Feelings von writer ================================================================================ Kapitel 8: Widerstreitende Gefühle ---------------------------------- "Was machst du?" Sakuras Herz machte einen kleinen freudigen Hüpfer, als sie seine Frage hörte. Sie war fast schon überzeugt gewesen, dass es ihn nicht genug interessierte, was sie so tat oder nicht tat. Aber offenbar war dem doch nicht so. Sie waren nach der Mittagspause bei der Quelle bis zum Abend weitergegangen und hatten noch ein recht ansehnliches Stück Weg zurückgelegt. Zumindest dafür, dass sie sich nicht gerade bemühten extrem schnell voranzukommen. Aber das war gut, denn dadurch hatte Sakura eine Menge Zeit ihre Umgebung zu betrachten. Und so hatte sie nun zum zweiten Mal am Wegesrand eine Planze entdeckt, die sie aus der Medizin kannte. Und sie hatte ihr neues, kleines Notizbuch hervorgezogen und sich davor hingehockt, um etwas zu notieren. Das war gar nicht so leicht, denn es war nun schon ziemlich dunkel und sie sah kaum noch, was sie schrieb. Sie blickte aus ihrer hockenden Haltung zu ihm auf. Aufgrund der Dunkelheit war er beinahe nur ein schwarzer Schatten, aber seine helle Haut konnte man immer noch gut erkennen. Er war nahe zu ihr getreten, vielleicht weil er neugierig war, was sie tat. Andererseits, vielleicht wollte er auch nur wissen, warum sie ihn zwang stehenzubleiben, indem sie sich einfach hinhockte und das nicht weiter kommentierte. Sie erhob sich wieder, steckte das Büchlein wieder ein und machte Anstalten weiterzugehen. Also tat er es ihr gleich. "Die Idee kam mit heute Mittag bei der Quelle", erklärte sie bereitwillig. "Weil dort eine Pflanze wuchs, die wir in der Medizinherstellung verwenden. Wir bauen diese Pflanzen in Konoha selbst an, aber ich hatte letztens ein Gespräch mit Sensei Tsunade darüber, dass die Wirkfähigkeit dieser angebauten Pflanzen in vielen Fällen schlechter zu sein scheint, als bei solchen, die wir von Missionen mitbringen oder mitgebracht bekommen. Und vorhin an der Quelle dachte ich, dass diese Pflanze vielleicht doch noch viel mehr Feuchtigkeit braucht, als wir dachten. Von außen sehen sie gut und gesund aus, aber ich denke, dass sie vielleicht mehr wirksame Stoffe entwickeln, wenn sie unter noch optimalernen Bedingungen angebaut werden könnten. Möglicherweise haben wir da bisher zu wenig Wert drauf gelegt. Ich muss das nochmal näher untersuchen. Aber ich dachte, wenn ich nun ohnehin schon diese Reise mache und an Pflanzen, die wir nutzen, vorbeikomme, dann kann ich mir immer notieren, wo und wie und unter welchen Bedingungen sie wachsen. Möglicherweise ist ein Muster zu erkennen, welche Umgebungen sie bevorzugen. Dann könnte man die Anbaubedingungen optimieren und die Intensität der Wirkstoffe erhöhen. Und das wäre sehr gut. Manche Medikamente kann man aufgrund von Nebenwirkungen schließlich nur in sehr begrenzten Mengen verabreichen. Wenn diese begrenzte Menge aber eine höhere Konzentration der benötigten Stoffe enthalten würde, könnte man damit unter Umständen Menschen das Leben retten, die es sonst nicht schaffen würden." "Ich verstehe", sagte er und sie bemerkte zufrieden, dass er sie interessiert musterte. "Das klingt vernünftig." "Ja, nicht wahr?", fragte sie mit einem Lächeln. Es kostete sie erneut Überwindung so selbstsicher zu antworten und nicht etwas wie 'danke' zu sagen, weil er ihr etwas Interesse und Anerkennung entgegengebracht hatte. "Menschen sind dir wichtig", sagte er ein paar Sekunden später in die Stille. Sie warf ihm einen verdutzten Blick zu. Es war keine Frage gewesen. Er hatte einfach nur in sachlichem Ton eine Feststellung gemacht. "Ja, natürlich", sagte sie ein wenig verwirrt. "Eigentlich alle Lebewesen." Sie beobachtete ihn, aber er schien über etwas nachzudenken und sagte nichts weiter dazu. Sie entschied sich ihren Mut zusammenzunehmen. "Bei dir ist es nicht