Fremde in der Nacht von Charly89 (Where the streets have no name ...) ================================================================================ Kapitel 3: Bad End - Frustrierte Raubkatzen ------------------------------------------- Genieß es einfach, sagt sich John immer wieder selbst und bemüht sich zu ignorieren, was sein Körper in der Zwischenzeit veranstaltet. Vor allem, wenn sie sich an ihn schmiegt um der Masse an Passanten zu entgehen, scheint sich unter seiner Haut ein Eigenleben zu entwickeln. Von auffordernden Ziehen in der Hüftgegend über ein warmes Kribbeln im Magen bis hin zu bizarren Herzrhythmusstörung ist alles vertreten. Im Normalfall würde ihn, dass alles massiv stören, aber das Wissen, das der Abend gleich zu Ende ist, lässt ihn eigenartig gelassen mit alle dem umgehen. Inzwischen sind sie wieder am Eingang des Weihnachtsmarktes angekommen und bleiben stehen. „Wir sollten langsam zurück“, stellt Mia fest und man kann deutlich eine leichte Traurigkeit aus ihrer Stimme heraushören. Es sticht ihm kurz in die Magengrube, als er ihre Schwermut hört. „Nein“, antwortet der Leibwächter trocken und sieht die junge Frau nichtssagend an. Er lässt sie einen Moment zappeln und wartet bis er den leichten Abflug von Hoffnung in ihren Augen sieht und fügt dann hinzu, „Wir müssen.“ Genervt verdreht sie die Augen und boxt ihn in die Seite, muss aber dabei grinsen. Sie hakt sich wieder bei ihm ein und der letzte Gang kann starten. In stiller Eintracht machen sie sich auf den Weg zurück zum Firmengebäude. Während die Rushhour der Heimkehrer abebbt, beginnen die ersten Nachtschwärmer sich auf den Weg zu machen. „Es war schön“, flüstert Mia schließlich auf halber Strecke. Sie schmiegt sich an ihn und legt ihren Kopf kurz an seine Schulter. „Ja, das war es“, antwortet der Leibwächter. Ein Hauch von Schwermut schwingt in seiner Stimme mit. Der Abend wird gleich zu Ende sein und so sehr ihn das ganze bis hierher beruhigt hat, so sehr schürt es jetzt Melancholie. Eine schüchterne, unsichere Stille legt sich über die beiden und begleitet sie bis zum Hochhaus, vor dem die Autos stehen. Zeitgleich mit ihrem Eintreffen öffnet sich die Glastür und Mister Brown und sein Geschäftspartner kommen heraus. John strafft sofort seine Haltung und kann sich im letzten Moment davon abhalten, seinen Arm aus dem von der jungen Frau zu ziehen. Es wäre ihr gegenüber alles andere als fair. Trotzdem versteift sich seine Haltung ungewollt und zeigt deutlich sein Unbehagen. Ein tiefes Seufzen ist von Mia zu hören und sie zieht sich zurück. Ihr Arm verlässt seinen und sie bringt Abstand zwischen sie beide. Kaum, dass sie weg ist fehlt ihm ihre Wärme und ihr Geruch. Unsicher und überfordert fährt sich der Leibwächter durch die Haare. Seine dunklen Augen suchen ihre und er brummt eine Entschuldigung. Die junge Frau winkt zwar ab und will den Eindruck erwecken, dass es ihr egal ist, aber ihre Mimik spricht Bände. Sie ist gekränkt, ganz eindeutig. Sie ringt sich ein gequältes Lächeln ab und geht schnellen Schrittes zu ihrem Wagen. Während John mit zu seiner Limousine läuft, geht er ganz automatisch wieder in den Dienst-Modus. Seine Augen sondieren die Straße, den Fußweg, die Passanten und bleiben direkt an ihrem Rücken kleben. Wortlos und ohne sich umzudrehen steigt Mia in ihr Auto. Der Leibwächter schluckt ungewollt. Er