Inu no Game von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 1: ----------- "Freiheit!" Die eine Hand zur Faust in den Himmel gereckt, legten Honda und ich die Zweite auf die Schulter des jeweils anderen und grinsten breit. Endlich war das Schuljahr zu Ende. Die letzten Wochen, in denen ich stumm vor mich hin gebetet hatte, waren geschafft. Der Schulabschluss war in der Tasche - wie auch immer ich das geschafft hatte. Der Lehrer und ich hatten beide ein ungläubiges Gesicht gemacht, als er mir das Zeugnis ausgehändigt hatte. "Mach' was draus, Jonouchi", hatte er gebrummt. Mit einem heftigen Kopfnicken hatte ich ihm ins Gesicht geschaut. Keine Ahnung warum, aber in dem Moment hätte ich heulen können. Hauptsächlich war es wohl Freude, aber auch ein wenig Trauer. Dass jetzt alles vorbei sein sollte, kam mir noch wie ein Traum vor. "Und was hast du jetzt vor, Kazuha?", Yugis großen Augen strahlten mich an. Ohne meinen besten Kumpel, der mich durch die Matheprüfung geprügelt hatte, wäre ich definitiv am Arsch gewesen. "Na was wohl", wuselte mir Honda durch meine blonde Mähne. Nicht, dass es bei meinen Haaren noch einen wirklichen Unterschied machte. Trotzdem boxte ich den Braunhaarigen in die Seite. Alte Gewohnheit. Ein wenig nostalgisch durfte man an diesem Tag ja wohl sein! "Wir werden heute ordentlich feiern!" Honda grinste breit. Seine Augenbrauen begannen sich nach oben zu ziehen. "Die Bar in der 42. hat heute saftige Rabatte. Wenn das nicht nach Karaoke schreit!" Yugi und Anzu lächelten zustimmend. Nur ich schüttelte verschwörerisch den Kopf. "Leute, ich muss passen." "Was?!" Honda sah mich mit großen Augen an. "Seit wann verpasst du Yugis Auftritt von >Stand by mevergessen hattestKindergarten<. "Ich habe mich schon gefragt, wer hier draußen so viel Lärm veranstaltet. Und siehe da: Kazuha Jonouchi." Der eiskalte Blick, dazu das überhebliche Grinsen und ich war auf hundertachtzig hochgefahren. "Wo ist der Rest eurer Kindergartengruppe?" "Kaiba", knurrte ich, "was hast du hier zu suchen?" "Wonach sieht es denn aus?", mit einem Nicken deutete er auf die Zapfsäulen. "Anstatt mir dumme Fragen zu stellen, könntest du dich lieber bei mir bedanken." "Warum sollte ich das tun?" "Weil du ohne mich ganz sicher in Schwierigkeiten gekommen wärst. Oder waren die zwei deine Freunde?" "Ich brauche deine >Hilfe< nicht, klar? Ich wär' die zwei auch ohne dich losgeworden." "Sicher." Dieser selbstgefällige Ton. Mir stellten sich sämtliche Nackenhaare auf. "Immer noch so naiv wie früher." "Kaiba", rief ich lauter, als ich eigentlich wollte, "irgendwann stopf' ich dir dein arrogantes Maul, hörst du?" "Ausgerechnet du? Die ohne ihre Freunde nichts gebacken bekommt? Dass ich nicht lache!" Mit einer wegwerfenden Handbewegung öffnete er die Beifahrertür. Nein! Ich würde diesen reichen Pinkel sicher nicht so davonkommen lassen. Flasche und Stoffbeutel betrachtend, kam mir die Idee. "Seto Kaiba! Ich fordere dich zum Duell heraus!" Kapitel 2: ----------- Nur langsam wachte ich auf. Spucke hing zwischen meinen Lippen, mein Pony verdeckte mir die Sicht und mein Schädel sandte Todesdrohungen an mein Gehirn. Verdammt, hatte ich einen Kater! Meine Glieder schmerzten, ich spürte jeden Muskel, als wäre er erst kürzlich zum Leben erwacht. Gerade hasste ich meinen Körper. Konnte ich denn keine Feder sein?! Zunächst wischte ich mir die Sabbere aus dem Gesicht. Dann kam der Pony dran; ich zog ihn wie einen Vorhang zur Seite. Verschlafen rieb ich mir die Augen. "Hä?!" Ich blinzelte. Was war hier los? Wo zum Geier war ich denn bitte gelandet? Abrupt setzte ich mich auf. Betrachtete die Seidenlaken, sowie das viel zu große Bett, in dem ich lag. Das war eindeutig nicht mein Zimmer! Hier triefte es geradezu vor Luxus. Als wäre ich in einem Palast und gleich kämen ein Dutzend Diener durch die Tür, um nach mir, ihrer Prinzessin, zu sehen. Das blonde, zerzauste Knäuel war eindeutig keine Prinzessin. Eher fühlte ich mich wie ein Ritter, den man durch den Drehwolf gejagt hatte. Dazu stellte sich ein Ziehen in meiner Magengegend ein, dass ich mich augenblicklich fragte, wie spät es war und ob es Zeit zum Frühstücken wäre. Nein, das war definitiv auch nicht der Himmel! Dort oben hätte ich wohl sicher keinen dicken Schädel…oder einen leeren Magen. Wie auf Kommando meldete sich mein Bauch. Ich verzog den Mund und hielt beide Hände schützend auf meinen Unterleib. "Was zu-?" Ich tastete meinen Bauch ab. Berührte meine Oberschenkel und zum Schluss die Brüste. Tatsache! Ich war nackt. Wo zum Teufel waren meine Sachen?! Ich beugte mich nach unten, tastete mit den Händen den Fußboden ab. Nichts. Nicht einmal mein Slip lag hier irgendwo herum. So ein riesiges Zimmer, aber keine Spur von meinen Sachen. Wie betrunken war ich gestern Abend? Und warum war ich gestern überhaupt betrunken? Denk' nach, Kazuha! Ich versuchte, mein Gehirn anzustrengen. Und das am frühen Morgen, ohne Frühstück und mit brummenden Schädel - dass ich überhaupt fähig war, mich zu bewegen, verzeichnete ich schon als Erfolg. Nur half es nicht, diese verrückte Situation aufzudecken. Vielleicht war ich in einem Hotel und der Zimmerservice hatte meine Sachen zur Reinigung mitgenommen…"Quatsch", ich schüttelte den Kopf, was ich sofort bereute. Nie wieder Alkohol, schwor ich mir. Und diesmal meinte ich es auch so. Mit einem Seufzer fiel ich zurück aufs Bett, streckte Arme und Beine aus und starrte an die Decke. Eigentlich hätte ich längst Zuhause sein müssen. Mein Alter war bestimmt schon am Austicken, weil ich ihm seinen Fusel nicht mitgebracht hatte… Ich riss die Augen auf. Na klar! Der Schnaps. Ich hatte ihn zusammen mit dem Stoffbeutel bei mir gehabt. Hatte ich die Flasche etwa alleine verdrückt? Eigentlich konnte ich das Zeug überhaupt nicht ab. Und alleine trank ich schon mal gar nicht. Ich schluckte schwer. Dachte für einen Moment an Entführung und schob diese Idee gleich wieder von mir. Selbst betrunken würde ich mit keinem Fremden nach Hause gehen. Mein Selbsterhaltungstrieb funktionierte auch im besoffenen Zustand. Ich schluckte ein weiteres Mal. Warum fühlte sich Schlucken so merkwürdig an? Mit den Fingerspitzen strich ich über meinen Hals. Etwas Ledernes mit Metallringen hatte sich um meine Kehle geschnürt. Schmuck konnte es nicht sein. Ich war nicht der Typ, der Kettchen oder Ähnliches trug. Aber das hier war auch keine Mädchenhalskette. Sofort sprang ich aus dem Bett, hechtete ans andere Ende des Zimmers, wo ein großer ovaler Spiegel aufgestellt war. "Aaaaaaah." Mein Schrei hätte den Kronleuchter zum Einsturz bringen können. "Das kann nicht wahr sein!" Soeben musste ich feststellen, dass meine Nacktheit nicht das Schlimmste an mir war. Dieses braune Halsband musste doch ein Scherz sein! Nicht nur, dass es hinten mit einem Schloss versehen war. Außerdem war es ganz eindeutig ein Hundehalsband. Man hatte mir ein Hundehalsband angelegt! In was für eine kranke Scheiße hatte ich mich da schon wieder reingeritten? Mit einem leisen Wimmern ließ ich den Kopf auf meine Brust fallen. Noch schlimmer hätte mein Start in die Zukunft nicht aussehen können. "Och, Mann, ich…oh?" Die Klinke wurde herunter gedrückt. Jemand öffnete die Tür. Ich drehte mich zu dem Neuankömmling. Lässig lehnte dieser am Türrahmen. Mir rutschte das Herz in die Hose - wenn ich denn eine getragen hätte. Breit grinste mich Seto Kaiba an. Sein siegessicherer Blick überdeckte sogar seine Arroganz. Gerade wünschte ich mir, er würde seinen üblichen selbstgefälligen Blick aufsetzen. Ich sehnte mich gerade nach nichts, außer ein wenig Normalität, selbst wenn es bedeutete, in Kaibas eiskalte Augen zu blicken. "Na", sagte der Braunhaarige und zeigte seine Zähne, "wie hat mein Hündchen geschlafen?" Augenblicklich schob ich meine Kinnlade an ihren rechtmäßigen Platz. "Du warst gestern Abend ganz schön hinüber. Ein Wunder, dass du mir nicht das Zimmer voll gekotzt hast." Ich hörte seine Worte, schaffte es aber nicht, sie in den richtigen Zusammenhang zu schieben. In meinem Kopf klopften die verdrängten Erinnerungen, und etwas sagte mir, dass sie genau dort bleiben sollten. "Was ist?", säuselte Kaiba. "Hat es dir die Sprache verschlagen?" Er legte den Kopf schief, musterte mich von oben bis unten. Eigentlich hätte ich so etwas wie Scham verspüren müssen. Schließlich war ich immer noch nackt und trug dieses völlig bescheuerte Hundehalsband, von dem ich langsam eine Ahnung bekam, wer mir dieses Teil angelegt hatte. Ich war geschockt, irritiert und vollkommen verkatert, dass ich nicht imstande war, vernünftig zu reagieren. "Nun", sagte Kaiba und hob seinen rechten Arm. "Scheinbar muss ich dir auf die Sprünge helfen." Die Hand ausgesteckt, ließ er eine passende Hundeleine neben seinem Körper baumeln. Die pendelartige Bewegung triggerte mich. Ich riss die Augen auf. Fuck! Ich erinnerte mich wieder. Kapitel 3: ----------- Einige Stunden vorher. "Du willst was?" Kaiba hatte sich zu mir umgedreht. Eine Augenbraue war nach oben geschnellt. "Du hast mich schon verstanden. Ich fordere dich heraus." "Das ist ein Scherz. Ich duelliere mich nicht mit dir, Jonouchi. Schon vergessen, wie ich dich das letzte Mal fertig gemacht habe?" Nein, das hatte ich nicht. Und mich daran zu erinnern, war nicht gerade klug. Doch ich schluckte Kaibas Worte einfach hinunter, sowie ich den selbstgefälligen Unterton ignorierte. "Ich mein doch nicht, dass wir uns mit DuelMonsters-Karten duellieren sollen." Ich grinste breit und deutete auf meine beiden Waffen. "Ich fordere dich hiermit heraus." "Und was soll das sein? Willst du mich unter den Tisch trinken und mir anschließend mit dem Beutel eins überziehen?" "Ich würde dir zwar liebend gerne eine scheuern aber…nein. Da drin sind circa hundert Holzklötze. Wir spielen Wackelturm im Challenge-Modus." "Und du glaubst, auf so eine Kinderkacke lasse ich mich ein?" Kaiba verschränkte die Arme vor der Brust. Das ließ mein Grinsen nur noch breiter werden. "Hast du etwa Angst?", stichelte ich. "Sicher nicht", er rümpfte die Nase. "Dann steht einer Runde doch nichts im Weg." Ich hob die Augenbrauen an. Keinen Schimmer, warum ich so versessen darauf war, gegen Kaiba anzutreten. Sein abschätziger Blick, die Überlegenheit, die er mir gegenüber ausstrahlte und zu sich jeder bietenden Gelegenheit zur Schau stellte, taten sein Übriges, dass ich drauf und dran war, ihm eins auszuwischen. Ich hatte es bereits aufgegeben, von Kaiba ernst genommen werden zu wollen. Das hatte in den vergangen Jahren zu nichts geführt. Er hatte deutlich gemacht, dass er mich nie als Duellantin anerkennen würde, und ich hatte akzeptiert, mit der Tatsache leben zu müssen. "Also, was ist?!" Ich wedelte mit der Schnapsflasche vor meinem Gesicht. "Traust du dich nun, oder gibst du zu, dass du ohne deine weißen Drachen keine Chance gegen mich hast?" Ich wusste genau, wie ich ihn provozieren musste, damit er anbiss. Zornig funkelte er mich an. "Steig schon ein", grummelte er. Den halben Sieg hatte ich bereits in der Tasche. Bevor es sich Kaiba anders überlegen konnte, huschte ich in die Limousine. "Wahnsinn", kam es aus meinem Mund, noch bevor ich zu denken begonnen hatte. Der Wagen konnte sich definitiv sehen lassen! Auf dem Beifahrersitz wäre mindestens Platz für zehn weitere Leute. Kaibas genervter Gesichtsausdruck ließ mich ganz links außen Platz nehmen. "Isono", sagte Kaiba, der mit der Freisprechanlage kommunizierte, "fahr' ein paar Runden im Kreis. So, dass es nicht auffällig wirkt." Hinter dem blickdichten Plexiglas konnte ich mir das Gesicht des Chauffeurs ganz genau vorstellen. "Wie lange?" fragte Isono. "Fünfzehn Minuten - die Sache wird schnell erledigt sein." Pah. Das hättest du wohl gerne! "Jawohl, Seto-sama." Der Motor startete und das Riesengefährt setzte sich langsam in Bewegung. "Und jetzt?" Kaiba sah mich mit diesem ganz bestimmten Blick an. Ich wusste, dass er dieses Spiel nicht ernst nahm, und ich selbst wusste nicht, wieso ich mich so hineingesteigert hatte. Aber es juckte mir in den Fingern, Kaibas perfekte Fassade bröckeln zu sehen. Selbst wenn ich ihn in einem albernen Spiel wie diesem schlagen würde. Der Gedanke, ihn überhaupt besiegen zu können, gab mir den richtigen Anreiz, die Sache durchzuziehen. Ich legte den Stoffbeutel vor unsere Füße. "Wir legen nacheinander einen Holzklotz auf den anderen. Bei wem der Turm zuerst umfällt, hat verloren." Den Schnaps hielt ich ihm vor die Nase. "Damit es nicht langweilig wird, muss jeder vorher einen Schluck trinken." "Aus der Flasche?" Er sah den Schnaps, dann mich an, und ich spürte den Abscheu dahinter. "Denkst du, ich will mit dir aus einer Flasche nuckeln?", grummelte ich zurück. "Du wirst doch hier irgendwo einen Becher oder sowas haben." ">Oder sowas< trifft es wohl ganz gut", erwiderte Kaiba und kramte aus einem der unzähligen Seitenfächer zwei kleine Gläser hervor. Ich hatte mich schon gefragt, wo hier die Minibar versteckt war. Statt unzähliger Flaschen Alkohol hatte Kaiba darin Headsets, USB-Sticks und etwas, das ich nicht definieren konnte, verstaut. Spaß würde man in dieser Karre wohl vergeblich suchen. "Perfekt", ich entriss ihm eines der Gläser und klemmte es zwischen meine Schenkel. "Weil ich dich herausgefordert habe", sagte ich und schraubte die Flasche auf, "werde ich den Anfang machen." Ich kippte den Schnaps herunter und schnappte mir einen Baustein. Der Alkohol brannte in meiner Kehle. Der billige Fusel schmeckte widerlich, sollte aber seinen Zweck erfüllen. Als nächstes goss ich Kaiba ein. Schneller als gedacht, leerte er das Glas. Seine Mimik ließ nichts erkennen. Er nahm einen Holzklotz und musterte ihn. "Die Dinger sind ja krumm und schief." Ich verkniff mir zu sagen, dass diese >Dinger< von mir zurechtgeschnitten worden waren. Auf einen dummen Kommentar seinerseits konnte ich verzichten. "Darum auch der Challenge-Modus", erwiderte ich stattdessen und machte den nächsten Zug. "Das sollte doch kein Problem sein, oder?" Ich lächelte verschmitzt, während ich Kaiba nachschenkte. "Nein. Ich werde auch so gewinnen." "Das werden wir noch sehen. Ich bin der ungeschlagene Wackelturm-Champion, musst du wissen", ich zeigte auf mich und schwellte die Brust, "hundertsechsundsiebzig Siege in Folge. Mach' das erstmal nach." "Dass du so weit zählen kannst…beachtlich, Jonouchi." "Glaub' ja nicht, dass ich mich von dir unterkriegen lasse, Kaiba." Ich schnappte mir ein besonders misslungenes Exemplar und drapierte es auf den langsam wachsenden Turm. Sollte Kaiba doch zusehen, wie er damit fertig würde. Dieser arrogante Geldsack hätte es bitter nötig, von einer >dummen Göre< wie mir geschlagen zu werden. "Oh, Jonouchi", säuselte Kaiba und nahm ebenfalls ein schiefes Förmchen, "du ziehst die Schlinge immer enger um dich." "Du solltest langsam wissen, dass das mein Spezialgebiet ist", ich zwinkerte ihm zu. So viele Kurze in dieser Zeit entfalteten recht schnell ihre Wirkung. Aber ich war trinkfest. Jedenfalls war ich mir sicher, dass ich mehr vertrug als dieser spießige Kerl neben mir. Auch wenn er gelassen blieb, in seinen Augen konnte ich bereits dieses gewisse Funkeln sehen. Dabei fiel mir zum ersten Mal auf, wie Tiefblau seine Augen eigentlich waren. Wenn sie mich nicht gerade mit Ignoranz straften, konnten es sehr schöne blaue Augen sein. "Sag' mal", Kaiba hatte die Beine übereinander geschlagen. Die eine Hand lag lässig auf der Lehne, während sich seine geballte Faust in seine Wange drückte und ihn abstützte. "Der Gewinner", er schwenkte das Glas und betrachtete die durchsichtige Flüssigkeit. In dem Hemd, das er dabei trug, sah er wie ein verdammt heißer Geschäftsmann aus. Scheiße, was dachte ich denn da?! Kaiba war ein Geschäftsmann, aber ganz sicher nicht heiß…oder doch? "W-was soll mit dem sein?", ich stützte mich mit dem Ellenbogen ab und versuchte nicht allzu unbeholfen dabei auszusehen. "Was springt für denjenigen heraus, der dieses Spiel gewinnt?" "Hm", ich legte meinen Zeigefinger an die Lippen. Mir entging nicht, dass Kaiba meinen Mund fixierte. Also tippte ich noch etwas weiter auf ihm herum und tat, als würde ich wirklich nachdenken. "Der Verlierer muss für dreißig Tage alles tun, was ihm der Gewinner sagt." Wieder einmal war mein Mund schneller als mein Gehirn. Ich hatte einfach vor mich hin geredet und erneut das Glas mit Alkohol gefüllt. "Einverstanden", sagte Kaiba mit rauer Stimme. Gefährlich begann der Turm zu wackeln, als ich meinen Holzklotz auf die Restlichen stapelte. Aber er blieb stehen und Kaiba war jetzt am Zug. Gespannt musterte ich seine Gesichtszüge. Wenn er nicht so streng drein blickte, sah er echt noch jung aus. Wie ein normaler Achtzehnjähriger. Vielleicht lag es am Alkohol, aber diese Seite an ihm gefiel mir. Sie machte aus der gefühllosen Maschine einen echten Menschen. "Dein Zug, Jonouchi", er lächelte diabolisch und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Verdammt, sah das scharf aus! Wann hatte Kaiba seine Krawatte gelockert und die ersten beiden Knöpfe seines Hemdes geöffnet? Unruhig drückte ich meine Schenkel aneinander. "Ja", hauchte ich ungewohnt leise und nahm mit zittrigen Fingern einen Holzklotz aus dem Beutel. Viele waren nicht mehr übrig. Die Flasche hatten wir beide auch schon fast leer getrunken. Mein Plan war es gewesen, Kaiba noch vor dem letzten Schluck betrunken zu machen. Aber der Braunhaarige schien noch topfit. Wenn ich nicht so in die Enge getrieben worden wäre, hätte ich Bewunderung für ihn übrig gehabt. So war ich in meiner altbekannten Zwickmühle gefangen. Ich kippte den Alkohol herunter, schüttelte mich und beugte mich zu unserem Wackelturm herunter. Mann, das Ding wackelte in einer Tour…oder wackelte etwa ich? Nur ruhig, sagte ich mir im Geiste. Aber es half wenig, wenn Seto Kaiba neben mir saß, seinen herablassenden Blick aufgesetzt, der mich immer wieder aus dem Konzept bringen konnte. In diesem Moment ganz besonders. Vorsichtig legte ich den Baustein auf den Turm. Es holperte, als der Wagen in ein Schlagloch fuhr. Das Bauwerk fiel in sich zusammen, die einzelnen Bausteine kullerten auf den Boden. "Ups", Kaibas Stimme war ganz ruhig, aber ich spürte die Selbstzufriedenheit darin. "Das ist nicht fair!", protestierte ich, "warum musste dein Fahrer auch in ein beschissenes Schlagloch fahren!" "Das Glück ist einfach nicht auf deiner Seite, Jonouchi." Theatralisch seufzte ich und setzte mich wieder aufrecht hin. "Dabei war ich so kurz davor zu gewinnen." Ich funkelte ihn an. "Es ist noch nicht vorbei, Kaiba. Ich fordere eine Revanche." "Abgelehnt!" Er drehte seinen Kopf und beugte sich zu mir herüber. Eine Hand umfasste mein Kinn. "Ich habe gewonnen. Deine Chance, mich zu schlagen, ist vertan. Ich habe dich am Haken, Kazuha Jonouchi, und ich werde dich nicht wieder freigeben." "Kaiba, du-" Meine Worte erstickten im Keim. Ohne Vorwarnung hatte Kaiba seine Lippen auf meine gepresst. Er küsste mich hart auf den Mund, doch gerade brauchte ich das. Ich war wütend und auf eine schräge Weise erregt, dass ich meine Zunge in seinen Mund schob und erleichtert aufstöhnte, als ich ebenfalls seine Zunge schmeckte. Ich gab dem Schnaps die Schuld. Obwohl Alkohol bei mir eine ganz andere Wirkung hatte (ich wurde nämlich immer müde, wenn ich betrunken war), war mein Hirn von diesem einen Gedanken benebelt: Ich wollte Kaiba. Den Seto Kaiba. Der mich zügellos küsste, wie ich es von diesem arroganten Kerl nicht erwartet hätte. Es fühlte sich verdammt gut an, und ehe ich mich versah, hatte ich es mir rittlings auf seinem Schoß bequem gemacht. Als Antwort grinste er nur schief, bevor er mich weiterhin um den Verstand küsste. Ich spürte meine wunden Lippen und ich liebte es, noch mehr davon zu bekommen. Genüsslich rieb ich mich an Kaibas Schritt, der schon jetzt ungeahnt groß und hart war. Mich trennte nur mein dünnes Höschen von seiner Hose, dass die Fantasien nur so durch meinen Kopf schossen und ich nicht anders konnte als meine Hand über seinen Gürtel wandern zu lassen. Ich fuhr die Linien seines Firmenlogos nach, bevor ich die Schlaufen aus dem Gürtel zog. Kaiba reagierte darauf, indem er seine Hand unter meinen Rock schob, beide Pobacken packte und die Fingernägel in meine entblößte Haut krallte. Ich gab ein kurzes Quietschen von mir. Sein Griff war ungewohnt harsch, doch wie gesagt: gerade brauchte ich das. Und wenn mir Kaiba meinen Hintern blutig kratzte - ich würde mich schon irgendwie revanchieren können. "Jonouchi", raunte er an mein Ohr, dass ich überall Gänsehaut hatte. Diese eine empfindliche Stelle. Sie war mein Kryptonit. Ich sackte wie ein wehrloses Tier ein, zog den Gürtel aus der Hose und ließ ihn klatschend auf den Boden fallen. Wenn ich ihn nicht augenblicklich spüren durfte, würde ich noch verrückt werden. Gierig schob sich meine Hand in seine Hose, massierte seinen harten Schwanz, dass ich ihm ein Stöhnen entlocken konnte, während er mit den Lippen über meinen Hals ging, ihn küsste, an ihm knabberte und schließlich seine Zähne darin versenkte und zu saugen begann. "Hm", murmelte ich wie eine Betrunkene. Ja, ich war betrunken - definitiv - aber im Moment machte mich nicht der Alkohol wuschig, sondern Seto Kaiba. Er flüsterte mir ins Ohr, ich nickte, obwohl ich ihm nicht zuhörte. Ich war gefangen in seinen Berührungen, in seinen Küssen und in der Art, wie er mich in Besitz nahm. Ich kannte kein passenderes Wort dafür, was Kaiba mit mir anstellte. Ich war sein Besitz, gehorchte nur noch meinen Trieben, dem Kribbeln zwischen meinen Beinen. Wer behauptete, dass nur Männer schwanzgesteuert waren?! Den Reißverschluss bis runter gezogen, gab ich ein zufriedenes Seufzen von mir. In dem Moment hob er mich an, schob mich auf seine Oberschenkel, weg von seinem Schritt, weg von diesem geilen Gefühl, dass ich ihn kurz perplex anstarrte, bevor ich begriff, was er vorhatte. Er streckte seinen rechten Arm aus, griff in eine Schublade und zog eine Kondompackung hervor. Dann hatte Kaiba also doch etwas Spaß hier aufbewahrt. So schnell konnte ich nicht gucken, da hatte er seine Hose mitsamt Boxershort runtergezogen, das Kondom aus der Verpackung gerissen und es sich übergezogen. Wie eine Notgeile musste ich auf sein Gemächt gestarrt haben. Nur daran zu denken, wie er sich in mir anfühlte… "Zieh' dein Höschen aus", sagte er. In jeder anderen Situation hätte ich mich seinen Befehlen verweigert. Aber jetzt stellte ich mich, so gut es in diesem Auto ging, auf, zog meinen Slip herunter und ließ mich von Kaibas Armen zurück auf seinen Schoß befördern. Eine einzige Bewegung genügte, dass er seinen Schwanz vollständig in mir versenkte. Die Intensität überrumpelte mich, dass ich scharf die Luft einzog. Nur kurz, bevor ich mich vollends entspannte und meine Hüftbewegungen seinen Stößen anpasste. Wieder die Hände auf mein Hinterteil gelegt, dirigierte er mich, wurde schneller, dann wieder langsamer, hielt mich fest, zog sich aus mir zurück und stieß hart zu. Und ich? Ich schmolz dahin. Die Hitze strahlte über meinen gesamten Körper und bildete zwischen meinen Beinen ihren Mittelpunkt. Ich keuchte, spürte dieses Brennen in mir, diesen wahnsinnigen Rausch, der mich glauben ließ, dass es ewig so weitergehen könnte, bis mich diese eine Welle traf. Mir mitten ins Gesicht klatschte, dass sich ein lautes, befreiendes Stöhnen aus meiner Kehle drängte. Immer wieder schwappte die Welle über meinen Körper. Ich schlang die Arme um Kaibas Hals, hielt mich mit aller Macht an diesem Mann fest, der mir den heftigsten Orgasmus meines Lebens geschenkt hatte. Nur langsam wollte dieses Gefühl verebben. Dafür bewegte sich Kaiba viel zu intensiv in mir. Seine Bewegungen wurden harscher, er nahm an Tempo zu, dass es mir die Luft zum Atmen raubte. Tief in mir hielt er inne. Ein knurriger Laut drang aus seiner Kehle. Er lockerte seinen Griff, wischte sich eine Strähne aus seinem Gesicht. Mit glasigen Augen sah er mich an. Lächelte verschmitzt, dass ich nicht anders konnte als zurück zu lächeln. Ich hatte heute definitiv etwas Neues über Seto Kaiba gelernt. Das sollte doch was Positives sein, oder? Kapitel 4: ----------- Nach diesem durchaus spaßigen Ritt, wurde es kurz darauf Schwarz um mich herum. Der bekannte Filmriss setzte ein. Ich erinnerte mich erst wieder, als der Wagen in die Kaiba-Villa eingefahren war. "Huiiiiii!!!!!" Kaiba hatte mich über seine Schultern geworfen. Meine Beine baumelten lässig neben seinem Gesicht, während ich lauthals zu lachen begann. "Lass' mich runter", lallte ich und wollte in seinen Rücken beißen, wobei ich nur sein Hemd erwischte. "Ich kann alleine laufen." "Nein, kannst du nicht", erwiderte Kaiba trocken. "Du bist sturzbetrunken, Jonouchi." "Ga-har nicht wahr", begann ich wie ein Kind drauf los zu trällern. "Du", dabei tippte ich ihn auf das Schulterblatt, "bist betrunken." "Schwachsinn." "Kaiba ist betrunken. Kaiba ist betrunken. Ich hab Kaiba betrunken gemacht!" "Geht das etwas leiser?" Grummelte er und lief mehr oder weniger zielstrebig auf das Eingangstor zu. Von wegen, nicht betrunken! Wer nicht einmal ordentlich geradeaus laufen konnte. Als ich wieder zu singen anfangen wollte, gab er mir einen heftigen Klaps auf meinen Po. Ich quiekte kurz auf, dann kicherte ich auch schon drauf los. Als ob mich ein einfacher Schlag auf mein Hinterteil aus dem Konzept bringen konnte. Was Schmerzen betraf, war ich viel zu abgehärtet. Da konnte mir Kaiba noch so oft den Hintern versohlen. "Du bist echt nervtötend, weißt du das?" Kaiba hatte die Haustür aufgerissen. "Und du bist ein Spießer." Ich streckte meine Zunge raus. Dabei konnte mich Kaiba überhaupt nicht sehen. "Ach wirklich?" In seinem Ton lag etwas Scharfes. "Soll ich dir vielleicht mal zeigen, wie spießig ich wirklich bin?" "Hm…war das eine neue Herausforderung? Wenn du gegen mich antreten willst-" "Oh nein, Jonouchi. Deine Spielereien sind vorbei. Jetzt bin ich an der Reihe mit dir zu spielen…mein kleines Hündchen." Ich schluckte schwer. So schnell hatte ich noch nie von völlig zerstört zu absolut nüchtern geswitcht. "Na, macht es so langsam Klick?" Ich musterte Kaiba. Er trug ein frisches Hemd und sah, im Gegensatz zu mir, wie das blühende Leben aus. War dieser Kerl in allem perfekt, oder was?! Ich spürte, wie aus der Nüchternheit die Reue erwachte. Das durftte doch nicht wahr sein?! Ausgerechnet mit Seto Kaiba musste ich schlafen. Meinem selbsternannten Erzfeind. Der Kerl, der keinen Funken Achtung vor mir hatte. Von dem musste ich mich abschleppen lassen. Zum ersten Mal war ich froh, dass Hideaki Yamado mir vor anderthalb Jahren meine Unschuld genommen hatte. Gar nicht auszumalen, wenn Kaiba derjenige gewesen wäre…Mir wurde übel. Hauptsächlich weil ich Hunger hatte, aber meine Dummheit spielte hier auch mit rein. "Du", ich zeigte auf Kaiba, der nichts Besseres zu tun hatte, als mit der Leine herum zu spielen. Sie provokant in meinem Sichtfeld auf und ab wippen zu lassen. "Was machst du überhaupt hier, Kaiba?" "Ich wohne hier, wie dir vielleicht aufgefallen ist." "Das meine ich nicht. Hast du nichts anderes zu tun, als mich hier nackt mit einem Halsband rumstehen zu lassen? Solltest du nicht eine Firma leiten, oder so?" "Du hast mir diese Frage früher schon einmal gestellt. Weißt du noch, im Spieleladen von Yugis Großvater." "Kann sein", murmelte ich. Das beste Gedächtnis hatte ich nicht gerade. "Und was war meine Antwort?" "Keine Ahnung. Mann, das liegt ein Jahr zurück! Irgendwas Beleidigendes oder Selbstgefälliges." "Ich sagte, dass du dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern sollst." "Sagte ich doch." "Daran hat sich nichts geändert, Jonouchi." "Das ist noch lange kein Grund, mich hier als deine Geisel zu halten. Du kann nicht machen, was du willst, Kaiba." "Du irrst dich. Ich kann." Er nahm die zweite Hand von seinem Rücken. Zwischen Zeigefinger und Daumen klemmte ein Stück Papier. "Das ist nicht dein Ernst." Langsam wurde ich echt sauer. Was bildete sich dieser Kerl ein? Als ob ich nicht wüsste, was er mir gerade anzudrehen versuchte. "Ich werde mich ganz sicher nicht darauf einlassen!" Mit ausgestrecktem Finger zeigte ich auf das Stück Papier. "Lieber verreck ich, als diesen Wisch zu unterzeichnen!" "Zu spät", er streckte die Hand aus, "du hast bereits unterzeichnet. Damit ist unser Deal offiziell bestätigt. Dreißig Tage - und ich kann mit dir machen, was ich will." Ich ging einen Schritt zurück. Mein nackter Körper traf auf das kalte Glas des Spiegels. Selbst aus dieser Entfernung erkannte ich meine Unterschrift. Dieses quirlige Gekritzel hätte sich Kaiba nicht ausdenken können. "Keine Sorge", Kaiba lächelte in sich hinein, faltete den Vertrag und steckte ihn in seine Hosentasche, "das ist bloß meine Absicherung. Falls du auf dumme Ideen kommen solltest und jemandem von unserer Abmachung erzählst. Schließlich habe ich mehr zu verlieren als du." Als ob ich irgendeiner Menschenseele von dieser abgefuckten Abmachung erzählen würde! Aber ich sparte mit jeglichen Kommentar und nickte. "Gut", sagte Kaiba und brachte die Leine wieder ins Spiel - diese verfluchte Leine!, "wenn soweit alles geklärt ist-" "Oh nein", funkte ich dazwischen, "hier ist überhaupt nichts geklärt! Ich werde mich sicher nicht von dir herumkommandieren lassen, ist das klar?" Kaiba seufzte. "Wie oft wollen wir das noch durchkauen, Jonouchi? Du hast selbst diesen Vorschlag unterbreitet. Deine große Klappe hat dich hierher gebracht. Leb' mit den Konsequenzen." Ich hasste es, dass er recht hatte. "Kaiba…" "Bellen kannst du ja schon", er grinste und wickelte sich die Leine um sein Handgelenk. Es war schon schlimm genug, dass ich nichts Besseres als ein Knurren entgegenzusetzen hatte, aber als Kaiba dann auch noch die Leine aufwickelte und den Verschluss aufschnappen ließ, hätte ich mir die Kugel geben können. "Komm her", forderte er mich auf. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Der Mistkerl meinte es wirklich ernst und mir gingen so langsam die Argumente aus. "Nicht ohne meine Sachen", erwiderte ich und schlang meine Arme um meinen Oberkörper, als wäre ich mir erst jetzt meiner Nacktheit bewusst. Es war ja nicht so, dass ich ständig vor irgendwelchen Kerlen blank machte. Egal war mir nicht, dass ich wie ein Stück Fleisch auf dem Präsentierteller lag. "Die kriegst du wieder, wenn wir hier fertig sind", sagte Kaiba. "Was hast du vor? Willst du mich da draußen Gassiführen?!" Der Gedanke kam erst jetzt so richtig in meinem Kopf an, dass ich kurz überlegte, einfach aus dem Fenster zu springen. Kaibas undurchsichtiger Blick war kaum auszuhalten. "Das findest du noch früh genug heraus und jetzt komm' - Beifuß!" "Ich werd' da nicht rausgehen! So verrückt kannst du nicht sein. Schon mal nachgedacht, dass uns Mokuba sehen könnte?" "Mokuba ist nicht hier", antwortete er, als würde es alle anderen Probleme in Luft auflösen lassen, "ich habe ihm einen wichtige Aufgabe übertragen. Für die nächsten dreißig Tage wird er dieses Haus nicht betreten." Das hatte er ja toll eingefädelt! Während ich - nichtsahnend - meinen Rausch ausgeschlafen hatte, hatte Kaiba alles bis ins kleinste Detail geplant. Ich hätte mich nie auf dieses Spiel einlassen dürfen. Es konnte einfach nicht gut enden. Weil es nie gut für mich endete. Ich lernte einfach nicht dazu. "Ich warte." Kaiba sprach ruhig. Aber diese Ruhe gefiel mir noch weniger als sein arrogantes Gehabe. Dadurch ließ er sich schwer einschätzen. Schließlich gab ich mir einen Ruck. Es brachte nichts, meine Fehler zu bereuen. Das machte sie auch nicht ungeschehen und änderte auch nichts an meiner Lage. Ich musste das jetzt durchziehen. Das war ich meiner Ehre als Duellantin schuldig. Wäre ja gelacht, wenn ich jetzt anfangen würde, mich vor einer verlorenen Wette zu drücken. "Also gut", murrte ich und setzte ein Bein vor das andere. "Seit wann kann ein Hund auf zwei Beinen laufen, Jonouchi?" Kaiba ermahnte mich wie ein Lehrer, der seine Argumente noch mit dem Rohrstock unterstrich. "Was?!" Ich riss den Mund auf. "Du hast mich schon verstanden. Auf alle Viere mit dir." Dieser Drecksack. Ich atmete tief ein und ging auf die Knie. "So ist's brav." Es war nicht zu überhören, wie sehr er das hier genoss. Noch schlimmer als sein herablassender Blick war nur die Hundeleine, der ich mit jedem Schritt - oder besser gesagt jedem Kriechen - näher kam. "Ich sagte doch, dass ich dich eines Tages in einen kriechenden Hund verwandeln würde." Er brauchte mich an die Bedeutung dieser Anspielung nicht hinzuweisen. Ich erinnerte mich noch sehr gut an unser erstes, inoffizielles Duell im Königreich der Duellanten. Seine Worte hatte ich lange Zeit mit mir herumgeschleppt und gerade als ich damit angefangen hatte, Selbstvertrauen in meine Fähigkeiten zu entwickeln, kam Kaiba um die Ecke und machte alles kaputt. Ich biss mir auf die Lippen, zwang mich, meinen Mund zu halten. Nicht, dass er noch mehr von diesen dummen Ideen verzapfte. Direkt vor seinen Füßen blieb ich stehen. Mit aller Würde, die ich aufbringen konnte, blickte ich zu ihm hinauf. "Jetzt müssen wir dich nur noch stubenrein kriegen." Kapitel 5: ----------- "DAS.DARF.DOCH.WOHL.NICHT.WAHR.SEIN." Immer wieder schlug ich mit der Stirn auf die Holzplatte meines Schreibtisches ein. Mein Holzkopf konnte das ab. Was ich jetzt brauchte, war ein Gefühl, das meine Gedanken überdecken konnte, und Schmerz war nun einmal das einzige, mit dem ich umgehen konnte. Trotzdem hörte ich im richtigen Moment auf, bevor ich mir noch ernsthafte Verletzungen zuzog. Das Gesicht zur Seite gedreht, legte ich meinen Kopf auf das harte Holz und schloss die Augen. Wenigstens hatte ich meine Ruhe. Meinem Vater wollte ich so früh nicht unter die Augen treten. Ich trug immer noch das Halsband, das ich dank meiner Schuluniform unter meiner blauen Schleife hatte verbergen können. Zwar sah ich damit wie ein großes, missglücktes Valentinstagsgeschenk aus, aber immer noch besser als vor aller Welt als der größte Volltrottel dazustehen und damit einmal mehr Seto Kaiba zu beweisen, dass ich tatsächlich dieses dumme Versager-Hündchen war, zu dem er mich gemacht hatte. Es kostete mich Mühe, meine Augen zu öffnen und mich langsam wieder aufzurichten. Die Auswirkungen meines Katers waren immer noch deutlich spürbar, mein Magen knurrte wie ein ausgehungerter Wolf und in meinem Mund haftete der Geschmack von Schnaps und Magensäure. Alles schrie nach einer kalten Dusche, einer extra großen Portion Ramen und einer Mütze voll Schlaf. Der Zettel in meinem Blazer sagte etwas anderes. Ich kräuselte die Lippen. Dieser Geldsack hatte mir doch tatsächlich Hausaufgaben aufgebrummt. War das zu fassen?! Dabei hatte ich dem Lernen längst Lebewohl gesagt. Natürlich war das für Kaiba nur eine weitere Möglichkeit, meine Blödheit zur Schau zu stellen. Jedem auf der Schule war bekannt, dass ich nicht die beste Schülerin war, mich bloß von Schuljahr zu Schuljahr gehangelt hatte und überglücklich war, die Schulbank nie wieder drucken zu müssen. Seto Kaibas Grinsen hatte sich in mein Hirn eingebrannt. Wie er mir den Zettel überreicht hatte, nachdem ich endlich meine Sachen aus dem Bad holen durfte. Richtig selbstzufrieden. Oh, das sollte er mir irgendwann büßen! Den Zettel aus der Tasche meines Blazers gekramt, glättete ich zunächst das stark zerknüllte Papier. Zehn Regeln hatte Kaiba aufgestellt. Alle sollte ich mir genau durchlesen und bis morgen Abend auswendig gelernt haben. Lesen UND Auswendiglernen - allein bei den Worten schüttelte es mich. Ich hatte weder die Nerven, noch die Geduld, mich mit Kaibas Gemeinheiten auseinanderzusetzen. Das einzige, das mich antrieb, waren die Konsequenzen, sollte ich mich weigern, Kaibas Anweisungen zu befolgen. Ich atmete tief ein und begann zu lesen: Regel Nummer eins: Das Hündchen hat seinen Meister nur mit >Herr< oder >Kaiba-dono< anzusprechen. "Tickt der nicht mehr ganz richtig", brüllte ich mein Zimmer zusammen und hätte am liebsten den Zettel in den nächsten Verbrennungsofen geworfen. Was glaubte Kaiba, wer er war? Ein König? Und ich sein Hofnarr? Ich schüttelte den Kopf, ermahnte mich, ruhig zu bleiben. Kaiba wollte doch nur, dass ich ausflippte. Genau deshalb veranstaltete er diese Spielchen - um mich explodieren zu sehen. Die Augen zurück auf den Wisch gelenkt, las ich weiter: Regel Nummer zwei: Das Hündchen tut das, was sein Herr ihm sagt. Regel Nummer drei: Der Herr hat zu entscheiden, welche Erziehung für sein Hündchen angemessen ist. Der Puls an meiner Schläfe begann heftig zu hämmern. "Ganz ruhig. Du wirst jetzt nicht ausrasten." Regel Nummer vier: Ein braves Hündchen ist ein glückliches Hündchen. Regel Nummer sechs: Hält sich das Hündchen nicht an die Regeln, wird das Hündchen sofort darauf hingewiesen und entsprechend bestraft. Regel Nummer sieben: Das Hündchen ist stets gepflegt. "Wofür hält der mich? Für einen streunenden Köter?!" Ich knallte meine Faust auf den Tisch. Regel Nummer acht: Das Hündchen weiß sich zu artikulieren. Schimpfworte und anstößige Bemerkungen sind zu unterlassen und werden entsprechend bestraft. Regel Nummer neun: Das Hündchen denkt erst, bevor es spricht - siehe Regel Nummer acht. Ich verleierte die Augen. Offensichtlich, dass Kaiba mich für einen unterbemittelten und unkultivierten Affen hielt. Damit hatte er nie hinter dem Berg gehalten. Ich gab mir einen Ruck und las auch noch den letzten Abschnitt. Regel Nummer zehn: Ein zufriedener Herr ist ein großzügiger Herr. Den Kopf in den Nacken gelegt, stöhnte ich laut auf. Das konnte ja was werden! Mein Gefühl war nicht gerade das beste, als ich schließlich wieder vor der Kaiba Villa stand. Ich zuppelte an dem Rock, den ich mir kurzfristig von meiner kleinen Schwester geborgt hatte. Kaiba hatte darauf bestanden. Seine Textnachricht ließ keinen Spielraum für Interpretationen. Als wüsste dieser arrogante Piefke, dass ich in meinem Kleiderschrank nur Hosen und Shorts aufbewahrte. Wenn ich mit einem der beiden aufgetaucht wäre, hätte ich wohl gleich wieder blank ziehen müssen und so schnell wollte ich mich vor Kaiba kein weiteres Mal ausziehen. Ich hatte mich geweigert, noch einmal den Faltenrock meiner Schuluniform anzulegen. Schließlich war das Teil um meinen Hals schon genug Rollenspiel, da wollte ich nicht noch einen auf braves Schulmädchen machen. Natürlich war mir der gelbe Glockenrock mit den vielen roten Blümchen viel zu kurz. Shizuka war einen ganzen Kopf kleiner als ich. Ein zartes Pflänzchen. Ich sah in dem Rock einfach nur lächerlich aus. Als wäre ich in der Kinderabteilung einkaufen gewesen. "Jonouchi-san?" Vor Schreck wäre ich beinahe in das Gebüsch gesprungen. Aus dem Nichts war ein Bediensteter neben mir aufgetaucht. Ich hielt es nicht für ausgeschlossen, dass man mir hinter dem nächsten Baum aufgelauert hatte. Bei Kaibas Fantasien hielt ich neuerdings alles für möglich. "J-ja?" "Wenn Sie mir bitte folgen würden." Er verneigte sich und mir blieb nichts anderes übrig, als dem Mann im Pinguinkostüm zu folgen. Jetzt, wo ich nüchtern war, hätte ich mir gerne einmal das Haus angesehen. Obwohl: >Haus< ist hier ganz klar untertrieben. Die Bude hatte bestimmt eine eigene Postleitzahl. Viel Zeit zum Staunen blieb nicht. Zügig lief der Bedienstete durch den Flur, deutete mit seinen behandschuhten Fingern auf eine der Türen. "Kaiba-sama erwartet Sie bereits", sagte der Bedienstete, klopfte an und ging. Mir wäre es lieber gewesen, er wäre noch etwas da geblieben, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass Kaiba mich verschonen würde, nur weil seine Bediensteten zusahen. Ich hätte mich noch so sehr auf diesen Moment vorbereiten können - als Kaiba die Tür öffnete und provokant auf mich herabblickte, fiel ich sofort in alte Muster. Die Hände in die Hüften gestemmt, begegnete ich seinen eiskalten Blicken, dass er mich mit einem Wink ins Zimmer dirigierte. Alles in mir schrie danach, stehen zu bleiben. Ich hatte mich noch nie irgendwelchen Regeln unterworfen und würde ganz sicher nicht damit anfangen, nur weil Kaiba glaubte, seine sadistische Seite an mir ausleben zu müssen. Dumm nur, dass ich genau das tun musste, um meine Schulden so schnell es ging zu begleichen. "Es wäre besser für dich, wenn du auf das hörst, was man dir sagt. Oder willst du gleich zu Beginn in deine Schranken verwiesen werden?" Als könnte Kaiba meine Gedanken lesen! Meine Freunde hatten schon immer behauptet, dass man aus meinem Gesicht wie aus einem Buch lesen könnte. Es wäre mir aber neu, wenn Kaiba so was wie Menschenkenntnis besitzen würde. "Hm", grummelte ich und spielte sein Spielchen mit. Ich lief an Kaiba vorbei, der mir ganz nebenbei auf meine Schenkel starrte, und blieb mitten im Raum stehen. "Eine Bibliothek?" fragte ich. Man wurde hier regelrecht von Bücherregalen erschlagen. "Die Bibliothek ist in einem anderen Flügel", entgegnete Kaiba und zeigte auf einen etwas altmodisch wirkenden Tisch. Je länger ich drauf starrte, umso mehr erkannte ich das Schülerpult darin. "In dem Zimmer wurde ich früher unterrichtet." "Stimmt ja. Du bist erst im zweiten Schuljahr in unsere Klasse gekommen. Du hattest also Privatunterricht?" "Jonouchi", sagte Kaiba streng, "du erwartest doch nicht ernsthaft, dass ich mit dir über meine Vergangenheit spreche?!" "Und was soll ich, deiner Meinung nach, erwarten?" "Setz' dich", befahl er stattdessen. Ein leichtes Schmunzeln umspielte seine Lippen. Urplötzlich bekam ich einen Flashback; von Kaiba, wie er seine Lippen auf meine presste. Ich konnte noch den Druck spüren, dass ich mich augenblicklich schüttelte und mich vor das Pult setzte, bevor meine Erinnerung noch weitere Bilder ausspuckte. Kaiba stellte sich neben mich, die Arme verschränkt und deutete auf das Bücherregal gegenüber meines Platzes. "Du wirst deinen Blick nicht einmal von dem Bücherregal abwenden. Mein Hündchen darf sich von nichts ablenken lassen!" Wie ich es hasste, dass er mich >sein< Hündchen nannte. Mal ganz zu schweigen, dass er mir diese Bezeichnung überhaupt verpasst hatte. "Hast du verstanden?" "Ja", zischte ich, noch immer von dem Wort Hündchen abgelenkt. "Wie war das?", zischte es zurück, direkt in mein Ohr, dass ich mich kerzengerade aufrichtete. "Ja…Kai-ba…", ich konnte meinen Satz einfach nicht beenden. "Ich warte", seine Stimme so nah an mein Ohr und ich drückte die Hände auf meinen Schoß. Komm' schon, feuerte ich mich an, sag' es einfach. Du packst das! "Ja, Kaiba…dono." "Geht doch." Zum Glück zog sich Kaiba ein Stück zurück, dass ich einmal tief durchatmete. "Mir war schon lange klar, dass jemand wie du etwas Erziehung nötig hat." "Wenn du mich wieder beleidigen willst-" "Das war bloß eine Feststellung. Genauso wie dein Talent, den Unterricht zu verschlafen oder einfach nicht aufzupassen." "Dasselbe könnte ich von dir sagen, wenn du die Zeit hattest, mich anzustarren-" "Jonouchi", knurrte Kaiba, "mir scheint, du hast die Regeln nicht ordentlich gelesen." "Doch, das habe ich", verteidigte ich die vielen Stunden, die ich mit Pauken verbracht hatte. Normalerweise verbrachte ich die Nächte mit zocken oder damit, mir neue Duellstrategien auszudenken - und nicht mit dem Lernen hirnrissiger, ausgedachter Regeln. "Jonouchi, du hast gerade mindestens drei meiner Regeln missachtet. Weil es der erste Tag ist, will ich Gnade walten lassen, aber glaub' ja nicht, dass du mir so einfach davonkommst." Er legte seinen weißen Mantel ab (heute trug er wieder sein übliches Outfit) hing ihn über den Fenstersims hinter uns und blieb genau dort stehen. Ach, ja! Blick nach vorne! Ich hielt diese Option für klüger als Kaibas Blicken weiter ausgesetzt zu sein. Trotzdem schauderte es mich, als er plötzlich zu sprechen begann: "Du wirst jetzt nacheinander die Regeln aufsagen. Punkt für Punkt. Mit exakt denselben Worten." "Wie bitte?!", fast wäre ich vom Stuhl aufgesprungen, "mit denselben Worten?!" "Das sollte sogar für dich zu schaffen sein. Schließlich habe ich mir Mühe gegeben und die Regeln so formuliert, dass auch du sie verstehst." "Vielen herzlichen Dank", knurrte ich. "Gern geschehen", erwiderte Kaiba trocken. "Ein Tag sollte genug Zeit gewesen sein. Wenn du alle Punkte einwandfrei aufsagen kannst, verschon' ich dich für heute Abend." "Und wenn nicht?" "Für jede falsche Antwort, werde ich dir einen roten Strich verpassen." Mit was? Mit Roststift oder gleich mit Edding? Ich war stolz, meine Gedanken nicht laut ausgesprochen zu haben. Das war mehr Fortschritt als ich von mir binnen eines Tages erwartet hatte. "Fang an", sagte Kaiba. Ich legte die Hände auf das Pult, ich erinnerte mich, wie ich als Kind ein Gedicht vortragen musste und es dabei irgendwie geschafft hatte, über das Kabel des Beamers zu stolpern. Warum auch immer diese Erinnerung in mir hochkommen musste. "Regel Nummer eins", meine Stimme war monoton, das half mir, mich besser zu konzentrieren. "Das Hündchen hat seinen Meister nur mit Herr oder Kaiba-dono anzusprechen." "Richtig, weiter." "Regel Nummer zwei: Das Hündchen tut das, was der Herr ihm sagt." Die dritte Regel warf ich gleich hinterher, damit mir Kaiba nicht dazwischen funkte. Seine Stimme brachte mich nämlich ganz schön aus dem Konzept. "Regel Nummer vier: Äh." Mist, was war Regel Nummer vier noch gleich?! Ich riss die Augen auf. "Jonouchi", ertönte mein Name aus Kaibas Mund wie ein böser Vorbote, "die vierte Regel." "Ich weiß", ich krallte meine Nägel in das Holz, "Regel Nummer vier…ein braves Hündchen ist ein…zufriedenes Hündchen?" "Ist das deine Antwort?" "Darf ich den Telefonjoker wählen?" "Sollte das gerade witzig sein?", fragte Kaiba und hatte sich dicht hinter mir eingefunden. "N-nein", murmelte ich. Abrupt wurde mein Stuhl ganze fünfzig Zentimeter nach hinten gezogen. Kaibas Gesicht war dicht neben meinem. Selbst wenn es mir erlaubt gewesen wäre, hätte ich es nicht gewagt, ihm in die Augen zu blicken. Er klang gereizt. Aus seinen Duellen wusste ich, wie gefährlich Seto Kaiba sein konnte, wenn er gereizt war. Seine Hand hielt meine Rückenlehne fest. Ich spürte die Anspannung seiner Finger an meinem Nacken. "Nein, Kaiba-dono." "Dann lass' es zukünftig bleiben." Kaiba nahm die Hände vom Stuhl. "Im Übrigen war deine Antwort falsch. Es heißt nicht >zufrieden<, sondern >glücklich<. Das ist dein erster roter Strich, den du dir verdient hast, Jonouchi. Ich würde mich jetzt etwas mehr anstrengen, es könnte sonst sehr unangenehm für dich werden." Warum? Weil mir Kaiba gleich eine verpassen würde? War davon die Rede, wenn er von >mir einen roten Strich verpassen< sprach? Als ob ich vor einer Ohrfeige oder Ähnlichem Schiss hätte. Seufzend setzte ich meinen Aufsatz fort: "Regel Nummer fü-" "Nein", unterbrach er mich sanft, "jedes Mal, wenn du einen Fehler machst, fängst du wieder von vorne an. Wir wollen doch, dass du dir jede einzelne Regel gut einprägst." "Mann, das ist doch Bullshit", jammerte ich und riss kurz darauf die Augen auf. Oh, verdammt! Das war nicht gut. "Ich merke schon, du willst, dass ich wieder die Hundeleine raushole." "Alles bloß das nicht!", ich wedelte mit den Händen vor meinem Gesicht. "Ich bin ja schon brav." Ich räusperte mich. "Regel Nummer eins", ich begann die ersten Absätze nach und nach runter zu leiern. Nur aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Seto Kaiba um meinen Stuhl herum schlich und dann auf einmal verschwunden war. Erleichtert, Kaibas tadelnden Blicken nicht länger ausgesetzt zu sein, zitierte ich Regel Nummer vier: "Ein bra-ha", ich erstarrte. Aus der Kalten hatte Kaiba meine Beine gespreizt und seine Lippen auf die Innenseite meines Oberschenkels gepresst. Zähne schoben sich in meine empfindliche Haut, dann saugte er daran, bis ein lustvoller Schmerz entstand. "Ich hab dich nicht verstanden, Jonouchi", hörte ich ihn zwischen meinen Beinen sagen. "Ich ähm", die Aktion hatte mich völlig herausgebracht. "Das ist deine Strafe, Jonouchi. Für jeden Fehler verpasse ich dir einen Knutschfleck auf deine schutzlose, bleiche Haut." Seine Finger zeichneten die Konturen meines neuen Mahls nach. Kaiba hatte es wieder einmal geschafft. Ich war seiner Selbstgefälligkeit schutzlos ausgeliefert. Mit zusammengepressten Zähnen sagte ich Regel Nummer vier auf. Ich wollte ihm nicht noch zusätzlich die Genugtuung verschaffen, dass seine Aktion mich nicht kalt lassen würde. Nur leider war Kaiba viel zu nahe in meiner heiligen Mitte, dass er wohl bald darauf aufmerksam würde. "Regel Nummer fünf-" In meinem Kopf wurde es vollkommen schwarz. Hatte ich doch nicht wirklich Regel Nummer fünf vergessen (hatte ich sie überhaupt gelesen?) - und so langsam musste ich eine Antwort abgeben. I-ich…ich weiß es nicht", flüsterte ich und spürte Kaibas breites Grinsen. "Der Herr hat immer recht." "Der Herr hat", wiederholte ich, als seine Lippen erneut auf meine Haut trafen, diesmal sogar etwas höher wanderten, dass seine Wange bereits meine Schamlippen streifte. "Der Herr hat…oh Gott", rutschte es mir heraus. Sofort presste ich meine Hände auf den Mund. Ich musste bei der Sache bleiben. Ausblenden, dass Kaiba sich schamlos zwischen meinen Beinen vergraben hatte. Mein Slip konnte auch nicht mehr verbergen, dass seine Berührungen mir den letzten Nerv raubten. Es fiel mir immer schwerer, mich zu konzentrieren. Diesmal machte ich bereits bei der dritten Regel einen Fehler. So ging es mitleidlos weiter. Seine Lippen, das neckende Saugen, das freche Grinsen, weil er mich um den Verstand brachte, mich immer weiter reizte, meine Mitte qualvoll brennen ließ. Immer wieder schaffte er es, mich kurz vor der Klippe zurückzulassen, ich ruderte hilflos inmitten der See, ohne Hoffnung auf Rettung. Ich konnte mich nur selbst retten. Indem ich diese beschissenen zehn Regeln aufsagte, mir keinen Fehler erlaubte. Dann würde Kaiba von mir lassen. "Regel Nummer acht", ich kämpfte mit mir. Meine Beine zitterten bereits, meine Lippen bebten, mir schossen die Tränen in die Augen. Ich war so unfassbar erregt, und dieser Mann ließ mich hungern, ließ mich leiden - und er genoss es in vollen Zügen. "Wieder falsch", raunte er und wiederholte seine Regel. Ich zog die Luft scharf ein: "Warum muss sie auch so beschissen lang sein!", fluchte ich, noch bevor ich mir meiner Worte bewusst wurde. "Sch-", ich biss die Zähne zusammen. "Jonouchi. Jonouchi", mit geöffneten Lippen fuhr er die Bissstellen, die er mir bereits zugefügt hatte, rauf und runter. "Ich seh' schon, das wird eine lange Nacht." Kapitel 6: ----------- "Du hast was?!" "Nicht so laut, Mai! Die Leute hören uns noch!" Ich zog die Blondine zu mir heran und legte meinen Zeigefinger auf ihre Lippen. Mai Kujaku drehte ihren Kopf von links nach rechts. Ein paar Leute starrten tatsächlich schon zu uns herüber. Seit ich dieses Halsband trug, wurde ich ständig schief angesehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, so noch weitere neunundzwanzig Tage herumzulaufen. "Also wirklich, Kazuha-chan", Mai lächelte schief und hakte sich bei mir unter. Langsam liefen wir die Ladenmeile herunter. "Du hättest mir ruhig mal eher von deinen geheimen Vorlieben erzählen können." "Von wegen Vorlieben", grummelte ich, "und selbst, wenn ich darauf stehen würde, dann würde ich ganz sicher nicht zu Kaiba rennen…und wenn er der letzte Kerl auf Erden wäre." "Das scheint Kaiba aber ganz anders zu sehen", säuselte Mai. Mit der freien Hand berührte sie die einzelnen Metallringe meines Lederhalsbandes. "Wie meinst du das?", wollte ich von ihr wissen. "Naja, dieses Halsband sieht mir noch ziemlich unverbraucht aus." Wäre ja noch schöner, wenn mich Kaiba wie ein Modell betrachtete, das man einfach so vom Fließband aufschnappen konnte. "Und Kaiba hat keinen Hund, oder?" Hakte Mai weiter nach. "Ich habe zumindest keinen gesehen…und Kaiba sieht nicht gerade so aus, als könnte er was mit Tieren anfangen." "Kommt es dir nicht seltsam vor, dass er dieses Halsband schon hatte, noch bevor ihr diesen Deal eingegangen seid?" "Wo du es jetzt sagst…seltsam ist es schon." "Vielleicht", flüstert mir Mai ins Ohr, "hat er ja nur auf so eine Gelegenheit gewartet." Ich wurde puderrot im Gesicht. "Wie krank ist bitte schön das denn?!", entgegnete ich und versuchte herunter zu spielen, dass mir dieser Gedanke einen wohligen Schauer versetzte. Wer von uns beiden war hier der Kranke?! "Reg' dich nicht auf, Schätzchen." Mai tätschelte mir den Arm. "Ich will dich doch nur ein wenig ärgern." "Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. "Hilfst du mir jetzt, oder nicht?" "Natürlich helfe ich meiner Lieblingschaotin." Sie gab mir einen Schmatzer auf die Wange. "Danke", murmelte ich, "ich hab sonst niemanden, zu dem ich gehen könnte." "Heißt das, die anderen wissen noch gar nichts davon?" Ich schüttelte den Kopf. "Und das soll erstmal so bleiben. Besser, es wissen so wenig wie möglich von dieser peinlichen Sache." Mit meinen ehemaligen Schulfreunden konnte ich nicht darüber reden. Anzu hätte mir Vorwürfe an den Kopf geworfen. Wie naiv ich wäre und mir endlich aus dem Kopf schlagen sollte, Kaiba besiegen zu wollen. Honda wäre wohl direkt in die Kaiba-Villa gefahren, um Seto Kaiba persönlich eine rein zu hauen. Und Yugi? Er wäre vollkommen überfordert. Würde versuchen, eine vernünftige Lösung zu finden. Vielleicht würde er auch mit Kaiba sprechen, um einer dieser sinnlosen Versuche zu starten, mit Kaiba ein vernünftiges Gespräch zu führen. In fast allen dieser Fälle wäre rausgekommen, dass ich den Vertrag gebrochen hätte und ich hatte echt keine Lust herauszufinden, welche Probleme mir Kaiba auf den Hals hetzen würde. Nein, diese Sache wollte ich meinen Freunden nicht an die Backe kleben. In dieser Situation schien Mai die einzige, der ich dieses Geheimnis aufbürden konnte. Im Gegensatz zu den anderen, machte sie sich weniger Gedanken um die Konsequenzen, urteilte nicht und posaunte ihre Meinung offenherzig heraus. "Du kannst dich immer an mich wenden, meine Süße." Mai drückte sich an mich. Ich erwiderte ihre Umarmung, froh, dass Mai auf meiner Seite war. "Und dass ich einmal mit dir shoppen gehen würde…wir zwei werden viel Spaß haben." "Habe ich schon erwähnt, dass ich Einkaufen hasse?" Aber Mai ignorierte mich, zog an meinem Arm und zeigte auf eines der Schaufenster. "Das sieht mir nach einem verdammt teuren Laden aus", meinte ich und suchte nach einem Preisschild auf eines dieser überladenen Kleider. "Du hast doch gesagt, dass Kaiba dich zum Essen eingeladen hat und du in entsprechendem Dresscode erscheinen sollst." "Mai, er hat mich nicht zum Essen eingeladen. Wie du weißt, habe ich keine Wahl." "Du wirst kleinlich, Liebes. Hauptsache du haust ihn von den Socken, wenn du heute Abend bei ihm auftauchst. Vielleicht führt er dich in ein edles Restaurant aus." "Hiermit?!" Ich zog an meinem Halsband, oder besser gesagt, versuchte ich es. Das Ding war so eng um meinen Hals geschnürt, dass nicht einmal eine Münze hindurch gerutscht wäre. Ich schüttelte den Kopf. "Vergiss' es, Mai. Und außerdem kann ich mir solche Klamotten überhaupt nicht leisten-" "Papperlapapp." Meine Widerworte ignorierend, schob mich Mai in die Edelboutique. Die Verkäuferin erkannte die rassige Blondine, überreichte uns beiden ein Glas Champagner, die beide von Mai Kujaku abgefangen wurden, und fragte nach dem Anlass. "Die junge Dame braucht ein Abendkleid", damit zeigte Mai auf meine Wenigkeit, dass die Verkäuferin erst jetzt anfing, Blickkontakt zu mir aufzunehmen. Bisher schien sie mich eher als Accessoire wahrgenommenen zu haben. Sie war so auf die hübsche Duellantin fokussiert, dass sie geradezu enttäuscht schien, mit mir Vorlieb nehmen zu müssen. "Für welchen Anlass?", fragte die Verkäuferin. An meiner Stelle antwortete meine Freundin: "Für ein Essen mit einem äußerst erfolgreichen Geschäftsmann." Ich schluckte bei den Worten. Der Verkäuferin schien die Antwort jedenfalls gefallen zu haben. Sie lächelte entzückt und tänzelte durch den Laden, schnappte sich hier und da ein Kleid und fragte mich Dinge, auf die ich keine Antwort wusste. Zum Beispiel, was meine Lieblingsfarbe wäre, ob ich V- oder Rundhalsausschnitt bevorzuckte, Prinzessinnenlook oder doch eher Meerjungfrau (was bitte schön war Meerjungfrau?!). In der Zwischenzeit hatte es sich Mai auf einem der hellrosa gepolsterten Sofas bequem gemacht. Das eine Glas auf den Rundtisch neben sich abgesetzt, schwenkte sie das andere und schien sich köstlich darüber zu amüsieren, wie mir rundherum die Maße abgenommen wurden. "Erzähl mal", sagte Mai, als ich in der Umkleidekabine stand, völlig überfordert, wo an dem Kleid oben und wo unten sein sollte. "Wie war er so?" "Mai!" Ich riss den Vorhang auf. "Man darf ja wohl noch fragen dürfen", sie lächelte und nippte an ihrem Champagner. "Ich will darüber wirklich nicht reden." "So schlimm?" "Daran liegt es nicht", ich starrte zu Boden. "Ach komm schon, Kazu. Nur keine falsche Scham. Der guten alten Mai kannst du es ruhig sagen. Wie groß war er denn-?" "MAI", ich lief rot an und zog den Vorhang wieder zu. "Der Look steht dir übrigens", rief sie mir zu, "nur die Farbe ist etwas altbacken für dich." Ich wechselte zu Kleid Nummer zwei und präsentierte mich mit in den Hüften gestemmten Händen. Mai nickte anerkennend. "Endlich sehe ich mal deine Figur." Einen Blick in den Spiegel und ich wusste, was sie meinte. Das Cocktailkleid mit seinem großzügigen Ausschnitt, das auf der einen Seite einen langen Schlitz hatte und mein linkes Bein aufreizend präsentierte, zeigte unverblümt meine weiblichen Rundungen. Ich war nicht ganz so lasziv wie Mai, meine große Statur ließ mich etwas sportlicher aussehen und der Fokus lag auf meinen langen schlanken Beinen. Die Brüste kamen in dem Kleid ganz besonders zur Geltung, dass ich den Anblick erst einmal selbst auf mich wirken lassen musste. "Du siehst toll aus!" Mai klatschte in die Hände. Ich musste ihr recht geben, auch wenn ich mich nicht wirklich darin wiedererkannte. Meine Outfits waren immer sportlich. Zuhause trug ich sogar Boxershorts, weil sie zum Schlafen einfach bequemer waren, dazu einen Hoodie, in dem ich mich vor dem Fernseher reinkuscheln konnte, und draußen durften natürlich meine Sneakers nicht fehlen - eine heimliche Leidenschaft von mir. Ich hatte zwanzig Paar in meiner Sammlung, in den quietschigsten Farben und verrücktesten Mustern. Mein Schuhtick war wohl eines der wenigen Dinge, die mädchenhaft an mir waren. "Rot steht dir", schwärmte Mai weiter und grinste glücklich in sich hinein. Wenigstens hatte eine von uns ihren Spaß. "Aber du siehst noch nicht glücklich aus, Schätzchen." "Liegt vielleicht daran, dass dieses Schickimicki nicht mein Ding ist…und ich mir das nie im Leben leisten kann", die letzten Worte flüsterte ich, "hast du dir mal die Preise angesehen?!" "Ach", winkte Mai ab, "überlass' das nur mir." Sie zwinkerte mir zu. "Wenn du glaubst, dass ich dich um Geld anpumpen werde…vergiss' es!" "Das wird nicht nötig sein…und jetzt weiter mit der Anprobe. Was stört dich denn an dem Kleid? Wir müssen schon was finden, in dem du dich wohl fühlst." "Naja", ich presste die Beine zusammen. Der Schlitz verlief bis knapp vor meinem Höschen, dass meine Knutschflecke herausfordernd hervorlugten. Ich war froh, dass Mai noch keinen Kommentar abgelassen hatte. Wenn ich nur an gestern Abend dachte, kehrte der Frust zu mir zurück. Es gefiel mir überhaupt nicht, dass Kaiba so eine Wirkung auf mich hatte. Ich gab meinem notgeilen Körper die Schuld, der nicht einmal vor Kerlen wie Seto Kaiba halt zu machen schien. Schnell versuchte ich die Gedanken abzuschütteln und mich ganz auf Mais Frage zu konzentrieren: "Ersteinmal geht mir der Ausschnitt zu tief. Ich will nicht den ganzen Abend an dem Kleid zuppeln und Angst haben, dass meine Brüste jeden Moment herausspringen." "Dann müssen wir ihn irgendwie anders verführen." "Ich will ihn nicht verführen, Mai!", rief ich mit aufgerissenen Augen, "wenn dann will ich das genaue Gegenteil." "Das wird dir in dem Fall nicht viel nützen, Kazuha. Wenn du dieses Spiel für dich entschieden willst, musst du nach seinen Regeln spielen. Er will ein angemessenes Outfit. Sprich: er erwartet, dass du diese Aufgabe vermasseln wirst. Also musst du ihm das Gegenteil beweisen und dich richtig ins Zeug legen. Du brauchst etwas, das ihn umhaut. Nur so wirst du überleben, Schätzchen." Für einen Moment sah ich einfach nur wortlos in den Spiegel. Mai hatte recht. Ich durfte nicht den Schwanz einziehen (blöde Hundemetapher!). Wenn ich meine Würde noch irgendwie retten konnte, musste ich mit harten Waffen kämpfen. "Danke, Mai", ich lächelte, "trotzdem: der Ausschnitt ist zu groß. Ich glaube nicht, dass er sonderlich drauf steht, wenn ich ihm meine Brüste auf dem Silbertablett serviere." "Und worauf steht er dann?" Ich ließ meinen Blick etwas tiefer wandern, erinnerte mich an Kaibas festen Griff, wie er mein Hinterteil gepackt hatte. "Irgendwas", murmelte ich mit heißem Gesicht und ließ meine Hand auf meinen Hintern wandern, "das diese Region zur Geltung bringt." "Da habe ich genau das Richtige für Sie", meldete sich die Verkäuferin zu Wort. Ich wollte gar nicht wissen, wie viel sie von unserem Gespräch mitbekommen hatte. Sie lief auf eine der Stangen zu und zog ein Kleider hevor. Kapitel 7: ----------- Mein zweiter Abend von dreißig und ich stand in einem Abendkleid vor Seto Kaibas Tür, als wäre ich zum Abendessen mit der Queen verabredet und nicht mit meinem selbsternannten >Herren<. Mulmig war mir schon dabei. Immerhin war Kaiba unwissentlich zum Gönner meines heutigen Outfits auserwählt worden. Die Sache war auf Mais Mist gewachsen. Als die Entscheidung für ein Kleid stand, war sie es, die sagte, dass die Rechnung an Seto Kaiba geschickt werden sollte. Als dessen Angestellte wäre es sein Job, für die Kosten des Geschäftsessens aufzukommen, und die Verkäuferin hatte die Story einfach geschluckt. Aber auch nur, weil sie nicht wusste, wer ich war. Das hatte mir schon einen kleinen Dämpfer verpasst. Deshalb hatte ich Mais irre Aktion auch wortlos hingenommen. Die Blondine hatte ja recht: es war Kaibas Idee, sollte er doch dafür blechen! Ich straffte die Schultern, reckte mein Kinn und klingelte. Diesmal überraschte mich keiner von Kaibas Pinguinen, sondern der Braunhaarige persönlich öffnete die Tür und sah in meinen angriffslustigsten Blick, den ich zu bieten hatte. Es war das Kleid, das mir Selbstvertrauen verlieh. Ich hatte mir Mais Ratschläge zu Herzen genommen und mich den Regeln des heutigen Abends angepasst. Meine Belohnung war der überraschte Ausdruck in Kaibas Gesicht. Meine Freundin hatte recht: er hatte erwartet, dass ich an der Aufgabe scheiterte. Aber hier stand ich nun. Mit einem dunkelroten Abendkleid, das bis zur Taille mit kleinen silbernen Steinchen versehen und von der Hüfte abwärts eng um meinen Körper geschlungen war. Das eigentliche Highlight hatte Kaiba ja noch gar nicht gesehen. Dieses versteckte sich unter dem Mantel, den ich mir von Mai geliehen hatte, ebenso wie die hochhackigen Schuhe und die silbernen Ohrringe ihr gehörten. Mai hatte auch für das richtige Makeup gesorgt. Nach mehrmaligen Diskussionen hatten wir uns für etwas Dezentes entschieden…oder besser gesagt hatte ich darauf bestanden. Ich wollte mich zumindest noch im Spiegel erkennen. Als das Ergebnis fertig war, staunte ich nicht schlecht. Mai hatte das Klasse hinbekommen. Eine Kazuha Jonouchi 2.0. Nur um die Haare hatte ich mich selbst kümmern wollen. Wenn ich noch mit aufwendiger Hochsteckfrisur aufgetaucht wäre, hätte das sicher Verdacht geschöpft. Es war schon auffällig genug, dass ich seiner Aufgabe überhaupt gewachsen war und ich wollte das Glück nicht herausfordern. "Sieh' mal einer an", sagte Kaiba und musterte mich von oben bis unten, "haben sich meine Investitionen also gelohnt." Ich riss die Augen auf. Dass er so schnell davon Wind bekommen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Breit grinsend fuhr ich mir durch meine glatt gekämmten Haare und überspielte meine Nervosität. Hoffentlich würde ich dafür nicht doppelt bezahlen müssen. Die Tür noch ein Stückchen mehr aufgeschoben, ließ mich Seto Kaiba eintreten. Etwas wackelig stieg ich die Vorstufen zu seinem Anwesen hinauf. Das erste Mal mit Absatzschuhen und Mai drückte mir gleich dreizehn Zentimeter auf. Damit war ich so groß wie Seto Kaiba - immerhin etwas. "Du hast dir also meine Regel zu Herzen genommen", säuselte Kaiba, der eine seiner Bediensteten zu sich heran winkte. Pinguin eins öffnete die Tür zum Speisesaal, während