so, oder?", fragte sie sehr leise und behutsam. "Nein", sagte er ruhig und sachlich. Sie schwiegen wieder und Sakura versuchte das zu verarbeiten. Es war nicht wirklich eine neue Information für sie. Sie hatte das ja bereits vermutet. Besonders nach der Situation mit der Schlange gestern morgen. Aber es ihn so einfach sagen zu hören war gruselig. Selbst wenn Menschen so empfanden, versuchten sie normalerweise diese Tatsache zu verbergen. Es war eine essentielle menschliche Fähigkeit Bindungen zu anderen Menschen und Tieren eingehen und Mitgefühl empfinden zu können. Menschen, die das nicht konnten wurden meistens von der Gesellschaft bestraft und ausgegrenzt oder aber sie wurden aufgrund ihrer mangelnden Empathiefähigkeit schlicht irgendwann so mächtig, dass man sie nicht zu Rechenschaft ziehen konnte und sie stattdessen fürchtete. Und das schien irgendwie auf ihn zuzutreffen. Aber waren diese Menschen einfach so? So wie man helle oder dunkle Haare hatte? War die Empathiefähigkeit etwas Angeborenes oder etwas Erlerntes? Konnte man das verändern oder war es für immer gleich? "Aber", setze sie ganz vorsichtig an, weil sie sich nicht sicher war, ob sie wirklich weiter fragen sollte, "es gibt doch auch Menschen und Tiere, die dir etwas bedeuten, oder nicht? Was ist mit dieser Riesenschlange? Ist sie dir egal?" "Aoda ist mir nicht egal. Er ist nützlich", sagte Sasuke ruhig. 'Nützlich' war nicht das Wort, auf das sie gehofft hatte. "Und dieser Riesenvogel, den du rufen kannst, der den du im Kampf gegen Kaguya beschworen hast, was ist mit ihm?" Vielleicht konnte man ja zu Schlangen einfach keine wirkliche Bindung aufbauen. Sie wusste nicht viel darüber, ob Reptilien dazu überhaupt fähig waren. Aber bei Vögeln war das anders, oder? "Er ist gestorben, er hat es nicht überlebt." Ihr wurde ein wenig übel, weil er auch das vollkommen neutral mitteilte. "Und...macht dich das nicht traurig?", fragte sie beklommen. "Nein. Er hat seinen Zweck erfüllt. Durch ihn sind Naruto und ich nicht in die Lava gestürzt. Und dadurch konnten wir alles andere retten. Das war vernünftig." Das half nicht gerade gegen das flaue Gefühl in ihrem Magen. Sie wusste, dass er sie und Naruto immer für zu 'weich' gehalten hatte. Sogar damals schon. Aber sie hatte immer darüber hinweggesehen. Früher hatte er sich zurückgehalten. Zumindest ein bisschen. Aber war das gewesen, weil er damals noch empathischer gewesen war oder hatte er schlicht akzeptiert, dass zu viel Grausamkeit gesellschaftlich nicht toleriert wurde und sich deshalb angepasst? Weil es 'vernünftig' war? Nun brauchte er sich nicht mehr zurückhalten. Er war so mächtig geworden, dass nur Naruto ihm wirklich die Stirn bieten konnte. Hatten alle zurecht solche Angst vor ihm? Die anderen Länder und Ninjadörfer, Konohas Bewohner, Kiba und seine Begleiter, ihre Eltern und sogar Sensei Tsunade? Waren Naruto, Kakashi und sie einfach zu voreingenommen? Waren sie einfach entschlossen, ihn so sehen zu wollen, wie sie ihn haben wollten? War das bei Sensei Kakashi überhaupt so? Eigentlich war sie sich da gar nicht so sicher. Manchmal dachte sie, dass Sensei Kakashi einfach nur froh war, dass Sasuke sich nun friedlich zu verhalten schien. Vertraute er ihm, oder versuchte er bloß Schadensbegrenzung zu betreiben? Solange Naruto entschlossen war Sasuke zu vertrauen, konnte Kakashi eigentlich ohnehin nichts tun, als sich dem anzuschließen. Und vertraute Naruto Sasuke? So richtig hatten sie nie darüber gesprochen. Ein einziges Mal hatte Naruto ihr von seinem Kampf mit Sasuke erzählt. Sie war nicht dabeigewesen, denn Sasuke hatte sie mit einem Genjutsu belegt. Er hatte sie glauben lassen, dass er seinen Arm mitten durch sie hindurchgestoßen hätte. Ihr Körper erzitterte immer noch bei dieser Erinnerung. Es war nur eine Illusion gewesen. Aber für sie war es real gewesen. Sie hatte in diesem Moment wirklich geglaubt, dass er