Feelings von writer ================================================================================ Kapitel 11: Erinnerungen ------------------------ Er schien nicht so recht zu wissen, was er dazu sagen sollte und sie lächelte ihn an. Er hatte schon zweimal 'danke' gesagt. Beide Male hatte er sie danach verlassen. Sie glaubte, dass dieses Gefühl der Dankbarkeit gerade wieder in ihm da war, auch wenn er es nicht aussprach. Sie war froh darüber. Er musste es nicht sagen. Und er würde nun auch nicht von ihr fortgehen. Und sie war froh, dass sie ihn liebte, trotz ihres eigenen Schmerzes. Denn abgesehen davon, dass sie seine Liebe nicht bekommen konnte, hatte sie doch so Vieles und sie war sehr dankbar für all die wundervollen Menschen in ihrem Leben. Und sie war froh, einer der scheinbar einzigen beiden Menschen in seinem Leben sein zu können. Zum einen schien Naruto vielleicht wirklich nicht die ganze Verantwortung für ihn alleine tragen zu müssen. Und zum anderen konnte sie durch ihre Liebe dafür sorgen, dass Sasuke nicht das Gefühl haben musste ganz alleine in seiner Dunkelheit zu sein. Vielleicht. "Sollen wir gehen?", fragte sie und nickte zu dem Wald hinüber. Die Wiesen waren so weitläufig, dass sie, obwohl sie den Wald sehen konnten, dennoch mindestens eine Stunde würden laufen müssen, um anzukommen. Entfernungen waren manchmal weiter, als man es auf den ersten Blick vermutete. "Ja", sagte er und seine Stimme klang weicher als sonst. "Gehen wir." Während sie neben ihm herging, dachte sie, dass das ihre vielleicht erste Unterhaltung mit wirklich relevantem Inhalt gewesen war. Nicht nur auf dieser Reise, sondern überhaupt. Er hatte sie das erste Mal wirklich ernst genommen und ihr ehrlich geantwortet. Und sie hatte sich das erste Mal getraut gewisse Fragen zu stellen. Das lag daran, dass der Moment einfach gepasst hatte. Und daran, dass sie endlich mal genug Zeit mit ihm verbringen konnte. Und zwar alleine. Sie glaubte, dass er immer viel Zeit brauchte, um sich zumindest ein kleines bisschen zu öffnen. Daher hatte sie nun endlich überhapt einmal eine Chance an ihn heranzukommen. Und sie dachte auch, dass es ebenfalls daran lag, dass sie gestern Nacht als Mann und Frau zusammengewesen waren. Selbst wenn er nicht in der Lage zu sein schien wirklich etwas für sie zu fühlen, hatte das für sie dennoch eine andere Ebene der Verbindung erschaffen. Und nach dem, was er eben gesagt hatte, war sie auch nicht irgendwer für ihn. Und das gab ihr auf einmal viel Sicherheit in Bezug auf ihn. Wieder erfasste sie eine plötzliche Windböe, stärker als die letzte. Sakura hob ihre linke Hand, um sich ihre Haare aus dem Gesicht zu halten, sie wirbelten alle wild durcheinander, und sah besorgt zum Himmel hinauf. "Ich fürchte, es wird ein Gewitter geben", sagte sie ein wenig beunruhigt. "Ja." Ohne sich abzusprechen beschleunigten sie beide ihre Schritte. So heftig wie der Wind mittlerweile wehte, würden die dunklen Wolken am Horizont schnell bei ihnen ankommen. Man konnte mit bloßem Auge sehen wie schnell sie zogen. Und wahrscheinlich würden sie Regen bringen. Sakura war froh, dass sie nicht zugestimmt hatte auf ihn zu warten. Unter den Bäumen würden sie auf jeden Fall besser aufgehoben sein, als auf der Ebene. Und auch wenn Sakura nicht scharf drauf war es zu betreten, würde Orochimarus altes Versteck vielleicht wenigstens in der Hinsicht gut sein, dass sie dem nahenden Sturm, Platzregen und Gewitter entkommen