Im Dunkeln der Nacht von Charly89 (Mystery Spell) ================================================================================ Kapitel 26: Konfrontation ------------------------- Der Übergang in die Traum-, oder wohl eher, Zwischenwelt fühlt sich schrecklich an. Es tut nicht weh, aber ist extrem unangenehm. Die junge Frau spürt, wie sich ihr Geist, ihre Seele sich aus ihrem Körper löst, Stück für Stück. Obwohl sie nicht mehr mit ihrer Hülle und den dortigen Nerven verbunden ist, setzt ein intensives Kribbeln ein. Gleichzeitig scheint irgendetwas Druck auf sie auszuüben. Von allen Seiten. Als würde sie die Dunkelheit komprimieren und zusammenpressen wollen, bis nichts mehr von ihr übrig ist. Zum Glück hat sie sonst geschlafen, wenn das passiert ist. Hätte sie das jedes Mal bewusst mitbekommen, wäre sie verrückt geworden. Mental versucht sie auf das vorzubereiten was jetzt gleich kommt; der Wald, der Wolf, die Jagd. Ludwig, korrigiert sie sich selbst. Vielleicht hilft ihr das, vielleicht kann sie ihn zur Vernunft bringen … Allerdings hängt er womöglich bereits seit Jahrhunderten in seiner Rachevorstellung fest, es wird wahrscheinlich schwierig werden, ihn davon abzubringen. Auch wenn sie versucht, es zu verdrängen, hat sie doch die Hoffnung, dass Sebastian es trotz seines Zustands schafft, eine erneute Verbindung zu ihr aufzubauen. Seine Gegenwart wäre eine wirkliche Hilfe. Die Finsternis um sie herum wird langsam weicher und durchsichtiger. Sie erkennt einen Wald, aber es ist nicht der, den sie erwartet hat. Die Bäume sind merkwürdig verzerrt, der Gestank von Verbranntem liegt in der Luft. Es kribbelt in ihrem Nacken, sie erkennt die Umgebung wieder, aber nicht unbedingt aus dem dazugehörigen Traum. Außerdem fühlt sich ihre Gegenwart diesmal anders an. Sie scheint kein Teil hiervon zu sein, eher Zuschauer. Ein Schrei lässt die junge Frau herumfahren. Wenige Meter von ihr entfernt steht ein Mädchen, vielleicht um die zehn Jahre alt. Sie trägt ein Hemd, das nicht ihr gehört und hat die Arme um sich geschlungen. Das Kind weint und schluchzt. Langsam geht Emma auf das Mädchen zu. Irgendwo in ihrem Hinterkopf erinnert sie sich, aber sie bekommt es einfach nicht zusammen. Ein lautes Heulen durchschneidet die Szene und das Kind schreckt hoch. Jetzt wo sie das Gesicht sieht, läuft es der Studentin kalt den Rücken hinunter. Das ist sie selbst! Diese plötzliche Erkenntnis zwingt sie in die Knie. Zittrig legt sie ihre Hand über ihren Mund um einen Schrei zu verhindern. Das Kind scheint die junge Frau nicht zu sehen. Sein Blick geht durch sie hindurch und fixiert etwas in der Ferne. Die Studentin dreht langsam den Kopf und sieht ein Autowrack, welches lichterloh brennt. Und eine große Gestalt, die auf sie zu kommt. Groß, schwarz, mit stechenden gelben Augen. Der leicht grüne Schimmer, der das Wesen umgibt, macht deutlich, dass es ein Seelenfragment ist. Doch bevor sie richtig versteht, was los ist, oder war, reißt sie etwas aus der Szene. Wie ein mächtiger Sturm fegt es über das Bild und vernichtet es.   Sie ist im Wald, in dem Wald – einfach so, von jetzt auf gleich. Der Vollmond taucht alles in fahles Licht, es ist kalt und sie zittert. Ihr Puls beschleunigt sich mit jedem Atemzug. Ihre Pupillen weiten sich, vor Angst. Sie hört und sieht ihn nicht, aber sie spürt ihn. Diese aggressive Dominanz, diese rohe Brutalität – es streift durch die Luft und lässt sie schwer und unerträglich werden. Doch unter diesem animalischen, wütenden Sein, spürt sie noch etwas Anderes. Verzweiflung und … Trauer. Sebastians Worte fallen ihr wieder ein. „Du darfst dich nicht fürchten. Du musst dich ihm stellen.