Im Dunkeln der Nacht von Charly89 (Mystery Spell) ================================================================================ Kapitel 24: Ungebetener Gast ---------------------------- Irgendetwas dringt langsam in ihr Bewusstsein ein. Eine Stimme, wie sie nach mehreren Augenblicken merkt; sogar mehrere. Sie versteht nicht, was gesprochen wird; es klingt wie Gemurmel oder wie eine fremde Sprache. Emma zwingt sich die Augen zu öffnen. Das Licht um sie herum ist gedämpft und taucht ihre Umgebung in Zwielicht. Sie erkennt nicht wirklich wo sie ist, alles ist unscharf. „Sie ist wach“, tönt es überrascht von der Seite. Sie kennt die Stimme, kann sie aber nicht zuordnen für den Moment. Ihre Sicht wird allmählich klarer und sie erkennt eine Zimmerdecke. Ihre Zimmerdecke um genau zu sein. Sie runzelt verdutzt die Stirn; wie ist sie ins Herrenhaus gekommen und wann? „Wie fühlst du dich?“, wird leise gefragt. Das Kindermädchen spürt, wie sich jemand neben sie setzt und sie dreht den Kopf leicht. Nicolae betrachtet sie sichtlich besorgt und der Anblick sticht ihr ins Herz, ob sie will oder nicht. Sie würde gern antworten, aber ihr Mund und ihr Hals sind furchtbar trocken. Nachdem der zweite Versuch etwas zu sagen auch fehlschlägt, müht sich wenigstens ein Lächeln ab. Die Tür öffnet sich und Nicolae wendet sich um und bedankt sich. Zu gern würde sie sich aufsetzen um zu sehen, wer da ist, aber sie fühlt sich zu schwach. Und unfassbar warm, regelrecht fiebrig. Die hinzugekommene Person reicht dem Familienoberhaupt ein Glas Wasser und scheint um das Bett herum zu laufen. Die junge Frau dreht den Kopf und erkennt Peter, der den gleichen besorgten Gesichtsausdruck hat wie Nicolae. Wieder zieht es ihr Herz zusammen. Dass sie den Brüdern solche Sorgen bereitet tut ihr weh, noch dazu, wo sie so viel Ärger gemacht hat in letzter Zeit. „Du musst etwas trinken“, erklärt Peter und umfasst sanft ihren Arm und schiebt die andere Hand vorsichtig unter ihren Rücken. Behutsam richtet er sie auf. Nicolae reicht ihr das Glas, hält es aber zur Sicherheit weiter fest. Sie ist dankbar dafür, denn selbst das heben ihres Arms, fällt ihr unsagbar schwer. Das Glas würde ihr sonst wahrscheinlich direkt zwischen den Fingern hindurch gleiten. Sie trinkt und fühlt viel zu deutlich, wie die Flüssigkeit ihre Kehle und anschließend ihre Speiseröhre hinunterläuft. Es schaudert sie und ihr wird bewusst, dass ihr Rücken nass ist. Sie ist durchgeschwitzt und beginnt zu frösteln, jetzt wo sie nicht mehr komplett unter der Decke ist. Durch das Wasser scheint aber endlich ihre Stimme wieder zu funktionieren. „Was ist passiert?“, fragt sie schwach. „Wir haben dich außerhalb von Mystery Spell eingesammelt. Du warst nicht ansprechbar und völlig weggetreten“, beginnt Nicolae zu erklären, während er das Glas auf den Nachttisch stellt. „Kaum zu Hause, hast du angefangen zu fiebern. Ich bin ehrlich nicht sicher, ob das … eine normale Ursache hat.“ Außerhalb von Mystery Spell? Nicht ansprechbar? Sie ist verwirrt von der Erklärung, kann sich aber auch nicht wirklich erinnern. „Keine normale Ursache?“, wispert sie. Peter lässt sie langsam wieder auf das Bett sinken und deckt sie zu. „Du musst dich ausruhen, das wird schon wieder.“ Sie ist zu schwach um etwas zu erwidern oder zu sagen. Kaum wieder unter der Decke, spürt sie wie sich die Hitze wieder ihrer bemächtig. „Keine Sorge, einer von uns wird immer hier sein, falls etwas ist.“ Nicolae steht auf und wechselt einen Blick mit Peter. Erschöpft fallen Emma die Augen wieder zu. Die Stimmen der beiden Männer werden wieder zu undeutlichem Gemurmel und sie dämmert weg.   