konnten. Eine halbe Stunde später fing der Regen an. Und obwohl sie schon in einen Laufschritt verfallen waren, musste sie doch noch ein Stückchen zurücklegen, bis sie die ersten Bäume erreichten. Doch weil die frischen Frühlingsblätter noch nicht so dicht waren, bot auch der Wald bei diesem starken Regen kaum Schutz. Keiner von ihnen hatte sich die Mühe gemacht, den Mantel aus der Tasche zu holen. Bei so einem starken Regen durchnässte ohnehin alles. In der Tasche würde der Mantel eher trocken bleiben und dann vielleicht von größerem Nutzen sein. "Wenigstens sind unsere Klamotten nun frisch gewaschen!", sagte Sakura halb belustigt und halb frustriert. Und das war nicht übertrieben. Ihre Sachen waren so nass, als wären sie angezogen in einen See gesprungen. "Ja." Seit zehn Minuten waren sie unter den Bäumen und Sasuke schien zu versuchen den Eingang zu Orochimarus Versteck wiederzufinden. "Ihr seid damals ständig umgezogen, nicht wahr?", erinnerte sie sich. Deswegen hatte niemand sie finden können. "Warst du lange hier?" "Ein paar Wochen, ganz am Anfang", erwiderte Sasuke und ging nun zielstrebig an ein paar großen Steinen vorbei. "Ich war in dieser Zeit nicht draußen. Daher kenne ich mich nicht gut aus." Aber fünf Minuten später hatte er den versteckten Eingang gefunden. Er war mit einer Illusion umgeben und für Sakura zunächst nicht sichtbar. Aber Sasuke hatte seit Betreten des Waldes seine Sharingan aktiviert und Sakura nahm an, dass gewöhnliche Illusionen für jemanden mit einem Sharingan auf seinem Level keine Herausforderung mehr waren. Sobald er die den Eingang umgebende Illusion aufgelöst hatte, war auch Sakura in der Lage die steinerne Treppe zu sehen, die in den Untergrund führte. Unten kamen sie vor einer versiegelten Tür an. Sakura fragte sich gerade, wie sie das Siegel am besten brechen sollten, aber einen Moment später ging sdie Tür in schwarzen Flammen auf. Sakura zuckte zurück. Diese Flammen waren wohl unter den gefährlichsten Dingen, die es auf dieser Welt gab. Und genau mit der einzigen Person auf dieser Welt unterwegs zu sein, die sie kontrollieren konnte und das auch noch beinahe beiläufig, war mehr als faszinierend. Seit er Itachi Uchihas Kraft hatte, schien bei der Benutzung nicht mal mehr sein Auge zu bluten. Sakura sah rasch wieder zur Tür, als er die Flammen löschte. Das Siegel war nicht nur gebrochen, es war vollkommen verschwunden. Verbrannt, ohne etwas zu hinterlassen, genau wie der dicke Fels, aus dem die Tür gewesen war. Dieses Feuer fraß alles, egal, was es war, egal, ob es in Strömen regnete. Und nur er allein konnte es wieder löschen. Ohne zu zögern trat Sasuke in die Dunkelheit. Er hatte immer noch seine Sharingan aktiviert, vermutlich sah er damit im Dunkeln deutlich besser als sie. Sakura fand neben der Tür einige Fackeln, die wahrscheinlich jeder brauchte, der hier Zugang gehabt hatte und der kein Sharingan besaß. Sie hob eine auf. "Müssen wir leise sein, oder-", setzte sie an, aber er nahm ihr die Fackel aus der Hand, bevor sie ausgeredet hatte, formte mit einer Hand Fingerzeichen und bließ etwas normales Feuer auf die Fackel. Sofort wurde es heller. "Kannst du das jetzt alles mit einer Hand?", fragte sie fasziniert. Das war ihr schon bei seinem Chidori aufgefallen, als er den Hasen so unvermittelt getötet hatte. "Ja", antwortete er, während er anfing in den dunklen Gang hineinzugehen. "Ich hatte die letzten sieben Monate nur einen Arm und ich