“ Leichter gesagt, als getan. Weißes Mondlicht flutet durch das ausgedünnte Blätterdach, erleuchtet die Lichtung auf der sie steht. Der Wald scheint tief Luft zu holen und dann … Wie eine ungezügelte Naturgewalt bricht das Biest durch das dichte Unterholz, springt ihr mit aller Kraft entgegen. Die Bäume halten den Atem an. Unheimliche Stille legt sich über das Bild. Einen Moment scheint die Zeit zu gefrieren – das Biest im Sprung erstarrt, die Frau mit schreckgeweiteten Augen und einem stummen Schrei auf den Lippen. Seine Augen glühen und brennen sich in ihre. Mächtige Kiefer öffnen sich, im Licht des Mondes blitzen seine Zähne auf. Er grollt, laut und erbarmungslos. Angst und Panik fluten Emma. Ihre Muskeln spannen sich an, bereit zu flüchten. Nein! Sie darf nicht weglaufen, sie muss es aushalten! „Du darfst dich nicht fürchten. Du musst dich ihm stellen.“ Wie ein Mantra flüstert sie es stumm vor sich hin … und betet, dass Sebastian recht hat. Die Zeit setzt wieder ein, lässt das Bild weiterlaufen. Angst beschleunigt ihre Reflexe und sie schafft es ihm auszuweichen. Sein Fell streift ihre Wange, sie kann sogar die Bewegungen der Muskeln darunter spüren. Und die Wärme die sein Körper ausstrahlt. Der Wald atmet aus, als das Tier mit Wucht wieder auf dem Boden aufkommt. Zittrig und nervlich am Ende dreht sich die junge Frau um. Sie darf nicht weglaufen! Sie muss sich ihm stellen um … um … Ja, um was? Ihn dazu zubringen aufzuhören? Zu vergeben? Ihn … töten, oder ins Jenseits schicken? Was um Himmelswillen macht sie nun?! Ihre Augen beobachten das Tier, welches sich im Moment auf allen Vieren befindet und sich zu ihr umzudrehen scheint. Als es ihr zugewandt ist, fixieren seine gelben Augen sie. Ganz langsam, als wolle er ihr etwas demonstrieren, richtet sich der Wolf auf. Der Werwolf, wie man jetzt deutlich erkennt. Er steht auf den Hinterbeinen, der Rücke gerade aufgerichtet, die Hände zu Fäusten geballt. Seine Ohren legen sich nach hinten und er fletscht die Zähne. Der Anblick verschlägt ihr die Sprache. Das Tier, der Werwolf, Ludwig; überragt sie mehrere Köpfe. Er ist bestimmt zwei Meter groß und trotz Fell erkennt man deutlich die kräftigen Muskeln. Hätte sie nicht so große Angst, würde sie diesen Anblick bestimmt faszinierend finden. Der Werwolf knurrt bedrohlich und lässt seine Kiefer aufeinander krachen. Und nun?! Sie hat ihn herausgefordert, weiß aber nicht, was sie nun tun soll, oder muss. Weil ihr einfach nichts einfallen will, beschließt sie, ihn mit ihrem Wissen zu konfrontieren. „Ich weiß, wer du bist“, flüstert sie. Das Tier zieht die Stirn in Falten und scheint verwirrt. Verunsichert weicht es leicht zurück und schüttelt den Kopf. „Ich weiß, dass du Ludwig bist“, präzisiert sie ihre Aussage. „Und, ich weiß, welches Unrecht dir angetan wurde.“ Hoffentlich kann sie zu ihm durchdringen und ihn irgendwie zur Vernunft bringen. Der Werwolf zieht die Lefzen hoch und knurrt. Er geht auf die junge Frau zu, bedrohlich und aggressiv. Abwehrend hebt sie die Hände und geht rückwärts. „Bitte, ich … Ich … Es ist doch nicht meine Schuld“, fleht sie ängstlich. Ludwig geht weiter unbeirrt auf sie zu und seine gelben Augen lodern regelrecht. „Warum tust du mir das an?!“, brüllt sie plötzlich und der Werwolf bleibt abrupt stehen. Der Ausdruck in seinem Gesicht verwirrt sie zu tiefst. Er wirkt erschrocken und betroffen. Was geht hier vor? Hinter ihr raschelt es und ein Knurren ist zu hören. Sie dreht sich um und ein schwarzer Wolf kommt aus dem Unterholz. Sebastian! Er hat es geschafft! Ruhig und bedacht läuft er über die Lichtung und geht zu Emma. Sie streckt ihm die Hände entgegen und er reibt seinen Kopf dagegen. Die Situation hat etwas Unwirkliches, wenn sie so darüber nachdenkt. Sebastian scheint entspannt, trotz der Anwesenheit von … Ruckartig dreht sie sich um. Ludwig steht da, mit eingezogenen Kopf und scheint verlegen. Er brummt und fiept. Unsicher sieht er auf und mustert die Frau. Professor Jones beginnt seinerseits zu brummen. Ungläubig sieht die Studentin zwischen den beiden Wölfen hin und her. Diese scheinen … miteinander zu sprechen? Was geschieht hier? Plötzlich ändert sich die Atmosphäre und sie spürt wie sich Sebastian unter ihren Fingern anspannt. Sie sieht zu Ludwig und dieser scheint auch extrem unruhig. Die Luft lädt sich regelrecht auf und plötzlich … „Du hast alles ruiniert!