Mutter machte eine beschwichtigende Geste. „Das war noch vor dreihundert Jahren weltweit ganz normal. Ein Kind, das keinen Nutzen im Heimbetrieb hatte, wurde verkauft, sofern es in irgendeinem Gewerbe gewollt wurde. Die meisten Mädchen endeten in Freudenhäusern. Die Jungen, die viel seltener verkauft wurden, fanden meist adlige Abnehmer. Mich reizte nie was Wissen darüber, was man diesen antat. Die Gerüchteküche brodelte immer.“ Lucy Phantasie spann diverse Bilder über die Schicksale der Jungen und sie musste kräftig den Kopf schütteln, um ihn wieder frei zu bekommen. Sie war doch nicht Juvia! „Man verkaufte mich an ein Kloster, dass das Leben magiebegabter Kinder an den höchstbietenden versteigerte“, fuhr Narcy fort. „Für die stellte ich einen Leckerbissen dar, da ich mit zu viel Magie geboren wurde, was ich Malatta verdanke.“ Sie hob beide Handgelenke, an denen schmale Goldreifen angebracht waren, passend zum Halsreif. „Das sind Begrenzer, die er mir gab, damit die Energie mich nicht umbringt. Fünf Stück insgesamt, meine Magie ist in sechs Portionen geteilt. Ist eine Portion aufgebraucht, wird die nächste freigegeben. Solange, bis alles genutzt wurde. Aber das ist mir bisher nur wenige Male passiert. Das letzte Mal, als ich Marvia mehrere Jahre eine Menschengestalt gab.“ „Aus welchem Land kommst du eigentlich?“, wollte Natsu vollkommen unpassend wissen. „Aus dem Reich Tresvasta auf dem westlichen Kontinent. Heute liegt dort das Land Svaban.“ Narcy beschwor wieder den Fliegenschwarm, der eine Weltkugel bildete und einen Flecken an der Nordküste des westlich gelegenen Kontinents besonders hervorhob. „Die Welt änderte sich sehr in den letzten tausend Jahren. Die Menschen erweichten und es entwickelte sich Sittsamkeit. Der Menschenhandel ist noch existent, aber er wird immer weniger. Selbst in Ländern wie Bosco erheben sich die Geknechteten für ihr Recht. Bald wird es eine freie Welt sein. Allerdings bald aus meiner Sicht. Ich kann nicht versprechen, dass ihr es noch miterleben werdet.“ „Wahrscheinlich nicht, wenn du die Sache nicht beschleunigst“, meinte Narya. Sie hatte die Aufträge in drei Stapel unterteilt und Steine draufgelegt, damit der Wind sie nicht durcheinander brachte. „Es ist nicht so leicht eine Regierung zu infiltrieren, wie du denkst. Und dann sind da noch diejenigen, die meine Aufgabe erschweren...“, erklärte Narcy. „Unsere Aufgabe“, berichtigte Narya. „Bald auch Cattys Aufgabe.“ „Narya...!“, begann ihre Mutter mahnend, doch die Tochter winkte ab. „Ich werde ihr den letzten Vers nicht verraten, bevor sie sich nicht 100 % sicher ist.“, sagte sie und wandte sich an Natsu und Lucy. „Wisst ihr, Catty weiß gerade noch nicht so ganz, wasse machen will. Sie möchte Mutter und mich unterstützen, sie ist fast wie ein Fangirl, aber sie ist auch die einzige in der Familie, die sich für Shiyas Handwerk interessiert, weswegen sie den Betrieb von ihm geerbt hat. Wenn sie die Firma nicht weiterführt, geht sie an einen Anteilseigner, der sich kein Stück um das Handwerk, geschweige denn die Mitarbeiter schert. Ihn interessiert nur das Geld, das die Firma abwirft und am liebsten würde er die Qualität so weit senken, dass die Ware nur wenige Monate halten würde. Alles nur wegen dem Geld.“ „Was stellt die Firma denn her?“, fragte Lucy neugierig. „Kutschen und magische Vierräder“, erklärte Narya neckisch grinsend und Natsu wurde blass. „Wird dir schon wieder nur von dem Gedanken übel?“, stellte Lucy genervt fest. „Reiß dich mal zusammen! Du kannst doch vor deinen Kindern nicht so eine armselige Figur abgeben!