hatte viel Zeit." Er war wirklich ein Genie, das beeindruckte sie immer wieder aufs Neue. Draußen donnerte es und der Regen schien immer noch in Strömen zu fallen. Es floss nun sogar etwas Wasser die Treppe hinunter und durch die kaputte Tür in den unterirdischen Tunnel. Hier war es zwar unheimlich, aber gerade fand Sakura es hier deutlich besser als draußen. Sie griff sich rasch noch zwei Fackeln und folgte ihm. Während sie hinter ihm durch die stillen, dunklen Gänge ging, dachte sie darüber nach wie viel Angst sie das letzte Mal gehabt hatte, als sie und Naruto auf der Suche nach Sasuke in einem von Orochimarus Verstecken gewesen waren. Seit dem war sie selbst noch viel stärker geworden. Aber dadurch, dass sie mit ihm unterwegs war, kam ihr der Besuch eines solchen Ortes trotz der Dunkelheit und der schaurigen Atmosphäre beinahe wie ein Spaziergang vor. Denn nachdem, was sie heute von ihm gehört hatte, war sie sich ziemlich sicher, dass er sie nicht im Stich lassen würde, sollte etwas passieren und sollte sie Hilfe brauchen. Sakura musste unwillkürlich lächeln, während sie hinter ihm herging und das kleine Symbol seines Clans auf seinem Rücken betrachtete. Der Moment, als sie am Tag seiner Rückkehr vor dem Anwesen der Uchiha gestanden und das Symbol betrachtet hatte, kam ihr so lange her vor. Dabei war das erst vor ein paar Tagen gewesen. Sie hatte sich gewünscht, er würde zurückkommen und sie würde das Symbol statt auf dem Stein einmal wieder auf seinem Rücken sehen können. Dieser Wunsch war ihr erfüllt worden. Und noch so viele andere mehr. Sasuke schien sich hier auszukennen, denn er bog zweimal ohne zu zögern ab und ungefähr vier Minuten später kamen sie bei einer großen Flügeltür an. Sasuke reichte ihr die Fackel und sie nahm sie ihm rasch ab. Dann legte er seine Hände gegen die Türflügel, spannte sich an und schob sie weit genug auf, dass sie hindurchpassen würden. Er trat hinein und Sakura war froh, dass er ihr die Fackel gelassen hatte, denn so konnte sie, nachdem sie ihm nach drinnen gefolgt war, sie hierhin und dorthin halten und sich umsehen. Er hatte immer noch sein Sharingan aktiviert und schien den Raum zu scannen. "Hier scheint alles verlassen zu sein", sagte er, während Sakura sich staunend in dem großen Laborraum umsah. Sie war gleichzeitig fasziniert und angewidert, weil sie sicher war, dass hier schreckliche Experimente durchgeführt worden waren. "Gut", flüsterte sie auf seine Aussage hin. Sie hatte gar keine große Lust hier auf irgendjemanden zu treffen. Schon gar nicht auf Orochimaru. Sensei Kakashi hatte Sasuke zwar offenbar angewiesen möglichst auch nach ihm Ausschau zu halten, aber gerade war Sakura furchtbar durchnässt und fror, sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen und sie waren ohne Pause bis zum Abend durchgelaufen. Sie fühlte sich müde und erschöpft und sie brauchte heute keine Aufregung mehr. Sasuke drehte sich wieder um und schritt zurück zu der großen Flügeltüren, durch die sie hineingegangen waren. Er drückte sie wieder zu und der kühle Windzug, der durch sie in den großen Raum geströmt war, verschwand. "Bleiben wir für die Nacht hier", sagte er und Sakura war erleichtert das zu hören. "Ja!", sagte sie erfreut. "Hier müssten überall Kerzen sein", informierte er sie. "Okay!" Sie fand auch sogleich welche und fing an, sie an der Fackel zu entzünden. Nach ungefähr fünfzehn Stück hörte sie auf, obwohl noch mehr dagewesen wären. Aber es