Pinguin Nummer zwei mir den Mantel abnahm. Dann lief ich an Kaiba vorbei, präsentierte ihm meinen tiefen Rückenausschnitt, der nur von einer silbernen Perlenkette getragen wurde und kurz vor meinem Hintern aufhörte. Ich wusste ja bereits, dass seine Blicke tödlich waren, aber dass sie einen auch auffressen konnten, war mir bis dato neu. Mein Grinsen ging mir bis über beide Ohren. Mit diesem kleinen Triumph nahm ich dort Platz, wo Kaiba mich hin haben wollte. Ohne den Blick von mir abzuwenden, setzte er sich. Der Speisesaal machte seinem Namen alle Ehre. Vielleicht halb so groß wie die Mensa in der Schule, stand in der Mitte eine lange Tafel. An jeweils einem Ende waren Teller und Besteck zurechtgelegt worden. Beleuchtet wurde das Ganze von einem protzigen, goldenen Kronleuchter. Ich musste mir vorstellen, wie Seto Kaiba mit seinem kleinen Bruder auf dieselbe Weise frühstückte - schräger ging es wohl kaum. Ich verkniff mir ein Lachen und hielt mir den Mund zu. Das Lachen sollte mir gleich vergehen. Als ich die vielen Messer, Gabeln und Löffel sah, wurde mir mit einem Schlag bewusst, wie weit meine Welt von Seto Kaibas entfernt war. Ich hatte keine Ahnung, wozu so viel Besteck gut sein sollte, und genauso musste ich die einzelnen Löffel, die unwillkürlich sortiert zu sein schienen, angesehen haben. Kaibas Augen blitzten auf, meine Ratlosigkeit entlockte ihm ein Lächeln. Wer weiß, welchen gemeinen Plan er jetzt schon wieder ausheckte. Er schnippte mit den Fingern, auf Kommando öffnete sich die Tür und ein Bediensteter trat mit zwei großen Tabletts an unsere Tafel. Als der Teller vor meinem Gesicht landete und der Deckel angehoben wurde, musste es Sternchen aus meinen Augen geregnet haben. Mein Mund öffnete sich, der köstliche Duft dieses kleinen Etwas auf dem Teller ließ meinen Magen vor Freude hüpfen. "Es wird heute Abend ein sechs Gänge Menü serviert." In meinem Kopf wiederholte sich die Zahl sechs wie ein Mantra. Es war die richtige Entscheidung gewesen, das Mittagessen sausen zu lassen. Ich rieb mir die Hände und beugte mich zu dem Besteck heruber. "Ich hoffe", Kaibas Stimme ließ mich innehalten, "du weißt, welches Besteck zu welcher Mahlzeit gehört." "Äh." Vor meinen Augen verschwammen die Löffel zu einer einzigen Masse. Ich ließ die Arme sinken. "Lass mich raten: wenn ich es nicht weiß, wirst du mir verbieten, es zu essen." "Schlaues Hündchen." Sein schlaues Hündchen konnte er sich sparen. Ich war wieder einmal in Kaibas Falle getappt, der Kerl geilte sich an meiner Dummheit auf und ich blöde Kuh gab ihm noch den nötigen Stoff. "Kopf hoch", sagte Kaiba, "ich gebe dir pro Gang eine Chance, das richtige Besteck zu erraten." "Oh, wie großzügig", ich verdrehte die Augen. "Ich kann es auch gleich wieder abräumen lassen, wenn dir das lieber ist ." "Nein, nein!" Ein weiterer Protest kam von meinem Bauch. Na prima. Zehn verschiedene Gabeln, bei den Messern sah es auch nicht besser aus. Erst musste ich seine blöden Regeln lernen und jetzt versuchte er mich in Tischmanieren zu belehren. Geduldig beobachtete er mich von der anderen Seite der Tafel. Weil ich sowieso keine Ahnung hatte, griff ich nach der erstbesten Gabel und dem Messer, das von der Größe dazu passen könnte. "Leider falsch." "Was?!" Ich wusste auch nicht, warum ich so entsetzt war. Weil ich es wieder einmal verbockt hatte oder weil der Diener den Teller abkassierte. Traurig sah ich dem Essen hinterher. Wenig später tauchte der Bedienstete mit zwei neuen Tabletts auf. Neue Runde neues Glück. Die Tellerglocke wurde angehoben und der Dampf von Kartoffelsuppe wehte mir ins Gesicht. "So cremig", stöhnte ich leise vor mich hin und fuhr mit der Zunge über meine Lippen. Okay, diese Runde war ein Heimspiel. Einen Suppenlöffel würde ich ja noch erkennen! Meine Augen wanderten über das Besteckset. Das durfte nicht wahr sein! Auf dem Tisch lagen zwei Löffel, die gleich groß aussahen, vermutlich auch gleich groß waren. Das bedeutete, die Chance lag bei fünfzig Prozent, dass ich den richtigen Löffel erwischte. Komm' schon, Glück! "Wieder falsch." Kaiba war wie der schrille Alarmknopf eines Quizmasters. "Schon wieder?!" rief ich und starrte auf den Löffel in meiner Hand. In DuelMonsters hatte ich definitiv mehr Glück als in diesem Knigge-Ratespielchen. Gerade wünschte ich, es wäre anders herum. Adé, geliebte Kartoffelsuppe! "Du hast ja noch vier Versuche", witzelte Kaiba, dass ich am liebsten über den Tisch geklettert wäre und ihm für seine Arroganz eine geklebt hätte. Was mich aufhielt, war der Hunger. Der hatte sich bereits zu meinen Knochen durch gefressen. Ich brauchte dringend etwas Ablenkung, bevor ich noch zu Stöhnen anfangen würde. Zwischen den ersten beiden Gängen hatte es eine Pause von zehn Minuten gegeben. Zeit für ein wenig Smalltalk! Mais Bemerkung von heute Mittag hatte mich neugierig gemacht. Sollte Kaiba wirklich schon länger an dieser Hündchensache gesessen haben? "Sag' mal", setzte ich an und brach damit die Stille, "das hier", ich zeigte auf mein Halsband, "ist das so 'ne Art Hobby von dir?" "Denkst du, ich habe mir vor dir schon andere Hündchen gehalten?" War ja zu erwarten, dass er meine Frage mit einer Gegenfrage beantworten würde. "Unerfahren scheinst du mir ja nicht zu sein", sagte ich und versuchte ein zweideutiges Lächeln hinzubekommen. Stattdessen spürte ich, wie sich meine Gesichtsmuskeln anspannten. "Das ist keine Erfahrung, sondern gute Vorbereitung. Solltest du auch mal versuchen." "Wie kann man sich denn darauf vorbereiten, hä?!" Ich zeigte auf meinen voll gestellten Platz. "Kein normaler Mensch braucht diesen Quatsch! Wenn du mich fragst, ist das einfach nur sinnlose Verschwendung für reiche, arrogante, selbstverliebte Arschlöcher wie-" "Wie wer, Jonouchi?", fragte Kaiba ganz ruhig, ja, er lächelte sogar. "Niemand", murmelte ich und starrte auf meine Serviette. "Weißt du, welche Regeln du gerade gebrochen hast?" "Ja", ich krallte die Hände in mein neues Kleid und ergänzte: "Kaiba-dono." "Würdest du sie mir nennen?" "Regel Nummer acht und Nummer neun. Ich habe nicht nachgedacht und trotzdem geredet. Meine Worte waren unangemessen und ich habe geflucht." "Und?" "Es wird nicht wieder vorkommen." Ich war froh, dass der nächste Gang serviert wurde. Sich mit Kaiba unterhalten zu wollen, war eindeutig keine gute Idee. Wenn ich meine Klappe hielt, würden mir wenigstens weitere Demütigungen erspart bleiben. Die Peinlichkeit mit dem Essen reichte mir fürs Erste. "Ist das Kaviar?" Runde vier. Ich konnte einfach nicht meine Klappe halten. Der Bedienstete nickte und stellte das Gericht vor. So viele Fremdwörter. Irgendwas Französisches. Ich hatte davon gehört, dass die Franzosen göttliches Essen zaubern konnten. Essen, das meinen Mund wohl nie erreichen würde. Wieder tippte ich auf das falsche Besteck, wieder zerplatzte die Hoffnung auf eine warme Mahlzeit. Immer mehr Speichel sammelte sich in meinem Mund. Bald würde ich wohl sabbern wie ein tollwütiger Rottweiler. Dieser Abend war für mich qualvoller als der Vorherige. Niemand stellte mir Essen vor die Füße, das ich nicht anrühren durfte! Und doch hatte es Seto Kaiba getan. "Was ist mit dir?", fragte Kaiba, als der Bedienstete hinter der Tür verschwand. "Wie viele Herrchen hattest du schon gehabt?" Überrascht schaute ich auf. Mir war klar, dass er nicht über unser Rollenspiel sprach. "Ich weiß nicht, was du von mir denkst?", entgegnete ich. Ja, genau. Das Spiel mit der Gegenfrage konnte ich auch spielen. "Ich bin kein streunender Köter, Kaiba…dono." "Du bist ein streunender Köter, Jonouchi. Aber ich denke, gerade deshalb würdest du lieber zuschnappen, statt dich von jemandem einfangen zu lassen." Seine Bildsprache musste ich erst einmal sacken lassen. Diesmal schien Kaiba mich nicht beleidigt zu haben. Ich war fast schon sowas wie begeistert. "Stimmt schon", nuschelte ich, bevor auch schon der vorletzte Gang des Abends serviert wurde. "Fleisch", sabbelte ich, kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Dieses Filetstück sah so saftig und zart aus. Vermutlich war es das beste Stück Fleisch, das ich je in meinem Leben zu Gesicht bekommen sollte, und genau dieses Stück Fleisch würde meinen Gaumen nie erreichen. Ich seufzte. Nur der Duft machte mich schon wahnsinnig. "Du." Ich sprach leise, weil ich mir noch nicht sicher war, ob Kaiba mich wirklich hören sollte. "Kaiba-dono, ich…ich weiß nicht, welches Besteck ich nehmen soll. Da ich ja sowieso wieder falsch liegen werde, könntest du da…" Ich kniff die Augen zusammen und rief: "Könntest du mir bitte zeigen, welches Besteck das Richtige ist?" Jetzt hatte ich es gesagt. Peinlich, dass ich nicht einmal vor Kaiba meinen Stolz bewahren konnte. Stattdessen unterstützte ich ihn auch noch, in dem ich zugab, wie klein und dumm ich war. Ich öffnete die Augen. Ohne zu verstehen, was da gerade passierte, sah ich Kaiba hinterher. Wie er von seinem Stuhl aufstand und zum anderen Ende der Tafel lief, direkt auf mich zu. Als er genau hinter mir stand, beugte er sich nach vorne. Ich spürte seinen Atem an meinem Nacken und ich zuckte unweigerlich zusammen. Seine Lippen streiften mein Ohr, er hob seine Arme, dass ich zwischen ihnen eingeschlossen war. Er nahm Messer und Gabel, führte sie in meine Hände. "Der Trick dabei ist", sagte er sanft, dass seine Stimme ein wohliges Schaudern auslöste, "man geht von außen nach innen." Er umschloss meine Finger, dass Messer und Gabel schwer in der Hand lagen, dann ließ er mich los und ging zurück an seinen Platz. "Und jetzt iss', bevor du mir noch vom Stuhl fällst." Mit großen Augen sah ich zu Kaiba, der selbst Messer und Gabel gegriffen hatte. Mir war es bis jetzt nicht aufgefallen, aber ich war nicht die einzige, die während der ganzen Zeit leer ausgegangen war. Kaum vorstellbar, dass er aus Solidarität auf sein Essen verzichtet hatte. "Wirklich?" Ich konnte es einfach nicht glauben, aber Kaiba nickte nur und begann zu essen. Wie nach einem Startschuss steckte ich die Gabel in das Fleisch, ich musste mich zusammenreißen, dass ich nicht gleich das ganze Stück in einem verschlang. Noch immer ruhte Kaibas Blick auf mir, doch im Moment interessierte mich nur das Essen und wie das Fleisch auf meiner Zunge zerging. "Oh, ist das lecker", quietschte ich. Regel Nummer vier: Ein braves Hündchen ist ein glückliches Hündchen. Es war, als wären die Worte aus dem Zettel in meinem Kopf gewandert. Anfangs hatte ich die Regel für einen dummen Scherz gehalten. So ungern ich es auch zugab, aber sie ergab plötzlich Sinn - ich war für den Moment glücklich. Glücklich, weil mein Magen endlich etwas zum Verdauen bekam; und glücklich, weil mir Kaiba nicht die kalte Schulter gezeigt, nicht noch weiter zugetreten hatte, obwohl ich längst am Boden lag. Sollte der arrogante Penner vielleicht doch so etwas wie Mitgefühl besitzen? Kapitel 8: ----------- Die Tür zum Gästezimmer aufgerissen, stieß ich erleichtert die Luft aus. Nacheinander streifte ich mir die Schuhe ab und schleuderte sie durch das Zimmer. Als nächstes war das Kleid an der Reihe. "Viel besser", seufzte ich. Nicht mehr so steif und eingeengt zu sein, tat richtig gut. Ich streckte die Arme, hörte es von überall knacken und freute mich. Im Kleiderschrank hatte ich ein paar Wechselsachen - eine lange Hose und ein einfaches T-Shirt, das ich gestern Nacht dort hineingelegt hatte. Für den Notfall, falls Kaiba mich wieder heimlich ausziehen und meine Sachen irgendwo im Haus verstecken würde. Ja, ich hatte auf dem Kaiba-Anwesen ein eigenes Zimmer; und das Gästebad nebenan war für die nächsten Wochen nur für mich. Wie ein kleines Kind, das ganz alleine Urlaub machen durfte - so hatte ich mich gefühlt, als ich das Zimmer zum ersten Mal richtig begutachten durfte. Ein Zimmer alá fünf Sterne-Hotel, mit Blick auf den Garten. Wenn ich wollte, konnte ich hier sogar übernachten - vorausgesetzt ich war bis zum Frühstück wieder verschwunden und der Eisklotz frühstückte schon um sechs, also…nein, danke. Gerade trug ich nur einen Tanga. Mai hatte gemeint, es wäre ein Nogo, unter dem Kleid einen BH zu tragen, und die einzige Alternative wären Nippel-Covers gewesen, auf die ich dankend verzichtet hatte. Ich überlegte, ob ich noch schnell unter die Dusche springen sollte und nahm die Ohrringe heraus. Der Zweite rutschte mir aus den Händen und die Perle kullerte unters Bett. "Mist, verdammt", flüsterte ich und bückte mich herunter, auf der Suche nach dieser kleinen, frechen Kugel. Mai würde mich umbringen, wenn ich ihre Lieblingsohrringe verlieren würde. Ich wusste, wie wütend sie werden konnte. Ihren Zorn brauchte ich zu all dem Ärger nicht auch noch. Auf alle Viere ging ich ins Hohlkreuz, um besser unter das Bett greifen zu können. "Eine wirklich hübsche Aussicht." Ich hob den Kopf, knallte an das Kopfende des Bettes und fluchte leise in mich hinein. Hinter mir lehnte Kaiba am Türrahmen und beobachtete, wie ich versuchte, aufzustehen. Die eine Hand auf dem Kopf stützte ich mich mit der anderen am Bettpfosten ab, rutschte jedoch mit den Fingern wieder ab und landete auf meinem Hinterteil. Mir passierten ja ständig Missgeschicke, aber das toppte gerade alles. "Lebst du noch?", fragte Kaiba. Er sah aus, als würde er jeden Moment vor Lachen zusammenbrechen. "Ja", knurrte ich. "Was machst du da unten?" "Ich dachte, ich bin ein Hund? Hunde liegen doch auf dem Boden und verstecken sich unter dem Bett." "Für diesen frechen Kommentar könnte ich dir glatt deinen süßen Hintern versohlen." Hatte er meinen Hintern gerade als >süß< bezeichnet? Ich wurde hellhörig, spielte aber auf beleidigt, weil das besser zu mir passte, und drehte mich in Richtung Bett. "Obwohl mir da noch ein paar andere Sachen einfallen würden." Ohne es gemerkt zu haben, hatte sich Kaiba an mich heran gepirscht. Einen Arm um mich geschlungen, drückte sich mein Rücken an seine Brust. Sein Mund lag wieder gefährlich nahe an meinem Nacken, sein Atem kitzelte auf meiner nackten Haut und ich stand kurz davor, wie ein nasser Sack in mich zusammenzufallen. "Magst du vielleicht aufs Bett klettern?", fragte Kaiba und fuhr mit der Nasenspitze über meine Schulter. "Warum befiehlst du es mir nicht einfach, wie sonst auch?" "Weil auch ich gewisse Grenzen akzeptieren muss, Jonouchi. Und dich zum Sex zu zwingen, ginge eindeutig zu weit. Aber", die Hand, mit der er mich gepackt hatte, griff um meine rechte Brust, massierte sie und zwirbelte mit Zeigefinger und Daumen an der zarten, rosafarbenen Knospe, dass sie sich ihm sofort entgegen reckte. "Das Ganze bleibt trotzdem Teil unserer kleinen Abmachung." Er raunte in mein Ohr, genauso wie er es schon einmal getan hatte. Wie auf Knopfdruck verlor ich meinen Willen. "Du brauchst auch gar nicht mehr antworten, Jonouchi. Dein Körper hat bereits das Reden für dich übernommen." Dieser verdammte- Mit der freien Hand hatte er nach meinem Gesicht gegriffen. Seine Lippen legten sich auf meine, ich schmeckte den Nachtisch auf seiner Zunge und ließ mich von seinen Küssen erneut an den Abgrund führen. Etwas anderes war es nicht. Seine Berührungen waren so impulsiv und grob, und trotzdem verfiel ich ihnen, drehte meinen Körper, dass ich halb auf Kaibas Schoß saß und die Hände auf seine Brust legte. Meine Finger spielten mit den Knöpfen seines dunkelblauen Hemdes, ich war versucht, zwischen diesen Stoff zu greifen, seine Haut zu berühren, wenn mich ein fester Griff nicht davon abgehalten hätte. Kaiba hatte nach meinem Handgelenk gegriffen, der Druck war schmerzhaft, aber noch gefährlicher war sein Blick. Dunkel, von Lust und einem anderen, weitaus gefährlicheren Impuls gelenkt, blickten seine Augen zu mir herunter. "Das Hemd bleibt an." Die Anweisung hätte nicht deutlicher sein können. Ich verstand nicht, was los war. Gerade war er noch super entspannt und in der nächsten Sekunde lag so viel Hass in seinen Blicken, dass es mich kurzzeitig aus der Bahn warf. "Okay", sagte ich, als meine Worte von weiteren stürmischen Küssen erstickt wurden. Verstehe einer diesen Kerl! Nur widerwillig löste ich mich von seinen Lippen, fuhr mit der Zunge über die geschwollene Stelle und kletterte rückwärts auf das Bett. Kaiba hatte sich nun vor mich gestellt, blickte auf mich und meinen wehrlosen Körper herab. Meine empfindlichste Mitte schützte nur noch ein winziges Stück Stoff. Nicht, dass es mir ein Gefühl von Sicherheit geben würde, aber mehr war einfach nicht drin. "Dreh' dich um", sagte Kaiba und wie ein abgerichteter Hund legte ich mich auf den Bauch. "Mir hat die Pose von vorhin gefallen", säuselte es in meinen Ohren, dass ich wie auf Drogen die Augen verleierte und seinen Wünschen ohne zu zögern nachkam. In einer Ecke meines Bewusstseins hasste ich mich für diese willenlose Bereitschaft. Nur war das meinem erregten Körper vollkommen egal. Er sehnte sich nach Kaibas Berührungen - ja, nach Kaibas Händen, nach seinen festen Griffen, die mich an den Hüften packten, mich lenkten, wie es ihnen beliebte. Mit dem Finger fuhr er meine Wirbelsäule entlang, ging zwischen meine Pobacken, streifte diese eine Stelle, die noch so ungewohnt für mich war und landete schließlich zwischen meinen Beinen. Das letzte Stück Stoff verhinderte, dass ich mich voll und ganz fallen lassen konnte. "Du hast wirklich einen schönen Hintern, Jonouchi." Kaiba zeichnete die Form meiner Pobacken nach, dass die Hitze von meinem Gesicht zu der Stelle zwischen meinen Beinen wanderte. Es wurde nicht besser, als er mir den Tanga abstreifte und sich direkt hinter mich kniete, dass ich seinen Schritt an meinem Hinterteil spürte. Das kalte Metall seiner Gürtelschnalle ließ mich kurz zusammenzucken, bevor seine Hände erneut auf Wanderschaft gingen und ein Feuer entfachten, mit dem ich noch nicht umzugehen wusste. Geschickt neckten mich seine Fingerspitzen, rieben entlang meiner Klitoris, dass ich mich ihnen entgegen bäumte, stumm nach mehr verlangte. Aber Kaiba dirigierte mich zurück, tauchte einen Finger in mich hinein und zog ihn langsam wieder heraus. Ich kniff die Augen zusammen. Alles, was er tat, fühlte sich so gut an, ich war schon jetzt wie gerädert und wusste nicht, wie ich noch mehr ertragen sollte. Nur kurz zog er sich zurück. Ich hörte, wie der Gürtel auf den Boden einschlug, Kaiba die Hose herunterzog und sich erneut nach vorne beugte. Er drückte mir einen Kuss zwischen die Schulterblätter, dann auf die Stelle über meinem Gesäß, um dann irgendwo zwischen meinem Hintern und meiner empfindlichen Mitte weiter zu machen. Ich zog scharf die Luft ein. Mir blieb kein Moment zum Verschnaufen. Kaibas Finger gingen über meinen Venushügel direkt zwischen meine Beine. Diesmal drangen zwei seiner Finger in mich ein, bewegten sich rhythmisch in mir, zogen sich aus mir heraus, stießen wieder zu und entlockten mir einen unverständlichen Laut, der sich so gar nicht nach mir anhörte. So etwas kannte ich nicht von mir, noch von meinem Körper. Jede weitere Berührung schnürte mir ein bisschen mehr die Kehle zu, und ich genoss es in vollen Zügen, rieb mich an seinen Händen und war ganz in den Bewegungen seiner Finger gefangen, bis er sich einfach aus mir zurückzog. Eine kurze Leere erfasste mich, bevor Kaibas Finger erneut in mich eindrangen...aber nicht zwischen meine Beine, sondern in meinen Arsch. "Ah", ich riss die Augen auf, überfordert von diesem neuen Gefühl. Ich spürte den Widerstand, spürte wie mein Innerstes gegen diesen Fremdkörper anzukämpfen versuchte. Doch Kaiba reizte mich weiter aus, seine zweite Hand fuhr die Innenseite meiner Oberschenkel entlang, sein Mund lag auf meiner Hüfte, auf die er einen Kuss hauchte. Langsam entspannte ich, ließ es zu, wie ich von allen Seiten bearbeitet und verwöhnt wurde. Vorsichtig zog er die Finger aus meinem Hintern, ersetzte ihn durch seinen harten Schwanz, der Zentimeter für Zentimeter tiefer in mich eindrang. Noch nie wurde ich auf diese Weise ausgefüllt. Zusammen mit Kaibas Fingerspiel trieb es mich in neue Bahnen. Die Welle wurde zu einem Tsunami, meine Knie wurden weich, die Matratze konnte mich kaum noch richtig stützen. Dafür packte Kaiba mich an den Hüften, entzog sich meiner brennenden Mitte, die nicht damit umzugehen wusste. Tief versenkte er sich in mir. Es begann sich alles zu drehen, ich stand kurz davor zu explodieren, drückte die Zähne in meine Unterlippe. Schmerz und Erregung vermischten sich, dass ich sie nicht mehr unterscheiden konnte. Sobald sich Kaiba vollends in mir versenkt hatte, stieß er härter zu. Mit jedem weiteren Stoß schritt ich meinem Orgasmus entgegen, während er sich gleichzeitig immer weiter von mir entfernte. Und dann passierte es; die Welle zerschellte an den Klippen, ließ mich durstig und frustriert zurück. Dass ich mich machtlos, leer und ausgenutzt fühlte, war nur der Gipfel meiner emotionalen Achterbahnfahrt. Mit glasigen Augen, kniete ich mich aufs Bett. Ich war nicht bei mir. Mein Körper verstand nicht, was vor sich ging und mein Kopf hatte auf stur gestellt. "Weißt du, warum ich das getan habe?" Kaibas Stimme brachte mich dazu, die Zähne zu fletschen. "Du liebst es einfach, mich zu quälen?" "Weil du heute Abend wieder einmal die Regeln missachtet hast." Er zog sich Boxershort und Hose an. "Ich hatte dir gesagt, dass unser Spiel weiterhin gilt." "Aber ich hab' mich doch schon entschuldigt." "Und das hast du gut gemacht…aber mit einer Entschuldigung machst du es nicht ungeschehen. Eine Bestrafung ist das einzig Wirksame für einen kläffenden Köter wie dich." "Ist das dein Ernst?!" Jetzt wurde ich richtig wütend. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihn an. "Du…ich…aaaah", ich raufte mir durch die Haare, dass sie ihre natürliche, krause Struktur zurückbekamen. Kaiba war doch das Allerletzte. Tobte sich erst an mir aus, um mich dann wie eine heiße Kartoffel fallen zu lassen. In seinen Augen sah ich keinerlei Reue. Im Gegenteil, er schien zufrieden, dass er mich um meine Befriedigung gebracht habe. "Glaub' ja nicht, dass ich mir das gefallen lasse", schimpfte ich weiter. "Und was willst du tun?" "Genau dasselbe wie du. Nur werde ich es zu Ende bringen." Kaiba begriff und riss die Augen auf. Sein eiskalter Blick, dazu dieses überhebliche Lächeln ließen meinen Kopf hochrot anlaufen. Ich war dabei, Kaiba von meiner Bettkante zu stoßen, als er meine Hände packte, sie hinter meinen Rücken verrenkte, dass ich keine Chance hatte, mich aus seinem Griff zu befreien. "Lass' mich los", schrie ich. In dieser Position war ich machtlos gegen ihn und das machte mich rasend. "Was-?!" Es gab ein Klicken. Den Kopf nach hinten gedreht, sah ich, wie Kaiba mir Handschellen verpasste. "Mach' das sofort ab!" Natürlich ignorierte mich Seto Kaiba. Er ließ mich los, schnappte sich den Gürtel vom Boden und ging Richtung Tür. "Du gehst jetzt nicht, hörst du!" Ich knurrte. "Du verdammter…Ah, ich hasse dich Seto Kaiba!" Doch der schlug einfach die Tür hinter sich zu, ließ mich nackt wie ich war, auf dem Bett zurück. Tausend Flüche später (ich hatte, die Hoffnung aufgegeben, dass Kaiba heute noch zurückkommen würde) legte ich mich aufs Bett und versuchte zu schlafen. Gehandikapt wie ich war, schnappte ich mir mit den Fingerspitzen den Zipfel von der Decke, wickelte mich darin ein und schloss die Augen. Mein Herz hämmerte wie verrückt, ich war stinksauer und wünschte Kaiba, er würde in seinen flauschigen Kissen ersticken. Am allermeisten hasste ich jedoch mich. Zwischen all dem Ärger, war da immer noch dieses Brennen zwischen meinen Beinen. Ich war feucht und geiler als jemals zuvor. Vielleicht gerade wegen all dieser Gefühle und das machte mich verrückt. Nach einer mehr als unruhigen Nacht, kroch langsam die Sonne in mein Zimmer. Ich blinzelte, stieg aus dem Bett - oder besser gesagt, ich versuchte es. In meiner Müdigkeit hatte ich doch glatt vergessen, dass die Decke wie eine missglückte Mumifizierung um meinen Körper gewickelt war. Ich rollte von der Matratze, plumpste auf den Boden, der zum Glück mit einem Teppich ausgelegt war und stieß ein qualvolles Stöhnen aus. Dann befreite ich mich hüpfend aus der Decke. Wie lange ich gebraucht hatte, konnte ich nicht sagen. Zum Glück kam kein Diener oder der arrogante Fatzke persönlich in mein Zimmer - das hätte mir den Rest gegeben. Langsam richtete ich mich auf, lief zum Kleiderschrank und holte meine Sachen heraus. Alles gut und schön, wenn nur nicht diese Handschellen im Weg wären. Nie im Leben konnte ich mir mein T-Shirt überziehen, ich war ja schließlich kein Schlangenmensch. In meine Hose kam ich auch nicht so rein, wie ich es wollte. Aufs Bett gesetzt, versuchte ich meine Füße in die einzelnen Hosenbeine zu bekommen. Ich hätte mir alternativ noch eine Panty einstecken sollen. Die lange Hose war eine Herausforderung, die nach einer Niederlage schrie. Aber wann hörte ich schon auf meinen Verstand. Ich hob die Beine in die Luft, versuchte, die Hose irgendwie über die Waden zu bekommen. "Was wird das, Jonouchi? Trainierst du schon an ein paar Kunststückchen." "Dir auch einen guten Morgen, Kaiba…do-no", murrte ich zurück. "Hast du gut geschlafen?", fragte mich doch nicht ernsthaft Seto Kaiba. Ich hätte an die Decke gehen können. "Hab schon bessere Nächte gehabt", erwiderte ich zähneknirschend. "Etwas anderes wollte ich von dir nicht hören." Er lächelte in sich hinein, stellte sich vor mich, schob meine Beine auseinander und musterte die Knutschflecke, die er mir am ersten Abend zugefügt hatte. "Ich kann deinen Frust verstehen." Ach ja, konnte er das?! Er beugte sich zu mir herunter, strich mit den Fingern über mein Halsband. Dickes Leder trennte seine Berührungen von meiner Haut, und trotzdem konnte ich sofort das Gefühl seiner Hände abrufen. Ich schauderte, langsam breitete sich die Hitze in mir aus. Das durfte nicht wahr sein! War ich schon so verzweifelt!? "Wenn du willst", sagte Kaiba und riss mich aus meinen Gedanken, die sich wieder einmal nur um das eine drehten, "bringe ich dich zu deinem Orgasmus." Seine Hände wanderten tiefer und tiefer. Ich schluckte schwer. "Aber vorher will ich, dass du darum winselst." Abrupt presste ich die Schenkel zusammen. "Lieber sterbe ich an Untervögelung als irgendjemanden an zu betteln." Kaiba hielt inne, seine Hände zogen sich zurück und griffen hinter mich, packten meine Handgelenke, die er mit einer einzigen Bewegung von den Handschellen befreite. "Wie du willst", sagte Kaiba und streifte mein Ohr, "mein kleiner, bissiger Streuner." Kapitel 9: ----------- "Hallo! Erde an Kazuha." Nach vorne gebeugt, tippte mir Anzu auf die Stirn. Sie hob eine Augenbraue, während sie langsam an ihrem Himbeermilchshake zu saugen begann. "Ja. Ich bin da", sagte ich, noch völlig neben mich und biss in meinen Burger hinein. "Also", war es nun Honda, der links neben mir saß und mir den Ellenbogen in die Seite drückte, "jetzt sag' schon." "Was denn?" "Ich sag' doch, sie kann mit offenen Augen schlafen", der Braunhaarige schüttelte grinsend den Kopf und stützte sich mit dem Ellenbogen am Tisch ab. Zu viert saßen wir in einer kleinen Burger Bude, nicht weit vom Flughafen entfernt. Unser letztes gemeinsames Essen, bevor Anzu mit dem nächsten Flieger in die Staaten abreisen würde. "Dann nochmal für unsere Schnarchnase", Honda holte sein Smartphone heraus und öffnete im Browser eine Seite. Nur flüchtig hörte ich zu. Nachher würde ich mir von Yugi das alles nochmal in Ruhe erklären lassen. Ich war schon den ganzen Tag nicht bei der Sache. Nicht nur wegen Kaiba und seinen sadistischen Spielchen, die mir sogar den Spaß an Selbstbefriedigung genommen hatten. Nein, diesmal ging es um Anzus Abschied und darum, dass unsere gemütliche Vierergruppe zu einem kleinen Trio schrumpfte. Nach dem ganzen Chaos der vergangenen Tage, fiel es mir schwer, meine Gefühle unter Verschluss zu halten. Ich wollte nicht, dass Anzu ging. Also nicht, dass ich ihr nicht alles Gute dieser Welt wünschte. Sie war die erste von uns, die ihren Traum wahr werden ließ und dafür bewunderte ich sie. Aber was wurde nun aus unserem ewigen Band der Freundschaft? Von Domino nach New York City lagen so viele Meilen zwischen uns. Man konnte nicht einfach so mir nichts dir nichts in den Flieger steigen und sich zu einem Filmeabend oder der Eröffnung des neuen Gamingcenters verabreden. "Du wirst sehen, drei Jahren werden wie im Flug vergehen", sagte Yugi und nickte seiner Sitznachbarin zu. Yugi. Mein bester Kumpel, der immer ein Lächeln im Gesicht hatte, selbst jetzt, wo er seine heimliche Liebe ziehen lassen musste. Ich fragte mich, was in dem Bunthaarigen vorging, wenn schon in mir die blanke Panik hochkam. "Ich werd' euch so vermissen, Leute." Anzu drückte sich an Yugi, der leicht verlegen auf seine Pommes sah. "Schreib' uns, sobald du im Studentenheim angekommen bist", sagte ich und zählte Anzu ein paar Tipps auf, wie sie sich perverse Zimmernachbarn vom Hals schaffen konnte. "...und wenn er nicht hört, dann trittst du ihm ordentlich-" "Hab' schon verstanden", Anzu lachte und hob die Arme, "keine Angst, ich lass' mich von niemandem unterbuttern. Das hab' ich schließlich von dir gelernt." Sie zwinkerte mir zu. Ich war ein wenig gerührt, unterdrückte meine Tränen so gut es ging und zwang mich zu einem Lächeln. "Wenn wir das Thema Selbstverteidigung geklärt hätten", sagte nun Honda, der bei meinen Veranschaulichungen ein wenig grün um die Nase geworden war. "Eine Frage, die uns schon seit Stunden beschäftigt: Warum, zum Teufel, trägst du ein Hundehalsband, Jonouchi?!" Alle Augen waren auf mich gerichtet. Ich hatte mich schon gefragt, wer das Thema zuerst aufgreifen würde. Die Kerle hatten sich sicher nur wegen Anzu zurückgehalten und die Braunhaarige selbst hatte mich schon in peinlicheren Aufmachungen gesehen, dass sie wohl gar nicht erst wissen wollte, was nun schon wieder Phase war. "Ist keine große Sache", winkte ich lässig ab und lehnte mich in meinem Stuhl zurück, "hab' nur 'ne blöde Wette verloren." "Du kannst es einfach nicht lassen, oder?" Anzu schüttelte lächelnd den Kopf. Honda wollte gerade etwas darauf erwidern, als ich prompt mein Portemonnaie zückte und freudestrahlend verkündete, dass die Rechnung heute auf mich gehen würde. "Wie versprochen", grinste ich breit und knallte die Scheine auf den Tisch. "Die will doch bloß vom Thema ablenken", flüsterte Honda und beäugte mich misstrauisch. "Lass' sie, Honda-kun." Yugi war meine Rettung. "Sie wird schon ihre Gründe haben." Natürlich konnte der Bunthaarige nicht verbergen, dass er ein wenig enttäuscht war. Dafür kannte ich Yugi zu gut. Seine Gutmütigkeit zwang ihn dazu, sich ständig Sorgen zu machen. Ganz besonders um mich, seinen kleinen Pechvogel. Wenn Yugi wüsste, wie tief ich in der Patsche saß, würde er wohl kein Auge mehr zutun können. Dank Yugis Einsicht ließen mich auch die anderen in Ruhe, dass wir die restliche Zeit entspannt genießen konnten und ganz wie in alten Zeiten ausgiebig lachten und Blödsinn erzählten. Ab und an wischte sich einer von uns die Tränen aus den Augen. Es war ein würdiger Abschied. Aber es war ein Abschied - und das schmerzte. Als Anzu hinter der Sicherheitskontrolle verschwand und ich langsam den Arm sinken ließ, war es, als würde die Zeit stillstehen. Wir warteten noch, bis der Flieger startete, beobachteten, wie das Flugzeug hinter den Wolken verschwand und traten langsam den Heimweg an. Honda verabschiedete sich als erster von uns, bog an der nächsten Hauptkreuzung ab, um auf den kürzesten Weg in die Werkstatt seines Vaters zu kommen. Nur noch Yugi und ich waren übrig. "Alles in Ordnung bei dir?", fragte mich mein bester Kumpel. Er schaute zu mir herauf. "Na Logo", grinste ich. "Wirklich? Du weißt, ich würde dich nie drängen, aber wenn dir was auf dem Herzen liegt…du kannst es mir sagen, egal was es ist." "Das weiß ich doch", ich tätschelte ihm die Haare. Yugi war wie ein Bruder für mich. Manchmal spielte ich die Ältere und manchmal war es Yugi, der die Wange für mich hinhielt und einen auf großen Bruder machte. Heute war wieder der Bunthaarige an der Reihe. "Mach' dir keinen Kopf", sagte ich. "Es ist…kompliziert. Nichts Gefährliches, weswegen du dir Sorgen machen musst." "Ich vertraue dir", entgegnete Yugi. Meine Antwort schien ihn ein wenig beruhigt zu haben. Er lächelte, dabei hatte er dieses besondere Funkeln in den Augen. Mein bester Kumpel würde alles für seine Freunde tun. Aber jetzt war erst einmal ich an der Reihe, mein Chaos aufzuräumen und meinen Freunden ihren verdienten Sommerurlaub genießen zu lassen. "Wir sollten bald wieder was zusammen machen " Yugi blieb stehen. "Ich habe in Großvaters Laden ein spannendes Spiel entdeckt. Das müssen wir demnächst mal ausprobieren." "Auf jeden Fall." Ich nickte. Mit diesen Worten trennten sich unsere Wege. Yugi wohnte nur zwei Straßen weiter, nicht weit von unserer ehemaligen Schule. Ich hingehen musste mit dem Bus noch drei Stationen fahren. Das große, graue Hochhaus - das mit der baufälligen Fassade - war mein Zuhause. Mein Vater und ich wohnten dort, seit meine Eltern sich scheiden gelassen hatten. Nicht gerade ein Traumschloss, reichte es zum Übernachten und zum Essenwarmmachen. Ich würde mir gleich ein paar Stunden Schlaf zurückholen. Der Abschied von Anzu hatte mich die letzten zwei Nächte nicht schlafen lassen. Dazu kam, dass ich gestern bis halb vier im Night Club geackert hatte. Es war der erste Abend gewesen, an dem ich Kaiba nicht gesehen hatte, und es fühlte sich nach einer Woche seltsam an, nicht bei ihm zu sein. Mit einem lauten Gähner stand ich vor der Wohnungstür. Ich hatte noch fünf Stunden, bis zu unserem Treffen. Vielleicht machte ich mir vorher noch einen Becher Nudelsuppe warm. Meine Gedanken verpufften. Auf der anderen Seite der Tür hörte ich ein lautes Scheppern. Mein Alter war Zuhause. Mit ihm hatte ich nicht vor Sonnenuntergang gerechnet. Dass er hier war, bedeutete nichts Gutes. Schon gar nicht, wenn er wieder einmal mit Möbeln um sich schmiss - wonach es sich gerade anhörte. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und stellte mich dem Schicksal. Kapitel 10: ------------ "Dieses nichtsnutzige Weibsstück!", hörte ich es aus dem Wohnzimmer brüllen, da hatte ich die Haustür noch nicht mal hinter mir zugezogen. Wie zu erwarten, hatte der Tisch seinen Platz verlassen, lag einmal quer neben der Wohnzimmercouch, dort wo der Wäscheberg seit Tagen vor sich hin vegetierte. Die Klamotten hatte ich ganz vergessen, genau wie mein Vater, wenn er erst jetzt darauf aufmerksam geworden war. "Und du traust dich jetzt nach Hause?!" Er hatte mich also bemerkt. Ich ignorierte ihn und zog mir erstmal die Schuhe aus. "Ich war arbeiten", sagte ich. Wenn ich gestern mitzählte, war das nicht einmal eine Lüge. "Deinen Mist kannst du jemand anderem erzählen, Kazuha." Am besten, ich blieb so unauffällig, wie es nur ging. Wenig Augenkontakt und keine falschen Bewegungen - nur so hatte ich eine Chance, heil aus der Sache rauszukommen. Dass mein Vater nüchtern war, machte es nicht unbedingt besser. Betrunken war er laut und aggressiv. Wenn er aber von einem Pferderennen zurückgekehrt war und wieder einmal dutzende Yen in den Sand gesetzt hatte, war er eine tickende Zeitbombe. "Ich kümmere mich gleich um die Wäsche", sagte ich und steuerte mein Zimmer an. Die Hand meines Vater krallte sich meine Schulter. Er zog mich zurück, dass ich ihm direkt in die Augen sah. Das Lamm, das zur Schlachtbank geführt wurde - zu dem hatte er mich gemacht. Ich konnte den Puls an seiner Halsschlagader sehen. Hass war noch untertrieben; das, was in seinen Augen aufblitzte, war weitaus bedrohlicher. "Was ist das?!" Er hatte das Halsband entdeckt. Mein schlimmster Albtraum wurde wahr. "Willst du mich verarschen?!" Seine linke Hand klatschte auf meine Wange, mit der anderen packte er das Hundehalsband. Die Ohrfeige konnte ich ab. Dass er mir durch seinen Griff die Luft abschnürte, war eine andere Sache. "Bist du jetzt einer von diesen Freaks?", brüllte er weiter, schleuderte mich in Richtung Couch, wo mein Rücken Bekanntschaft mit den Tischbeinen machte. Zumindest bekam ich jetzt wieder Luft. Ich sah nach oben, zu meinem Vater, der mich voller Verachtung betrachtete. Den Blick kannte ich nur zu gut. Ich war abgestumpft gegen jede seiner Beleidigungen und Erniedrigungen. Wenn ich wollte, könnte ich mich ihm entgegenstellen. Ich hatte genug Kraft, konnte seine Schläge abfedern, ja sogar abwehren. Da hatte ich es schon mit ganz anderen Typen zu tun gehabt. Aber irgendetwas hielt mich davon ab. Das Gefühl saß tief in mir. Drogenbosse und wahnsinnige Spinner, die die Weltherrschaft an sich reißen wollten, konnte ich vermöbeln. Meinen Alten nicht. Vielleicht war es ein letzter Funken Liebe, der mich davon abhielt. Vielleicht war es aber auch bloß Mitleid. Mitleid mit diesem Mann, der fast alles in seinem Leben verloren hatte, was ein Mann zu verlieren hatte. Von Alkohol und durchzechte Nächte gezeichnete Augen wechselten von mir zum Wäscheberg. Oben drauf lag ein abgewetzter Gürtel, den er sich schnappte. Seine Nüstern bebten, als er sich vor mich aufbaute. Die Hände zur Faust geballt, stellte ich mich seinen Blicken. Jetzt spielte es auch keine Rolle mehr. Ich wusste, dass mein Vater erst Ruhe geben würde, bis er genug Dampf abgelassen hatte und wie ich die Lage einschätzte, würde es wohl eine Weile dauern. ~ Mit zusammengebissenen Zähnen stand ich in der Vorhalle der Kaiba-Villa. Ich hätte dieses Treffen absagen sollen. Kaibas Gemeinheiten konnte ich heute nicht ertragen. Genauso wenig wie ich seine Folterspielchen über mich ergehen lassen wollte, nur damit er seinen Spaß hatte. Mein Körper war auf Abwehr geschaltet. Wer mich jetzt reizte, der konnte sich warm anziehen. "Das hat keinen Sinn", sagte ich und wich Kaibas prüfenden Blicken aus. "Lass' es uns einfach verschieben. Ich bin heute nicht in Stimmung." "Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du an meine Haustür geklopft hast. Ich lasse dich jetzt nirgendwo hingehen." "Ich hab für dieses Spielchen echt keinen Nerv." "Pech für dich." Kaiba fixierte mich. Mein Protest schien ihn zu erheitern, er nahm mich einfach nicht für voll. "Jonouchi, du scheinst wieder mal vergessen zu haben, dass deine Meinung keinen Wert hat-" "Und ich sage trotzdem nein!" Meine Worte hallten durch den Eingang. "Der freie Tag ist dir wohl nicht bekommen, was?! Ich denke, ich muss wohl die Leine etwas kürzer nehmen." "Mir ist scheiß egal, was du denkst! Aber ich werd' hier keine Sekunde länger bleiben!" Ich drehte mich um, stampfte zur Tür. Bloß weg; weg von alles und jedem. Ganz besonders von Kaiba. Diesem gefühlskalten Klotz, der nur Salz in die Wunde streuen konnte. Genau dieser Klotz packte mich, kurz bevor ich die Tür erreichte. Er wirbelte mich herum, verfrachtete mich auf seiner Schulter, dass ich zappelte und das ganze Haus zusammen schrie. "Lass mich runter! Du sollst mich verdammt nochmal runter lassen, Kaiba!" "Für dich immer noch Kaiba-dono", entgegnete er trocken, dass ich mich nur noch mehr gegen ihn und seinen Griff wehrte. "Und wenn du der Papst persönlich wärst - fick dich, Kaiba!" Doch nichts davon interessierte Seto Kaiba. Wortlos marschierte er durch den Flur, steuerte mein Gästezimmer an. "Du arroganter Geldsack", war noch das harmloseste, das ich ihm an den Kopf knallte. Kaiba antwortete, in dem er mich noch fester hielt, seine Hände wanderten von meinen Schenkeln, höher zu meinem Hintern. Dann drückten sich seine Fingerkuppen in meinen Steiß. Er konnte es nicht wissen, aber er rief damit die Erinnerungen der letzten Stunden wach, dass ich laut aufschreien wollte. Gerade noch rechtzeitig presste ich die Hände auf meinen Mund. Mir kullerten die ersten Tränen aus den Augen, direkt auf Kaibas schwarzen Rolli. Wie von einem Stromschlag getroffen, bäumte ich mich auf, erstarrte und wartete sehnsüchtig darauf, dass der Schmerz verebben würde, als Kaiba auch schon die Hände von der Stelle nahm. Es tat noch weh, aber langsam kam ich wieder zu mir. "Jonouchi", raunte es in mein Ohr. Im Schlafzimmer angekommen, ließ er mich runter. Seine Fingernägel krallten sich in meine Schultern. Er betrachtete mich, betrachtete die einzelne Träne, sie sich auf meiner Wange verirrt hatte. Dass er meine Reaktion nicht verstand, stand ihm mit Großbuchstaben ins Gesicht geschrieben. "Wie viele Regelverstöße waren das jetzt…? Mal ganz abgesehen von den Beleidigungen. Das war selbst für deine Verhältnisse dumm." "Du kennst mich nicht", brüllte ich zurück, "vielleicht bin ich ja der dümmste Menschen auf der Welt. Mir doch scheißegal!" "Vorsicht, Jonouchi, du bewegst dich hier auf sehr dünnem Eis." "Ich sag' doch, es ist mir scheißegal. Mein Tag war schon beschissen genug, ich kann es nicht noch schlimmer machen." "Willst du es herausfinden?", keifte er mich an. Kaiba kam einen Schritt auf mich zu. Weil seine Hände gefährlich nahe in Richtung meiner Hüften zeigte und ich nicht wieder von seinen Griffen überrascht werden wollte, ging ich einen Schritt zurück und brachte mich in Angriffsstellung. "Was ist denn heute in dich gefahren, Jonouchi?!" "Das willst du nicht wissen", entgegnete ich knapp. Als ob dieser Geldsack sich für mein Leben interessierte. "Jonouchi." Jetzt war es Kaiba, der knurrte, "spuck' endlich aus, was dein verdammtes Problem ist!" Seine linke Hand streifte meinen Arm, aber ich schlug sie mit voller Wucht weg. "Fass' mich nicht an!" Mein Herzschlag beschleunigte sich. Kaiba sah mich einfach nur perplex an. Er begriff die Situation nicht. Ich selbst konnte ja nicht richtig damit umgehen, wie sollte also Kaiba in der Lage sein, mein Verhalten zu verstehen. Er tat, was er am besten konnte. "Du wirst jetzt umgehend sagen, was los ist, oder ich werde dich persönlich in Ketten legen und dich so lange hier drin versauern lassen, bis du endlich deinen Mund aufmachst." "Du willst es wissen?!" Ich lachte auf, schrie und sah ihn mit kochendem Gesicht und aufgerissenen Augen an. "Da hast du's!" Ich drehte ihm meinen Rücken zu, hob mein T-Shirt an und zeigte ihm meine Striemen. Kreuz und quer waren die Schläge oberhalb meines Hinterns verteilt worden. Schon als ich neun war, hatte mein Vater aufgehört, mir den Hintern zu versohlen. Die Schläge auf Höhe meines Steißes waren deutlich schmerzhafter und langanhaltender. Eine Lektion, die ich ich wohl nie vergessen würde. Eine Weile starrte Kaiba auf die blutigen Stellen. Die Wunden waren bereits geschlossen, aber ein bisschen Blut klebte wohl noch an meinem Rücken. Blödes Tischbein! "Wer war das?", fragte Kaiba. Ich konnte nicht heraushören, was in dem Braunhaarigen vorging. Einerseits wirkte er fasziniert von den vielen Linien auf meiner Haut, andererseits lag ein Blick in seinen Augen, der dem seines Lieblingsdrachen in nichts nachstand. Ich zog mein T-Shirt wieder herunter. Mir war nicht nach Reden, noch weniger über dieses Thema und schon gar nicht mit jemandem wie Seto Kaiba. "Spielt doch keine Rolle", antwortete ich schnippisch und schlang die Arme um meinen Oberkörper. "Doch, spielt es, Jonouchi. Du gehörst die nächsten dreißig Tage mir", einundzwanzig, korrigierte ich in Gedanken, "wenn jemand mein Hündchen anfässt, will ich wissen, wer." "Ich bin nicht dein Hündchen!" Ich drehte mich wie ein bockiges Kind weg. "Mein Vater", murmelte ich dann aber doch, "ich will nicht darüber reden, okay?! Also lass' mich einfach in Ruhe." "Abgelehnt." "Was?!" "Zieh' dich aus!" "Spinnst du jetzt völlig?!" Ich sah ihm wieder in die Augen. Sein Blick jagte mir einen Schauer über den Rücken. "Zieh' dich aus. Sofort!" Widerwillig gehorchte ich. So wirklich wusste ich nicht, warum. Das musste irgend so 'ne Art Überlebensinstinkt sein. Die Sachen auf den Boden geschmissen, starrte ich hoch zu Kaiba. Der Braunhaarige lief zum Kleiderschrank. Er nahm den Bademantel, schritt damit auf mich zu und legte ihn mir über die Schultern. "Du wirst die Nacht hierbleiben." "Mo-" "Keine Widerworte. Das ist ein Befehl. Um alles Weitere kümmere ich mich." "Was soll das heißen?!" Aber Kaiba antwortete nicht. Er drehte sich um und ging. Ein lautes Klacken und ich rannte zur Tür, rüttelte und zerrte an der Klinke. Da war nichts zu machen; Kaiba hatte tatsächlich die Tür abgeschlossen. Dieser Drecksack! Kapitel 11: ------------ Gegen Mitternacht machte mir einer von Kaibas Pinguinen die Tür auf. Bis dahin hatte ich es geschafft, halbwegs runter zu fahren. Wütend war ich nur noch ein bisschen. Vor allem wegen Kaibas dreister Aktion, mich einfach in sein Gästezimmer einzusperren. Als würde bei mir Fluchtgefahr bestehen! Naja…er hatte wohl nicht ganz unrecht. Ganz sicher hätte ich nicht, auf Kaibas Befehl, brav die Füße still gehalten und wäre auf jeden Fall bei der nächsten Gelegenheit getürmt. Bestimmt hatter er gedacht, ich würde zurück nach Hause, zurück zu meinem Vater, gehen. Er wusste nicht, dass in solchen Fällen meine Freunde für mich da waren. Kaiba kannte all das nicht. Freundschaft, Zusammenhalt; Freunde, auf die man sich verlassen konnte, die einen zur Seite standen. Sobald es Zuhause Zoff gab, war Honda meine erste Anlaufstelle. Er war mein ältester Kumpel, er wusste, wie mein Vater sein konnte und dass ich ab und an eine Auszeit von ihm brauchte. Wenn das nicht klappte, übernachtete ich bei Anzu oder fragte Yugi, ob er noch ein Plätzchen auf dem Boden für mich hätte. Oft blieb ich nur ein paar Tage außer Haus, dann hatte sich mein Alter wieder eingekriegt und ich hatte für die nächsten Wochen erstmal meine Ruhe. Statt also meine Sachen zu schnappen und abzuhauen, entschied ich mich zu bleiben. Nicht, weil Kaiba es mir befohlen hatte. Logisch betrachtet, war es die beste Entscheidung, und ja, manchmal dachte auch ich logisch. Ich riss das Fenster auf, ließ die frische Abendluft in mein Zimmer und kühlte mich etwas ab. Der Bademantel war wohlig warm und wahnsinnig flauschig, aber für die Sommertage eindeutig zu viel. Trotzdem behielt ich ihn an. Vor allem weil er so kuschelig war und ich mich am liebsten darin vergraben hätte. An einem Tag wie diesem genau das Richtige - ich hatte meine beste Freundin ziehen lassen, war seit Langem wieder von meinem Vater verdroschen worden und wurde obendrein in Seto Kaibas Festung eingesperrt. Nachdem wir vor einem halben Jahr knapp dem Weltuntergang entkommen waren, kam dieser Tag unter die Top ten der >schlimmsten Tage meines Lebens<. Ich setzte mich auf das Fensterbrett und blickte nach draußen. War der Ausblick schon am Tag ein Hingucker, war er in der Nacht der helle Wahnsinn. Hier draußen, am Rande Domino Citys, wo keine Laterne und kein Wolkenkratzer den Abendhimmel störten, funkelten die Sterne, dass ich nur staunend meinen Hals reckte und das Funkeln auf mich einwirken ließ. Ich hatte keine romantische Ader, aber das hier war definitiv zum Dahinschmelzen. Ich verstand, warum Kaiba diese Bude nicht aufgab - auch wenn sein Geschmack ziemlich altbacken war; und das von dem Technik-Heini schlechthin. Irgendwann schloss ich die Augen und nickte ein. Ein Stechen im Nacken weckte mich unsanft aus meinem Schlaf, in dem ich von flauschigen Wolkenkissen und Zuckerwatte geträumt hatte. Ich verzog das Gesicht und bewegte meinen Hals, bis es knackte. Dann streckte ich die restlichen Glieder, sprang vom Fensterbrett und schaute als erstes auf den Digitalwecker. Der stand auf einem Nachtschränkchen neben dem Bett und ließ die Uhrzeit wir eine Drohung aufflackern. Ich rieb mir die Augen. Erst halb sechs!? Was machte man mit so viel Tag? Ich hatte jetzt zwei Optionen: entweder ich schlief weiter und tat so, als hätte ich Kaibas Bedingungen von neulich vergessen, oder ich nutzte die Zeit und würde mir erst einmal eine kalte Dusche gönnen. Den riesigen, fünffach verstellbaren Duschkopf wollte ich unbedingt mal ausprobieren. Gesagt, getan. Danach fühlte ich mich frisch und ungewohnt erholt, geradezu ausgeglichen. Kein Wunder, dass Kaiba immer wie aus dem Ei gepellt aussah. Jetzt, wo ich mich nicht nur wach und ausgeschlafen fühlte, war meine Neugier geweckt worden. Aus dem Badezimmer schlich ich weiter durch den Flur. Keine Menschenseele weit und breit. Ich fand mich in einem Horrorfilm wieder - verlassenes, altes Anwesen, der Boden knackte und quietschte mit jedem Schritt (wobei ich mir die letzten beiden Dinge nur zusammensponn). Ich schüttelte mich, dachte nicht weiter an Porzellanpuppen, die am Fenstersims standen und mich aufschlitzen wollten, und begab mich auf Entdeckungstour. Dass dieses Anwesen gewaltig war, hatte ich schon beim ersten Mal begriffen. Aber dass es soooooo riesig war, merkte ich erst, als ich mich von Stockwerk zu Stockwerk hocharbeitete. Es war sicher nicht dir klügste Entscheidung, aber meine Neugier war stärker als meine Vernunft. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass man so viele Zimmer wirklich brauchte. Wofür sollten die denn alle gut sein? Für jeden Wochentag ein Zimmer? Oder ein Raum pro Monsterkarte aus Kaibas Mördersammlung? Es passierte, ohne dass ich wirklich darüber nachdachte. Ich griff willkürlich nach dem erstbesten Knauf und öffnete die Tür. Wo sie schon mal offenstand, da konnte ich auch kurz hineingucken. Zuerst fielen mir diese großen, weißen Vorhänge auf. Die Fenster waren auf Kipp und ließen die Stoffe ganz vorsichtig hin und her schwingen. Dieser Anblick war unheimlich beruhigend. Danach wurde ich mutiger, ich öffnete die Tür noch ein weiteres Stück, dass ich auch den Rest des Raumes sehen konnte. Wenn das nicht ein Schlafzimmer war. Das frisch bezogene Bett, der Schreibtisch gleich daneben und wenig Schnickschnack - wenn ich raten müsste, würde ich auf Seto Kaibas Schlafzimmer tippen. Hauptsächlich hatte ihn der Schreibtisch verraten. Aus der Ferne sah ich einen Laptop und etwas, das wie eine entstellte DuelDisc aussah. Es juckte mir in den Fingern, ein wenig Mäuschen zu spielen. Noch stand ich bloß am Türrahmen. Hatte also im Grunde genommen noch nichts Verbotenes gemacht. Ich schaute mich um. Niemand zu sehen, niemand, der mich verpfeifen könnte. "Du bist verrückt, Kazuha", flüsterte ich und tapste ins Zimmer. Und Bingo! "Wenn das nicht Seto Kaibas Schlafzimmer ist, dann fresse ich einen Besen!" Es war, als würde ich direkt vor ihm stehen. Sein Duft war so präsent, dass ich selbst darüber erschrocken war, wie vertraut mir dieser Geruch vorkam. "Ich sollte lieber abhauen, bevor mich noch einer sieht." Ich hatte ganz sicher nicht vor, in irgendwelche Schubladen oder Kleiderschränke zu wühlen. Allein in Kaibas Zimmer zu stehen, verletzte seine Privatsphäre. Das war ein ganz neues Level für mich. Gar nicht auszumalen, was passierte, wenn er mich bei meiner morgendliche Aktion erwischte. Gerade wollte ich den Rückweg antreten, als mir zwei Bilderrahmen ins Auge stachen. Sie standen auf der Kommode, direkt neben dem Bett. Wie die Elster zu allem, was glänzte, flog, zogen mich die Bilder magisch an. Auf dem ersten Foto waren Kaiba und sein jüngerer Bruder zu sehen. Das Bild kannte ich. Es war das Foto, das die Kaiba-Brüder immer bei sich trugen. Die jungen Geschwister lächelten in die Kamera. So von Nahem sah der junge Seto Kaiba richtig niedlich aus, geradezu unschuldig. Daneben stand ein weiteres Bild. Viele Jahre später geschossen, zeigte es Mokuba und seinen großen Bruder vor einem Helikopter der Kaiba Corporation. Seto Kaibas Outfit verriet, dass es kurz nach Duelist Kingdom geschossen worden sein musste. Der Braunhaarige trug nicht seinen berühmten weißen Mantel. Den Trenchcoat kannte ich nur aus der Zeit, als wir alle auf Pegasus' Insel waren. Das Bild zeigte einen glücklichen Seto Kaiba. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals so gesehen zu haben. In seinem Lächeln steckte nichts Böses. Keine versteckte Verachtung. Nur die Liebe zu seinem Bruder. Das Bild löste etwas in mir aus. Mir war immer klar, dass Mokuba ihm viel bedeutete. Dass er ihn so sehr liebe, dass er überhaupt zu solchen Gefühlen fähig war, hatte ich mir nie richtig vorstellen können…bis jetzt. Ich nahm das Bild zur Hand, betrachtete diesen lächelnden Seto Kaiba, diesen fremden Kerl, bevor ich es zurück an seinen Platz stellte und aus dem Zimmer flitzte. Leise die Tür zugezogen, lief ich weiter durch den Flur, zurück ins Erdgeschoss. Der Duft von frischem Gebäck zog mich automatisch in Richtung Speisesaal. Bei all der Neugierde hatte ich doch glatt das Frühstück vergessen! Entgegen aller Warnungen, die mir mein Gehirn zu senden versuchte, pirschte ich mich heran. Es war noch nicht meine Zeit, aber mein Magen hatte die Fährte aufgenommen, ich konnte gar nicht anders als auf mein Bauchgefühl zu hören. Leise öffnete ich die Tür und linste durch einen winzigen Spalt in den Speisesaal. "Riecht das gut", murmelte ich und hatte ein breites Grinsen auf den Lippen. Fehlte nur noch, dass mir ein Sabberfaden aus dem Mund floss. "Na, ausgeschlafen?" Wie hatte Kaiba mich denn bemerkt?! Oder hatten ihm seine Bediensteten ein Zeichen gegeben? So wie ich war - nämlich noch im Bademantel, ohne irgendwas darunter - kam ich in den Speisesaal. Ich kratzte mich an den Kopf und lächelte. "Irgendwie schon." "Dann setz dich." Das hatte ich nun nicht erwartet. "Aber hast du nicht-" "Setz' dich, Jonouchi. Wenn du hungrig bist, redest du wie ein Straßenköter. Das vertragen meine Nerven um die Zeit noch nicht." "Als Gott Nettigkeit verteilt hatte, hast du den anderen Kindern die Süßigkeiten geklaut, oder?" "Jonouchi", seine mahnende Stimme triggerte mich. "Ja, ja. Ich setz mich schon." Kaum Platz genommen, kamen zwei Bedienstete und deckten vor mir ein. Mein Gott, dieser Duft von frischen Brötchen…und dann noch das Hörnchen und die Croissants - vielleicht war ich ja doch im Himmel! Die Zunge über die Lippen gefahren, rieb ich mir die Hände, überlegte, wo ich zuerst zulangen sollte. Prüfend wanderte mein Blick zu Seto Kaiba. Der hatte sich von mir abgewandt und tippte auf seinem Laptop herum. "Arbeitest du etwa schon?!" Ich konnte einfach nicht still sitzen bleiben. "Eine Firma leitet sich schließlich nicht von selbst, Jonouchi", sagte er, ohne von seinem Bildschirm aufzusehen. "So spricht nur ein Workaholic. Fällt dir denn nichts besseres ein, womit du den Tag starten könntest?" "Vielleicht." Jetzt sah er mich an. Sein eiskalter Blick bohrte sich durch meinen Bademantel. Gerade fühlte ich mich nackter, als am ersten Tag, und da war ich tatsächlich nackt gewesen. "Ähm", ich räusperte mich, "willst du denn nichts essen?" Warum war ich verlegen?! Es war ja nicht so, als hätte mir Kaiba ein zweideutiges Angebot gemacht. Schnell schnappte ich mir ein Hörnchen, die Butter schob ich auch zu mir heran. Bloß nicht in seine Augen sehen. Das konnte nicht gut für mich enden. "Übrigens", sagte ich, nachdem ich brav mein Hörnchen heruntergeschluckt hatte. "Kaiba…dono", ach, das war mir einfach zu blöd!, "Ich wollte noch…also…", ich seufzte. "Danke, dass ich hier übernachten durfte. Nicht, dass ich dir verziehen habe, dass du mich einfach eingesperrt hast, aber…vielleicht hab' ich das gebraucht." "Du kannst ja doch einsichtig sein." Kaiba klappte den Rechner zu. Er stützte sich mit dem Ellenbogen am Tisch ab und legte das Kinn auf seine Fäuste. In seinem abschätzigen Blick lag auch ein kleines bisschen Zufriedenheit. "Das könntest du ruhig öfter versuchen." "Das würde dir so passen", entgegnete ich mit zugekniffenen Augen. "Aber dann hättest du kein Hündchen mehr, das du abrichten musst und das wäre doch langweilig, oder?!" Was sagte ich denn da?! Stachelte ich ihn jetzt schon an?! Ich sollte wirklich öfter die Klappe halten. "Keine Sorge, Jonouchi. Ich werde mir schon etwas einfallen lassen, damit es nicht langweilig wird." Das konnte ich mir denken. Innerlich leierte ich mit den Augen. Kaiba erhob sich. Griff sich seinen weißen Mantel, der von einem seiner Pinguine gehalten wurde. "Iss' dein Frühstück zuende." "Erwarte jetzt bloß nicht, dass ich dir deshalb zu Kreuze kriechen werde." "Doch, das wirst du, Jonouchi." Bevor ich noch etwas sagte, was ich bereuen würde (wäre ja nicht das erste Mal), stopfte ich mir das Croissant in den Mund und wäre beinahe daran erstickt. Bloß nichts anmerken lassen! "Wenn du was zum Anziehen suchst", sagte Kaiba und warf sich den Mantel über, "ich habe ein paar Sachen von dir herbringen lassen. Sie sollten bereits in dein Zimmer gebracht worden sein " "Ja gut, okay…. Moment….bitte was?! Deine Männer waren in unserer Wohnung?! Wieso…was-" "Willst du die nächsten Wochen in diesem Bademantel herumlaufen?" "Die nächsten…?" Ich sprang vom Stuhl. "Das ist wirklich nicht nötig. Ich hab ein Zuhause, wie du weißt und dorthin sollte ich wieder zurück." "Das sehe ich anders. Ich muss dich doch im Auge behalten, mein unbeholfenes Hündchen." "Nein, das ist…Moment! Wenn deine Männer bei mir zu Hause waren, was…", ich riss die Augen auf, "was haben sie mit ihm gemacht?" "Spielt das eine Rolle?" "Kaiba!", schrie ich. Mein Puls beschleunigte sich, ich ballte die Hände zur Faust. "Die Sache mit meinem Vater geht nur mich was an! Misch' dich gefälligst nicht in Angelegenheiten ein, die du nicht verstehst." "Du denkst, ich verstehe nicht?" Sein Ton hatte sich geändert. Dunkel blickte er zu mir herüber. Nicht einmal als wir Duellgegner waren, hatte er mich dermaßen finster angesehen. "Du und deine Freunde - ihr seid viel zu verweichlicht", schleuderte er mir ohne Vorwarnung ins Gesicht. "Ihr glaubt, durch euer Gesülze von Liebe, Güte und Vergebung alle Probleme lösen zu können, oder? Kommt mal in der Realität an!" Mir klappte der Unterkiefer nach unten. "Als würdest du etwas davon verstehen! Für dich sind wir vielleicht die größten Volldeppen. Aber immer noch besser als wie du mit Geld und Macht um sich zu schmeißen und dann meinen, dass man seine Probleme lösen könnte, in dem man sich wie ein Vollarsch verhält. Damit hilfst du keinem - auch nicht dir selbst. Du kannst es leugnen, aber ich weiß, dass du dich danach nicht besser fühlst." Das hatte gesessen! Kaiba fiel nichts anderes ein, als sich umzudrehen und davon zu stolzieren. Pinguin Nummer eins öffnete die Tür, Kaiba blieb stehen und sagte: "Dass du hier bleibst, war keine Bitte." Nach diesem >bedeutsamen< Satz war Kaiba aus meinem Sichtfeld verschwunden. Und ich? Ich ballerte mir ein Brötchen nach dem nächsten rein. Obwohl diese Runde an mich ging, fühlte ich überhaupt keine Befriedigung. Dafür war ich einfach nur frustriert - wie jedes Mal, wenn Kaiba einfach so abdampfte. Langsam verstand ich mich selbst nicht. Was wollte ich denn eigentlich? Kapitel 12: ------------ Nachdem der Morgen ein frustrierendes Ende genommen hatte, hoffte ich, heute Abend einmal meinen Kopf frei zu bekommen, und was half besser, als ein sechs Stunden Parkourlauf durch Dominos nobelsten Night Club? Spontan hatte ich einen Anruf von meinem Chef erhalten. Eine Reservierung für den VIP-Bereich wäre heute kurzfristig reingegangen und Kameda-san, eine der fest Angestellten des Night Clubs, hatte sich heute Morgen krank gemeldet. Da stand ich also nun. Mitten in der Woche, am Smooth-Wednesday, an dem sich die High Society von Domino zu versammeln schien. Jeder, der sich für den heißesten Shit hielt, kam mindestens alle drei Monate hierher. Die einzelnen Lounges waren nobel und exquisit, der >einfache Pöbel<, wie mein Boss die Wochenendbesucher bezeichnete, hatte am Mittwoch keinen Zutritt. Es war kurz vor zehn. Gleich würde Sanji, unsere Security, den Haupteingang aufschließen. Mir ging so langsam der Stift. Es war mein erster VIP-Abend. Zwar hatte ich schon die ein oder andere Persönlichkeit kennen lernen dürfen, aber bedienen durfte ich bisher noch keinen von ihnen. Mein Chef hatte da zu wenig Vertrauen in mich, und ich selbst bekam bei dem Gedanken ganz schwitzige Hände. "Nur keine Angst, Kazuha." Suzuki-senpai klopfte mir auf die Schultern. "Mach' es einfach so wie immer, dann kann nichts schief gehen." "Danke, Senpai", stöhnte ich und krallte mir das Tablett. Nach und nach füllte sich der Club. Die Musik wurde von Gelächter und hitzigen Gesprächen übertönt. Ich versuchte mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Zum Beispiel darauf, nicht über meine eigenen Beine zu stolpern. Das war zwar für den ein oder anderen Gast ganz amüsant, aber nicht für meinen Boss, der mir finstere Blicke zuwarf. Der Chef des Night Clubs stand für gewöhnlich hinter den Kulissen, aber heute half er unserer Barkeeperin hinter dem Tresen. Wie Suzuki-senpai mir erzählt hatte, hatte er viele Connections. Darunter zählten auch Verbindungen zu der Geschäftswelt und eine Reihe von Politikern. Das ein oder andere Gesicht kam mir bekannt vor, ein paar Models hatten es sich auf eine der Sitzecken bequem gemacht und eine Schmalzlocke aus den Abendnachrichten fläzte zwischen zwei heißen Blondinen. Viel Zeit zum Gucken blieb nicht. An den Wochenenden war der Night Club fast doppelt so voll wie heute. Dafür verlangten die Gäste des Smooth-Wednesday eine Sonderbehandlung, als wäre ich ihr persönlicher Betreuer für den heutigen Abend. Ich erledigte Aufgaben, die ich nicht gerade in die Kategorie Kellnerin einordnen würde. Einmal wies mich eine der überkandidelten Weiber an, sie auf die Toilette zu begleiten. Eine halbe Stunde hatte ich damit zu kämpfen, den Latexanzug einmal zurück über ihren Körper zu zwängen. Am Ende musste ich in die nächste Drogerie flitzen und eine Tube Gleitgel kaufen, was mich weitere zwanzig Minuten gekostet hatte. Und zum Dank beschwerte sich die Tussi auch noch, dass ich ihre Frisur zerstört hätte. Dabei war nur eine Strähne aus ihrem Dutt gerutscht. War doch eh egal, wenn sie sich von diesem reichen Muttersöhnchen abschleppen lassen wollte. Stöhnend lehnte ich mich an den Tresen. "Nur eine Minute", seufzte ich, als unser Boss außer Reichweite war. "Du schlägst dich super", machte mir Suzuki-senpai Mut. Ich hob den Daumen und lächelte breit. Von ein paar reichen Schnöseln ließ ich mich doch nicht klein kriegen! Erst recht nicht von diesen Pseudo Erwachsenen, von denen die meisten kaum älter als ich waren. Die gaben doch bloß das Geld ihrer Eltern aus. Solche Leute konnte ich nicht ernst nehmen. "Erzählst du mir nachher, was es mit dem Halsband auf sich hat?", Suzuki-senpai lächelte verschmitzt. Sie war nicht die erste im Club, die mich darauf angesprochen hatte. Die Männer, die etwas mit meinem Accessoire anzufangen wussten (ich fragte erst gar nicht woher), versuchten mehr über mich und meinen >Beziehungsstatus< herauszufinden. Statt meine üblichen Sprüche rauszuhauen, tat ich das, was mir Suzuki-senpai beigebracht hatte - einfach lächeln und nichts sagen. Dank Kaibas fragwürdigen Erziehungsmethoden fiel es mir nicht sonderlich schwer, meinen Mund zu halten. Na toll! Hatte es Kaiba also geschafft, in meine Gedanken vorzudringen. Die letzten drei Stunden waren so reibungslos über die Bühne gegangen und jetzt lenkte mich ein einziger Gedanke von der Arbeit ab. Den halben Tag hatte ich mir den Kopf zerbrochen. Dabei hatte es dieser arrogante Geldsack gar nicht verdient. Ich wurde einfach nicht schlau aus ihm, und das machte mich rasend. Sobald sich Kaiba von seiner halbwegs netten Seite zeigte, machte er es in derselben Minute wieder kaputt. Immer wenn in mir die Hoffnung hochkam, dass Kaiba, im Grunde seines Herzens, kein so schlechter Typ war, bewies er mir das Gegenteil. Ich hatte die Schnauze voll, mich von diesem selbstgefälligen Fatzke durcheinander bringen zu lassen. Ich knallte den Long Island Icetea und den doppelten Bourbon auf das Tablett und stampfte davon. "Blöder Seto Kaiba", murmelte ich in mich hinein und wäre beinahe in einen Herren in Nadelstreifenanzug hineingerannt. "Verzeihen Sie vielmals", ich verneigte mich und huschte an zwei weiteren Kerlen vorbei, die gerade ihre Garderobe abgaben. "Jonouchi", knurrte mein Boss, als ich gerade ein Pärchen abkassiert hatte, "Bereich Platin übernimmst du." "Ich?!" Der Platin Bereich war für ganz besondere VIPs. Hauptsächlich für Leute mit ordentlich Schotter. Im Gegensatz zu den restlichen Sitzplätzen, war der Bereich Platin in einem gesonderten Raum. Ich hatte ihn nur einmal zu Gesicht bekommen. Ganz zu Anfang, als man mir die Räumlichkeiten gezeigt hatte. Der Boss ließ nur seine besten Mitarbeiter dort arbeiten. Aus den Geschichten meiner Kollegen wusste ich, dass dort alles erlaubt war. Wollte man Drogen nehmen - bitte schön! Hatte man sich eine Nutte bestellt, hinterfragte das keiner und bestellte einfach noch zwei dazu. Der Platin Bereich war wie die Pforte in eine andere Welt. Ich schluckte schwer. Nicht, weil mich eines dieser Dinge schocken würde. Aber die Gäste waren alle stinkreich und hatten einen enormen Einfluss in der Stadt, dass ich mich nur blamieren konnte. Solche Leute verlangten nach einer professionellen Kellnerin. Nicht nach einer tollpatschigen Aushilfe. "Kann das nicht Satori übernehmen?", fragte ich. "Nein, du machst das. Zwei von den Herren haben darauf bestanden, von einer Frau bedient zu werden. Nanami hab ich schon für den vorderen Bereich eingeplant. Du bist die einzige, die frei ist. Also schwing' deinen Arsch hier rauf und mach deinen Job." "Kreuzigen Sie mich aber nicht, wenn ich es vermassel." Damit stieg ich die Treppe hinauf. Ich war kein wirklich schreckhafter Mensch (wenn man meine Angst vor Geisterbahnen mal ignorierte), aber ich hätte fast einen Sprung zurück in den Flur gemacht und die Tür hinter mir zugeknallt, wenn mich das Überraschungsmoment nicht in eine Salzsäule verwandelt hätte. "G-guten Abend, d-die Herrschaften", begrüßte ich die vier jungen Männer, inklusive Seto Kaiba. Was hatte der denn hier verloren?! Ich starrte Kaiba an. Meine Farbe hatte die Haarfarbe von Bakura angenommen. Langsam schob ich den Mund zu. Ich konnte nicht einmal lächeln. Alle meine Muskeln verkrampften. "Oh, my beautiful flower." Die Stimme brachte mich dazu, meinen Kopf zu bewegen. So ein schwarzhaariger Kerl im weißen Anzug lächelte mich an. Ich erinnerte mich an ihn. Er war neulich auf einer der Wochenendpartys, hatte ständig von sich und seinem ach so wichtigen Job geschwärmt. Keine Ahnung, was er machte. Solchen Typen hörte ich nicht wirklich zu. Ich erinnerte mich nur noch daran, dass er ursprünglich aus Amerika kam, weshalb ich auch nur die Hälfte seiner Sätze verstanden hatte. Sein Japanisch war fehlerhaft und die Worte, die er nicht kannte, hatte er mit englischen Phrasen gefüllt. Wie es schien, hatte ich ihm meinen Vornamen verraten. Im Kanji setzte sich mein Name aus >schön< und >Blume< zusammen - daher die Anspielung…außer er kloppte einfach nur dumme Flirtsprüche heraus. Ich konzentrierte mich auf die drei Herren, in dem ich Seto Kaiba bis zum Schluss ignorierte. Als ich seine Bestellung entgegennahm, sah ich direkt in seine eiskalten Augen - was definitiv ein Fehler war. Ich geriet ganz durcheinander. Taumelte zurück zum Tresen und ratterte die Bestellungen runter. "Alles okay, bei dir?, fragte Suzuki-senpai, "du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen." Ich wurde wohl eher von einem verfolgt. Mit den Bestellungen kehrte ich zurück in den Platin Bereich. Es passierte, was passieren musste - ich hatte ein falsches Getränk gebracht. "Kein Problem", lächelte mich einer von ihnen an, "dir verzeihe ich alles." Dabei starrte er zwischen meinem Ausschnitt und dem Halsband hin und her. Stumm lächelte ich und stellte die restlichen Getränke an ihre Plätze. Kaiba hatte etwas Alkoholfreies bestellt. Auch sonst wirkte er völlig fehl am Platz. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihm und diesen Typen war ihr Alter. Keiner von denen war älter als fünfundzwanzig. Da konnten ihre Anzüge noch so erwachsen aussehen. "Your Collar ist wirklich hübsch - very nice." Wie ich mir gerade wünschte, den Kopf in der Kloschüssel zu versenken! Ich lächelte und stellte eine Flasche Wodka auf den Tisch, sowie einen Eimer voll Eiswürfel. Bloß weg hier, bevor mich einer von denen zu ihrer Party einlud. So ging das über die nächsten zwei Stunden. Ich servierte, ertrug es, mich dumm anbaggern zu lassen und behielt mein dämliches Lächeln bei. Alles nur, um diesen Job nicht zu verlieren. Zum ersten Mal fragte ich mich, ob es das wert war. Wenn ich mich dafür vor reichen Kids erniedrigen musste. Die altbekannte Wut drückte sich durch mein falsches Lächeln. "Bleib' doch ein bisschen hier, my little flower." Meine Mundwinkel begannen zu zucken. "Sorry, aber das geht nicht." "Oh no", wedelte Mister Wichtigtuer mit dem Finger, "das ist der Platin Bereich. Es werden alle wishes wahr." Er hielt mich am Handgelenk fest. Dieser… "Bedienung." Es war Kaiba. Ich ergriff die Chance und befreite mich. "Haben Sie nicht etwas vergessen?" "Äh-" "Was für ein Laden ist das, der mit so unfähigem Personal arbeitet?! Wenn Ihnen an dem Job etwas liegt, sollten Sie das ganz schnell wieder geradebiegen." Mit einem Nicken deutete er auf seinen Drink. "Verzeihen Sie", sagte ich und schnappte mir das Glas. Mir rutschte das Herz in die Hose. Warum hatte er das gesagt? Hatte er überhaupt eine Ahnung, was er damit anrichten konnte?! Wenn mein Boss davon Wind bekam, war ich für die längste Zeit Aushilfskellnerin gewesen. Ich stolperte aus dem Raum, fragte mich, was Kaibas Problem war? Warum er einen auf mies gelaunten Geldsack machen musste? Etwa weil er noch wütend wegen heute Morgen war? Oder doch wegen seiner Begleiter, die mir viel zu nahe kamen und meinten, sie könnten mich wie ihr süßes kleines Schoßhündchen behandeln. Sollte er doch denen mal die Meinung geigen! Was waren das überhaupt für Typen? Kaiba konnte mir nicht weismachen, dass er mit Freunden einen Trinken gegangen war. Kaiba hatte keine Freunde. Selbst wenn, wären das sicher nicht solche Einfaltspinsel wie diese drei Lackaffen. Zurück an den Tresen, kippte ich Kaibas Drink in die Spüle. "Dieser reiche Pinkel! Glaubt, er kann sich alles erlauben!" Ich fluchte vor mich hin und kümmerte mich selbst um die Getränke. "Ärger mit unseren Gästen?" Suzuki-senpai klang besorgt. Sie wusste, was hinter verschlossenen Türen abgehen konnte. Wer sich kein dickes Fell anlegte, der konnte hier nicht lange überleben. "Alles gut", grummelte ich. Dabei knöpfte ich meine schwarze Bluse noch etwas mehr auf. Kaiba hatte meine Stelle gefährdet, hatte mich in aller Runde für unfähig erklärt. Ich musste jetzt die anderen vom Gegenteil überzeugen. Normalerweise biederte ich mich nicht so an, aber ich war wütend und ein klein wenig verzweifelt. Immerhin war mein Gast Seto Kaiba und wenn er etwas zerstören wollte, dann tat er das auch. Also spielte ich dieses widerliche Spiel. Gab mein bestes, um die Jungs zufrieden zu stellen, egal wie sehr mir das gegen den Strich ging. Die Kerle waren angetan, es regnete saftiges Trinkgeld. Nur einer starrte voller Hass zu mir herüber. "Geschafft!" Ich legte den Kopf auf den Tresen und hätte ihn dort am liebsten gleich liegen gelassen. Suzuki-senpai und ich klatschten uns ab, bevor ich mich aufrappelte und meine Sachen einsammelte. Jetzt nur noch ins Bett fallen. Das hatte ich mir verdient. Ich nahm den Hintereingang, der gleich zur Hauptstraße führte. Keine zwei Meter weiter, direkt an einem der Laternenmaste gelehnt, erwartete mich niemand geringeres als Seto Kaiba. So schnell würde ich wohl doch nicht in mein wohlverdientes Bettchen kommen. Kapitel 13: ------------ Ich stand die zwei Meter von ihm entfernt und erwiderte seinen Blick. Selbst im Dunkeln blitzten seine Augen gefährlich auf. Das Licht über seinem Kopf verstärkte die Dramatik nur noch mehr. So wie er sich den ganzen Abend über verhalten hatte, hatte ich keine Lust mit ihm zu reden oder mich von ihm weiter herumkommandieren zu lassen, weil ihm scheinbar einer abging, wenn ich mich scheiße fühlte. Nein, ich hatte jetzt keinen Bock auf Seto Kaiba und seine Tyranneien. Er schien begriffen zu haben, dass ich kein Beifuß gab, ihm nicht wie ein braves Hündchen hinterher hechelte. Darum stieß er sich vom Laternenmast ab und marschierte auf mich zu. "Einsteigen", zischte Kaiba. Er hatte unter meinen Arm gegriffen, zog mich zu sich heran. "Und mein Fahrrad?" Mehr schaffte ich nicht zu sagen. Seine Nähe, der Blick, seine ganze Haltung - irgendwas war anders und ich schob meinen Ärger fürs erste beiseite. "Dein Fahrrad ist mir scheißegal", fluchte Kaiba und zerrte mich Richtung Gehsteig, wo seine Limousine bereitstand. "Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen!?" "Vorsicht, Jonouchi", er schubste mich regelrecht in den Wagen, "du solltest jetzt lieber ganz still sein." "Wenn es um vorhin ging: das ist mein Job, okay? Außerdem waren-" "Denkst du, das interessiert mich?!" Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Kein wirklich beruhigendes Lächeln. "Du lernst einfach nicht dazu, was, Jonouchi?" Er klopfte einmal hart auf die dunkle Scheibe. Der Fahrer fuhr das Plexiglas herunter und Kaiba blaffte seinen Chauffeur an, dass er unverzüglich anhalten sollte. Ich sah aus dem Fenster. Wir waren noch nicht einmal aus dem Viertel raus. Vielleicht wollte mich Kaiba aus dem Wagen schmeißen. Mir würde das nichts ausmachen. Zu Fuß könnte ich zurück zum Club laufen, mir mein Fahrrad schnappen und nach Hause fahren. Mein Vater war mittwochs eh nie zu Hause und selbst wenn, machte es keinen Unterschied. Seit Seto Kaibas Männer meinem Alten einen Besuch abgestattet hatten, hatte dieser mir nicht einmal mehr ins Gesicht sehen können. War schon eine schräge Situation gewesen, als ich wegen meines Mitarbeiterausweises doch in meine Wohnung zurückkehren musste und mein Alter sich die meiste Zeit auf dem Klo verschanzt hatte. Was in unserer Bude auch passiert war (Gewalt konnte es nicht sein, denn dafür sah der Mann nicht genug demoliert aus), es hatte etwas mit ihm gemacht. Ob auf Dauer - das würde sich noch zeigen. Also, warum nicht einfach zurück nach Hause radeln. Wer sagte, dass ich Kaibas Befehlen hörig sein musste? Ich war immer noch ein freier Mensch und konnte tun und lassen, was ich wollte… "Aussteigen", sagte der Braunhaarige. Ich stieg also aus. Zu meiner Überraschung machte es mir Kaiba nach. "Was wollen wir hier?" Ich kapierte nicht, was in seinem Kopf vorging. "Du hast heute eine Grenze überschritten…", Kaiba stockte. "Scheinbar kann man es dir nur auf diese Weise beibringen." Er hielt mich am Handgelenk fest und steuerte das Motel auf der anderen Straßenseite an. In mir flackerten viele kleine Fragezeichen auf, hauptsächlich wegen Seto Kaibas unberechenbarer Art. Das passte einfach nicht zu diesem selbstverliebten Perfektionisten. Ohne die Rezeptionistin zu grüßen, verlangte er nach einem Zimmer. Wie ein verängstigtes Reh übergab sie ihm dem Schlüssel, Kaiba knallte das Geld auf den Tisch, schnappte sich den Schlüssel und zog mich weiter durch den Flur. Ich fragte mich, wie wir zwei für sie ausgesehen hatten. Kaiba ging dermaßen ruppig mit mir um und ich schnauzte ihn von der Seite wie ein Straßenschläger an - wie ein schräges Pärchen mit Vorliebe für Versöhnungsex. Vielleicht dachte sie aber auch, dass unser Verhalten eine Art Rollenspiel war. Meine schwarze Bluse aus dem mein halber Ausschnitt guckte und dazu Kaibas Anzug ala Geschäftsmann - wenn das nicht nach >Chef vögelt Sekretärin< schrie. Rein da!" Kaiba streckte seinen Arm aus und zeigte in das schäbige Zimmer. Was für einen Einfall hatte er jetzt schon wieder?! Erst einmal schlug er die Tür zu. Ich suchte mir eine gute Position und stemmte die Hände in die Hüften. "Wird das hier irgendso 'ne kranke Sexnummer?!", fragte ich. "Du hast nicht das Recht, mich auch nur irgendwas zu fragen!" Er kam einen Schritt auf mich zu. "Du glaubst doch nicht, dass ich dir das durchgehen lasse?!" "Wenn du-" Aber er ließ mich nicht ausreden. "Niemand", seine Stimme brodelte, "hörst du! Niemand dringt ungestraft in meine Privatsphäre ein! Auch nicht so ein dummer Köter wie du." "Ich", endlich machte es bei mir Klick. Plötzlich ergab sein ganzes Verhalten einen Sinn. "Wage es nicht, mich anzulügen, Jonouchi. Ich weiß, dass du in meinem Zimmer herum geschnüffelt hast." "Es stimmt, ich war in deinem Zimmer", gestand ich kleinlaut. "Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist, und es tut mir auch wirklich leid. Aber ich schwöre, ich habe nirgendwo rein gesehen. Ich war nur kurz drin und-" "Und das soll ich dir glauben?!" "Ehrlich, ich wollte deine Privatsphäre nicht verletzen." Kaiba glaubte mir nicht. Das konnte ich in seinem Gesicht ablesen. Gerade steckte darin so viel Wut und Hass. Ich fühlte mich elend. Dass Kaiba verletzt war, konnte ich verstehen, und es war sein gutes Recht, wütend und aufbrausend zu sein. "Es tut mir leid", wiederholte ich verzweifelt, damit er endlich aufhörte, mich mit diesen eiskalten Augen anzusehen. Ich wollte, dass er mir glaubte, dass er sich besser fühlte. "Ich habe nichts gesehen, wirklich." "Zieh' dich aus", sagte er bloß, und weil ich irgendetwas tun wollte, das ihm ein gutes Gefühl gab, zog ich mich ohne Diskussionen aus. Ich knöpfte die Bluse auf, streifte mir die schwarze Stoffhose ab und legte beides auf die Bettkante. Kaiba beobachtete mich stumm dabei, seine Laune hatte sich nicht gebessert. Auch nicht als ich vollkommen entblößt vor ihm stand. Der Hass wollte einfach nicht verschwinden, dass er sich tief in meine nackte Haut einbrannte. "Dreh' dich um und dann in die Hocke mit dir." Ich gehorchte. Auch wenn es mir schwer fiel, ruhig zu bleiben. Sein Tonfall war auf einmal so gefühllos, dass es mir eiskalt den Rücken runter lief. Es raschelte und klackte, während ich auf die graue Tapete starrte. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete, und langsam begann ich meine willenlose Bereitschaft zu bereuen. "Weißt du, was mit Hunden passiert, die unartig gewesen sind?" Kaiba hantierte an meinem Halsband. "Ich weiß nicht", antwortete ich, "Leckerli-Verbot?" Es war echt nicht meine Absicht, sarkastisch zu sein. Aber im Moment wäre wohl jede Antwort eine falsche. Zumindest, wenn ich Kaibas Tonfall richtig interpretierte. "Und wenn das Hündchen richtig unartig war?" Das Halsband lockerte sich. Zuerst dachte ich, er würde es abmachen. Es war ein unangenehmes Gefühl, wie daran gezogen und gezerrt wurde. Nicht, dass er mich würgte - das sah ich schon mal als Pluspunkt. An meinem Hals wurde es einfach nur unglaublich schwer, als hätte er mir Gewichte dran gepackt. "Ich verrate es dir, Jonouchi", antwortete Kaiba, weil ich nur den Kopf schüttelte. "Es wird ausgesetzt." Metall klirrte auf Metall, ich hörte, wie er an der Heizung fummelte und drehte meinen Kopf. Eine etwa ein Meter lange Kette verband mich mit dem Heizkörper. Die Kette endete an meinem Halsband, Kaiba hatte sie so präpariert, dass sie mit dem dort eingebauten Schloss verbunden war. "Was hast du vor?" Mit aufgerissenen Augen sah ich hoch zu Kaiba. Doch der hatte wieder mal auf stumm geschaltet. "Kaiba, was…du wirst doch jetzt nicht gehen…?!" Genau das tat er. Er drehte sich um, schritt zur Tür. "Du kannst nicht einfach…Kaiba! Lass' mich hier nicht allein…ich…" Gnadenlos wurde ich ignoriert. Neben der Tür betätigte er den Schalter und knipste das Licht aus. Wie auf Knopfdruck schnürte sich meine Kehle zu. Die Tür zugeschlagen, war auch der letzte Lichtstrahl erloschen. Kälte und Dunkelheit, wo ich auch hinsah. Die Vorhänge waren auch noch zugezogen, nicht einmal der Mond drang zu mir durch. Keuchend sackte ich zusammen, umfasste mit beiden Händen mein Gesicht, um wenigstens etwas außer dieser Kälte zu spüren. Das Gefühl, das es in mir auslöste, diese Erinnerungen, die plötzlich auf der Oberfläche aufgetaucht waren - sie kamen wie harte Schläge auf mich zu. Ich schloss die Augen. "I-ich bin dran", spricht da jemand mit meiner Stimme. Meine Hände bewegen sich. Ich zittere, kann kaum die Luft um mich herum aufnehmen. Brennend frisst sich die Leere in mein Innerstes. Ich schwitze, dabei ist mir so unfassbar kalt. "Ra ist nicht länger auf Mariks Feld." "Wenn sie Marik angreift, hat sie gewonnen!" "Jonouchi!" "Sie hat einen Gott besiegt?!" Diese Stimmen. Woher kenne ich sie? Mir wird der Boden unter den Füßen entrissen. Dunkelheit breitet sich aus. Ich falle, kann mich nicht dagegen wehren. Schmerzen existieren nicht länger. Genauso wie alles andere. Nur die Schatten, die bleiben. Tiefer und tiefer ziehen mich die Schatten in die Finsternis. Sie tragen Ketten, schwere, kalte Ketten, die sich um meine Hand- und Fußgelenke wickeln. Sich dagegen zu wehren, ist sinnlos. Ich kann mich nicht bewegen. Mein Körper löst sich auf, hört einfach auf zu existieren, bis nur noch die Seele übrig bleibt. Auch sie wird von den Ketten hinunter gerissen. Alle Gefühle wurden mir genommen - außer eines: Angst. Je mehr sich die Schatten ausbreiten, umso stärker wird sie. Sie beherrscht meinen Geist, lässt mich in Einsamkeit ertrinken. Es gibt kein Entkommen vor ihr. Sie wird mich so lange beherrschen, bis auch ich aufhören würde zu existieren… Erst als das schwache Licht durch den winzigen Spalt der Tür durchkam, kehrte ich in die Realität zurück. Da stand Kaiba am Türrahmen. Er ließ noch mehr Licht in das Zimmer. Seine Augen sahen jetzt zu mir, dem geschrumpften Klumpen Fleisch, zu dem ich geworden war. "Du-" Meine Lippen bebten. Ich biss mir auf die Unterlippe, aber die Tränen hatten sich bereits einen Weg aus meinen Augen gebahnt. "Du hast mich hier einfach sitzen lassen!", schrie und heulte ich, ohne einmal Luft zu holen. "Du hast keine Ahnung…ich… ich dachte, du kommst nicht mehr zurück." Durch den Schleier meiner Tränen sah ich Kaibas Gesicht. Da war kein Hass mehr, keine Wut. Zum ersten Mal sah ich etwas Neues - Unsicherheit. Er starrte auf mein Gesicht, auf die verquollenen Augen, die verrotzte Nase, und er verstand nicht, was ich da tat, noch warum ich es tat. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich vor jemandem mal so geheult hatte. Dass es dann ausgerechnet vor Seto Kaibas sein musste… "Tu das nie wieder!" Ich wischte mir über die Augen wie ein kleines Kind, das vor der Dunkelheit Angst hatte. Aber genau das war ich in dem Moment. Dieses Erlebnis hatte die traumatischste Erinnerung meines Lebens wach gerufen. Niemand hätte ahnen können, dass mich die Vergangenheit einholen könnte. Schon gar nicht Kaiba. Der Braunhaarige kam langsam auf mich zu. Bleich war er geworden, aber vielleicht lag das auch nur an der miserablen Beleuchtung. Er bückte sich zu mir herunter. In seinem Blick sah ich das schlechte Gewissen. Dass Kaiba überhaupt so etwas hatte… Seine Hand streifte mein Gesicht. Mit dem Daumen wischte er mir die Tränen von der Wange. "Nicht weinen", sagte er. So unbeholfen hatte ich Kaiba noch nie erlebt. Aber er schaffte es, mich zu beruhigen, obwohl keiner von uns beiden zu wissen schien, wie er das angestellt hatte. Ich hörte auf zu weinen, schniefte und atmete tief durch. Während ich mir die Nase mit dem Unterarm abwischte, schnallte mir Kaiba die Kette ab. "Leg' dich schnell ins Bett", er redete ruhig und zeigte aufs Bett. Die Decke hatte er zusammengeschlagen, dass ich mich nur noch reinlegen musste. Vorsichtig kroch ich hinein. Das Bett knarrte bei jeder Bewegung. Sobald ich den Kopf aufs Kissen gelegt hatte, deckte mich Kaiba zu. Ganz fest lag der Stoff an meinem Körper, dass ich mich kaum noch bewegen konnte. Mich störte es nicht. Im Gegenteil; es erinnerte mich an früher. So hatte mich meine Mutter immer zugedeckt, wenn es Winter war und die Heizungen ausgefallen waren. Wie lange das wohl her war? Als nächstes lief Kaiba auf das Fenster zu. Einmal die Vorhänge aufgezogen, riss er das Fenster bis zum Anschlag auf. Die frische Luft tat gut. "Besser?", fragte Kaiba und setzte sich neben mich aufs Bett. "Ja." Ich nickte, richtete mich ebenfalls auf und drückte meinem Gesicht ein gequältes Lächeln auf. "Ich bin ein großer Schisser, das ist alles." "Lass gut sein. Ich erkenne ein traumatisiertes Gesicht. Wir müssen jetzt nicht auf heile Welt machen." "Sagt der Kerl, der bis zum Schluss seine fünftausend Jahre alte Vergangenheit geleugnet hat." "Wenn irgend so eine Ägypten-Tante bei dir anruft und behauptet, du wärst in deinem ersten Leben ein Hexenmeister gewesen, dann glaubst DU das ja auch sofort, Jonouchi. Kein Wunder, dass ständig die Welt vor dem Abgrund stand." Er verdrehte die Augen. Er. Seto Kaiba. Fast hätte ich vor Lachen los geprustet; wenn die Situation nicht schon makaber genug gewesen wäre. So absurd es klang, aber Kaiba hatte es geschafft, meine finsteren Gedanken zu vertreiben. Zugegeben, er war nicht ganz unschuldig an meinen Flashback gewesen. Das war aber inzwischen zweitrangig geworden. Laut gähnte ich in meine offene Handfläche. "Darf ich etwas die Augen zumachen", murmelte ich und war bereits am Wegnicken. "Ja", antwortete Kaiba. Mir fielen sofort die Augen zu. "Und", nuschelte ich, "darf ich meinen Kopf noch ein wenig auf deinen Schoß legen? Solange, bis ich nicht mehr so friere?" Seine Antwort kam verzögert: "Aber nur, weil du so süß gefragt hast. Gewöhn dich nicht dran." "Du hast mich süß genannt", schmatzte ich zufrieden und ließ meinen Kopf auf seinen Schoß fallen. "Gute Nacht, Kaiba-dono." "Gute Nacht, mein verletzliches Hündchen." Kapitel 14: ------------ Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der beim Schlafen unentspannt war…bis ich neben Seto Kaiba aufwachte - oder besser gesagt, halb auf ihm liegend zu ihm rauf starrte. Der Braunhaarige hatte die Augen geschlossen. Das war aber auch schon alles, was an Schlafen erinnerte. Sein ganzer Körper war steif, und es juckte mich in den Fingern, ihn probehalber an zu tippen. Gerade noch rechtzeitig meldete sich mein Gehirn, das mir im Halbschlaf eine Ohrfeige verpasste, und ich meinen ausgestreckten Arm wieder sinken ließ. Schon witzig, dass ich die erste zu sein schien, die wach war. Es war bereits hell, die Sonnenstrahlen knallten direkt auf das Bett. Jetzt wusste ich auch, wer mich geweckt hatte. Langsam richtete ich mich auf. Ich gab mir richtig Mühe, keinen Krach zu machen, damit ich Kaiba nicht weckte. Der Kerl sah mir aus, als hätte er es mal nötig, richtig auszuschlafen. Vorsichtig rollte ich mich vom Bett, hätte mich fast mit der Decke verknotet und landete im Purzelbaum auf dem miefigen Teppichboden. Gerade nochmal gut gegangen! Ich krabbelte auf die Badtür zu. Nach dieser Nacht hatte ich eine Dusche bitter nötig. Also stellte ich mich in die Mitte des Badezimmers und zog den Duschvorhang um mich herum zu. Mit voller Wucht prallten die Wasserstrahlen auf meine Haut, vertrieben den kalten Schweiß und wischten meine getrockneten Tränen aus dem Gesicht. Viel war von dem gestrigen Horrortripp nicht mehr hängen geblieben. Ich fühlte mich, als hätte ich mir gestern Abend die Seele aus dem Leib gesoffen. Ein Schutzmechanismus meines Körpers. Ich hatte gelernt, mit den Ereignissen von damals zu leben, in dem ich sie einfach verdrängte. Die ganze Sache mit dem Reich der Schatten hatte bleibende Spuren hinterlassen. Yugi und die anderen wussten nichts davon. Ich hatte ihnen von meinem Traum erzählt, in dem ich mich von Duell zu Duell kämpfen musste. Alles vor diesem Traum hatte ich verschwiegen. Die einzige, mit der ich darüber reden konnte, war Mai. Sie hatte ähnliches durchgemacht, wenn nicht sogar Schlimmeres. Bei ihr fiel es mir leichter, mich zu öffnen. Damals hatte es gut getan, sich das Ganze von der Seele zu reden. Mai und ich hatten viel geredet und geweint - hauptsächlich geweint. Nachdem Zorc besiegt und das Reich der Schatten vertrieben worden war, hörte ich auf, mir weiter Gedanken darüber zu machen. Ich sah hoch zu dem Duschkopf. Die Wassertropfen schlugen mir ins Gesicht und ich schloss die Augen. Noch so eine Nacht brauchte ich echt nicht. Kaiba schien das auch kapiert zu haben. Allmählich fühlte ich mich wohl in meiner Haut. Ich drehte den Hahn zu, zog den Vorhang auf und schnappte mir ein ausgewaschenes Handtuch. Damit rubbelte ich mir zunächst die Haare trocken, bevor ich es mir um den Körper wickelte, die Badtür aufriss und direkt auf Seto Kaiba starrte, der auf der Bettkante saß und mich fixierte. Dass ich ihn mit meiner Duschaktion geweckt haben musste, hätte mir schon früher klar werden müssen. Seine Augen wanderten von meinem Gesicht, hinunter zu dem Handtuch, das mir gerade mal so über den Hintern ging und auch meine Brüste nicht sonderlich gut versteckte. In dieser Aufmachung fühlte ich mich um ein zehnfaches verletzlicher, als wenn ich ihm nackt gegenüberstand. Gerade gefiel es mir gut. Ich war zwar angreifbar, aber Kaiba schien zu gefallen, was er sah, darum dachte ich nicht weiter darüber nach. Mir stieg die Hitze ins Gesicht, je länger er mich einfach nur ansah, nichts sagte und nichts tat. Weshalb auch ich es war, die sich auf die Unterlippe biss und ganz langsam auf die Knie ging. Kaiba ließ mich keinen Moment aus den Augen. Auf allen Vieren pirschte ich mich an ihn heran, hielt vor Kaibas Füßen an und legte meine Hände auf seine Knie. Ich schaute zu ihm hinauf. Versuchte aus seinem Gesicht irgendeine Reaktion zu lesen, irgendetwas, das mich daran hindern könnte, weiterzumachen. Seinen ruhigen Blick deutete ich mal als ein >ja<, dass ich meine Hände weiter über den Stoff seiner Hose wandern ließ. Ich streifte seinen Schritt, fühlte, wie hart er bereits war und lächelte. Dann machte ich mich an seinem Gürtel zu schaffen, öffnete die Hose und befreite seinen Schwanz aus diesem engen Stoff. Den Bund der Boxershorts zwischen den Fingern zog ich diese ein gutes Stück nach unten. Schon der Anblick ließ meine innere Mitte in freudiger Erwartung zusammenzucken. Meine Hände arbeiteten sich weiter nach unten, legten sich schließlich um seinen Schaft, umschlossen ihn, dass ich spürte, wie er weiter anschwoll, sich genauso sehr danach verzerrte wie ich. Unruhig rutschte ich auf meinen Knien, presste die Schenkel zusammen, während meine Hand sich zu bewegen begann, ganz sanft, als wüsste ich nicht, was meine Bewegungen mit ihm anstellten. Natürlich wusste ich, was ich tat - wir beide wussten es. Gespannt sah ich zu Kaiba hinauf. Der sah mich nur an, mit diesem dunklen, überlegenen Blick, der mich noch mehr anmachte, dass ich meine Lippen einen kleinen Spalt öffnete. Mein heißer Atem berührte seine empfindliche Haut. Meine Zunge tastete sich nach vorne, erkundete und schmeckte ihn. Es war unglaublich. Wie sich mit jedem weiteren Schritt, den ich tat, Kaiba ein bisschen mehr entspannte, gab mir ein unglaubliches Gefühl der Bestätigung. Ich genoss es, wie ich ihn erregte, dass ich meine Lippen um ihn schloss, ihn in mir aufnahm und mich von den flachen Atemzügen über mir leiten ließ. Schließlich packte mich eine Hand am Nacken. Er kraulte zunächst mein Halsband, bevor er sich meine Haare griff und kräftig zupackte. Meine Kopfhaut begann zu prickeln. Seine groben Handgriffe lenkten mich, dass ich seinen Schwanz noch tiefer in mich aufnahm. Kaiba gab den Rhythmus an, ich war sein Instrument, an dem er sich ergötzte. Ich wusste nicht, warum es mich so erregte, von Kaiba benutzt zu werden. Kein anderer war in der Lage, mich auf diese Weise zu berühren, mich zu lenken und mit mir zu spielen, dass ich wie süchtig nach ihm war, gar nicht genug von ihm bekommen konnte, obwohl ich ihn eigentlich aus tiefster Seele hassen sollte. Meine Körpersprache war eindeutig. Ich war so feucht, dass ich glaubte, in der nächsten Sekunde zu explodieren. Halb die Augen geschlossen, fuhr ich meinen Mund rauf und runter, presste die Lippen ein wenig zusammen. Kaiba zog scharf die Luft ein, zerrte an meinen Haaren, die wie ein Büschel in seinen Händen lagen, und stieß erbarmungslos zu. Als dann noch meine Finger ins Spiel kamen, seinen Hoden zu massieren begannen, stieß er ein tiefes Knurren aus. Kaiba steigerte das Tempo. Ich ließ mich führen, genoss einfach nur seine Erregung. In einer einzigen Bewegung hielt er inne. Sein Schwanz zuckte, während er sich in meinem Mund ergoss. Erschrocken - weil ich dabei immer erschrak, ich wusste selbst nicht warum - schluckte ich sein weißes Gold hinunter. Ich riss die Augen auf, zog mich aus ihm zurück und stützte mich an seinem Oberschenkel ab. "Ratte, Drache, Hahn, Schwein…" "Was tust du da, Jonouchi? Willst du einen Geist beschwören?" "Was?! Äh…nein. Ist 'n Mantra, damit ich nicht ausversehen, naja…du weißt schon. Könnte sonst etwas peinlich werden." "Noch peinlicher als das?!" "Ich bin halt sensibel." "Schon klar", sagte Kaiba und hatte ein breites Grinsen aufgesetzt. "Vielleicht sollten wir das jeden Morgen machen." "Jeden Morgen?!" Ich sah ihn an. Eigentlich wollte ich empört aussehen, aber ich war noch so erregt, dass mein Körper mir nicht gehorchen wollte. "Hm", kam es aus meinem Mund, dass ich mich hätte klatschen können. Mit diesem selbstgefälligen Lächeln zog er sich Boxershorts und Hose hoch. Als letztes zog er den Gürtel straff. Sein Blick ruhte auf mir. Dann fasste er mir unters Kinn, dirigierte mich auf meine Füße. "Wirst du dann jeden Morgen so scharf auf mich sein?" Seine Stimme war wie die einer Klapperschlange. Meine Beine begannen zu zittern, als er mich auch schon an sich zog, einen stürmischen Kuss auf meine Lippen presste und mich zurück in diesen berauschenden Zustand versetzte, bevor ich auch nur einen Ton herausbringen konnte. Mit den Händen wanderte er zu meinen Hüften. Er entriss mir das Handtuch und warf es irgendwo nach hinten. Es genügte nicht viel, da hatte er mich herumgewirbelt und aufs Bett verfrachtet. Überrascht riss ich die Augen auf. Seine Lippen lösten sich von mir. Aber nur, um die Stelle unterhalb meines Halsbandes zu küssen. Weiter ging es über mein Schlüsselbein, er küsste meine Brüste, ließ die Zunge über meine Brustwarze kreisen, um dann Taille abwärts meinen Bauchnabel zu streifen, den Venushügel zu ergründen und schließlich... "Hm", stieß ich mit zusammengepressten Lippen hervor, als Kaiba meine Beine spreizte, die Füße auf seine Schultern platzierte und seinen Kopf zwischen meine Schenkel vergrub. Die erste Berührung, als sein Mund über meine empfindlichste Mitte fuhr, war intensiver als ich erwartet hatte. Ich hob meinen Kopf, um ihn wie einen Stein zurück aufs Kissen fallen zu lassen, mein Gesicht darin zu vergraben und in den Bezug hinein zu stöhnen. Kaibas Zunge war genau dort, wo sie mich rücksichtslos um den Verstand brachte. Dieser Teufel hatte es mal wieder geschafft. Er hatte Besitz von mir ergriffen und ich hatte ihn mit offenen Armen empfangen. Von allein bewegte sich mein Körper in Richtung seiner Lippen. Meine Hüften bäumten sich für ihn auf, ich keuchte und wünschte, diesen Augenblick ewig festhalten zu können. Diesen Moment, wenn man kurz vor seinem Orgasmus stand. Dieses Gefühl, wenn man von ihm beherrscht wurde. Kaiba wusste diesen Moment auszureizen, und ich hasste und liebte es im selben Maße. "Oh Gott", stöhnte ich, als er einen Finger in mich eintauchte, dabei nicht aufhörte seine Zunge über meinen Klitoris wandern zu lassen, mich immer weiter zu reizen, dass ich sämtliche Kontrolle verlor, mich in einem einzigen befreienden Schrei meinem Orgasmus ergab. Die Welle peitschte unbarmherzig ein. Kaiba hörte nicht auf, seine Finger in mich zu versenken. Mein Körper war sein willenloser Sklave geworden. Die Welle war noch nicht einmal an mir vorüber gezogen, als Kaiba auch schon auf die nächste zusteuerte. Ich spürte, was mich mein erster Orgasmus an Kraft gekostet hatte, doch das waren Kaiba und meinem Körper egal. Immer weiter reizte er mich aus, rieb an meine zarte Knospe, packte mit der freien Hand meinen Hintern. Er zwang mich dazu, mich mit ihm zu bewegen, die Bewegungen seiner Finger zu spüren, das Geschick seiner Lippen, seine rücksichtslose Zunge. Wie eine Sturzflut kam mir die zweite Welle entgegen. Ich schrie meinen Orgasmus mit aller Kraft heraus, sackte zurück auf das Kissen, nass von Schweiß und feucht vor Befriedigung. Endlich stellte Kaiba meine Beine zurück auf die Matratze. Er sah hoch zu mir. Ich konnte mir ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. "Habe ich deinen Hunger gestillt?", fragte mich Kaiba. "Hmmm", ich nickte und schloss die Augen. Regel Nummer zehn: Ein zufriedener Herr ist ein großzügiger Herr. Kapitel 15: ------------ Zufrieden streckte ich alle Viere von mich. Das war doch mal kein so schlechter Start in den Tag! Obwohl ich bezweifelte, dass Kaiba und ich auf diesem Level weitermachen konnten. Scheinbar hatten wir ein Talent, alle guten Ansätze sofort wieder zu zerstören. Wie zwei Elefanten im Porzellanladen. Fürs erste genügte mir dieser kurze Moment, in dem wir mal nicht einander an die Gurgel gehen wollten oder sonstige Gemeinheiten ausgeheckt