sie schließlich doch getötet hätte, weil sie im Weg gewesen war. Sie hatte es also nicht mit eigenen Ohren gehört. Aber Naruto hatte ihr gesagt, dass Sasuke ihn nach dem Kampf gefragt hatte, was er tun wollte, wenn er es sich wieder anders überlegen würde. Und Naruto hatte zu ihm gesagt, dass er ihn dann wieder aufhalten würde. Sie hatte es bisher vermieden sich gedanklich damit zu beschäftigen. Und nun verstand sie auch endlich wieso das so gewesen war. Sie hatte es einfach nicht verstehen wollen, weil sie damit nicht umgehen konnte. Aber im Grunde bedeutete es - und das wurde ihr nun vollends klar - dass auch Naruto und nicht einmal Sasuke selbst daran glaubten, dass er nicht wieder eine andere Entscheidung in Bezug auf seine Ziele treffen würde. Das war extrem besorgniserregend und beängstigend. Und plötzlich verstand sie ihre Eltern, die sie angefleht hatten, sich von ihm fernzuhalten und nicht mit ihm zu gehen. Und sie verstand sogar, dass andere Länder Konoha aufforderten, die Todesstrafe an ihm zu vollstrecken, wie Kakashi gesagt hatte. Und allein Narutos Zuneigung zu Sasuke war der Grund warum niemand etwas in diese Richtung unternahm. Sofort fühlte sie sich schlecht, dass sie nicht mehr für Naruto da war. Er trug eine enorme Bürde. Auf ihm allein lag die gesamte Verantwortung. Wenn Sasuke etwas Schreckliches tun würde, würde er sich bestimmt die schlimmsten Selbstvorwürfe machen, weil er die Situation falsch eingeschätzt hätte, weil er in Bezug auf Sasuke dann vielleicht einfach parteiisch und befangen gewesen war. Wieso musste Naruto eigentlich immer die Last der ganzen Welt alleine schultern? Das war total unfair! Sie hoffte so sehr, dass er glücklich sein würde! Aber vielleicht, dachte sie lächelnd, war er das ja auch. Er konnte stolz auf alles sein, was er erreicht hatte. Er war seinem Ziel Hokage zu werden so nahe und er hatte eine Aufgabe vor sich, die er wollte und an die er glaubte. Und vielleicht würde er nun bald auch Hinata richtig an seiner Seite haben. Sakura glaubte nach wie vor, dass Hinata das Beste war, was Naruto passieren könnte. Sie würde einen Ort von Ruhe und Liebe für ihn erschaffen, an den er immer wieder zurückkehren könnte, um sich auszuruhen. Und sie? Was sollte sie nun mit diesen Erkenntnissen anfangen? Änderte es etwas? 'Nein', dachte sie. 'Ich liebe ihn immer noch genauso dolle wie immer.' Vielleicht war das dumm. Vielleicht wollte sie auch zum Teil Naruto helfen, damit er nicht alleine die Verantwortung für Sasuke schultern musste. Vielleicht war ihr eigener Selbsterhaltungstrieb einfach bemittleidenswert schlecht ausgeprägt. Aber egal wie toxisch es war - denn da hatte ihr Vater wohl recht - es war ihre Liebe und es war ihre Entscheidung. Und sie hatte sich vor langer Zeit entschieden jemanden zu lieben, der ihr nicht gut tat, der tötete und zerstörte, scheinbar ohne Schuld zu empfinden und von dem sie nicht einmal wusste, ob ihre Liebe auch nur einen kleinen Wert für ihn hatte, abseits davon 'nützlich' oder 'praktisch' zu sein. Aber sie liebte ihn trotzdem. Und sie wollte es herausfinden. Sie wollte herausfinden, ob er sich ändern könnte. Vielleicht sogar mit ihrer Hilfe. Das Leben der schwarzen Schlange hatte sie immerhin retten können. Vielleicht konnte sie noch mehr tun. Und wenn nicht, dann würde sie wahrscheinlich bei dem Versuch sterben. Ein bisschen erschreckte es sie, dass sie diesen Gedanken kaum beängstigend fand. Es kam ihr vor, als wäre das eben ihre Aufgabe. Als wäre es ihr Schicksal. Und als wäre es egal, ob sie am Ende scheitern würde oder nicht. Denn sie wusste, dass sie es so oder so tun musste. So war es eben. Sie war entschlossen es zu versuchen. Ihn trotz dieser Widrigkeiten bedingslos zu lieben. Und zu hoffen, dass ihn das vielleicht heilen könnte. Das er lernen könnte ebenfalls wieder zu lieben. Oder überhaupt das erste Mal. Hatte er seinen Bruder geliebt? Er hatte Rache gewollt, weil man Itachi so hatte leiden lassen und auch weil man ihm Itachi dadurch weggenommen hatte. Aber war es Liebe, wenn man aus Rache alles zerstören wollte, was eben diese Person mit einem unglaublich großen Opfer zu schützen versucht hatte? War Sasuke dazu fähig zu lieben? "Rasten wir", sagte Sasuke. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie unwillkürlich zusammenzuckte. Er warf ihr einen Blick zu und sie überspielte ihre Verlegenheit rasch, in dem sie sagte: "Ja! Gerne! Wie wäre es bei der kleinen Baumgruppe da vorne?" Sie deutete hin. Es gab nun keinen Wald mehr. Sie waren auf einer grasbewachsenen Ebene. Aber einzelne Ansammlungen von zwanzig oder mehr Bäumen bildeten hier und dort eine Art kleine Mini-Wäldchen. "Ja", sagte Sasuke. Sie folgte ihm, als er die Straße verließ und durch das Gras auf die nächste der Baumgruppierungen zuging. Fünfzehn Minuten später waren sie angekommen und Sakura stellte erfreut fest, dass der Bach, der die ganze Zeit mehr oder weniger in der Nähe der Straße geflossen war, das kleine Wäldchen auf der einen Seite halb umschloss. Das war perfekt. Dann mussten sie für Wasser nicht weit laufen. Es war überhaupt sehr idyllisch hier. Ein Hase hoppelte im Mondlicht am Rand des Wäldchens vorbei. In der nächsten Sekunde musste sie eine Hand auf ihren Mund pressen, um einen Schrei zu ersticken. Sasuke hatte völlig unvermittelt eine blitzschnelle Bewegung gemacht, mit einer Hand Fingerzeichen geformt, seine Hand nach vorne ausgestreckt und sofort war ein gerader, blauer Blitz zwischen seiner Hand und dem Hasen entstanden. Im nächsten Sekundenbruchteil war Chidori, das er nun scheinbar vollkommen beliebig formen und auch auf längere Distanzen einsetzen konnte, wieder verschwunden und der Hase war tot. Nun würde er wahrscheinlich als ihr Abendessen enden. Sakura spürte, wie immer, wenn ein Leben endete, einen Stich im ihrem Herzen. Aber das war nun nicht besonders grausam von ihm gewesen. Jeder andere Ninja hätte auch so gehandelt. Das war normal. Nur für sie würde es das wohl nie sein. Jedenfalls blieb ihr ein Moment, um den Schreck zu verarbeiten. Denn Sasuke ging hin, um das Tier zu holen. "Ich gehe zum Wasser", sagte Sakura als sie ihre Sachen auf einem geeigneten Flecken in dem kleinen Wäldchen abgestellt hatten. "Die Flaschen auffüllen und so." Er zog seine hervor und hielt sie ihr hin und sie nahm auch ihre Flasche und entfernte sich rasch durch das Wäldchen hinüber zu der Seite, wo der Bach sein musste. Sie brauchte einen Moment für sich. Und sie wollte sich davor drücken, zu sehen, wie der Hase zu ihrem Abendessen wurde. Sie würde ihn essen. So war eben diese Welt. Und wo er nun ohnehin schon tot war, würde sie versuchen dankbar zu sein, dass er sie näherte und sein Leben gegeben hatte, damit sie weiterleben konnte. Das war alles, was sie noch tun konnte. Dennoch war es leichter, wenn sie es nicht sehen musste. Am Bach bekam sie eine kleine Überraschung. Denn als sie auf der anderen Seite wieder aus dem Wäldchen heraustrat und an dem flachen, mit kleinen Steinen bedecken Ufer des Baches ankam, hatte sie die Gelegenheit unzählige wunderschön leuchtende Glühwürmchen bewundern zu dürfen, die über dem Wasser in der Luft herumwirbelten. "Ohh", entfuhr es ihr verblüfft. Sie war wie gefangen von diesem Anblick. Einige Minuten - sie wusste nicht wie viele - stand sie einfach nur da und nahm den Anblick dieses seltenen Schauspiels staunend in sich auf. Irgendwann raffte sie sich auf und sie kniete sich auf die kleinen Kiesel und füllte ihre Flaschen. Die Glühwürmchen tanzten munter weiter, teilweise sogar um sie herum. Sie schien sich durch sie überhaupt nicht gestört zu fühlen. Kurz zögerte sie, doch dann öffnete sie kurzerhand ihr Oberteil, zog die Arme aus den Ärmeln, sodass es ihr nun nur noch an der Hüfte hing und tauchte ihre Hände in das kalte, klare