gab nun in dem kleinen Bereich in der Mitte genug Licht und sie wollte hier lieber nicht alles so genau sehen. Was sie sah, kam ihr schon schrecklich genug vor und sie musste schließlich in diesem Raum noch schlafen. Doch Sasuke schien sich nun relativ sicher zu fühlen, denn seine Augen waren wieder tiefschwarz. Sakura steckte die brennende Fackel in eine Halterung und legte die beiden ungenutzten Fackeln auf einem Labortisch ab. Sie wandte sich zu ihm um. Er stand da und blickte sie an. Das einzige Geräusch, das zu hören war, war das Wasser, das aus ihren triefend nassen Klamotten und Haaren tropfte. "Die nassen Sachen sind kalt", sagte sie verlegen. "Es wäre am besten, wenn wir sie trocknen könnten. Aber hier drinnen können wir kein Feuer machen, oder?" "Doch", sagte Sasuke. "Es gibt Abzugsschächte." Er ging zu einem Tisch hinüber, griff sich einige Bücher, warf sie vor sich auf den Boden, bis sich ein kleiner Haufen gebildet hatte, formte Handzeichen und bließ ein paar Flammen darauf. Sofort erhellten die Flammen den Raum auf und es breitete sich spürbar Wärme aus. "Brennstoff geht uns jedenfalls nicht aus bevor die Klamotten trocken sind", sagte Sakura und ließ den Blick über die vielen Bücher hier schweifen. Auch wenn sie es etwas schade fand Bücher zu verbrennen. Doch sie nahm an, dass Sasuke vielleicht nicht die besten Erinnerungen an diesen Ort hatte und dass es ihm nichts ausmachte, wenn ein paar dieser Sachen in Flammen aufgingen. Sakura kniete sich sich vor das Feuer auf den Boden, um damit zu beginnen ihre Klamotten zu trocknen und Sasuke setze sich neben sie. Sie saßen beide ein wenig dichter an den Flammen, als sie es getan hätten, wenn sie nicht vollkommen nass gewesen wären, aber in diesem Zustand war die Hitze einfach nur wohltuend. Eine halbe Stunde später waren Sakuras Sachen schon beinahe wieder vollkommen trocken. Allerdings fühlte sie sich mittlerweile auch ziemlich erhitzt und sie rückte etwas vom Feuer ab. Sasuke hatte das schon vor ein paar Minuten getan. Nun erhob er sich. "Ich schicke die Schlangen raus. Jagen. Wir müssen etwas essen." Sakura nickte und sah ihm zu wie er sie beschwor - wahrscheinlich weil auch er wenig Lust verspürte nach draußen zu gehen und wieder völlig durchnässt zu werden - und ihnen dann die Flügeltür wieder einen Spalt aufschob, nachdem er ihnen seine Befehle erteilt hatte. Sofort zog wieder etwas kalte Luft herein, aber mit trockenen Klamotten und der ausstrahlenden Wärme des Feuers war es nicht mehr so ein Problem. Wieder fiel Sakura auf, dass Sasuke sehr kalt und hart klingen konnte. Wenn er mit ihr sprach, dann war sein Ton deutlich anders. Sogar wenn er ihr gegenüber kühl war, so wie mit den Schlangen sprach er nicht mit ihr. Fast vergaß sie immer wieder, wie er auch klingen konnte, weil sie ganz alleine mit ihm war und scheinbar eine Sonderposition innehatte. Er setzte sich wieder zu ihr und sie hob mit einem fragenden Lächeln ihren Zeigefinger, um ihm anzubieten wieder seinen Daumen zu heilen. Er reichte ihr seine Hand, sodass sie wieder kurz mit ihrem Finger über den Seinen streichen und die Haut zusammenwachsen lassen konnte. Wie immer, wenn sie ihn berührte, durchströmte sie dieses aufregende Glücksgefühl. Durch die letzte Nacht war ihre Sehnsucht nach ihm und seiner Berührung eher stärker als schwächer geworden. "Wie ist es für dich wieder hier zu sein?", fragte sie behutsam. "Es ist mir gleichgültig", antwortete er. Und sie