“ Narcy lachte herzaft. „Natsu mochte Transportmittel noch nie, auch wenn er früher nicht unter Reisekrankheit litt. Shiya hingegen war sein Leben lang von den Fortbewegungsmethoden fasziniert. Er fing früh eine Lehre an und arbeitete sich schnell die Hierachie hoch. Bereits mit zwanzig Jahren gründete er seine eigene Firma, die heute zu den obersten fünf des Marktes gehört.“ Stolz schwang in ihrer Stimme mit. An Lucys Seite wurde es heiß. Natsus Wettbewerbsdenken machte wohl auch vor seinem kleinen Bruder nicht halt. „Man kann euch drei natürlich nicht einmal im Ansatz vergleichen.“, fuhr Narcy fort und Lucy hatte das ungute Gefühl, sie würde Salz in die Wunde schütten. „Shiya war einfach der Klügste und Zielstrebigste von euch. Er wusste schon immer genau was er wollte und hat darauf hin gearbeitet. Narya hingegen macht einfach nur was ihr Spaß macht, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Sie hat zwar ein super Gedächtnis, aber das nutzt sie nur für Schabernack.“ „Gar nicht wahr“, protestierte Natsus Schwester, doch Narcy brachte sie nur mit einer Geste zum Schweigen. „Natsu ist eine angenehme, wenn auch recht extrovertierte Mischung aus beidem“, lächelte sie sanft. „Auch sein Kopf steckt voller Unfug, aber wenn er ein Ziel hat, arbeitet er hart daran, es zu erreichen. Allerdings auch gerne mit zu viel gutem Willen, sodass er über das Ziel hinaus schießt.“ Sie seufzte und Lucy kannte dieses Seufzen. Sie selbst seufzte nicht selten so. Das war das „Schon-wieder-Reparaturkosten“-Seufzen. Manchmal wünschte Lucy sich, auch mal den vollen Betrag einer Missionsbelohnung zu erhalten. Eigentlich immer. Aber Natsu... „Die Leute sollen sich nicht so anstellen“, meinte dieser hochmütig. „Solange die Aufgabe erledigt und kein Personenschaden entstanden ist, ist doch alles in Ordnung.“ Narcy erhob sich seufzend. „Drachen sind keine guten Lehrer für Manieren und Sozialverhalten, so viel habe ich schon bei Tsuya bemerkt.“, murmelte sie. „Aber ich muss mal ein ernstes Wort mit Makarov sprechen. Als dein Vormund nach deiner Rückkehr zu den Menschen hätte er dich besser erziehen müssen.“ „So ein Unsinn.“, knurrte Natsu. „Wo warst du denn? Du hättest mich erziehen müssen!“ Narcys Blick wurde düster. „Bis vor neun Jahren dachte ich, dass du mit deinem Vater gestorben wärst. Als wir uns trafen warst du schon erwachsen. Ein Erwachsener braucht keine Mutter, die ihn bevormundet.“ Sie wartete keine Reaktion ab, sondern ging zurück ins Haus. Lucy prüfte den Sonnenstand. War wirklich schon eine Stunde vergangen oder wurde Narcy das Thema unangenehm? Lucy musterte Natsu, der beleidigt in die Ferne starrte. In ihren Augen musste ihr angehender Ehemann noch in einigen Punkten erzogen werden. Wie kam Narcy eigentlich darauf, dass Natsu erwachsen wäre? Er war nur nach Jahren hundertfünfundzwanzig Jahre alt. Geistig dümpelte er ebenso wie sie irgendwo zwischen sechzehn und achtzehn herum. Lucy legte eine Hand auf ihren Bauch. Sie fühlte sich noch nicht reif dafür, Kinder groß zu ziehen. War sie der Verantwortung gewachsen? Ob Natsu die große Verantwortung, die sie erwartete, überhaupt begriff? Lucy machte sich Sorgen, dass er zwar ein liebevoller, aber verantwortungsloser Vater sein würde. Und dann gleich zwei Kinder. Eines würde schon anstrengend genug werden, zwei Babys würden sie die ganze Zeit auf Trab halten. Lucy sah zu Natsu. Würde sie auf seine Unterstützung bauen können? Er lebte, wie der Sinn ihm stand. Was, wenn er beschloss, dass Vater sein keinen Spaß machte und sie mit der Arbeit alleine ließ? Hatten sie sich nicht vielleicht doch zu viel zugemutet? Lucy liebte ihre ungeborenen Kinder und würde es niemals wagen, ihre Leben vorzeitig zu beenden. Aber war sie wirklich schon bereit dafür? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)