Wasser. Sie war ihre abendliche Dusche gewöhnt und wollte sich wenigstens kurz frisch machen. Es war sehr kalt, aber auch erfrischend und vertrieb sogleich die Müdigkeit. Im nächsten Moment zuckte sie zusammen, als es einige Meter hinter ihr knackte und sie drehte sich erschrocken um und zog reflexartig ihre Arme vor ihren Oberkörper, um ihre Brüste zu bedecken. Und das war auch gut so, denn Sasuke tauchte gerade in der Dunkelheit zwischen den Bäumen auf. Die Glühwürmchen stoben auseinander. Sasuke blieb drei oder vier Meter entfernt und noch halb im Unterholz stehen, sobald er sie erblickte. Sie merkte, wie sie rot wurde. Ihm war keine Reaktion anzusehen. "Alles in Ordnung?", fragte er sachlich, als würden sie sich ständig in so einer Situation befinden und als wäre daran nichts Ungewöhliches. "Ja!", beeilte sie sich zu sagen und hoffte, dass ihre Arme alles bedeckten. Hinsehen, um das zu überprüfen, konnte sie jetzt unmöglich. Das wäre ja noch peinlicher. "Tut mir leid!", fügte sie hinzu, als ihr klar wurde, dass sie schon ziemlich lange fort gewesen sein musste. "Ich habe mir die Glühwürmchen angesehen und dabei die Zeit vergessen." War er sie suchen gekommen, um zu sehen, ob es ihr gut ging? Oder war er bloß ungeduldig, weil er Hunger hatte und sie nicht zurückgekommen war? Sie hätte gerne ihr Oberteil wieder richtig angezogen, aber sie hätte dafür die Arme wegnehmen müssen. Also ging das nicht. Sie sah ihn etwas überfordert an. Wieso ging er nicht wieder, damit sie sich anziehen konnte? Was hätte sie nur dafür gegeben zu erfahren, was gerade in seinem Kopf vorging! Nun bewegte er sich doch. Aber er ging nicht. Er kam auf sie zu. Und sie fühlte sich wie erstarrt, als er dicht neben ihr stehen blieb. Aber er bückte sich bloß und nahm sich seine Wasserflasche, die sie aufgefüllt neben sich zwischen die kleinen Kiesel gestellt hatte. Er erhob sich langsam wieder. Aber er ging immer noch nicht. Und sie stand weiter einfach nur starr da. Allerdings mit heftig klopfendem Herzen. Dann entscheid sie, dass sie wissen musste, was er tat. Also hob sie den Kopf und drehte sich leicht, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er hatte sich ihr zugewandt und er betrachtete sie. Immer noch konnte sie keine Emotionen in seinem Gesicht erkennen. Aber sie sah deutlich, dass es nicht ihr Gesicht war, das ihn gerade interessierte. Er ließ seine Augen über ihre nackte Haut wandern. Dann, ganz langsam hob er seine freie rechte Hand. Wollte er sie berühren? Sie merkte, wie sie die Luft einzog und den Atem anhielt. Sie fühlte sich wie elektrisiert. Es war kaum zu ertragen. Sie wollte, dass er es tat. Sie wollte unbedingt, dass er sie berühren würde. Er sah ihr immer noch nicht ins Gesicht. Es kam ihr so vor, als ob sein Blick von ihrer nackten Haut unerbittlich angezogen werden würde. Als ob er selbst gerade ein wenig neben sich stehen würde. Nun konnte sie doch etwas in seinem Gesicht lesen. Faszination. Das verstärkte die kribbeligen Gefühle in ihr bloß noch um ein Vielfaches und sie hatte das Gefühl gleich zu platzen, weil diese Energie irgendwo hinmusste. Seine Finger waren nun nur noch Millimeter von ihrer seitlichen Taille entfernt. Und dann, ohne Vorwarnung, zog er plötzlich seine Hand zurück. Er trat einen Schritt zurück. "Essen wir", sagte er. Damit drehte er sich um und ging wieder auf den Waldrand zu. Sekunden später war er einmal mehr in der Dunkelheit zwischen den Bäumen verschwunden. Und zum ersten Mal war Sakura froh darüber, dass er gegangen war. Ihr Körper war da zwar anderer Meinung, aber sie musste sich erstmal kurz auf die Knie sinken lassen und Luft holen. Sie stöhnte leise und frustriert auf. Das musste sie nun erstmal verarbeiten. Aber eines war ihr gerade sehr deutlich klar geworden. Sie hatte es unterschätzt. Sie hatte unterschätzt, wie sehr sie ihn wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)