glaubte, dass er das vielleicht selbst glaubte. Aber irgendwie konnte sie sich das nicht richtig vorstellen. Er war noch so jung gewesen, als er das Dorf verlassen hatte und hierhergekommen war. Und vielleicht war er bereits so von seinem Wunsch nach Rache und seinem Hunger nach Macht eingenommen gewesen, dass er auch damals schon keine Möglichkeit gehabt hatte, überhaupt richtig wahrzunehmen, wie er sich gefühlt hatte. Aber das Leben hier war sicher ganz anders gewesen als das mit Naruto, ihr, Sensei Kakashi und den anderen in Konoha. Noch dazu, war er die ganze Zeit mit jemand Grausamem zusammengewesen, der vorgehabt hatte ihm zwar bei seiner Rache zu helfen, aber er dafür im Austausch seinen Tod und Körper hatte haben wollen. Das alles musste, besonders zu dem, was er eh schon hatte durchmachen müssen, alles schwierig für ihn gewesen sein. Vorausgesetzt natürlich, dass er auf normale Art und Weise empfand. Da war sie sich ja nach wie vor noch unsicher. Es war immerhin möglich, dass sein Empfinden sich grundsätzlich von dem Unterschied, was sie von sich selbst kannte. "Was wurde hier hauptsächlich gemacht, weißt du das?", fragte sie beinahe flüsternd. Sie wollte es eigentlich gar nicht so genau wissen. Aber irgendwie konnte sie die Frage auch nicht zurückhalten. "Experimente mit Giften. Hauptsächlich mit Schlangengiften. Hier haben wir meinen Körper dagegen immun gemacht." Er schien nun vielleicht doch alten Erinnerungen nachzuhängen. Denn er blickte ein wenig geistesabwesend in die Flammen, während er sprach. Dann griff er sich noch ein Buch und warf es hinein, damit das Feuer weiterbrennen würde. "Darf ich noch etwas fragen?" Sie war unsicher, ob sie zu viel alten Schmerz aufrühren würde. Aber sie hatte gerade einen schrecklichen Gedanken gehabt. "Es macht mir nichts aus darüber zu sprechen", sagte er und blickte weiter in die Flammen. "Ich verstehe nicht, wie habt ihr deinen Körper immun gemacht? Das geht doch eigentlich nur durch-" "Durch die Verabreichung von Gift, ja", erwiderte er sachlich. "Ich habe über Wochen jeden Tag Gift eingenommen. Gerade so viel, dass mich die Schmerzen, die Lähmungen, die Halluzinationen und Krämpfe nicht umbringen konnten. Dreimal wäre es beinahe schiefgegangen, weil ich irgendwann geschwächt war. Aber am Ende war es sehr effektiv." Das hatte Sakura befürchtet. Sie spürte wie ihr allein bei der Vorstellung vor lauter Mitgefühl übel wurde. "Aber- das ist schlimme Folter! Über einen langen Zeitraum!", sagte sie entsetzt und verzweifelt, dass er das mit dreizehn Jahren über Wochen an so einem grausigen Ort hatte ertragen müssen. Wie hatte es es geschafft nicht vollkommen verrückt zu werden? "Folter ist nicht selten ein sehr effektives Mittel." Jetzt schien sie plötzlich besser zu verstehen, wieso er zu solchen Grausamkeiten so stand, wie er es tat. Auf ganz absurde Weise erschien es ihr plötzlich verständlich, dass er sich in seinem Kopf berechtigt fühlte anderen Schmerz, Tod und Folter zu bringen. Nicht, weil er sich darüber erheben wollte, sondern, weil er es sich auch selbst zufügte und bereit war zuzufügen. Er hielt es auf abstruse Weise für 'normal'. Etwas, das eben zum Leben dazugehörte. Deshalb konnte er eine Operation ohne Narkose ohne zu zucken durchstehen und wahrscheinlich kam ihm der schnelle Tod eines Hasen, oder die Hinrichtung seiner Schlange mit dem Schwert gar nicht grausam vor. Wahrscheinlich hielt es so etwas für Gande. Weil er selbst