“, keift eine Frauenstimme wütend. Verwirrt beobachtet die Studentin, wie eine Frau die Lichtung betritt. Die Frau aus ihrem anderen Traum; Nicolaes Verlobte. Was macht sie denn hier? „Du … was machst du hier?“ Sie hat doch gesagt, dass sie eigentlich nicht da sein dürfte, und die Verbindung war immer so … so schwach. Wie kann es da sein, dass sie jetzt auch hier ist?! „Es hätte alles wunderbar funktionieren können!“, murrt die Frau und verzieht das Gesicht. „Aber erst musstest du dich einmischen“, ihr wütender Blick geht zu Ludwig, der einige Schritte zurückweicht. „Und dann auch noch du!“, donnert sie in Sebastians Richtung, der mit einem aggressiven Knurren antwortet. „Hätte ich das gewusst, hätte ich nicht versucht dich zu retten“, faucht sie vorwurfsvoll. „Wovon redest du?!“ Die Gedanken der jungen Frau überschlagen sich. Sie versucht zu verstehen was hier passiert, aber es ergibt einfach keinen Sinn. Scheinbar ist aber nicht Ludwig die Bedrohung, zumindest sieht das Sebastian so, denn er stellt sich vor sie, als wolle er sie vor der Frau schützen und nicht vor dem Werwolf. „Ich wollte das er wieder glücklich wird“, rechtfertigt sich Nicolaes Verlobte und seufzt. „Mit mir. Dir.“ Sie sieht die Studentin an. „Mir?“, fragt sie ungläubig und reißt die Augen auf. Was meint sie damit? „Ja. Du und ich, wir sind gleich. Du bist eigentlich ich“, erklärt die verlorene Seele in einem eigenartigen Ton, der nichts Gutes vermuten lässt. „Was?!“, schreit die Studentin entsetzt. Das ist doch nicht möglich, oder? Ist sie die Reinkarnation von Nicolaes Verlobten? Obwohl ihre Seel noch in der Zwischenwelt ist? Wie geht das? „Du bist meine Wiedergeburt. Ich habe schon so lange auf dich gewartet“, säuselt die Frau lieblich. „Ich wollte, dass du Nicolae wieder glücklich machst, wo er schon seit Jahrhunderten unter meinem Tod leidet.“ Diese Wendung der Geschehnisse hämmert durch Emmas Gedanken und dann begreift sie endlich. „Du, du warst es von Anfang an?“, stellt sie mehr fest, wie sie wirklich fragt. „Ja, ich habe mich bei dir eingeschlichen um dafür zu sorgen, dass du möglichst attraktiv für ihn wirst.“ Das Lächeln der verlorenen Seele verzerrt sich zusehends zu einer dämonenhaften Fratze. Das ist nicht ihr ernst, oder?! Oder?! Doch die leuchtenden Augen des Seelenfragments sprechen eine deutliche Sprache. Die Wut packt sie. „Ihn?!“, keift sie außer sich. „Er ist nicht der einzige im Haus! Du hast mich den Bartholys zum Fraß vorgeworfen! Das hätte tödlich für mich enden können!“ „Ich … das war nicht beabsichtigt“, stellt Nicolaes Verlobte etwas betreten fest. „Ich dachte nicht, dass die anderen zwei auch darauf anspringen.“ „Aber aufhören stand wohl nicht zur Debatte?!“ Spätestens als sie gemerkt hat, dass Drogo und Peter offenbar auch darauf reagieren, hätte sie doch stoppen müssen. Ist ihr die Gefahr, der sie sie ausgesetzt hat überhaupt nicht bewusst, oder ist es ihr womöglich egal? „Nein. Ich liebe Nicolae, ich will, dass er wieder glücklich wird!“, faucht die verlorene Seele. Langsam weicht das bezaubernde Äußere und der Wahnsinn scheint immer mehr in den Vordergrund zu rücken. Sebastian tritt der verlorenen Seele entgegen, legt die Ohren an und knurrt. Offensichtlich ist diese Frau zu allem bereit, um ihren Plan in die Tat umzusetzen, egal was sie damit anrichtet. Allerdings stellt sich der Studentin nun eine andere Frage. „Warum hast du mir dann geholfen? Warum hast du versucht, Sebastian zu retten?