wurden. "Bekomme ich das dann auch jeden Morgen?", fragte ich noch ganz benebelt. "Nur, wenn du brav bist." "Hm, da würde es sich doch glatt lohnen." "Als ob du solange durchhalten könntest." "Hey", murrte ich. Vor allem weil er recht hatte. Meine Klappe war einfach schneller als mein Hirn. Nur musste mir das Seto Kaiba nicht noch unter die Nase reiben. Denn wenn es etwas gab, das ich besser beherrschte als impulsiv zu sein, dann war es meine Sturheit. "Hier", sagte Kaiba, und bevor ich mich versah, hatte er mir meine Sachen ins Gesicht geschmissen. "Danke", grummelte ich und setzte mich auf. Bye bye, guter Morgen und willkommen, du nervige Realität. Nicht einmal kurz durchatmen konnte man hier. Aber was hatte ich auch erwartet. Skeptisch begutachtete ich die Klamotten, die Kaiba mir scheinbar aus dem Gästezimmer geholt hatte. Der Kerl war also in der Villa gewesen - und in meinem Zimmer…naja, eigentlich war es immer noch Kaibas Anwesen, also im Grunde konnte er tun und lassen, was er wollte, und nachdem ich in seinem Zimmer herum geschnüffelt hatte, wäre ich die Letzte, die jetzt einen dummen Spruch raushauen würde. "Ähm, das ist eigentlich mein Schlafshirt." Ich hielt das weiße T-Shirt vor meinem Gesicht. Kaiba zuckte bloß mit den Schultern. "Das war noch das Vernünftigste. Dein Geschmack lässt ziemlich zu wünschen übrig, Jonouchi." "Hallo?!" Trotzig zog ich mir das Shirt über den Kopf. "Das sind ganz normale Klamotten, klar?! Ich steh' halt nicht auf diesen ganzen Prinzessinnenkram." "Schade eigentlich. Bei unserem Abendessen sahst du zum Anbeißen aus." "Pft." Ich drehte mich weg. Kaiba sollte nicht sehen, wie rot mein Gesicht geworden war. Alles nur, weil dem arroganten Fatzke ein Kompliment herausgerutscht war. Reiß' dich mal am Riemen, Kazuha! "Gewöhn dich besser nicht daran", entgegnete ich abschließend und zog mich weiter an. "Jonouchi, mir bleibt noch genug Zeit, dich in jedes Kleid zu zwängen, das ich möchte." Natürlich musste Kaiba das letzte Wort haben! Ich stöhnte leise vor mich hin. Warum musste er auch unsere Wette ins Spiel bringen?! Sobald ich wieder daran erinnert wurde, bekam unser morgendliches Stelldichein einen bitteren Beigeschmack. Wenn ich mich Kaiba hingeben wollte, dann nicht, weil es als Hündchen meine Pflicht war, seinen >Herren< zufrieden zu stellen. Wenn ich mit ihm Sex hatte, dann weil ich es wollte. Ich wollte ihm einen blasen und mich dabei gut fühlen. Jetzt fühlte ich mich schäbig und hätte es ihm gerne an den Kopf geknallt. Ich wusste aber, dass Kaiba es nicht verstehen würde. "Sag' mal", sagte ich stattdessen und zog mir die Jeans hoch, "diese Typen von gestern. Hängst du öfter mit denen rum?" "Das geht dich eigentlich nichts an, Jonouchi." "Das war kein nein", grinste ich ihn schief an, "ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das deine Freunde sein sollen." "Freunde? Da kann ich mich ja gleich mit einer Horde Affen abgeben." Diese Affennummer ist wohl sein Ding, dachte ich und verdrehte die Augen. "Diese unreifen Flachpfeifen", sagte Kaiba und verschränkte die Arme vor der Brust, "das waren die Söhne meiner Geschäftspartner, bei denen die Verhandlungen gerade etwas ins Stocken geraten sind." "Und darum gibst du dich mit denen ab." "Wie du gesehen hast, sind diese Typen ziemlich unbedarft….das heißt, sie sind dumm und leicht zu manipulieren. Ich habe sie gestern Abend in den Night Club eingeladen, weil der Platin Bereich für seine >Ausgelassenheit< bekannt ist und ich mir ein paar Skandale gewünscht habe, mit denen ich die Herren Väter in der Hand habe." Ja, so eine Aktion passte zu Seto Kaiba. Er klang nicht einmal so, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Ein eiskalter Taktiker - nicht nur in DuelMonsters. "Der junge Mann mit den roten Haaren-", fuhr er fort. "Du meinst den, der diese widerlichen Kippen geraucht hat?" Den Geruch würde ich nie vergessen. Ich hatte ja nichts gegen ein bisschen Zigarettenrauch, aber der hatte so abartig nach Benzinkanister gestunken, dass es mich jetzt noch schüttelte. "Was ist mit dem Typen?", fragte ich und verzog das Gesicht. "Das ist einer meiner Mitarbeiter. Er war den ganzen Abend mit einer Wanze und einer Minikamera ausgestattet und hatte das dumme Gequatsche dieser Trottel aufgezeichnet. Diese Schwachköpfe wissen einfach nicht, wann sie ihren Mund zu halten haben." Er schüttelte den Kopf, lächelte siegessicher. "Es war auf jeden Fall ein aufschlussreicher Abend." "Du liebst es, anderen überlegen zu sein, oder?" "Nein. Ich stelle bloß jedes Mal fest, wie dumm die meisten Menschen sind, und manchmal erheitert es mich." Kaibas Humor war definitiv speziell. Nicht gerade mein Kaliber. "Und du", ich hatte gar nicht bemerkt, wie er seinen Arm um mich gelegt hatte. Plötzlich hatte er mich zu sich herangezogen. Seine Hand hob mein Kinn an, dass er mich mit diesem provokanten Blick anlächelte, "von allen erheiterst du mich am meisten." "Hast du mich gerade >dumm< genannt?!" Ich hätte mir die Frage sparen können. Zu meiner Überraschung drückte mir Kaiba keines seiner dämlichen Sprüche auf. Das war schon mal ein Fortschritt, jetzt musste man ihm nur noch die Sache mit den Beleidigungen austreiben. Wer sagte denn, dass ein Hündchen nicht auch seinen Herren erziehen konnte? Kapitel 16: ------------ "Einmal den XXL Double Salted Caramel Frappiato mit extra Sahne, splitted Shocoships uuuuund den Minibrezeln…oh, und könnten Sie noch den Crunchy Nougat oben drauf packen?" "Kriegst du das alles runter, Kazuha!?" fragte Yugi etwas unsicher. Er betrachtete mit großen Augen, wie mein Kaffeebecher zu einem Miniatur-Himalaja heranwuchs. "Na klar", grinste ich und nahm den Becher, "so schmeckt's doch am besten." "Wenn du meinst", Yugi klang nicht überzeugt. Er lächelte etwas gequält und bestellte sich eine einfache Eisschokolade. Die Verkäuferin sah zu meinem besten Kumpel und strahlte. Mit einem Augenzwinkern überreichte sie dem König der Spiele seinen Becher. "Der geht aufs Haus", verkündete sie und winkte überschwänglich, bis wir hinter der Tür verschwunden waren. "Yugi", ich stupste meinen Kumpel von der Seite an, "die steht auf dich." Der Bunthaarige seufzte. "Das macht sie erst, seit ich das Battle-City-Turnier gewonnen habe." "Als Champion ist man halt beliebt." "Ich kann gerne darauf verzichten." "Ach, Yugilein", ich legte einen Arm um ihn, während ich genüsslich an meinem Strohhalm saugte, "wenigstens verwechseln dich die Leute nicht mit einem Mädchen." "Die Sache macht dir echt zu schaffen, was?" "Nur weil Kazuha auch ein Jungennamen sein kann, heißt das doch nicht automatisch, dass man ein Kerl ist! DuelMonsters ist doch kein Männersport." Ich schnappte mir eine Minibrezel und knabberte wie ein Eichhörnchen darauf herum. "Und überhaupt: dürfen Mädchen jetzt neuerdings nur noch brav und süß sein, ein Miniröckchen tragen und nichts tun…?" "Schade eigentlich. Bei unserem letzten Treffen sahst du zum Anbeißen aus." Ich biss in die Sahne und ließ die letzten Brezeln in meinem Mund verschwinden. "Nimm' dir das nicht so zu Herzen", versuchte Yugi mich aufzubauen, "du bist halt eben taffer als die meisten Mädchen. Und ich mag dich, wie du bist." "Das weiß ich doch", ich ließ den Kopf hängen, "es ist ja auch egal, was andere von mir denken. Ich wünsche mir halt nur, dass die Leute mich etwas ernster nehmen könnten." "Das kommt von alleine. Wirst sehen: in ein paar Jahren hat die Welt meinen Namen vergessen und du wirst die DuelMonsters Spitze anführen." "Ich werd's den anderen auf jeden Fall nicht leicht machen…danke Yugi." Ich lächelte ihn an. Wenn mich einer aufbauen konnte, dann mein bester Freund. Durch den Trubel unserer Heimatstadt gewuselt, ging es weiter durch die altbekannten Viertel. Vorbei am Comicbuchladen, der Videothek und dem DuelMonsters-Kartengeschäft. "Sag' mal", sagte Yugi und deutete auf die andere Straßenseite, "ist das nicht dein Bekannter aus der Mittelstufe?" "Ja", knurrte ich, "Hirutani." Auf den Proleten hatte ich jetzt überhaupt keinen Bock. "Lass' uns die Seitengasse nehmen, Yugi. Der Kerl macht bloß Ärger und mir ist gerade nicht danach." Yugi nickte. Ihm war es sicher nur recht. Ich zog den Kleineren mit mir, bevor uns der Hüne entdecken konnte. Der Umweg war mir gerade lieber, als meiner dunklen Vergangenheit gegenüberzutreten. Als wir weit genug weg waren, atmete ich erleichtert auf. Domino konnte manchmal ein Dorf sein. "Sieh' mal, Jonouchi." Yugi zeigte auf zwei Mittelschüler, die sich an Jojos ausprobierten. "Das war was, oder?" Ich grinste über beide Ohren. Mein altes Jojo müsste auch noch in einer meiner Schubladen sein. Einer der Jungs versuchte sich an einer speziellen Technik. Ich grinste schief, zeigte mit einem Nicken auf die beiden, dass Yugi verstand und lächelte. Lässig kam ich auf die Schüler zu. "Hey, Jungs, darf ich mal?" Die Hand ausgestreckt, sahen mich die zwei nur fragend an. "Keine Angst", mischte sich Yugi ein, "sie ist echt spitze darin." Einer gab sich einen Ruck und übergab mir sein Jojo. "Als erstes", sagte ich, "braucht ihr die Grundtechnik >sleeping<. Und dann", ich ließ das Jojo bis knapp über den Boden rollen. "Cool. Das Jojo bleibt ja wirklich unten!" "Zu guter Letzt muss ich es nur noch langsam auf den Boden bringen…genau so…und dann hab ich den >walk the dog<…" Hund?! Vor Schreck bewegte ich meinen Arm. Das Jojo sauste mir um die Ohren. Yugi wich noch im letzten Moment aus und hielt sich die Hände über den Kopf. "Sorry", ich gab das Jojo zurück, "ich bin nicht mehr in Topform." "Das war trotzdem der Wahnsinn", sagte der Junge. Leider besserte das meine Laune nicht. Dass ich auch nur noch das eine im Kopf haben musste! Wir liefen weiter, bis zum Domino Stadtpark, ließen uns auf der Wiese nieder, streckten die Beine aus und starrten so eine Weile in den Himmel. "Und? Bei dir alles klar, Yugi?" Ich schlürfte den letzten Rest Karamell vom Becherrand und drehte meinen Kopf zu dem Bunthaarigen. Yugi hatte aus seiner Tasche zwei altmodische Handheldkonsolen herausgeholt. "Ich meine", fügte ich vorsichtig hinzu, "da Anzu jetzt auch nicht mehr hier ist…das muss schwer für dich sein." Yugi hielt inne. Nachdem Atemu zurück ins Jenseits verschwunden war, hatte Yugi lange Zeit mit sich zu kämpfen gehabt. Und jetzt war auch noch das Mädchen fort, das er seit der Grundschule kannte, und in das er seit Ewigkeiten verliebt war. "Mir geht's gut", sagte Yugi und hielt mir eines der Geräte hin, "Anzu lebt ihren Traum - ich freue mich riesig für sie. Und drei Jahre sind keine lange Zeit." Drei Jahre. Bis dahin konnte viel passieren. In Yugis Augen sah ich, dass nicht nur ich diesen Gedanken hatte. "Wir sollten sie Ende des Jahres besuchen kommen", entschied ich spontan. "Wir sparen das Geld für den Flug und überraschen sie eine Woche vor Heiligabend!" Yugi riss die Augen auf. Das Glitzern kehrte zurück. "Das ist eine super Idee. Honda wird sicher auch mitmachen. Vielleicht-" Aufgeregt begann er bereits Pläne zu schmieden. Ich hörte ihm zu, froh, dass er für die nächsten Monate etwas hätte, das ihm Hoffnung gab. Zwar waren wir mit Anzu im ständigen Austausch (dank Honda hatten wir eine eigene private Website, in der wir Bilder, Videos und Audiodateien hochladen konnten, sogar eine Gruppenchat war möglich), aber es war nicht dasselbe als wenn wir alle zusammen im Big Burgers oder Zuhause in Yugis Zimmer abhingen. Mann, wie ich die Schulzeit bereits vermisste! Den Kopf auf die flauschige Wiese gelegt, sah ich mir Yugis Spiel genauer an. Ich drehte das Teil, das mich ein wenig an einen Game Boy erinnerte (und vermutlich auch so alt war). Yugi nahm das Kabel und steckte ein Ende in die jeweilige Öffnung. Dann erklärte er die Regeln - wir spielten Streetfighter auf Monsterbasis. Die Besonderheit an dem Spiel: die Monster schöpften ihren Vorteil aus der Natur. Jedes Monster hatte einen anderen Vorteil. Und wenn ich von Natur sprach, dann meinte ich nicht die Umgebung vom Spiel. Keine Ahnung, wie sie das hinkriegten, aber das Teil sammelte Informationen aus der wirklichen Welt. Wetter, Vegetation - das Ding wusste alles. "Na dann", ich suchte mir einen pixeligen Oger aus, Yugi nahm ein Monster, das wie eine Zipfelmütze mit Augen aussah. Diesen kleinen Wicht würde ich doch besiegen können! "Duell", sagte Yugi. Er drückte auf Start und das Spiel begann. Ich hatte einen enormen Vorteil. Mein Monster bekam zusätzliche Power von den Sonnenstrahlen, und die gab es hier draußen reichlich. "Nur noch ein bisschen", feuerte ich meinen Oger an. Yugis Lebensbalken sank immer weiter nach unten. Die Zipfelmütze hüpfte, duckte und rollte sich zusammen. Aber gegen meinen Stampfer hatte es keine Chance, bis… "Was?!", rief ich und sprang hoch. Ich sah in den Himmel. Das durfte nicht wahr sein! Eine einzige Wolke war am Himmel, und ausgerechnet die bewegte sich auf die Sonne zu. Die Strahlen wurden schwächer, genau wie mein Oger. Yugis Monster wurde größer, überragte sogar meinen Koloss. "Verdammt!", ich ließ mich zurück auf die Wiese fallen, "ich hab' momentan echt kein Glück im Spiel." Ich seufzte schwer. "Ich wusste nicht, dass du zurzeit spielst", Yugi hatte seinen Handheld beiseite gelegt. "Nimmst du etwa an den regionalen Meisterschaften teil?" "Das Turnier…? Ach nein, ich duelliere mich zurzeit nicht. Die regionalen Meisterschaften sind keine große Herausforderung mehr. Ich würde mich nur schlecht fühlen, wenn ich den Neulingen ihre Chancen verbauen würde…nein, ich mein' das eher ganz allgemein." Ich rollte mich auf die Seite, sah meinem Kumpel tief in die Augen. "Yugi, darf ich dich mal was fragen?" "Schieß los." "Ist es masochistisch zu sagen, dass man Zeit mit seinem Feind verbringen möchte?" Ich wusste auch nicht, warum ich gerade jetzt daran denken musste. Nach fünfzehn Tagen musste dieser Gedanke wohl einfach mal raus. "Hm", machte Yugi und schien über meine Frage nachzudenken, "irgendwie schon…denke ich…hm…ganz schön knifflig." Er stützte sich mit dem Arm ab, drückte die Faust in die Wange. "Selbst wenn er dein Feind ist, warum soll er denn nicht auch seine guten Seiten haben? Es muss doch nichts Falsches sein, diese Seiten kennenlernen zu wollen." "Vielleicht", murmelte ich. "Wir reden von Kaiba, oder?" Ich riss die Augen auf. "Wie kommst du denn da drauf?!" "Kazuha, ich weiß, dass du über dich sprichst. Und Kaiba ist nun einmal der einzige, von dem du dich ständig provozieren lässt. Ihr beide seid wie Hund und Katze." Wohl eher Hund und Herrchen, aber das band ich Yugi natürlich nicht unter die Nase. Das würde den Ärmsten nur viel zu sehr irritieren. Und es reichte, dass ich irritiert war. Ich nahm meinen Mut zusammen und begann, Yugi die ganze Story zu erzählen - natürlich die jugendfreie Version. Was die Einzelheiten betraf, wären wir wohl beide noch nicht dazu bereit gewesen... Kapitel 17: ------------ Tag siebzehn von dreißig. Ich war sowas von am Arsch… "Kaiba…Das wird er mir noch büßen", zischte ich, während ich seit einer gefühlten halben Stunde nichts anderes tat als diese beschissenen Nylonstrümpfe über meine Füße zu bekommen. Das hatte sich der reiche Geldsack mal wieder toll ausgedacht! Mich in komplizierte Klamotten zu stecken und dann auch noch einen auf Geheimniskrämer zu machen! Ich war für den Rest des Tages bedient. "Das kriegt doch kein normaler Mensch drüber!" Wie sollte ich denn dieses Stück >Etwas< (Stoff sind diese paar Fädchen sicher nicht) überziehen, ohne eine Laufmasche reinzubekommen?! Das war doch geistige Folter, was Kaiba da von mir verlangte. Mit zusammengebissenen Zähnen hob ich mein linkes Bein, streckte es bis zum Anschlag aus und… "Oh-o", ich kippte nach hinten, plumpste vom Bett und musste mir erst einmal den Pony zurecht rücken. Wenigstens hatte ich es geschafft, die Strümpfe über meine Beine zu kriegen. Ein kleiner Erfolg, der das eigentliche Übel dieses Abends nicht aufwiegen konnte. Als ich am Vormittag in mein Gästezimmer kam, fand ich auf dem Bett einen großen Karton, auf dem ein Zettel mit der Nachricht >anziehen - Isono holt dich um acht ab< lag. Ich dachte erst, Kaiba machte Witze. In dem Karton war ein komplettes Outfit. Abendkleid, Schuhe, Accessoires - Kaiba hatte an alles gedacht. Dass er mich noch einmal in so einem schicken Fummel sehen wollte, hatte er ja bereits deutlich gemacht. Aber was Isono damit zu tun hatte, und warum er mich >abholen< musste, kapierte ich nicht. Auch jetzt hatte ich noch keine Ahnung, was Kaiba geplant hatte. Am Frühstückstisch hatte er nichts erzählt und gestern Abend war auch noch nicht die Rede davon gewesen, dass er irgendetwas Besonderes mit mir vorhätte. Dann musste ich mich wohl oder übel überraschen lassen. Ich schlüpfte in das Kleid. Es war hauptsächlich schwarz mit einer dunkelroten Umrahmung. Es hatte zwei dünne Träger und einen runden Ausschnitt, nicht zu tief, genau richtig. Es war relativ schlicht gehalten. Unterhalb meiner Brust vermischte sich das Schwarz mit dem Rot. Das Kleid erinnerte mich an den schwarzen Rotaugendrachen. Der Gedanke an mein Monster ließ mich dann doch ein wenig schmunzeln. Es war nicht das schlechteste Outfit, das ich erwischen konnte. Die Absatzschuhe waren auch nicht so mörderisch hoch wie beim letzten Mal. Mit der Schminke, die ich mir noch selbst ins Gesicht wischen konnte, ohne dass ich wie ein Clown aussah, und der kleinen spitzen Haarspange, die ich mir ins Haar klipste, sah ich doch recht passabel aus. Ich hatte es nicht so gut wie Mai hinbekommen, aber für heute Abend musste es reichen. "Jonouchi-san." Isono stand vor meiner Tür, verbeugte sich und bedeutete mich, mit ihm zu kommen. Unsicher folgte ich ihm nach draußen. Isono öffnete die hintere Beifahrertür der Limousine. Was ging hier bloß vor?! Ich hatte gar kein gutes Gefühl, und meine schlechten Vorahnungen hatten sich bisher immer bewahrheitet. Aber ich hatte keine andere Wahl als einzusteigen. Alles war besser als mich stur in meinem Zimmer einzusperren. Zunächst fuhren wir Richtung Innenstadt. Als wir das Kaiba Building ansteuerten, wäre ich fast aus dem Wagen gesprungen. In letzter Sekunde hielt ich mich am Gurt fest und knirschte mit den Zähnen. Ich würde auf keinen Fall in seine Firma gehen und Modenschau für ihn laufen! Vorsichtig sah ich aus dem Fenster. Ich entdeckte Kaiba, der aus dem Firmengebäude marschierte. Er trug einen weißen Anzug und ich schluckte schwer, als er die Wagentür aufriss und sich neben mich setzte. Mit großen Augen sah ich zu ihm herüber, aber Kaiba interessierte sich nicht für mich. Er wirkte unglaublich gestresst. Die eine Hand fuhr über seine Haare, mit der anderen tippte er auf seinem Smartphone herum, während er Isono Anweisungen erteilte. Der Wagen startete und es ging weiter. "Sagst du mir irgendwann noch, was du vorhast?" Ich redete erst, als Kaiba sein Handy eingesteckt hatte. "Wir gehen essen", antwortete er und drehte sich zu mir um. Ein Kompliment hatte ich nicht gerade erwartet, aber irgendein paar lobende Worte wären doch wohl drin gewesen! "Ich habe heute Abend ein Geschäftsessen." "Alles klar…warte mal. Du hast was?!" "Yoshifudo-sama ist ein reicher und einflussreicher Mann. Für die Kaiba Corporation wäre er ein wichtiger Partner. Ich will unter allen Umständen ein Geschäft mit ihm machen." "Und da nimmst du ausgerechnet MICH mit!" Ich drückte mich an meinen Sitz. "Da kannst du mir auch gleich die Waffe an die Brust halten!" "Ich", Kaiba knirschte mit den Zähnen, "würde das nicht machen, wenn es eine andere Möglichkeit gäbe. Yoshifudo ist ein streng konservativer Geschäftsmann. Er legt viel Wert auf ein sauberes Image...und auf die Familie." "Sauberes Image", wiederholte ich. "Spar' dir deinen Kommentar, Jonouchi. Wir haben keine Zeit dafür." "Schön und gut. Ich versteh immer noch nicht, was das mit mir zu tun hat." "Ich habe nur eine Chance, mit ihm ins Geschäft zu kommen. Wenn ich ihm vormachen kann, dass mir diese Werte wichtig sind…aus dem Grund habe ich Yoshifudo gesagt, dass ich heute mit meiner…Verlobten aufkreuzen werde. Seine Frau wird ebenfalls da sein. Du brauchst dich nur mit ihr zu unterhalten und…" "Stopp! Du willst, dass ich deine Freundin spiele?!" "Meine Verlobte", korrigierte er mich, als ob es jetzt darauf ankommen würde. "Wie stellst du dir das vor!? Ich kann doch nicht-" "Doch, du kannst. Das ist der Deal." "Und warum erfahre ich erst jetzt davon?" "Weil es heute Morgen erst beschlossen wurde. Yoshifudo hatte kurzfristig Zeit, ich musste schnell handeln. Glaub' mir, ich hätte auch etwas mehr Vorbereitungszeit benötigen können." Ich schluckte die Informationen herunter - inklusive meinen Brechreiz, den ich nur gerade so in Schach halten konnte. "Weißt du, was du da von mir verlangst?!" Ich schüttelte den Kopf. "Für mich steht heute Abend mehr auf dem Spiel als für dich", entgegnete Kaiba und sah mich mit seinem eiskalten Businessblick an. "Ein Abendessen", er streckte den Zeigefinger aus, "du redest so wenig wie möglich. Du mischt dich nicht in die Geschäfte ein. Und drittens: spiel einmal das brave, unschuldige Mädchen." "Brav", murmelte ich, "schon klar. Und was ist hiermit?!" Ich berührte mein Halsband. "Das geht ja wohl kaum unter die Kategorie >konservativ<." Daraufhin ließ er seinen Zeigefinger rotieren. "Dreh' dich mal um", dirigierte mich Kaiba. Ich stieß einen leisen Pfiff aus und gehorchte. "Heute Abend mache ich es dir ab. Aber denk' ja nicht, dass du deswegen Freiheiten genießt. Ich tausche es lediglich gegen etwas…Passenderes aus." Nur kurz lag mein Hals frei, bis Kaiba mir ein schweres Collier anlegte. Hoffentlich erwartete er nicht, dass ich vor Freude zu quietschen begann. Ja, gut. Der Schmuck war echt eine Wucht. Rote und schwarze Steine, die sich wie ein Drachenschwanz um meinen Hals wickelten und spitz in Richtung Ausschnitt verliefen. Ich berührte die einzelnen Steine. Eigenartigerweise hatte ich mich in dem Halsband wohler gefühlt. Ich hatte nicht bemerkt, dass die Limousine auf einem Parkplatz gehalten hatte. Das Restaurant, auf das wir zusteuerten, kannte ich vom Hörensagen. Mai hatte ein- zweimal davon geschwärmt. Ein pik feines Lokal für die Reichsten der Reichen. Und ich mittendrin. Dass diese Aktion zum Scheitern verurteilt war, hätte auch Kaiba klar sein müssen. Aber der bot mir einfach seinen Arm an und ich blöde Kuh ließ mich auch noch auf dieses Spielchen ein. "Du siehst im Übrigen fabelhaft aus…Kazuha." "Danke... ähm Seto." Ich wurde knallrot im Gesicht. Seltsam genug, meinen Namen aus seinem Mund zu hören, aber dann noch Kaiba beim Vornamen zu nennen - hoffentlich rutschte mir nachher nichts Falsches heraus. "Seto Kaiba, wie schön, dass Sie es so schnell einrichten konnten", begrüßte uns Yoshifudo-sama. Er war ein Herr in den mittleren Jahren, mit Schnauzbart und klassischem schwarzen Anzug. Seine Frau stand neben ihm. Etwas moppelig, mit einem hübschen runden Gesicht. Sie lächelte mich an. "Und das muss Ihre bezaubernde Verlobte sein", damit wandte sich der Geschäftsmann an mich. Ich nickte und verbeugte mich leicht. "Jonouchi Kazuha, es ist mir eine große Ehre." "Jonouchi…der Name sagt mir etwas." "Nun", ich richtete mich auf, "das höre ich in letzter Zeit öfter." "Vielleicht habe ich ihn aus den Medien aufgeschnappt. Haben Sie einen Bruder, der fürs Fernsehen arbeitet?" "Nein, tut mir leid." "Seltsam… aber genug davon, setzen wir uns doch." Kaiba schob mir den Stuhl zurecht. Steif pflanzte ich mich auf meinen Platz, überlegte, was ich mit meinen Händen anstellen sollte. Auf den Schoß, vielleicht doch lieber auf den Tisch - oder wollte Kaiba, dass wir Händchen hielten? Das Ganze überforderte mich jetzt schon. Wäre die Bedienung nicht zu uns an den Tisch gekommen, ich glaubte, ich wäre zusammengebrochen. Die Bestellungen wurden aufgenommen und auf einmal war ich über den Besuch des Kellers nicht mehr so glücklich. Keine Ahnung, was die >Empfehlung des Hauses war<, aber es wurde einfach für mich mitbestellt. Getrunken wurde irgendein >Château-Schieß-mich-tot< und das einzige, was ich in dieser Unterhaltung verstand, war, ob ich denn lieber vor oder nach der Hauptspeise einen Kaffee wollte. Ganz nach Kaibas Wunsch verlor ich so wenig Worte wie möglich. Mir war das nur recht. In dieser Scharade fühlte ich mich alles andere als wohl. "Und Sie, Jonouchi-san?", fragte mich Yoshifudos Frau, "wie haben Sie Kaiba-sama kennengelernt?" "Wir kennen uns schon seit der Oberschule", antwortete ich. Wenigstens musste ich nicht lügen. Wenn ich so nahe wie möglich bei der Wahrheiten bliebe, würde ich wohl nicht auffliegen. "Also eine richtige Jugendliebe", schwärmte sie, "das ist so romantisch und heutzutage viel zu selten." "D-das stimmt", ich klemmte mir eine Strähne hinters Ohr, suchte den Blickkontakt zu Kaiba. Doch der war neben mir wie eine Eissäule. Auf seine Hilfe würde ich nicht bauen können. "...die erste große Liebe heiraten." Erst jetzt hörte ich ihr wieder richtig zu. Ich lächelte verlegen, weil ich hoffte, dass lächeln die Antwort auf alles war. Dann wurde der erste Gang serviert. Auf einmal machten Kaibas >Nachhilfestunden< in Sachen Besteckkultur einen Sinn - wenn ich mir denn alles gemerkt hätte. Ich schielte zu Kaiba herüber, dann zu meinem Platz. Okay, es gab schon mal nur einen großen Löffel. Die erste Runde hatte ich also überstanden. Wenn es so weitergehen könnte, wäre ich schon zufrieden. Wie es schien, gab es da oben einen Gott, der mich nicht sonderlich gut leiden konnte. "Hummer", flüsterte ich und betrachtete das Schalentier auf meinem Teller. "Alles in Ordnung?", fragte mich Yoshifudo-sama, "sie sehen so blass aus. Essen sie etwa keinen Hummer?" Bestimmt würde ich ihn essen - wenn ich wüsste, wie ich die Schale abbekommen würde, ohne wie so ein Neandertaler auszusehen, der versuchte, seine Beute zu erlegen. "Sie ist Vegetarierin", sagte auf einmal Kaiba, "ich habe nicht daran gedacht, als wir die Bestellung aufgenommen haben. Bitte verzeih', mein Schatz. Ich lasse umgehend etwas anderes für dich herbringen." >Mein Schatz< hallte durch meinen Kopf. Wer zur Hölle war dieser Mann, der gerade zu mir gesprochen hatte?! Kaiba wollte wirklich einen Deal mit diesem Mann eingehen. Dass er über Leichen ging, wusste ich ja, aber dass er charmant sein konnte, überforderte mich kurzzeitig. Verlegen nickte ich, mache mich klein, weil der Fokus auf mich und meinem >Sonderstatus< lag. Jetzt hielten mich alle für eine Vegetarierin. Naja, immer noch besser als mich hier vor allen zum Obst zu machen. "Danke, Seto", hauchte ich und meinte es auch so. Ich war erleichtert, dass er mich wenigstens jetzt nicht im Stich ließ. Während der Mahlzeiten wurde nicht viel geredet. Die meiste Zeit erzählte Yoshifudo von seinen Hobbys oder schwärmte von seiner Oldtimer-Sammlung. Neben mir spürte ich Seto Kaibas Anspannung. Er wechselte nur wenige Worte mit Yoshifudo und wenn, versuchte er das Gespräch rein geschäftlich zu halten. Wie ich Kaiba einschätzte, hatte er wenig Ahnung von Smalltalk. Auf Fragen wie >wann findet die Hochzeit statt< oder >haben Sie sich schon für eine Location entschieden< kam ich dann ins Spiel. Ich musste mir irgendwas aus den Fingern ziehen und hoffen, dass sie mit ihren Fragereien nicht zu sehr ins Detail gingen. "Würden Sie mich auf die Toilette begleiten?", Yoshifudos Frau winkte mich zu sich heran und weil ich glaubte, dass man mir eh keine Wahl lassen würde, nickte ich und begleitete sie. Nach zehn Minuten kehrten wir zurück; Yoshifudo-san mit einem Lächeln im Gesicht und ich tiefrot wie eine Tomate. "... genießen Sie einfach den Abend mit ihrer bezaubernden Verlobten." Yoshifudo-sama lächelte seine Frau an. Während der Geschäftsmann fröhlich weiter erzählte, spürte ich eine dunkle Aura, die sich neben mir ausbreitete. Seto Kaiba hatte die Lippen zusammengepresst. Sein Blick ging ins Leere und ich war froh, dass er niemanden damit traf - ganz besonders mich, denn seine Augen waren auf Angriff übergegangen. Für den Rest des Abends sagte er nichts mehr. Ließ das Essen stumm über sich ergehen. Egal, was die Männer miteinander beredet hatten, das Gespräch war nicht zu Kaibas Zufriedenheit ausgegangen. Na das konnte ja heiter werden… Kapitel 18: ------------ "Dieser eingebildete Mistkerl! Verschwendet meine kostbare Zeit!" Kaum waren wir in die Limousine gestiegen, hatte Kaiba auch schon angefangen los zu schimpfen. "Erst muss ich mir sein blödes Gequatsche anhören, und dann will er nicht einmal über eine Partnerschaft reden. Er wusste von Anfang an, dass es keinen Deal geben würde und trotzdem bestellt er mich hierher…" Kaiba lockerte den Knoten seiner Krawatte und befreite sich von den ersten beiden Knöpfen. Er war noch lange nicht am Ende. Sein Gesicht war am Kochen und sein Blick wollte jemanden töten. Ich hörte mir an, wie Kaiba eine Beleidigung nach der anderen raushaute. Dabei war ich erstaunt, wie viele fäkale Schimpfworte ihm einfielen. Wenn Kaiba wollte, konnte er gut mit mir mithalten. "Ich verstehe es einfach nicht", fasste er schließlich zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust, "diese Partnerschaft wäre für unsere beiden Firmen von Vorteil." Er schüttelte den Kopf. "Ich habe ihm alles gegeben, was er wollte. Mann, ich hab ihm sogar eine Verlobte präsentiert! Was will er denn noch?!" "Vielleicht", sagte ich und wagte mich aus Kaibas Komfortzone heraus, "sollte es dir nicht ständig egal sein, wie andere dich sehen." Sein Gesicht wandte sich Meinerwenigkeit zu. Mir war klar, dass ich mich in sein Selbstgespräch eingemischt hatte. Doch das war mir egal. Ich zuckte mit den Schultern. "Weißt du überhaupt, wie du für andere rüberkommst?" Kaibas Blick war eindeutig. Er wusste es nicht und es war ihm scheißegal. Genau das war ja das Problem. "Du hast Yoshifudo behandelt als wäre er der naive, kleine Junge." "Jonouchi", raunte es neben mir. Aber ich ignorierte Kaibas Knurren. Der Kerl hatte es mal bitter nötig, dass ihm einer die Wahrheit ins Gesicht schlug. "Schon mal drüber nachgedacht, dass du nicht jedem deine Genialität an den Kopf knallen musst…oder auch, dass du nicht allen um dich herum das Gefühl geben musst, als wären sie irgendwelche Spasten und deiner nicht würdig?" "Jonouchi", kam es jetzt etwas harscher, "misch' dich nicht in Dinge ein, von denen du nichts verstehst. Ich bin jetzt nicht in Stimmung, mir deine kindischen Ratschläge anhören zu wollen." "Du hast recht. Von deiner Welt verstehe ich nichts. Aber es dreht sich nun mal nicht alles um dich und deine Welt!" Ich atmete tief ein. "Und im Gegensatz zu dir, weiß ich, wie ich andere zu behandeln habe, damit sie mich mögen. Nenn' es meinetwegen kindisch, aber dafür ist es ehrlich. Solltest du vielleicht auch mal probieren. Manchmal reicht es eben nicht aus, reich und mächtig zu sein." "Du hast ja keine Ahnung", Kaiba lachte auf, "nur darum geht es in der Geschäftswelt. Weißt du, wie viel Arbeit es war, so >reich und mächtig< zu werden? Welche Opfer es bringen musste?" Kaibas Stimme vibrierte durch das Innere der Limousine. Er kochte vor Wut. "Mal ganz zu schweigen, dass ich es mir nicht ausgesucht habe, so zu werden! Denkst du, es wäre ein Zuckerschlecken gewesen?" "Ich-" "Du weißt gar nichts! Weil du in deiner dummen kleinen Welt aufgewachsen bist und nichts von diesem Leben verstehst. Also hör' auf, mich belehren oder erleuchten- - oder als was auch immer du deine Predigten bezeichnest - zu wollen!" "Ist das deine Entschuldigung, dass du dich wie der letzte Arsch verhältst?" Nun begann ich aufzufahren. Seine Worte hatten mich getroffen. Ich war irritiert, wütend und ein wenig enttäuscht. Manches davon verstand ich selbst nicht. Kaiba antwortete mit einem verächtlichen Schnauben. "Genau das meine ich", sagte ich und zeigte auf ihn. "Kannst du nicht wenigstens so tun, als hättest du Respekt vor irgendjemandem außer dir selbst?!" "Das sagt gerade die Richtige. Wer schmeißt denn ständig mit Beleidigungen um sich, ohne einmal darüber nachzudenken?" "Ich beleidige nur, wenn es derjenige nicht anders verdient." "Dann fang bei dir selber an!" "Mach du's doch", blaffte ich zurück und stupste ihn oberhalb seines Brustkorbes an. Daraufhin griff er mein Handgelenk. Er zog mich zu sich heran. Unsere Nasenspitzen berührten sich. In mir broddelte es. Ich wollte meinem Ärger Luft machen, als Kaiba mich bereits am Nacken packte und seine Lippen auf meine presste. Ich wehrte mich und zappelte. Zwecklos. Er hatte mich fest im Griff und als der Ärger sich mit dem Kribbeln zwischen meinen Beinen vermischte, wollte ich gar nicht mehr dagegen halten. Verflucht. Was war mit mir los? Sobald ich seiner Zunge Einlass gewährte, war Kaiba nicht mehr zu bremsen. Allein seine Küsse waren wie zügelloser Sex. Ich wurde weich - wie jedes Mal. In Kaibas Gegenwart wurde ich schwach und verlor ein Stückchen von mir selbst…und es gefiel mir. Ich spürte, wie sehr ich gerade diese Intensität, diese Nähe brauchte, sie geradezu wohlwollend in mich aufsaugte. Das Gefühl, von ihm gewollt zu werden - und das zum unpassendsten Zeitpunkt. Ich hatte zwar nie ein Gefühl für perfektes Timing, aber das ergab selbst für mich keinen Sinn. Aber mit Logik hatte die ganze Sache von Anfang an nichts zu tun gehabt. Wir waren zwei Verrückte, zwei Gegenpole, die ständig darauf warteten, miteinander zu kollidieren. Und ja, es war selbstzerstörerisch, aber auch intensiv, dass ich selbst nicht mehr wusste, was das eigentlich zwischen uns war. Was dieses Spiel mit uns anstellte. Ob es richtig war, spielte keine Rolle. Ich machte einfach weiter, weil Kaiba weitermachte. Er küsste meine Lippen wund, und mir gefiel, wie seine Finger meinen Nacken massierten, an meinen Haaren zogen, während ich mich an ihn presste, seine Nähe, einfach alles an ihm spüren wollte. Zu gern hätte ich meine Hände auf seine Brust gelegt, die Muskeln unter seinem Hemd erkundet, wäre mir den Fingernägeln über die Haut gefahren…aber Kaiba hielt mich fest, sein Griff ließ mir keine Chance, mich von ihm zu befreien. Diese Area war Sperrzone. Das hatte Kaiba deutlich gemacht. Er sagte mir nicht den Grund, und ich traute mich nicht, ihn zu fragen. In meinem Hinterkopf flüsterte mir ein Stimmchen, dass ich es lassen sollte und ausnahmsweise hörte ich darauf. Im Moment war es fast schon schmerzhaft, wie er mich auf Distanz hielt, während unsere Körper etwas ganz anderes wollten. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er von meinen Lippen. Ich atmete schwer, ich wollte nicht, dass er aufhörte, dass er sich zurückzog. Sein Mund streifte mein Ohr, er hauchte einen Kuss, während ich stöhnend die Augen schloss und kapitulierte, wie ich bei dieser Berührung immer kapitulierte. "Jonouchi", raunte Kaiba, "du weißt, welche Regeln du verletzt hast?" "Hm", stieß ich hervor. Ich wollte nicht reden, nur ließ mir Kaiba keine Wahl. "Dieselben wie immer.", murmelte ich. "Ich bin ein ungezogenes Hündchen." "Das bist du." Er nahm mir das Collier ab, legte mir stattdessen das Halsband um. Es war warm und legte sich perfekt um meinen Hals. "Was mache ich nur mit dir?", sagte Kaiba. Keine Ahnung, ob ich etwas verpasst hatte. Meine sensible Stelle machte mich blind und taub. "Weil du einfach nicht dazu lernst, müssen wir wohl wieder härtere Geschütze auffahren." "Okay", stöhnte ich. Moment, was hatte er gesagt?! Abrupt schlug ich die Augen auf. Zu spät! Einmal nicht aufgepasst, hatte er mir die Leine umgelegt. "Nein", jaulte ich. Sinnlos. Das hatte ich nun davon. Jetzt musste ich da durch. Kapitel 19: ------------ Schon wieder ein Kleid?! Genervt stöhnte ich auf. In den letzten zwei Wochen hatte ich so viele Kleider getragen, wie die letzten achtzehn Jahre zusammen. Wenigstens schrie der Fummel nicht nach einem weiteren peinlichen Abendessen. Es war schlicht, ging mir bis zu den Knöcheln und hatte einen etwas weit ausgestellten Rock. In dem Kleid sah ich nicht wie eine teure Schaufensterpuppe aus. Das gefiel mir schon mal. Was mir nicht gefiel: so langsam fing ich an, diese Art von Outfit an mir zu akzeptieren. Ich spürte nicht mehr diesen Protest in mir und das war nicht gut. Seit wann ließ ich mir vorschreiben, was mir stand und was nicht? Vor allem wenn es Seto Kaiba war, der mir einen bestimmten Geschmack aufzuzwingen versuchte. "Scheiße, ich mach' doch jetzt nicht einen auf Mädchen, nur weil das dem reichen Pinkel gefällt!" Doch, das machst du, mischte sich eine Stimme in meinem Hinterstübchen ein. "Klappe", knurrte ich und machte mich stampfend auf dem Weg in das erste Obergeschoss. Ein Pinguin stand bereits vor geöffneter Tür. Es war eine dieser riesigen Türen, die bis zur Decke reichten. Einmal in den Raum gegangen, stand ich in einem leeren Zimmer... nein, nicht ganz leer; in der Ecke, genau vor einem der drei Fenster, stand ein schwarzer Flügel. Ich kannte die Teile aus einer der unzähligen Opernbesuche, die wir mit der Schule veranstaltet hatten und soooo langweilig gewesen waren. Im Gedächtnis waren mir Anzus Backpfeifen geblieben, wenn ich inmitten der Vorstellung zu schnarchen angefangen hatte. War doch nicht meine Schuld, wenn mich das Geklimper zum einschlafen brachte. Ich kräuselte die Lippen. Bitte jetzt kein Klavierunterricht! Noch so eine Lektion wie beim Abendessen wollte ich wirklich nicht. Dass ich kein musikalisches Talent hatte, konnte ich Kaiba auch auf andere Weise demonstrieren. Im Musikunterricht konnte ich noch nicht einmal den Takt halten. Wie sollte ich da Klavierspielen lernen?! "Gefällt er dir?" "Aaah", ich sprang zur Seite, "wie bist du denn hier reingekommen?!" "Durch die Tür, wie denn sonst?", antwortete Seto Kaiba. "Versch…,", ich stockte, versuchte es noch einmal, ohne dabei meine üblichen verbalen Ausbrüche rauszuhauen. "Du hast mich erschreckt, Mann." Na das klang doch schon besser! Je weniger ich rum maulte, umso höher war die Chance, mich nicht an diesen Flügel setzen zu müssen. "Du kannst dich doch nicht einfach so von hinten an mich ran schleichen." "Das habe ich nicht. Ich habe dich sogar angesprochen, aber du hast nicht reagiert." "Oh", machte ich und hielt bis auf Weiteres meine Klappe. Mich beruhigte schon mal, dass Kaiba in seinem üblichen schwarz-weiß Outfit vor mir stand. Nur das Nicken, das hätte er sich sparen können. Damit deutete er nämlich auf den Flügel. Warum!? Warum nur, lieber Gott? "Setz dich auf den Hocker, Jonouchi", wies er mich an, nachdem ich nicht auf seine stumme Aufforderung reagiert hatte. "Ich wiederhole mich nicht noch einmal." "Schon gut, ich geh' schon." "Wie?" "Ich meine natürlich: ja, Kaiba-dono." Die Arme um meinen Oberkörper geschlungen, beeilte ich mich, seinem Befehl nachzukommen. Es war Absicht, dass ich mich falsch rum auf den Hocker setzte. So konnte ich einfach auf dumm und unwissend machen - die einzigen zwei Dinge, die mir Kaiba noch abkaufte. "Jonouchi." Ich gab es nicht gerne zu, aber mir gefiel, wie er meinen Namen sagte. Zumindest jetzt. Wenn dieser Hauch von Provokation in seiner Stimme lag, wenn er nicht ganz so abfällig redete, sondern ein wenig mit den Silben spielte. Ja, es machte mich an - das wiederum gefiel mir weniger. Es war viel zu einfach für Kaiba, mich weich zu klopfen. Etwas mehr Widerstand hätte ich mir von meinem Körper schon ganz gerne gewünscht. Kaiba stand nun direkt vor mir. Sein dominanter Blick ragte über mir. Er lächelte verschmitzt. So wie jedes Mal, wenn er einen fiesen Plan ausheckte. Langsam beugte er sich nach vorne. Er zwang mich, ins Hohlkreuz zu gehen, mich nach hinten zu beugen, bis meine Hände die Tastatur berührten. Schräge Töne hallten durch den Saal. Sollte Kaiba wirklich vorhaben, mir Klavierunterricht zu geben, würde es den Rest des Abends nur schiefe Töne regnen. Ich wollte etwas sagen, hatte aber die Worte vergessen. Seine Nähe war nicht gut. Also… doch schon, zumindest fühlte sie sich gut an, aber das sollte sie nicht. Ich wusste, dass ich mich auf gefährliches Terrain begab, sobald ich Kaiba auch nur etwas weiter an mich ranlassen würde. Dass diese Bedenken aus meinem Kopf gelöscht wurden, sobald Kaibas Nähe mich dazu zwang, seinen Duft in mich aufzunehmen und seine Lippen anzustarren, war natürliche nicht Teil meines Plans - wenn ich denn jemals einen gehabt hätte. "Du hörst mir jetzt ganz genau zu", seine Lippen streiften mein Ohr. Ich zuckte zusammen. Mein Körper war mit Gänsehaut übersät und ich war schon jetzt sowas von erregt, dass ich den letzten Satz bereits vergessen hatte. "Hast du mich verstanden, Jonouchi?" "Ja", hauchte ich, denn er hatte bereits meine Beine gespreizt, sich zwischen ihnen gestellt und mit den Händen nach meinen Schenkeln gegriffen. "Heute Abend wirst du aufmerksam sein und brav zuhören", sagte Kaiba und wickelte meine Beine um seine Hüften. Mit den Fingerspitzen fuhr er die Innenseiten meiner Oberschenkel rauf und runter. Der Kerl würde mich noch eines Tages um den Verstand bringen! "Du wirst das machen, was dein Lehrer dir sagt. Genau so und nicht anders." "Hm." Ich biss mir auf die Unterlippe. Dieser verführerische Teufel. Hatte seine Finger unter den Saum meines Slips geschoben. Was war das bloß, dass ich mich von allem, was er tat, hingezogen fühlte? Jede Berührung von ihm war wie ein elektrischer Impuls, ich konnte gar nicht anders als feucht zu werden, egal, wie sehr ich mich dagegen zu wehren versuchte, ich blieb willenlos, während seine Finger mein Höschen abstreiften und meine Gedanken nur noch von seinen Handlungen bestimmt waren. "Das brauchst du jetzt nicht", säuselte er mir ins Ohr und steckte den Slip in seine Hosentasche. "Okay", lallte ich zurück, bevor seine letzte Anweisung mein Gehirn erreicht hatte. "Mein…Lehrer?" Ich bekam keine Antwort. Nur eine Lektion in Sachen Willensstärke, die ich eindeutig vor zwanzig Tagen in Seto Kaibas Limousine zurückgelassen hatte. Seine Finger massierten mich, stimulierten, bis ich mich kaum mehr zurückhalten konnte. Genüsslich ließ er einen Finger in mich hineingleiten, dehnte mich, schob einen zweiten Finger zwischen meine Beine, entlang meiner empfindlichen Knospe. Immer weiter drückte sich mein Rücken in das Holz, doch ich ließ mich von dem Schmerz nicht beeindrucken, nicht solange Kaiba weiter mit mir spielte - auf diese unbarmherzige Art, die mich leiden ließ und gleichzeitig so verwöhnte, dass ich nicht mehr wusste, was richtig und was falsch war. "Oh Gott, bitte…", wimmerte ich, brach mitten in Satz ab, weil ich es nicht über die Lippen bringen konnte - dieses eine Wort: >aufhören<. Es geschah im selben Moment, dass Kaibas Hände sich aus mir zurückzogen, ich erleichtert und enttäuscht in einem war, bis sich etwas Kühles, Festes zwisches meine Beine schob. Mit aufgerissenen Augen, versuchte ich mich aufzurichten, sackte aber sofort wieder zurück auf die Tastatur. Kurz dachte ich, er hätte mir einen Dildo umgeschnallt. Das Gefühl zwischen meinen Beinen war anders, die Form eine völlig andere. Vom ersten Schreck erholt, fühlte sich dieses…>Ding< sogar ganz gut an. "Was ist das?", fragte ich - einfach weil ich mir nicht blindlings irgendwas zwischen die Beine schieben lassen wollte. Ich wollte zumindest noch so tun, als hätte ich irgendeine Schamgrenze. "Das", entgegnete Kaiba, und ich spürte an meinem Ohr, wie diabolisch er lächelte, "das ist meine Absicherung, solltest du wieder einmal nicht das machen, was man dir sagst." Nicht gerade die Antwort, die ich hören wollte, aber was hatte ich von Kaiba erwartet?! Er rückte von mir ab, schob mein Kleid zurück zu meinen Knöcheln und richtete sich auf. Wie auf ein Startsignal wurde die Tür aufgerissen. Der Laut schallte so heftig in dem Zimmer, dass ich vom Hocker aufsprang und auf die Tür starrte. Zwei Männer betraten den Saal. Ein älterer Herr hatte einen Haufen Blätter unter seinen Arm geklemmt. Der andere war etwas jünger. Ein großer, durchtrainierter Mann. Beide verneigten sich vor Seto Kaiba. Kein Wunder, dass er sich für den Größten hielt, wenn ihm gefühlt jeder in den Arsch kriechen wollte. "Das ist Jonouchi-san", Kaiba deutete auf mich. Ich schaffte es bloß, den Arm für ein stummes >hallo< zu heben. "Ihre Schülerin für heute Abend." "Kann mich einer mal aufklären, was jetzt eigentlich Sache ist?" Ich starrte zu Kaiba und seinem Gesprächpartner. Der andere hatte auf dem Hocker Platz genommen und seine Blätter über die Tastatur geklemmt. Ich konnte ihn nicht ansehen. Nicht nachdem, was Kaiba mit mir, auf genau diesem Hocker, angestellt hatte. "Ist das nicht offensichtlich, Jonouchi?", antwortete Kaiba und verschränkte die Arme vor der Brust. "Das ist Hiroshi - er leitet eine der erfolgreichsten Tanzschulen in ganz Japan." "Tanzen!?", schrie ich auf. Was konnte noch schlimmer sein als Klavierunterricht zu bekommen? Na klar: tanzen. Ich und tanzen - das war wie…wie Bakura, der sich die Haare schwarz färbte. Genau. Es sah scheiße aus und jeder würde sich fragen, ob das nötig gewesen wäre. "Ich kann nicht tanzen." Und das war noch harmlos ausgedrückt. "Jonouchi, aus keinem anderen Grund machen wir das hier." "Mir fallen da noch ein paar Gründe ein." "Nur raus damit, Jonouchi", grinste Kaiba, "wenn du so scharf darauf bist, bestraft zu werden…" "Nein", knurrte ich zurück. Mir war klar, dass ich keine andere Wahl hatte. Wie ich Kaiba kannte, war dieses >Ding< zwischen meinen Beinen nicht bloß zur Deko gedacht. Schräg genug, dass ich es die ganze Zeit mit mir rumschleppen musste. Inzwischen hatte ich mich an ihn gewöhnt. Ein…angenehmer Fremdkörper, das musste ich zugeben. Aber sicherlich nicht zum Tanzen gedacht. "Also dann-" Der Lehrer klatschte in die Hände. Kaiba zog sich in die hinterste Ecke des Saales zurück. Genau dort, wo ihn die Schatten vor meinen gequälten Blicken schützten. "Nur keine Angst", beschwichtigte mich der Lehrer, "wir beginnen mit etwas Leichtem." "O-okay", ich verzog den Mund. Bei meinen zwei linken Füßen war nichts >leicht<. "Der Walzer." Da klingelte was bei mir. "Jede junge Dame sollte die Grundschritte beherrschen können. Sie sind die Basis für…" Der Kerl redete und redete. Ich wollte es einfach nur hinter mich bringen… "Woah", ich stellte mich kerzengerade auf. "Alles in Ordnung, Jonouchi-san?", fragte der Lehrer. Mit aufgerissenen Augen nickte ich ihm zu. "S-schon gut. Ich war bloß nicht ganz bei mir." Von wegen alles in Ordnung! Hatte das Ding nicht ernsthaft zu vibrieren angefangen! Als es plötzlich losgegangen war, hatte es mich ohne Vorwarnung erwischt. Ein intensives Gefühl breitete sich aus, verebbte, nachdem zwei leichte Schübe mich dort kitzelten, wo ich alles andere als kitzelig war. Das war also Kaibas Vorstellung von Bestrafung. Dieser Mistkerl - immer dort, wo es mich kalt erwischte. Ich musste aufpassen, was ich tat - oder in dem Fall nicht tat, nämlich richtig zuhören. Der Lehrer hatte aufgehört zu reden, er machte ernst. Eine Hand legte sich um meine Taille, mit der anderen nahm er meine Hand, die er mir um seinen Oberkörper schlang. "Und jetzt", sagte der Lehrer, während ich mir dieselbe Frage stellte. Er fing einfach an, sich zu bewegen und ich Tollpatsch bewegte den falschen Fuß, dass ich schön auf Hiroshi-senseis frisch polierte Schuhe trat. "Aaah", stieß ich aus. Nicht, weil ich meinem Lehrer vor die Füße gefahren war. Es war dieses Vibro-Ei (jetzt fiel mir auch der Name dieses lästigen kleinen Teils ein) - ein kleiner Fehler und schon sauste ein wohliger Schauer zwischen meine Beine. Ich hätte vor Scham im Boden versinken können. Eine reife Tomate war nichts gegen mein Gesicht. "Nicht schlimm", sagte der Lehrer, "das passiert fast allen, die zum ersten Mal tanzen lernen. Sie werden noch viele Fehler machen, bevor Sie die Tanzschritte verinnerlicht haben." "Ja", krächzte ich. Die aufmunternden Worte meines Lehrers hatten bei mir das genaue Gegenteil bewirkt. "Auf ein Neues. Diesmal mit Musik. Die meisten bekommen ein besseres Gefühl für den Rhythmus, wenn die passende Musik dazu spielt." Ein besseres Gefühl? Ich fühlte bereits genug, und besser würde es bestimmt nicht mehr werden. Der Lehrer brachte uns in Position. Er nickte dem Pianisten zu, dieser spielte drauf los und auf Hiroshi-senseis Zeichen begannen wir uns zu bewegen. Es dauerte keine zwei Takte und >Zack< hatte es mich erwischt. Diesmal war ich darauf vorbereitet. Ich presste die Lippen zusammen, verfluchte Kaiba und seine Höllenmaschine und drückte die Schenkel aneinander. Verdammt, war ich wütend auf Kaiba! Auf seine Spielchen, die immer ins Schwarze trafen - zumindest für ihn. Immer wieder stolperte ich über Hiroshi-senseis Beine, verpatzte den Einsatz oder driftete in Gedanken ab, sobald der Lehrer seine Anekdoten raushaute. Mit jedem weiteren Fehler wuchsen Ärger, Frust und Scham zu einem einzigen fetten Batzen. Meine Hände schwitzten, die Beine wurden weich. Ich war erregt und wütend, wund und gereizt. Alles oberhalb der Gürtellinie war auf hundertachtzig. Darunter lechzte ich nach mehr. Den Blick nach unten gerichtet, versuchte ich einfach nur diesen Abend hinter mich zu bringen. Ich hatte keine Ahnung, was Kaibas Anweisungen an den Lehrer gewesen waren, und ob der Unterricht erst zu Ende wäre, wenn ich einen ordentlichen Tanzschritt hinbekommen hätte. Ich stellte mich auf das Schlimmste ein. Immerhin sprachen wir von Seto Kaiba, da war immer mit dem Schlimmsten zu rechnen. "Boah, endlich", stöhnte ich auf, als die beiden Männer Feierabend hatten und Kaiba und ich allein waren. "Ich dachte ernsthaft, ich müsste hier versauern." "Wenn es nach mir gegangen wäre…", schmunzelte Kaiba. Er hatte sich neben mich gestellt, nachdem er mir erlaubt hatte, das Vibro-Ei herauszunehmen. "Ich hab alles gegeben ", entgegnete ich. "Wenn das schon alles war-" "Was heißt denn das?!" Ich stemmte die Hände in die Hüften. "Ich habe gerade einen verdammten Walzer hinbekommen…und das obwohl ich noch nie in meinem Leben Walzer getanzt habe. Du könntest nach allem ruhig mal etwas netter zu mir sein. Ich hab mich hier echt ins Zeug gelegt. Tanz' du doch mal die halbe Nacht", ich zeigte auf ihn "Ich wette, bei dir sieht es genauso peinlich aus." "Du willst wetten?" Er grinste mich an. Diesen Gesichtsausdruck kannte ich. Scheiße. "Nein, ich", versuchte ich mich da irgendwie raus zu winden, als Kaiba meine Hand ergriff und mich an seine Brust zog. Wollte er etwa… "Wir haben doch gar keine Musik", sagte ich, als ob das irgendwas gebracht hätte. Kaiba legte eine Hand auf meine Hüfte. Unsicher sah ich zu ihm auf. Kaiba war alles andere als unsicher, nahm meine Hand und übernahm die Führung. Natürlich konnte Seto Kaiba tanzen. Zwar war er nicht ganz so elegant dabei und bewegte sich etwas steif, aber davon abgesehen waren seine Bewegungen tadellos. Ein wenig ärgerte es mich. Dass er auch immer so perfekt sein musste! Da konnte man sich ja nur minderbemittelt fühlen. Mit glühenden Wangen grummelte ich vor mich hin. "Und Klavier spielst du jetzt auch neuerdings?" "Nein", antwortete er trocken, "mein Stiefvater sah keinen Nutzen darin, weshalb ich ein Instrument lernen sollte." "Und das Tanzen?" "Das hat sich bloß durch Zufall ergeben und hatte nichts mit meinem...Unterricht zu tun gehabt." Etwas fester umfasste er meine Hand, quetschte sie ein wenig zwischen seinem Griff. "Mokuba kann es ein wenig." Der Griff lockerte sich. "In meiner Abwesenheit hat er Vieles ausprobiert. Gozaburo hatte kein Interesse an ihm gehabt, deshalb brauchte er immer etwas, womit er sich die Zeit totschlagen konnte." Ich schluckte. Das war das erste Mal, dass mir Kaiba etwas von sich erzählte. Was ich über Seto Kaibas Vergangenheit wusste, hatte ich eigentlich nur aus dem Höllenritt von vor acht Monaten, den uns Kaibas Stiefbruder beschert hatte. Naja, und von Mokuba. Meine Augen klebten an dem Mann, der mich über das Parkett führte, seine Hand sanft um meine Taille gelegt hatte und nun stumm zu mir herunter sah. Ich hätte gerne etwas Geistreiches gesagt, aber nichts wäre geistreich genug für Seto Kaiba gewesen. Darum schwieg ich. Eine Premiere für mich, und nichts, worin ich mich wirklich wohl fühlte. Vor allem nicht, wenn ich dabei Kaiba in die Augen sah. Mein Magen zog sich zusammen. Mir wurde schlagartig übel. Ich wusste nicht, wieso. Genauso wenig, warum meine Ohren sich so heiß anfühlten, und ich gerade an nichts anderes als an seine Lippen denken musste. "Du kannst wirklich gut tanzen", murmelte ich und schaute zur Seite. Kaiba war stehen geblieben. Wir lösten uns voneinander, gingen auf Distanz. Alles wie immer, dachte ich. Fühlte aber etwas anderes. Kapitel 20: ------------ Ich war heute nicht bei der Sache. Samstagabend, volles Haus und ich lief durch den Night Club, als wäre ich der einzige Mensch auf Erden. "Mieses Wochenende?", fragte mich Suzuki-senpai, während ich mir ein Glas Wasser aus dem Zapfhahn genehmigte. "Alles bestens", antwortete ich und schluckte die Flüssigkeit in einem Zug runter. "Kazuha, du musst nicht so tun, als sei alles okay. Aber wenn der Boss mitkriegt, dass du nicht bei der Sache bist…du hast echt Glück, dass er dich seit dem Smooth-Wednesday nicht mehr auf dem Kieker hat." "Ich weiß", seufzte ich. Tatsächlich war mein Boss für seine Verhältnisse recht nett zu mir gewesen. Es hatte nicht die übliche Standpauke gegeben, die er mir jedes Mal vor den Latz knallte, noch bevor ich überhaupt meine Schicht angetreten hatte. Ich wusste, dass ich das nur Kaiba zu verdanken hatte. Wenn auch nur ein schlechtes Wort gefallen wäre…na dann gute Nacht. "Ich werd' mich zusammenreißen." Damit richtete ich mich auf und ging an den nächsten Tisch. So wirklich besser wurde es nicht. Zwar stieß ich niemanden um oder verschüttete einen Drink, aber konzentriert sah definitiv anders aus. Das merkte ich an dem Trinkgeld - meine eigentliche Einnahmequelle. Die Bezahlung war bloß mittelmäßig, doch wer seinen Job gut machte, konnte ein saftiges Trinkgeld abkassieren. Das hatte ich gleich am ersten Tag gelernt. Etwas genervt zählte ich mein Trinkgeld zusammen. Nicht einmal das hatte ich heute gut hinbekommen. Im Mitarbeiterbereich wechselte ich die Kellnerinnen-Uniform gegen mein übliches Outfit aus Jeans und blauem T-Shirt. "Gratuliere, Jonouchi." Tsubaki, unsere Mitarbeiterin des Monats, wie sie hintenrum genannt wurde, knöpfte sich die Bluse zu. Dass wir uns während der Schicht abklatschten, war schon sowas wie Routine. Wir hatten bisher nur einmal wirklich miteinander gearbeitet und das eine Mal hatte uns beiden gereicht. "Wie ich hörte, sollst du den Platin Bereich jetzt öfter übernehmen. Du musst ja einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben." Ich wusste, was Tsubaki von mir wollte. Als eigentliches Steckenpferd des Night Clubs wollte sie mit niemandem den Platz teilen. Sanji meinte einmal, dass Tsubaki selbst ein paar krumme Dinger am Laufen hätte und sich deshalb so ins Zeug legte, den Platin Bereich bedienen zu dürfen. Ehrlich gesagt, hielt ich nicht viel von diesen Gerüchten und selbst wenn, war es mir egal, was Tsubaki hinter verschlossenen Türen trieb. "Mal sehen", antwortete ich und warf mir den Rucksack um die Schulter. "Wie ich hörte, gehörte zu deinen Gästen Seto Kaiba. War der nicht mal in deiner Klasse?" "Was willst du, Tsubaki?" "Gar nichts. Ich habe mich nur gefragt, wie du plötzlich zum heimlichen Liebling unseres Bosses werden konntest. Vor zwei Wochen konntest du noch nicht mal ein Glas geradehalten." "Ich bin ganz sicher nicht sein neuer Liebling. Wenn du aber ein Problem mit mir hast", ich kam auf sie zu, "dann sag' es mir direkt und hör' auf, mit diesen falschen Anschuldigungen um dich zu werfen. Ich kann solche Zickereien nicht ab." "Das sollte keine-" "Schon gut", ich lächelte, "ich kann dich auch nicht leiden. Aber machen wir doch das beste draus. Wir wollen doch beide einen guten Job machen." "Ähm, ja." "Und keine Angst", sagte ich und lief Richtung Tür, "du bist immer noch unsere Nummer eins." Frische Luft! Die hatte ich mehr als bitter nötig. Tsubaki brauchte ich nicht auch noch als Feind. Ich streckte mich und trat den Rückweg an. Es war kurz nach ein Uhr, ich war hellwach und wollte noch nicht zurück in die Kaiba-Villa. Seit gestern Abend hatte ich ein seltsames Gefühl, was Seto Kaiba und mich betraf, und ich wusste nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Den ganzen Abend hatte ich an diesen kurzen, intimen Moment gedacht. Kaiba war immer so berechenbar, aber jetzt gerade fing ich an, mehr in diesen arrogante Geldsack zu sehen als das, was er uns allen in all der Zeit verkauft hatte. Vielleicht hatte Yugi recht. Vielleicht steckte in Kaiba eine verborgene Seite - eine gute Seite. Ich lief weiter um den Night Club herum. Dorthin, wo ich mein Fahrrad zurückgelassen hatte. Ein großer, dunkler Schatten stand direkt davor. Zwei Meter vorher blieb ich stehen, schaute hinauf in das Vertraute Gesicht meines ehemaligen Klassenkameraden aus der Mittelschule. "Jonouchi", sagte Hirutani und grinste mich an. Von der Seite tauchten ein paar weitere Kerle auf. Den ein oder anderen kannte ich noch von früher, aber ein fröhliches Wiedersehen war das nicht. Besonders nicht für mich. "Was machst du hier, Hirutani?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. "Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du hier arbeiten sollst. Hätte ich dir gar nicht zugetraut." "Du kennst mich auch nicht." "Das sehe ich anders." Er legte den Kopf schief. "Ich kenne dich sogar sehr gut, Jonouchi. Besser als die meisten. Ich weiß, wie du wirklich bist, Jonouchi. Egal, wie sehr du versuchst, jemand anderen zu spielen, du bleibst meine rücksichtslose Schlägerbraut." "Was willst du, Hirutani? Ist das hier wieder einer deiner dämlichen Versuche, mich wieder in deine Gang aufzunehmen?" "Ich bin nur hier, um hallo zu sagen." Er breitete die Arme aus, als wollte er mich umarmen. Mir kam fast das Kotzen. "Schließlich bist du neulich einfach so davongelaufen. Das hat mich ganz schön gekränkt, Jonouchi." Neben Hirutani standen zwei Muskelprotze, die ihre Finger knacken ließen. Als ob mich so ein Gehabe beeindrucken würde! "Wenn du mich gesehen hast", sagte ich, "dann frage ich mich, warum du hier bist. Selbst dir sollte klar sein, dass ich keinen Bock habe, mich mit dir zu unterhalten…oder wie auch immer du das hier nennst." Ich deutete auf seine Männer. Keiner von denen sah so aus, hätten sie noch nie ein Mädchen geschlagen. "Du solltest mich kennen, Jonouchi. Ich renne nicht davon. Auch nicht vor dir." Dann gab er seinen Männern das Signal. Sie stürmten auf mich zu, die beiden vorderen zuerst. Ich nahm meinen Rucksack von der Schulter und schleuderte ihn dem ersten ins Gesicht. Der Zweite bekam meinen Kinnhaken zu spüren. Im Hintergrund hörte ich Hirutanis Lachen. "Immer noch so zäh. Schade, dass du nicht für mich arbeiten willst." "Ich arbeite nicht für Affen", entgegnete ich und drückte der nächsten Hohlbirne meinen Ellenbogen in den Magen. Nacheinander fielen die Schwachmaten um wie Dominosteine. Blieb nur noch ihr Anführer übrig. Ich wollte mich gerade auf Hirutani stürzen, als der Glatzkopf eine Waffe aus seiner Jackentasche zückte und damit direkt auf meinen Kopf zielte. Sofort blieb ich stehen. "Was soll der Scheiß?!", blaffte ich ihn an. Ich klang gefasst, dabei fühlte ich mich alles andere als das. Nicht, solange die Knarre mir das Hirn rauspusten konnte. "Was ist denn los, Jonouchi", feixte Hirutani. "Brauchst du neuerdings dieses Ding, um mich fertig zu machen?!" "Ich will dich nicht fertigmachen, Jonouchi. Ich habe ganz andere Pläne mit dir." "Und welche sollen das sein?" Diese Stimme. Ich bewegte meine Augen. Hinter Hirutani tauchte ein weiterer Schatten auf. Es war Kaiba. Ich riss die Augen auf. "Was ist das denn für ein Vogel?", Hirutani drehte sich zu Kaiba. Statt einer Antwort schwang der Braunhaarige seinen silbernen Koffer, dass die Waffe im hohen Bogen aus unserem Sichtfeld verschwand. Ohne Luft zu holen, holte er ein zweites Mal aus. Das Metall knallte an Hirutanis Kopf. Wie eine umgestoßene Säule fiel dieser zu Boden. Perplex starrte ich auf die regungslose Gestalt, aus dessen Schläfe Blut sickerte. "Scheiße, ist er Tod?!", platzte es aus mir heraus. Nicht, dass ich zum ersten Mal Blut gesehen hätte. Aber wenn jemand wie Hirutani Mucksmäuschenstill blieb, war das schon ein Moment, in Panik zu geraten. Kaiba schien da anderer Meinung. Lässig spazierte er um den Anführer herum. "Ist das so wichtig?" "Äh...ja, Mann!" Jetzt sah Kaiba zu Hirutani herunter. Nicht, dass er irgendwie geschockt wäre. Im Gegenteil. "Der ist nur ausgeknockt", sagte er und zückte ein Smartphone aus seinem Mantel. "Kümmert euch darum." Mehr sagte er nicht. Er legte auf und drehte sich zu mir. "Was zum Henker machst du hier, Kaiba?!" Meine Augen waren noch immer weit aufgerissen. Ich konnte noch nicht fassen, was da gerade abgegangen war. "Wonach sieht es denn aus?", fragte Kaiba. Warum der Typ mir auch nie vernünftig antworten konnte. "Na zum Tanken ganz sicher nicht." Ich schaute auf die verlassene Straße. Nur mein Fahrrad und ein Stück weiter hinter stand ein schwarzer Kombi. "Witzig, Jonouchi. Aber ich bin nur hier, weil du so lange getrödelt hast." "Was?! Ich hab doch gesagt, dass ich arbeiten muss." "Deine Schicht geht bis halb eins. Wir haben es jetzt kurz vor zwei. Bei dem Tempo, das du mit dem Fahrrad zurücklegst, brauchst du circa zwanzig Minuten." "Und wenn ich nicht sofort zurück wollte?" "Ich wusste, dass du noch hier bist", er schob einen Finger unter mein Hundehalsband, "ich hab dich nämlich mit einem Peilsender ausgestattet." "Ist das dein ernst?!" "Falls mein Hündchen ausreißt, muss ich es doch wiederfinden können." "Du", knurrte ich, "das ist doch…" Mir blieb die Wut im Hals stecken. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und biss die Zähne zusammen. "Hör' auf zu schmollen, Jonouchi", sagte Kaiba und wandte sich zum Gehen, "und komm' jetzt mit nach Hause. Mach' dir keine Gedanken um diese Affenbande." Kurz blieb ich einfach nur auf der Stelle stehen. Er hatte gesagt, dass ich nach Hause kommen sollte…sicher, es war sein Zuhause und ich musste da jetzt nichts hineininterpretieren. Aber das Wort löste schon etwas bei mir aus. Verfluchter Seto Kaiba! Auf Abstand folgte ich Kaiba zu den Kombi. Isono oder ein anderer Mitarbeiter der Kaiba Corp. würde sich wohl wieder um mein Fahrrad kümmern. Dass mir jemand mein Zeug hinterhertrug, konnte ich ja so gar nicht ab. Aber es brachte nichts, mit Kaiba zu diskutieren. "Verrätst du mir, woher du diesen Affen kennst?", fragte Kaiba, nachdem wie die Hauptstraße verlassen hatte und Richtung Landstraße zu steuerten. "Affe trifft es sehr gut", entgegnete ich und lehnte mich an der Fensterscheibe an, dass ich von der Seite Kaiba beobachten konnte, wie er sich ganz auf den Straßenverkehr fokussierte. Ich stieß einen tiefen Atemzug aus und begann zu erzählen: "Das war Hirutani. Ein Klassenkamerad aus der Mittelschule, mit dem ich öfter abhing…naja", ich lächelte schwach, "um ehrlich zu sein, war es mehr als das. Schon in der Mittelschule hatte er seine eigene Gang. Er hatte viele Leute, die für ihn gearbeitet haben. Sie haben in den Schulen mit Alkohol, Messern und anderen Nahkampfwaffen gedealt. Aber ihre eigentliche Einnahmequelle waren andere Mittelschüler. Nerds und andere, die klein und schwach waren - sie alle wurden gnadenlos geschröpft. Das war auch der Grund, warum ich nicht mehr mitmachen wollte. Ich bin ausgestiegen, als es zu krass wurde. Ich hab mich zwar damals viel geprügelt, aber das waren alles Kerle, die genauso stark waren wie ich." Die Hand zur Faust geballt, starrte ich nach draußen. "Früher dachte ich, Hirutani und ich wären uns ähnlich. Zwei Schüler, die dasselbe Leben führen. Er hatte mir das Gefühl gegeben, nicht allein zu sein…zumindest dachte ich das eine Weile. Es war gut, dass ich die Schule gewechselt habe. Bestimmt wäre ich zu ihm zurückgekommen. Wer weiß, was dann aus mir geworden wäre." Ich schüttelte den Kopf. "Dass ich nicht zu so einem Scheusal wie Hirutani geworden bin, habe ich meinen Freunden zu verdanken. Ganz besonders Yugi." Ich schmunzelte. Die Erinnerung daran, wie ich mich mit dem Bunthaarigen angefreundet hatte, tauchte vor meinem geistigen Auge auf. "Ich weiß, du hältst nicht viel von Freundschaft, aber manchmal braucht es Menschen in seinem Leben, die einen das eigene Spiegelbild vor Augen führen, und Yugi hat mir damals die Augen geöffnet." Nachdem wir fast die Kaiba-Villa erreicht hatten, drehte ich mich noch einmal zu Kaiba. Es lag eine druckende Stille zwischen uns und aus seinem Gesicht konnte ich nicht erkennen, was in ihm vorging. "Ich hab' dich mit meinem Gequatsche zu Tode gelangweilt, stimmt's?" Ich grinste schief, wollte die Stimmung etwas auflockern. Der Wagen hielt. "Nein", sagte er und schaltete den Motor aus, "du hast mich nicht gelangweilt." Mit diesen Worten öffnete er die Wagentür und stieg aus. Kapitel 21: ------------ "Piep-piep-piep-piep…" Wie ich diesen Wecker hasste! "Nein", knurrte ich, zog die Decke bis an meine Ohren und drehte mich weg. Natürlich hörte das Mistding nicht auf mich. Es war so eingestellt, dass es halb sechs klingelte und nach genau zehn Minuten aufhörte. Ich hatte schon mehrmals probiert, das Teil irgendwie auszustellen oder wenigstens die Uhrzeit zu ändern. Aber wie alles in diesem Haus, hörte auch die Technik nur auf Seto Kaiba. Heute wollte ich den Wecker einfach ignorieren. Sollte er doch läuten - dann würde ich einfach so lange ausharren, bis die zehn Minuten um wären. Denkste! Ich hatte ganz vergessen, dass der Wecker nach fünf Minuten doppelt so laut wurde. Da half auch die Decke an meinen Ohren nichts. "Aaah, kacke", ich schmiss die Decke vom Bett. Wieder mal ein Morgen, an dem ich nicht ausschlafen durfte. Kaiba hatte aber auch kein Erbarmen mit mir. Ich setzte mich aufs Bett und suchte mit den Füßen nach meinen Pantoffeln. Dann stand ich auf, zubbelte mir mein T-Shirt zurecht und schlürfte wie ein Zombie ins Gästebad. Dabei klang ich auch wie einer. Zwischendrin schimpfte ich vor mir hin - wenn ich nicht gerade gähnte, denn das tat ich in einer Tour. Im Bad begann dann der alltägliche Rundgang durch die einzelnen Stationen. Das Bad war so riesig. Hier drin gab es sogar drei Waschbecken - jedes Becken war für eine andere Aufgabe vorgesehen. Nicht, dass ich mich daran hielt. Die Zahnbürste in den Mund gesteckt, ging ich ans zweite Waschbecken und holte aus dem Schubfach eine Bürste heraus. Ich nahm noch einen Gummi, mit dem ich mir die Haare zu einer Palme zusammenband und betrachtete mich mit halb offenen Augen im Spiegel. Ich würde wohl wieder eine kalte Dusche brauchen. Das einzige, das half, wenn ich nicht in Fahrt kam. Natürlich freute ich mich auf die Luxusdusche, die vielen Einstellungen und Features waren einfach nur der Hammer. Die Strahlen in die richtige Stärke gedreht, konnte ich mir mit dem Duschkopf eine ordentliche Nackenmassage verpassen. Wenn ich etwas aus diesem Haus mitnehmen dürfte, wäre es definitiv die Dusche. Auch wenn ich kein normales Bad kannte, in das dieses Mordsteil reingepasst hätte. Ich stellte mich also unter die Dusche. Ein einfaches Wischen über die digitale Anzeige und das Wasser schoss mit voreingestellter Temperatur aus dem Duschkopf. Erst kam kaltes Wasser. Ich riss die Augen auf, ließ mein Gesicht damit berieseln und wartete darauf, dass die Temperatur stieg. Langsam wechselte das Wasser von lauwarm zu kuschelig. Ich stieß ein Stöhnen aus und öffnete die Augen. "Aaah", ich ließ das Duschgel fallen. An der Badtür lehnte Kaiba und blickte lässig zu mir herüber." "Was machst du hier?", fragte ich, nachdem ich mich von dem Schrecken erholt hatte. "Du hast gestern scheinbar nicht zugehört." "Doch", verteidigte ich mich, obwohl ich mir nicht sicher war. "Und ich habe dir ganz sicher nicht erlaubt, hier rumzuspannen." "Spannen?" Kaiba hob amüsiert eine Augenbraue. "Als ob ich nicht schon alle Stellen an dir kenne." "Na dann kannst du ja auch wegsehen", keifte ich zurück und hob die Flasche mit dem Duschgel auf. "Wie soll ich denn sonst im Auge behalten, dass du dich auch brav an Regel Nummer sieben hältst." "Ganz einfach: du vertraust mir, Ende der Geschichte! Wie du jeden Tag sehen kannst, bin ich gepflegt." "Das überzeugt mich nicht, Jonouchi. Du solltest doch wissen, dass ich alle Regeln sehr ernst nehme." "Ja", murmelte ich. "Also?" "Ich hab's kapiert", ich nahm den Schwamm und gab etwas Duschgel darauf. Gut, dass das Wasser mein Gesicht abkühlte. Mich vor ihm ausziehen war eine Sache, aber mich vor ihm zu waschen, überschritt doch eine Schamgrenze, von der ich nicht wusste, dass ich überhaupt noch eine hatte. Ich versuchte, mir Kaiba und seine stählernen Augen einfach wegzudenken. Sollte doch kein Problem sein, so zu tun als wäre ich allein und würde mich in Ruhe waschen. Aber Kaiba war nun einmal da und ich konnte ihn mir nicht wegzaubern. "Ist dir das sauber genug?", murrte ich, nahm noch ein wenig Waschgel, womit ich mir die Arme wusch. "Oder hast du was an meiner Technik auszusetzen?" "Es würde mir besser gefallen, wenn du weniger reden würdest." "Hm", machte ich und funkelte ihn an. Natürlich belächelte er mich nur und verschränkte die Arme vor der Brust. Na warte, Kaiba. Ich rieb den Schwamm, dass dicke Schaumflocken heraustraten, dann begann ich meinen Oberkörper einzuseifen - und zwar schön langsam, mit ganz viel Schaum, den ich mit den Händen in meine Brüste einmassierte. Kaiba lächelte immer noch, nur diesmal sah ich noch etwas anderes in seinen Blicken als bloße Belustigung. Das animierte mich, weiter zu machen, genüsslich die Stellen einzuschäumen, mit denen Kaiba schon das ein oder andere Mal seinen Spaß gehabt hatte. "Deine Füße", sagte Kaiba und nickte mir zu, "das war noch nicht gründlich genug." "Doch, war es." "Willst du wirklich diskutieren?" "Nein." Also nochmal die Füße, damit ich noch einmal meinen Hintern ausstrecken musste. "Übrigens", hörte ich Kaiba, als ich ihm den Rücken zugewandt hatte, "das Abendessen neulich mit Yoshifudo." Ich drehte meinen Kopf. "Er hat es sich noch einmal anders überlegt." "Er will mit dir ins Geschäft kommen?", fragte ich erstaunt. Kaiba nickte. "Er sagte mir, dass ihn seine Frau umgestimmt hätte und dass du ihr etwas gesagt hättest, das sehr überzeugend gewesen sein muss." "Oh. Okay." "Was hast du ihr gesagt?" "Würden Sie mich auf die Toilette begleiten?" Ich nickte und folgte ihr ins Badezimmer. Yoshifudo-san stellte sich vor den Spiegel und holte aus ihrem Handtäschchen ein kleines Schminkset heraus. "Was finden Sie an Seto Kaiba?" "Wie meinen Sie das?" Ihre Frage überrumpelte mich. Yoshifudo-san zog ihren Lidstrich nach und antwortete: "Sie wissen sicher, was die Leute über ihn denken." Ich wusste, was ich dachte, aber daran orientierte sich sicher nicht die Mehrheit. Weil ich nichts sagte, fuhr Yoshifudo-san einfach fort: "Dass er in so jungen Jahren die Firma seines Stiefvaters übernehmen konnte, hat für viel Aufsehen gesorgt. Die Gerüchteküche brodelt seitdem Gozaburo Kaiba einfach von der Bildfläche verschwunden ist." Wohl eher in den Cyberspace geflohen, aber das wusste natürlich niemand, der nicht auf dem Luftschiff gewesen war. "Sie wissen sicher", Yoshifudo-san steckte den Eyeliner zurück in die Tasche, "dass Ihr Verlobter ein Geschäft mit meinem Mann eingehen will. Und dass mein Mann sich nicht sicher ist, ob er jemandem wie Seto Kaiba vertrauen kann. Deshalb frage ich Sie, Jonouchi-san. Was für eine Art Geschäftsmann ist Ihr Verlobter?" "Mit seinen Geschäften kenne ich mich nicht so aus…aber ich weiß, dass ihm die Firma sehr wichtig ist." "Wichtiger als alles andere?" Ich überlegte. "Nein. Das stimmt nicht ganz. Sein Bruder ist ihm wichtiger. Seto macht zwar nicht den Eindruck, als sei er ein Familienmensch, aber wenn es um seinen Bruder geht, würde er alles tun…ich denke, deshalb legt er sich auch so ins Zeug und arbeitet pausenlos." Zum ersten Mal wurde mir diese Seite an ihm so richtig bewusst. Kaiba konnte kein so übler Kerl sein, wenn er sich so um seinen Bruder kümmerte…oder? "Ich verstehe. Sie Arme", lächelte Yoshifudo-san, "dann müssen Sie sich nicht nur gegen die Firma behaupten, sondern auch noch gegen den kleinen Bruder." "Was…? Achso", ich begann peinlich aufzulachen, "nein, das macht mir nichts. Gegen seine Arbeit stinke ich schon ab, da mache ich mir wegen seinem Bruder keine Gedanken." "Sie brauchen sich nicht schlecht reden, meine Liebe", sie zwinkerte mir zu, "an diesem Abend waren Sie die einzige, der er ein ehrliches Lächeln geschenkt hat." "Oh", ich lief rot an. Gott, jetzt würde ich doch nicht wegen sowas die Fassung verlieren?! Ich beschloss das Ganze mit einem Lächeln zu versiegeln und trat mit Yoshifudo-san den Rückweg an. "Ich habe die Wahrheit gesagt", entgegnete ich, "dass du deinen Bruder liebst…wahrscheinlich das einzig Gute an dir", das glaubte ich zwar nicht mehr, aber das musste Kaiba nicht wissen. Der Braunhaarige sah mich perplex an. "Nur das?" "Nur das", bestätigte ich. "Ich sagte doch, dass man mit Freundlichkeit weiter kommt. Und außerdem: was ist familiärer als Geschwisterliebe?!" "Hm", mehr sagte er dazu nicht. Das war auch nicht nötig, ich konnte mir denken, dass er das erstmal verdauen musste. "Danke", kam es dann doch von Seto Kaiba. Ich fragte mich, wie viele Menschen schon die >Ehre< hatten, dieses Wort aus seinem Mund hören zu dürfen. Ich war bestimmt in den Top Ten. "Bitte", erwiderte ich und lächelte. Tatsächlich freute ich mich, dass es mit dem Deal doch noch geklappt hatte und dass ich ein klitzekleines bisschen dazu beitragen durfte. "Bild dir nur nicht zu viel darauf ein, Jonouchi", grinste er mich schief an. "Und vergiss' nicht, dich zu Ende zu waschen. Da ist noch eine Stelle…" "Von wegen!" Ich schnappte mir den Duschkopf. "Ich bin schon ganz schrumpelig. Wasch' dich doch selber!" Eigentlich wollte ich ihm nur einen leichten Sprühregen verpassen. Aber ich hatte den Duschkopf in die falsche Richtung gedreht, dass ein dicker Strahl direkt auf Kaibas Oberkörper abprallte. "Ups", ich wich einen Schritt zurück, "Haha...E-entschuldigung." Kaiba wischte sich das Wasser aus dem Pony. Der Strahl hatte seine ganze obere Körperhälfte erwischt. Ich biss mir auf die Lippe. Kaibas Blick war zum Schießen. Wie ein bedröppelter Pudel! Der selbstgefällige Blick war auch verschwunden. "Deinetwegen werde ich zu spät in die Firma kommen", sagte er relativ gefasst. "Na dann", ich grinste schief, "wenn du sowieso zu spät kommst, kannst du doch deinen Pulli ausziehen und zu mir rüber kommen." Das war wieder einer der Momente, in denen ich nicht nachgedacht hatte. Kaiba würde sich eh nicht darauf einlassen. Er sah mich mit diesem seltsamen Blick an, aus dem ich einfach nicht schlau wurde. "Und dann?", fragte er mich. "Das ist dein Bad, such' du es dir aus." Kaiba zögerte, das war eindeutig. Aber er zog den Rollkragenpulli über den Kopf und klatschte das nasse Teil vor die Waschbecken. Ich riss die Augen auf. Okay, das hatte ich nicht erwartet und es machte mich verdammt nervös, dass er jetzt auf mich zukam, mich an die Fließen drückte und zu mir herunter schaute. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich ließ den Blick zu seinem Oberkörper schweifen. Schließlich war es das erste Mal, dass ich ihn so sah und irgendwie wollte ich den Moment auch auskosten. Was ich dann entdeckte, überforderte mich. Da waren Abdrücke, die ich nicht einordnen konnte. Dann mehrere Narben, die mir bekannt vorkamen; Brandnarben, die von ausgedrückten Zigarettenstummeln kommen mussten. Auf seinem rechten Oberarm befand sich auch eine Narbe, die genau einmal um seine Muskeln herum ging. Keine, die von klassischer physischer Gewalt kam. Damit kannte ich mich aus. Das hier war etwas anderes. Vielleicht ein Folterinstrument; ich wusste es nicht. Ich bekam eine Gänsehaut. Also deshalb hatte er sich nie ausziehen wollen. "Nicht anfassen", raunte er in mein Ohr, "und keine Fragen." "Ok", hauchte ich zurück, bevor mich seine Lippen in einen gierigen und intensiven Kuss verwickelten und mich alles andere vergessen ließen. Kapitel 22: ------------ "Steht die Verbindung, Honda-kun?" "Ich dachte, du hättest das Kabel geprüft, Jonouchi." "Hä, ich dachte du." "Ich hab doch-" "Leute", seufzte Yugi und hielt das Kabel in der Hand. Honda und ich kratzten uns an den Kopf und lachten wie blöde. Als wir endlich Internet hatten, tauchte auch schon Anzus Gesicht auf dem Bildschirm auf. Dahinter sah man Yugi, Honda und mich, wie wir uns vor die Kamera zwängten, etwas umständlich die Köpfe zusammensteckten und winkten. "Hallo, Leute", strahlte uns Anzu an. Nacheinander begrüßten wir unsere Freundin aus den Staaten. "Du siehst toll aus, Anzu", bemerkte ich als erste den fransigen Haarschnitt. Die Braunhaarige fasste sich durch die Haare und nickte. "Ich dachte, ich probier' mal was Neues. Und bei euch? Was läuft's in Domino?" Honda und ich plapperten sofort drauf los. Ich erzählte, dass ich bald genug Geld zusammengespart hätte und nächsten Monat damit anfangen könnte, eine eigene Wohnung zu suchen. Honda und ich hatten mit der Idee gespielt, eine gemeinsame Bude zu mieten. Geteilte Miete, Fertigramen und jeden Abend unser Lieblings-RPG zocken - ja, das klang nach einem Leben ganz nach meinem Geschmack. Yugi hielt sich im Hintergrund, meinte, er hätte nicht viel Spannendes zu erzählen, dabei wusste ich, dass er gerade mit Otogi an einem neuen Spiel tüftelte. Als nächstes quetschten wir Anzu aus. Ihr Leben hatte gefühlt eine hundertachtzig Grad Wendung durchlebt. "Die Tanzschule ist der Wahnsinn! Die Lehrer fordern einen richtig, dass man am Ende des Tages einfach nur ins Bett fallen will. Aber es macht auch richtig Spaß. Und der Job im Coffeeshop ist auch ganz schön irre, sag ich euch. Kein Vergleich zu den Domino-Cafés. Und neulich, da war…" Es war schön, Anzu so happy zu sehen. Nach den ganzen Tagen, an denen wir nur kurz miteinander gechattet hatten, tat es gut, ihre Stimme zu hören. Mittlerweile kam ich mit der Trennung zurecht. Anzu war ja nicht wirklich fort - eben nur etwas weiter weg, das wurde mir allmählich klar. Der Gedanke baute mich auf - uns alle. Auch wenn jeder anders damit umging. Zwei Stunden hockten wir in Yugis Zimmer, hörten Anzus spannenden Geschichten aus ihrem Leben in New York zu und tranken dabei Schokomilchshakes wie früher. Etwas wehmütig legten wir auf, als Anzu sich für ihren Teilzeitjob fertig machen musste, und auch Honda verabschiedete sich, um seine Schicht in der Werkstatt anzutreten. Ich blieb noch ein bisschen bei meinem besten Kumpel. Versuchte herauszuhören, wie es dem Bunthaarigen wirklich ging. Aber Yugi schien okay. Es ging ihm noch nicht super - aber >okay< war ein Anfang. "Und, Kazuha.? Wie lange läuft deine Wette noch?" Er zeigte auf mein Halsband. Nach achtundzwanzig Tagen merkte ich es kaum noch. Ich lächelte und streckte Zeige- und Mittelfinger aus. Ich wusste nicht, wie ich mich fühlen sollte, nachdem ich fast einen Monat Achterbahn gefahren war. Meine Gefühlswelt war aus den Fugen geraten. Und nicht nur das. Auf eine gewisse Weise war ich traurig, dass unser Deal endete. Schräg, oder? Scheinbar schlummerte doch eine abartige Seite in mir. Nicht, dass ich es vermissen würde, von Kaiba erniedrigt zu werden oder noch einmal Hausaufgaben aufgebrummt zu bekommen. Aber die Zeit an sich - die würde ich vermissen. Ich hatte so viele neue Seiten an Kaiba entdeckt (sicher, nicht alle waren jetzt so berauschend gewesen, aber das Gute hatte doch irgendwie überwogen) und ich wollte nicht, dass es nach dreißig Tagen einfach aufhörte. Vielleicht gab es eine Chance, dort weiterzumachen, wo wir jetzt standen. Die kleinen Schritte, mit denen wir uns angenähert hatten. Ich wollte noch ein bisschen weiter laufen, sehen, was passierte. Kaibas Nachricht kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Er hatte mir eine SMS geschickt, als Yugi und ich in Großvaters Laden standen und die neuen DuelMonsters-Packs bewunderten. In seiner Nachricht stand, dass er mich heute früher sehen wollte. Da ich eh nichts zu tun hatte, sagte ich auch sofort zu und lächelte in mich hinein. Ich steckte mein Smartphone zurück in die Tasche, kaufte ein Pack und verabschiedete mich von Yugi und seinem Großvater. Das Fahrrad geschnappt, radelte ich gemütlich zur Kaiba-Villa. Es war ein warmer Sommertag. Richtig heiß und schwül, dass ich heute meine Shorts trug, obwohl noch der ein oder andere Knutschfleck zu sehen war. Das war mir aber egal. Peinlich waren mir Kaibas >Lektionen< ohnehin nicht mehr. Sollten andere doch sehen, dass ich Spaß hatte…also, mal mehr, mal weniger Spaß. Ein Pinguin öffnete das Stahltor, ich grüßte, in dem ich mit dem Arm winkte und fuhr zum Haupteingang. Das war schon fast normal. Mal abgesehen von der Villa, die mir auch jetzt noch abartig groß vorkam. Ich meine: Kaiba und Mokuba lebten dort alleine! Das wollte mir bis heute einfach nicht in den Schädel. Durch den Flur lief ich direkt in mein Zimmer. Mit all den Sachen, die Kaiba aus meiner Wohnung geholt hatte, fühlte es sich wirklich wie mein eigenes Zimmer an. Darum machte es mir auch nichts, meine Klamotten einfach übers Bett zu verteilen oder die DuelDisc auf dem Nachtschrank ausgebreitet zu haben, auf der ich meine Karten zu einem Türmchen aufgebaut hatte. Nur Seto Kaiba, den hatte ich dort nicht abgestellt. Der Braunhaarige stand genau vor dem Nachtschrank, begutachtete seine eigene Technologie, bis er mich am Türrahmen bemerkte und seinen Fokus auf meine Augen lenkte. "Du weißt, dass dieses Teil teuer war?", fragte er mich und deutete auf meine DuelDisc, die nicht mehr ganz so stabil aussah. "Ja", antwortete ich, "und du weißt, dass ich mit diesem Teil fast abgefackelt worden wäre?" "Eigentlich ist die DuelDisc so konzipiert, dass sie jeder Wetterbedingung standhält." "Tja, dann hast du wohl vergessen, sie Götter-resistent zu machen." "Versuch dich nicht russzureden, Jonouchi", Kaiba verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte mich an. Okay, dieses Lächeln war nicht gefährlich. Er wollte mich also bloß ein wenig ärgern. Das war in Ordnung. So war halt unsere Kommunikation. "Wolltest du mich deshalb sehen? Weil du mir eine Standpauke halten willst?", fragte ich und kam in mein Zimmer. Kurz vor meinem Bett blieb ich stehen. Erst jetzt bemerkte ich die Sachen, die dort standen und nur von Kaiba dorthin gelegt worden sein konnten. "Nein", antwortete Kaiba und kam mir etwas entgegen. Er schien gemerkt zu haben, worauf ich starrte. Mein Gesicht musste Bände gesprochen haben. "Was hast du vor?", fragte ich ganz ruhig. Dabei ging in mir etwas ganz anderes ab. "Wonach sieht es denn aus?" "Das…das sind die Sachen aus unserem letzten Spiel." Naja, die Schnapsflasche wurde durch einen deutlich teureren Fusel ersetzt, aber der Rest passte. Da war mein Stoffbeutel, aus dem die schrägen Holzförmchen hervor lugten. Dabei hätte ich schwören können, dass Kaiba sie nach unserem Spiel einfach weggeschmissen hatte. Ich schluckte. "Was haben die hier zu suchen?" "Du wolltest doch eine Revanche." "Ja, aber das war, bevor ich dein Hündchen werden musste." "Spielt das eine Rolle?" Er fixierte mich ruhig. Wie konnte der Kerl nur so ruhig bleiben? "Jonouchi, ich weiß, dass du einmal in deinem Leben gegen mich gewinnen willst. Ich biete dir die Chance, es noch einmal zu versuchen. Wir machen es auch in deinem Zimmer. Damit du nicht sagen kannst, dass Isono oder ein Schlagloch dich um deinen Sieg gebracht haben." Meine Augen sahen zu dem Beutel. "Warum machst du das? Ich meine, du gibst mir doch nicht einfach so eine neue Chance. Was springt für dich dabei heraus?" "Die Bedingungen bleiben dieselben", antwortete Kaiba. Ich riss die Augen auf. "Wie-?!" Hatte ich mich verhört? "In zwei Tagen läuft unser Deal aus. Wenn ich gewinne, will ich den Einsatz um weitere dreißig Tage verlängern." Seine Worte flogen mir nur so um die Ohren. Ich musste mich zusammenreißen, nicht sofort auszuflippen. In mir brodelte es. Nicht nur vor Wut. Da waren so viele Gefühle, die ich noch nicht kapierte. Wut war da das einzige, das für mich Sinn ergab. Ich ballte die Hände zur Faust. Kaiba… "Also, was sagst du?", hörte ich Kaibas Stimme wie durch ein Rohr sprechen. "Wieso fragst du mich überhaupt?", entgegnete ich monoton, "noch sind die dreißig Tage nicht um. Ich muss doch eh machen, was du sagst." "Das wäre aber nicht fair, findest du nicht?" Ich grinste ihn schief an. "Ach ja?! Ich wusste nicht, dass du neuerdings fair spielst." Weil Kaiba nicht antwortete, setzte ich mich auf den Boden und seufzte. "Also gut. Spielen wir eine letzte Runde Wackelturm…aber nur unter einer Bedingung." "Und die wäre?" "Wenn ich gewinne, will ich, dass du mir endlich etwas Respekt erweist." "... einverstanden." Kapitel 23: ------------ Runde zwei - Revanche Duell. Warum?! Wieso hatte ich mich wieder darauf eingelassen? Kaiba und ich hockten auf dem Boden. Wie zwei Grundschüler, die sich nach der Schule verabredet hatten und ein bisschen abhängen wollten. Wir wussten es natürlich besser. Das war kein gemütliches Treffen unter Freunden. Unser Spiel war bitterer Ernst. Weil Seto Kaiba nie aus >Spaß< spielte, das hatte er damals deutlich gemacht, als wir um den dritten Platz im Battle-City-Turnier gekämpft hatten. Er hatte dieses Duell genauso ernst genommen wie unsere erste Partie Wackelturm - das war vor achtundzwanzig Tagen. Kaiba zog es nicht einmal in Erwägung, zu verlieren. Die Tatsache machte mich schon rasend. Sowohl damals als auch heute war ich für ihn kein ernstzunehmender Gegner. Nur deshalb hatte er meiner Bedingung zugestimmt. Ich war wütend. Auf Kaiba und auf mich. Weil wir ständig in unsere alten Muster verfielen. Allmählich hatte ich es satt, sinnlos auf der Stelle zu rudern. Ich schnappte mir ein volles Glas und kippte den Alkohol hinunter. Das Zeug schmeckte bitter - passender hätte es nicht sein können. Wahllos griff ich nach einem missratenen Baustein und platzierte ihn auf die beiden anderen. Dieser Wackelturm war wie die Beziehung zwischen Kaiba und mir. Holzklötzchen für Holzklötzchen stapelten wir aufeinander. Jeder Baustein eine Erinnerung, ein Erlebnis, das uns zusammenbrachte. Die Teile waren schief, der Turm war wacklig, nicht stabil genug, um wirklich etwas auszuhalten. Und diesen Turm hatte Kaiba einfach so kaputt gemacht. Er hatte mit den Füßen drauf getreten und wollte jetzt, dass wir wieder von vorne anfingen. "Du bist heute so still, Jonouchi", sagte Kaiba. "Ich dachte, du willst, dass ich meine Klappe halte." Ich goss ordentlich nach und leerte mein Glas in einem Zug. "War das nicht Teil deines Plans - mich >umzuerziehenrums< die Tür ins Schloss fallen. "Scheiße", knurrte es über mir. "Mokuba, warte!" Schon war der ältere Kaiba aufgesprungen und raus aus dem Zimmer geeilt. "Hey, Moment mal", ich zog an den Handschellen. Kaiba hatte mich doch tatsächlich vergessen. Das durfte doch nicht sein ernst sein! "Argh…. Kaiba! Ich bring' den Kerl noch um!" Wenigstens schaffte ich es, mir die Augenbinde aus dem Gesicht zu ziehen. Dabei musste ich wie eine Robbe ausgesehen haben, die auf dem Rücken liegend versuchte, sich von der Stelle zu bewegen. Na toll! Das war ja ein Klasse Start in den Tag. Wieder einmal. Seitdem Kaiba und ich mit unseren Spielchen angefangen hatten, gab es kaum einen Morgen, der wirklich befriedigend für mich geendet hatte (mal von den ein, zwei Ausnahmen abgesehen). Mit einem tiefen Seufzer sackte ich zurück aufs Bett. Armer Mokuba! Womöglich hatten wir dem Kleinen einen Schock fürs Leben verpasst. Der Jüngere war gerade mal zehn…oder elf…? Ich hatte eigentlich keine Ahnung, wie alt Mokuba war. Für mich blieb er immer der Junge, der auf Duelist Kingdom gefangen genommen worden war. Klein, hilflos und voll fixiert auf seinen großen Bruder. Ich starrte hinauf zur Decke und überlegte, wie Seto Kaiba so eine Situation wohl erklären würde. Egal, was ich mir zusammen sponn, es kam immer dasselbe heraus: Mokuba hatte Kaiba und mich in flagranti erwischt. Selbst ein Seto Kaiba konnte sich da nicht herausreden. Mir schoss die Farbe ins Gesicht. Wie sollte ich denn Mokuba jemals wieder in die Augen sehen können, ohne diese Szene dabei im Kopf zu haben?! Ich seufzte. Ein Geräusch im Flur ließ mich die Lauscher aufstellen. Die Tür ging auf und Kaiba kam zurück ins Zimmer. Er schaute mich mit diesem unverständlichen Blick an, dass ich die Augen aufriss und mit den Handschellen klimperte. Er kam auf mich zu und begann mich loszumachen. Na endlich! "Alles klar?", fragte ich, weil mir nichts besseres einfiel und ich mir doch ein wenig Sorgen um Mokuba machte. "Geht so", entgegnete er und setzte sich ans Bettende. "Er ist ein wenig…durcheinander. Wir haben nicht viel geredet, er war nicht ganz anwesend." "Soll ich gehen?" "Wieso?" "Na…ich weiß nicht. War nur so ein Gedanke. Wenn ihr lieber allein sein wollt..." Ich krabbelte ans andere Ende des Bettes und schnappte mir mein T-Shirt. "Nicht nötig", antwortete Kaiba, als hätte ich ihm einen ganz verrückten Plan erzählt. "Ich muss gleich in die Firma und Mokuba wird nachher auch zu tun haben." "Ist das deine Art, einem Gespräch aus dem Weg zu gehen?" "Mokuba und ich haben bereits alles besprochen. Ich denke nicht, dass es noch was bringt, weiter darauf rum zu reiten." "Wenn du meinst…" Warum musste ich auch fragen. In der Familie Kaiba wurde sicher nicht über Gefühle und Probleme geredet. Entweder wurde die Vergangenheit begraben oder das Problem einfach eliminiert. Was Mokuba betraf, wusste ich nicht, ob es für ihn nicht doch eine dritte Möglichkeit gäbe - aber bei dem Bruder… Ich beschäftige mich einfach weiter damit, meine Sachen aufzulesen. Auf der Suche nach meinen Shorts, wurde ich von Kaiba überrumpelt. Der Braunhaarige hatte seine Arme um meine Taille geschlungen, dass ich mit dem Rücken an seine Brust gepresst wurde. Seine Lippen legten sich gefährlich nahe an mein Ohr. Mittlerweile wusste ich, dass er meinen Schwachpunkt kannte und ganz gezielt einsetzte. "Nachher machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben", sagte er und ließ eine Hand unter mein Shirt gleiten. Gegen Kaibas Berührungen war ich machtlos. Was auch seine Hände mit mir anstellten, ich war ihnen hilflos ausgeliefert. "Hm", brachte ich hervor, während er an meinem Ohrläppchen zu knabbern begann, einmal beherzt zubiss, dass ich die Zähne in meine Unterlippe drückte. Gnadenlos und ohne Vorwarnung zog er sich zurück und richtete sich auf. "Bis später", sagte er, lächelte und verschwand hinter der Tür. Etwas unsicher saß ich auf dem Bett und rührte mich nicht. War Kaiba nur durcheinander oder hatte er mich gerade echt in seinem Zimmer stehen lassen? Ich drehte meinen Kopf - vielleicht käme er gleich wieder angesprungen. So nach dem Motto: raus mit dir, Hündchen. Ich kräuselte die Lippen. Kaiba hatte mir diese Hündchen-Sache so eingetrichtert, dass ich gar nicht mehr aus dem Vergleicheziehen rauskam. "Oh, Mann", stöhnte ich in meine beiden Handflächen und kletterte vom Bett. Meine Hose fand ich neben dem Schreibtisch. Kaiba hatte es gar nicht abwarten können, mir die Kleider auszuziehen, dass ich froh sein konnte, dass er sie nicht aus dem Fenster geworfen hatte. Schnell drüber ziehen und dann nichts wie raus. Das Klopfen brachte mich kurzerhand aus dem Konzept. Ich hatte gerade den Knopf meiner Shorts zubekommen, wollte eigentlich nur noch aus dem Zimmer, während dieses Klopfen langsam verebbte. "Äh…herein?" Was machte ich denn da?! Ich raufte mir durch die Haare. Vorsichtig ging die Tür auf. "Mokuba, du?", blinzelte ich zu dem jüngeren Kaiba, der zwischen dem Türspalt hervorlugte. Seine schwarzen Haare lagen noch zerstreuter als sonst, dass ich mich automatisch fragte, ob er sich wegen der Sache so oft die Haare gerauft hatte. "Darf ich reinkommen?", sprach Mokuba ganz leise. "Naja", ich kratzte mir an den Hinterkopf, "das ist doch das Zimmer deines Bruders…also schätze ich mal…ja." "Okay." Der Schwarzhaarige kam herein, sein Blick wich mir und dem Bett überdeutlich aus. Zielstrebig steuerte er den Schreibtisch an und sprang auf die Holzplatte. "Lange nicht mehr gesehen, Jonouchi." Mokuba ließ die Beine baumeln, starrte auf den Boden, wie ein Junge, der von seinen Eltern ausgeschimpft worden war. "Seit Ägypten nicht mehr", antwortete ich und plumpste zurück auf die Bettkante. "Wie ich hörte, bist du ziemlich beschäftigt gewesen." Jetzt schaute mich Mokuba zum ersten Mal an. Seine Wangen waren wie zwei rote Weihnachtskugeln. Eifrig nickte er und ließ den Kopf wieder hängen. "S-Seto meinte, ich sollte alleine die Eröffnung von Kaibaland leiten. Wir haben seit letzten Monate Pachtverträge für den halben asiatischen Markt erstanden…ein zweites Disneyland, nur geiler… Hab' mich schon gewundert, warum er das nicht selbst erledigen wollte…D-du bist…öfter hier?" "In letzter Zeit…" "Ich dachte immer, du und Seto - ihr könntet euch nicht ausstehen. Naja, zumindest war ich mir bei meinem Bruder sicher gewesen…Jonouchi, kannst du mich vielleicht netterweise mal aufklären?!" Mokuba legte die Hände auf den Schoß und spielte eine Runde Däumchendrehen. "Bist du jetzt öfter bei uns?" "Ähm, nein…also, ja, vielleicht…mal sehen-" "Mann, Jonouchi, da hab ich ja aus Seto mehr rausbekommen." Mokuba lachte auf. Na wenigstens sah er nicht mehr so traumatisiert aus. "Was hat dir dein Bruder denn gesagt?" Ich wollte wenigstens unsere Geschichten abgleichen. Nicht, dass ich einfach so mit der Tür ins Haus fiel. "Nicht viel", antwortete Mokuba, "aber es machte den Eindruck, als würde er jetzt Zeit mit dir verbringen wollen. Das hat mich doch echt überrascht. Fast genauso, wie euch zwei…also, nimm' mir das nicht krumm. Ich freu' mich sogar, dass Seto mal was anderes im Kopf hat als seine Arbeit. Ich muss mich nur erstmal an die Situation hier gewöhnen." "Versteh' ich…tut mir leid, dass wir dich so überrumpelt haben." "Äh nein, braucht es nicht. Ich war es ja, der…" "Schon gut", ich hob die Arme und lächelte. "Haken wir das Ganze einfach ab." "Alles klar." Mokuba schien richtig erleichtert. Sein Blick streifte mein Gesicht, bevor er sich im Zimmer seines Bruders umsah. "Weißt du, wie krass es ist, dass du in seinem Zimmer bist? Hier darf eigentlich nur ich und eine ausgewählte Reinigungskraft rein." "Ach naja, weißt du", lachte ich verlegen auf - Mann, war das peinlich…und dann auch noch vor Mokuba. Es hatte sich eher durch einen dummen Zufall so ergeben, dass Kaiba und ich in seinem Zimmer gelandet waren. Der letzte von dreißig Tagen hatte angestanden, Kaiba hatte es sich nicht nehmen lassen, noch einmal genüsslich das Herrchen raushängen zu lassen. Und - siehe da! - am Ende hockte ich vor Kaibas Tür, ganz das brave Hündchen und er nahm mir die Hundeleine (ja, die blöde Hundeleine!) ab. "Na dann", Mokuba sprang vom Schreibtisch auf, was auch für mich das Zeichen war, mich aufzurichten. "Dann hoffe ich, dass wir uns bald wiedersehen. Und diesmal vielleicht-" "Ja, na klar" funkte ich dazwischen, bevor aus Mokubas Ohren noch Dampf austreten würde. Puh, nochmal die Kurve gekriegt! Einmal frische Luft schnappen und dann den Rückweg antreten. Es war gerade einmal kurz vor sieben. Die Sonne stand noch recht tief, dass sie mir direkt ins Gesicht blendete. Ich kniff die Augen zusammen und tastete mich zur Toreinfahrt - dort, wo die Kerle mein Fahrrad abgestellt hatten. Mokuba hatte mich noch bis zur Tür gebracht, bevor er sich mit einem breiten Grinsen verabschiedet und mir ein lautes >bis bald< hinterher gerufen hatte. Aufs Fahrrad gestiegen, radelte ich auch schon los. Mit der Sonne, die wie ein Begleiter neben mir her wanderte. Meine Mundwinkel stellten sich auf. Ja, es würde ein guter Tag werden - das hatte ich im Gefühl. Die dreißig Tage waren um, ich hatte meine >Freiheit< zurück, die Welt stand mir offen und ich freute mich, was sie für mich bereithalten würde. Für mich hatten die Sommerferien offiziell erst jetzt begonnen. Zwar wusste ich noch immer nicht, was die Zukunft für mich bringen würde, aber ich war mir sicher, dass ich alles meistern würde. Schließlich war ich Kazuha Jonouchi, hatte mich blindlings in ein Spiel gestürzt, hatte - wieder einmal - geben Seto Kaiba verloren. War zwischen Himmel und Hölle gewandert und schließlich hier gelandet; mit wunden Schenkeln, aber einem Lächeln im Gesicht. Egal, was jetzt noch kommen würde, ich würde es anpacken. Denn ich war nicht alleine. Ich hatte meine Freunde, die immer an meiner Seite sein würden; und, wer weiß, vielleicht auch irgendwann… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)