immer und immer wieder viel Schlimmeres erlebt hatte. Körperlich und psychisch. Es war kein Wunder, dass er kaum noch in der Lage schien etwas zu fühlen. Sakura spürte, wie ihre negativen Gefühle für Orochimaru noch anwuchsen. Sie fand ohnehin schon, dass er zu einem großen Teil der Auslöser für Sasukes Leid gewesen war. Wenn er ihm nicht bei der Chunin Prüfung seine eigene Machtlosigkeit so derart brutal vor Augen geführt hätte und ihm mit diesem Fluchmal nicht schnelle Macht versprochen hätte, dann hätte Sasuke das Dorf vielleicht nicht verlassen. Vielleicht wäre er immer noch von dem Wunsch nach Rache getrieben gewesen, aber vielleicht wäre dann alles ein bisschen weniger schlimm für ihn gelaufen. Denn sie hatte wirklich den Eindruck gehabt, dass er gerade angefangen hatte eine echte Bindung zu Naruto und ihr aufzubauen. Und sie hatte den Eindruck gehabt, dass ihm das gut getan und ihn ein wenig zum Positiven verändert hatte. Und nur weil Orochimaru einen perfekten, neuen Körper für sich hatte haben wollen, hatte er es einem Jungen zugemutet solche Qualen zu durchleben. Und wahrscheinlich war das bei weitem nicht alles gewesen. Es widerte sie an. Durch ihre Arbeit im Krankenhaus wusste sie, wie schlecht es Menschen mit Vergiftungen gehen konnte. Nur ein paar Tage so auszuhalten war schon die Hölle. Und manchmal, wenn sie es nicht schafften die Leute zu retten, dann waren sie sogar dankbar zu sterben. Weil der Tod ihnen im Vergleich zu ihren Qualen wie eine Erlösung vorkam. "Es tut mir so leid", flüsterte sie leise und erfüllt von Traurigkeit. Sasuke hob seinen Kopf und sah sie an. "Du bist nicht verantwortlich für meine Entscheidungen", sagte er sachlich. "Aber bist du es wirklich gewesen?", fragte sie leise. War er nicht einfach ein Opfer schrecklicher Umstände gewesen, ausgestattet mit einem Erbe von viel zu viel Macht und das hatte dafür gesorgt, dass er in den Fokus von schrecklichen, grausamen Menschen geraten war? Gerade verstand sie, warum alle die Uchiha für verflucht hielten. Aber er kam um eine Antwort herum, denn in diesem Moment kehrten seine Schlangen zurück. Sie hatten zwei große Fasan Vögel dabei. Sie scheinen noch nicht ganz tot zu sein. Vielleicht hatte das Gift der schwarzen Schlange nur lähmende Wirkung. Sakura stand rasch auf. "Ich- ähm, ist es okay, wenn du das machst?" Sie hörte, wie schuldbewusst sie klang. Aber sie musste einfach fragen. "Es ist nicht so, dass ich mich vor unangenehmer Arbeit drücken will, ich-" Sie wusste nicht richtig wie sie es erklären sollte. Es kam ihr so dreist und überheblich vor sich das rauszunehmen. Sie musste ihm so verwöhnt und feige vorkommen. Sie konnte auch tapfer sein, Schmerzen aushalten, Blut ertragen und anderen auch Schmerzen zufügen, wenn es gar nicht anders ging. Aber es war so schwer. Sie träumte dann davon. Und lit darunter. In der Medizin oder beim Operieren hatte sie das nicht. Weil sie wusste, dass sie das dann tat, um zu helfen. Und wenn sie kämpfen und verletzen musste, um jemanden zu schützen, der ihr wichtig war, dann konnte sie das auch. Aber gut ging es ihr damit nie. "Du bist zu weich", sagte Sasuke und griff nach dem Hals des ersten Fasans. Sakura wandte sich rasch ab. Das Knacken hörte sie trotzdem. "Tut mir leid", flüsterte sie. "Schon gut", erwiderte er bloß und sie atmete erleichtet auf. "Danke", sagte sie leise. Sie wusste auch, dass sie essen mussten. Aber wenn sie alleine gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich gewartet bis der Regen aufgehört hätte und dann Beeren und Pilze gesucht. Aber das würde ihn wahrscheinlich nicht satt machen. Außerdem brauchten die Proteine. Und er würde es für Zeitverschwendung halten. Es war sinnlos das vorzuschlagen. Mit dem Vorhaben sich etwas umzusehen, ging sie rasch ein paar Schritte auf Abstand, um nicht auch das Ende es zweiten Fasans mitzubekommen. Allerdings war ihre kleine Tour auch nicht besonders angenehm. Sie entfernte sich nicht zu weit aus dem Lichtschein der Kerzen, aber auch was es hier zu sehen gab, war schon schaurig genug. Als sie zu einer Wand gerade außerhalb des Lichtscheins kam, wurde ihr ganz übel, weil hier viele große und kleine Gläser mit toten, in Flüssigkeit eingelegten Tieren - hauptsächlich Schlangen - auf vielen Regalbrettern gelagert wurden. Rasch wandte sie sich ab. Sie kam an einem alten Stuhl vorbei, wo Arme und Beine festgeschnallt werden konnten und sie bekam feuchte Augen bei dem Gedanken an die Menschen, die dort gesessen haben mussten. Hatte Sasuke auch dort gesessen? Das würde sie ihn nicht fragen. Sie wollte es nicht wissen. Und sie hatte kein Recht dazu alles bei ihm wieder aufzuwühlen. Doch hier in diesem Moment in der Dunkelheit wurde ihr vollends klar, wie behütet ihr eigenes Leben gewesen war und was für schreckliche Schicksale unzählige andere Menschen zu durchleben hatten. Sie hatte einfach Glück gehabt. Naruto hatte keines gehabt. Und Sasuke noch weniger. Und dennoch waren sie beide so stark geworden und über sich hinausgewachsen. Und sie beide wollten die Welt zu einem besseren Ort machen. Einem Ort, an dem möglichst die meisten Menschen so behütet aufwachsen würden wie es bei ihr der Fall gewesen war. Sie drehte sich aprupt um und ging wieder zu ihm zurück. Sie hatte keine Lust mehr es ihn alleine machen zulassen. Also kniete sie sich wieder neben ihn und half ihm. Wenn sie mitessen würde, dann musste sie auch tun, was dafür getan werden musste. Er warf ihr einen kurzen Blick zu und sie glaubte darin so etwas wie Anerkennung wahrzunehmen. Und sie war glücklich. Denn sie glaubte nun zu verstehen, wieso er so war wie er war. Sie war sich plötzlich sicher, dass er nicht so geboren worden war, wie es vielleicht bei Leuten wie Orochimaru der Fall war. Er war das, was sein Schmerz aus ihm gemacht hatte. Und das bedeutete, dass sie ihm helfen konnte. Sie glaubte plötzlich mit ruhiger Sicherheit daran, dass dort Emotionen und Mitgefühl in ihm waren. Sie musste ihm nur helfen dazu wieder einen Zugang zu finden. Ganz langsam und Schritt für Schritt. Er hatte es alles abgespalten, damit er seinen Schmerz ertragen konnte. Und sie durfte es nicht aufreißen, denn dann würde ihn alles einholen und das wäre dann vielleicht nicht gut für ihn. Aber sie wusste nun, dass er nicht für immer alleine in der Dunkelheit sein würde. Sie würde es nicht zulassen. Und sie würde sich nicht mehr schlecht fühlen, weil sie so behütet aufgewachsen war. Ja, sie hatte im Gegensatz zu ihm Glück gehabt. Aber das war gut. Leute wie er waren dazu in der Lage, Dinge zu tun, die getan werden mussten. Aber Menschen wie sie waren dazu in der Lage die Wunden der anderen wieder zu heilen. Gerade kam es ihr so vor, als ob alles seinen Sinn hätte. Und sie verstand, warum sie immer das Gefühl gehabt hatte, dass es ihr Schicksal war, ihn zu lieben. Denn vielleicht war es das. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)