“ Irgendwie erschließt sich ihr gerade der Sinn hinter diesem Handeln nicht. „Er … er ist unschuldig. So wie Ludwig es war. Sie … sie sind gleich“, flüstert und scheint von ihren eigenen Emotionen durcheinander. Einen Moment scheint das Gute wieder durchzuschimmern. Einen Augenblick scheint die Person von früher wieder die Oberhand zu gewinnen. „Ludwig …“ Emma dreht den Kopf und betrachtet den Werwolf. Seine gelben Augen ruhen auf ihr und sie sieht darin … Liebe? Sie sind gleich … er und Sebastian sind gleich. Das bedeutet …? „Er wollte mich auch beschützten?“ Die Erkenntnis, und die, dass sich die Geschichte von damals beinahe wiederholt hätte, bilden einen Kloß in ihrem Hals. „Ja, er hat eine Verbindung zu dir, die wohl schon länger besteht. Er hat dadurch gemerkt, was ich mache und sich eingemischt.“ Die Art, wie das Seelenfragment diese Aussage verächtlich ausgespuckt hat, dreht der jungen Frau beinahe den Magen um. Scheinbar hat die dämonenhafte Seite wieder die Oberhand gewonnen. Nicolae meinte, dass Ludwig in seine Verlobte verliebt war … Wenn sie ihre Reinkarnation ist, würde es erklären, warum er ihr helfen wollte … und warum er sie mit diesem liebevollen Ausdruck ansieht. „Aber … Er hat mir Angst gemacht …“, flüstert sie, ohne den Blick von ihm abzuwenden, in der Hoffnung, ihn zu verstehen – auch ohne menschliche Worte. Warum hat er das gemacht? Die verlorene Seele lacht verächtlich. „Damit du aufwachst. Ich habe nur Zugang zu dir, wenn du schläfst.“ Unbändiger Zorn packt die Studentin. Diese Frau ist ein Dämon! Sie hat sie benutzt, in tödliche Gefahr gebracht und nun macht sie sich über den Mann lustig, der sie geliebt hat. Davon, dass sie der Auslöser für den Konflikt zwischen den Bartholys und Professor Jones ist, ganz zu schweigen! Ohne ihr Einmischen, wäre nichts von all dem passiert. „Du wirst damit aufhören!“, brüllt sie ihr entgegen. „Ich werde erst aufhören, wenn Nicolae wieder glücklich ist“, kreischt das Seelenfragment und ein Sturm bricht los. Die Blätter der Bäume rascheln, Äste fallen krachend zu Boden. Der Wind scheint sich zu materialisieren und Konturen anzunehmen. Er umkreist die verlorene Seele und zerreißt es förmlich, gleichzeitig kommt etwas unter dem ursprünglichen Äußeren zum Vorschein. Eine dunkle, groteske Gestalt – die nichts mehr Menschliches an sich hat. Sebastian knurrt und prescht vorwärts. Mit unfassbarer Wucht stürzt er sich auf das Ding. Ein Kampf entbrennt; laut, tosend und mit aller Brutalität. Emma rutscht das Herz in die Hose. Auch wenn das hier nicht die reale Welt ist, ist Professor Jones geschwächt. Die Verbindung aufzubauen und zu halten wird ihn zusätzlich Energie kosten … Panisch sieht sie dabei zu, wie dieses dämonenhafte Wesen die Oberhand gewinnt und den Wolf verletzt und in die Knie zwingt. Ruckartig dreht sie sich um und sieht zu Ludwig. Unschlüssig steht er da, die innere Zerrissenheit spiegelt sich in seinen Augen, während er den Kampf beobachtet. Seine Muskeln zucken und er beginnt verzweifelt zu winseln. „Du musst ihm helfen“, fleht sie ihn an. „Bitte! Du wolltest mir helfen, dafür musst du ihm helfen! Das muss aufhören! Ludwig! Bitte!“, brüllt sie heiser und Tränen der Verzweiflung laufen über ihre Wangen. Der Werwolf richtet seinen entrückten Blick auf die junge Frau. Seine Augen klären sich plötzlich und er stürzt los. Mit aller Kraft reißt er das Wesen von Sebastian los. Wütend grollt das Ding und stürzt sich auf Ludwig. Die beiden Wesen verbeißen sich in einander und plötzlich setzt wieder dieser merkwürdige Sturm ein. Er umkreist die Kämpfer und hüllt sie ein. Ein grelles Licht dringt aus dem Inneren der Kugel die der Wind gebildet hat. Emma rennt los und stürzt zu Sebastian, der am Boden liegt. Tränen lassen ihre Sicht verschwimmen und ohne Vorwarnung wird alles gleißend hell … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)