spürt einen gewissen Frust hochkommen wegen ihrem Verhalten. Es sollte ihr doch klar gewesen sein, dass das hier kein Date war. Nur ein kleiner Zeitvertreib um die Wartedauer zu überbrücken. Mehr nicht. Es kann nicht, darf nicht, mehr sein. Vielleicht hätte er mit ihr darüber reden sollen? Es klarstellen sollen? Aber ihr hätte doch selber bewusst sein müssen, dass das hier chancenlos ist. Genau wie ihm selbst, wenn er so darüber nachdenkt. Und trotzdem hat er das gute Gefühl zugelassen, die kleine Fantasieblase … Er richtet seine Aufmerksamkeit auf seinen Chef um seine Gedanken zum Schweigen zu bringen. Dieser sieht ihn skeptisch mit hochgezogener Augenbraue an, wendet sich dann aber seinem Geschäftspartner zu. Die Männer schütteln sich die Hände und verabschieden sich. Der eine steigt in den Wagen der jungen Frau, welcher direkt startet und davonfährt; der andere bleibt neben der Limousine stehen und betrachtet seinen Chauffeur eingehend. Ungerührt öffnet John die Tür. Er könnte sich selbst ohrfeigen, wegen dem was er heute Abend getan hat. Er hätte das von Anfang an nicht tun sollen. Wieder einmal hat ihn die Realität mit aller Härte gezeigt, dass es keinen Sinn hat, sich mehr zu erhoffen. Nachdem sein Chef eingestiegen ist, schließt er die Tür und nimmt seinen angestammten Platz ein. Er startet den Wagen und bringt den Firmeneigentümer nach Hause. Inständig hofft er, dass die Fahrt ohne Konversation von statten geht, aber er kennt seinen Vorgesetzten und wird natürlich bestätigt. „Haben Sie der jungen Dame etwa zu viel versprochen?“, fragt der Firmeneigentümer nüchtern. Kurz zuckt ein amüsiertes Schmunzeln an Johns Mundwinkel. Junge Dame. Sie hätte dem Geschäftsführer sicher etwas gehustet, wenn sie das gehört hätte. Mia machte nicht den Eindruck, als würden ihr Hierarchien groß etwas bedeuten. „Sie kennen mich, Mister Brown, ich verspreche nie etwas, dass ich nicht auch halte“, antwortet er neutral. „Bedeutet also, Sie haben nichts versprochen?“, hakt der Chef nach und klingt gedankenverloren. Sein Blick geht zur Seitenscheibe hinaus und verliert sich der Betrachtung der glitzernden Stadt. Der Leibwächter nickt. „So ist es.“ Er konzentriert sich auf die Straße und den dichten Verkehr. Die restliche Fahrt verläuft schweigend, nur sanfter Jazz dringt aus den Lautsprechern. Am Gebäude, in dem sich das Penthouse des Firmeneigentümers befindet, angekommen, steigt John aus und kommt seiner Pflicht nach. Er öffnet die hintere Tür und wünscht seinem Chef noch einen schönen Abend. „Ihnen auch Cooper.“ Mister Brown läuft einige Schritte, bleibt dann aber stehen und dreht sich um. „Vielleicht hätten Sie diesmal etwas versprechen sollen“, gibt er mit einer leichten Enttäuschung in der Stimme von sich und verschwindet im Gebäude. Vielleicht, stimmt der Leibwächter gedanklich zu. Vielleicht hätte er aber auch einfach von Anfang an deutlicher sein, oder es einfach ganz lassen sollen. Er fährt die Limousine in die Tiefgarage die zum Hochhaus gehört und stellt sie dort ab. Auf dem Stellplatz daneben steht sein Motorrad, wie immer. John nimmt seine Jacke aus dem Kofferraum der Autos und legt dafür sein Jackett hinein. Die dicke Überziehhose betrachtet er einige Momente, entscheidet sich dann aber dagegen. Ja, es ist kalt, aber muss ja nicht weit fahren. Er tauscht nur noch die Schuhe und geht anschließend zu seinem Bike. Er nimmt den Helm von der Sitzbank und setzt ihn auf. Bevor er die Maschine anlässt atmet er tief durch. Die Situation mit Mia heute geht im doch ziemlich nahe. Er hätte sich etwas mehr Verständnis von ihr gewünscht. Er war nun mal im Dienst und ein solches Verhalten gehörte sich nicht vor den Augen des Vorgesetzten. Es spielt für ihn auch keine Rolle, dass Mister Brown mit Sicherheit darauf spekuliert hat, dass er mit der jungen Frau die „zur freien Verfügung stehenden“ Stunden bei einem Kaffee oder ähnlichem verbringt. Ihn würde es nicht mal wundern, wenn er sogar damit gerechnet hat, dass er diese Zeit intim mit ihr nutzen würde. Der Leibwächter seufzt und startet das Biest. Laut und fauchend springt die Ducati an, es klingt wie das Brüllen einer mechanischen Raubkatze. Gänsehaut huscht über Johns Haut und er lächelt. Er spielt kurz mit dem Gas und fährt schließlich los. Sicher und geschmeidig bewegt John die V4 durch den Großstadtverkehr. Völlig unerwartet fällt sein Blick auf ein Auto das in einer Parktasche vor einem kleinen, unscheinbaren Pub steht. Abrupt bremst er ab und wechselt die Spur. Er lenkt sein Motorrad auf den Fußweg, bleibt vor dem Wagen stehen und betrachtet ihn. Marke, Modell, Kennzeichen; es besteht kein Zweifel. Seine dunklen Augen wandern zu dem Lokal. Unruhe überkommt ihn. Sie ist bestimmt hier. Er könnte hineingehen und die Situation von vorhin erklären, bereinigen. Gleichzeitig würde er damit eine Tür öffnen, von der er sich nicht sicher ist, dass sie geöffnet werden sollte. Dieser zweite Anlauf hätte ein offenes Ende und allerlei Möglichkeiten. Es könnte vielleicht noch viel schlimmer schiefgehen wie vorhin. Dennoch. Er hat er den dringenden Wunsch sich zu erklären. Die Idee, dass sie schlecht über ihn denken könnte, nagt gehörig an seinem Ego, auch wenn er nicht versteht warum. Plötzlich geht die Tür des Pubs auf und die junge Frau kommt heraus. In einem unerklärlichen Anflug von Ertappt sein fährt John los. Einige Meter weiter bleibt er erneut stehen. Er schüttelt den Kopf über sich selbst. Sein Verhalten ist kindisch und albern. Einerseits will er sich erklären, andererseits fährt er davon. Er blickt über seine Schulter und beobachtet was sich da an dem Wagen abspielt. Mia ist an ihr Auto gelehnt und unterhält sich mit einem Mann. Der Unbekannte steht mit dem Rücken zu dem Leibwächter, wodurch er sein Gesicht nicht sehen kann. Irgendetwas an dem Kerl beunruhigt John. Er kommt ihm irgendwie bekannt vor, ohne das er sagen könnte woher. Die Art wie er der jungen Frau gegenübersteht ist außerdem recht merkwürdig. Autoritär, territorial und kalt nach außen. Die Ausstrahlung des Typen sorgt dafür, dass die Passanten alle einen Bogen um die beiden machen. Gleichzeitig wirkt er Mia gegenüber sanft und wohlwollend. Und diese scheint ihm ähnlich gesonnen. Zumindest lächelt sie ihn warm an und ihre Körpersprache zeigt sogar deutlich, dass es bereits eine gewisse Nähe zwischen ihnen gibt. Als sie den Unbekannten umarmt und sich an ihn schmiegt, dreht der Leibwächter den Kopf weg. Offenbar hat sie sich recht schnell getröstet. Und er Idiot hat sich Gedanken gemacht! Er reißt ruppig am Gashahn und lässt das Motorrad seinen eigenen Frust hinaus brüllen. Mit durchdrehendem Hinterrad brettert er in die Nacht davon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)