Es ist dunkel um sie herum, es ist offensichtlich Nacht inzwischen. Irgendetwas hat die Studentin geweckt, so fühlt es sich zumindest an. Als wäre sie gerade unsanft aus dem Schlaf gerissen worden. Doch von was? Ein Alptraum? Nein, wenn sie aus ihren Träumen erwacht, fühlt sich das anders an. Plötzlich hört sie aus der unteren Etage Gepolter und laute wütende Stimmen. Glas zerbricht. Ein dumpfer Schlag. Panisch versucht Emma ihre Kräfte zu sammeln und sich aufzurichten. Mehr schlecht als recht gelingt ihr das auch. Sie fühlt sich immer noch schwach und ausgelaugt, aber das Fieber scheint nachgelassen zu haben. Wütendes Fluchen ist zu hören, Holz das zerbricht und dann, ein lautes urtümliches Knurren. Sie erkennt es; das ist Professor Jones, oder besser: die tierische Form von ihm. Er ist hier?! Im Herrenhaus?! Ist er lebensmüde?! Die Brüder werden ihn töten, einfach so, weil er ist, was er ist. Nein! Das kann sie nicht zu lassen, sie muss ihm helfen. Sie muss die Bartholys davon überzeugen, dass er keine Gefahr ist – weder für die Familie, noch für sie. Die Angst treibt plötzlich Adrenalin durch ihren Körper und scheint ihre letzten Reserven zu aktivieren. Die junge Frau schlägt die Decke beiseite und steht auf. Ihr Stand fühlt sich alles andere als sicher an, aber das ist ihr egal. Ein neuerliches Knurren, dass das Haus förmlich beben lässt ertönt, gefolgt von lauten Rufen, Glas und Holz das zu zerbersten scheint. Unsicher läuft die Studentin los, stützt sich dabei an der Wand ab. Mit wild klopfenden Herzen öffnet sie die Tür. „Schneide ihm den Weg ab!“, donnert es aus dem Erdgeschoss. Das Kindermädchen schaudert. Sie hat Nicolae noch nie derart hasserfüllt gehört. Ihre Angst wird von Sekunde zu Sekunde größer. Wenn sie sie nicht davon abhält, wird es in einer Katastrophe enden. Es knurrt und rumpelt – scheinbar wird gekämpft. Ein Schmerzschrei ist zu hören. War … war das Drogo? Panik flutet sie, als ihr bewusstwird, das nicht nur Sebastian in Gefahr schwebt. Er stellt im Gegenzug auch eine Gefahr für die Bartholys da; auch wenn sie in der Überzahl sind. Ihr dämmert langsam, wie sehr sie zwischen die Fronten geraten ist, ohne es zu wollen. Angst und Sorge verbeißen sich in einander und lassen sich nicht mehr trennen. Diese eigenartige Gefühlsfusion beherrscht ihren Geist und schaltet alles andere einfach ab. Sie steht im Flur vor ihrem Zimmer und kann sich nicht rühren. Wenn, wer auch immer, heute Nacht hier stirbt, wird sie sich das nie verzeihen. Sie will keinen verlieren! Nicht wieder! Doch ihre Füße wollen einfach nicht gehorchen, sie steht wie angewurzelt da. Tränen laufen über ihre Wangen; vor Wut, Verzweiflung und Angst. Ohne Vorwarnung schießt ihr ein kalter Blitz in die Schläfe und lässt sie keuchend auf die Knie fallen. „Der Erste wird der Falsche sein! Du musst verhindern, dass sie ihn töten, es wird sonst ein schlechtes Ende nehmen!“, fiept es in ihrem Ohr; so hoch und schrill, dass es fürchterlich schmerzt. „Der Falsche! Er wird der Falsche sein! Vergiss es nicht!“, kreischt es erbarmungslos in ihrem Kopf – wieder und wieder. Von außen kommen Schmerzschreie, ein dumpfer Schlag, Knurren, Winseln; gefolgt von wütenden Beschimpfungen. Es fühlt sich an, als würde ihr Kopf durch das Geräuschwirrwarr implodieren und plötzlich übertönt ein Schrei alle anderen Geräusche. Es braucht einige Sekunden bis sie realisiert, dass es ihr eigener ist. Als ihr Mund endlich zugeht, fühlt sich ihre Kehle irgendwie blutig an. Doch die drückende Stille die sich im Herrenhaus ausbreitet, beunruhigt sie deutlich mehr, wie der metallische Geschmack. Es scheint, als würde ein mächtiges Untier auf der Lauer liegen und alles verschlingen; Geräusche, Zeit und alles Leben innerhalb der Wände des Gebäudes. Hat der Kampf aufgehört, weil ihr Schrei ihn pausiert hat, oder, weil … weil …? Sie will den Gedanken nicht zu Ende führen. Zittrig steht Emma wieder auf und tapst langsam vorwärts; immer mit der Hand gegen die Wand gestützt. Schritt für Schritt geht es voran, Richtung Treppe. Angekommen geht ihr angsterfüllter Blick die Stufen hinab ins Foyer. Holz, Glas, Mobiliar und deren Inhalt liegt verstreut und zerstört in dem großen Raum. Deutlich erkennt sie hier und da Blutflecken. Ihre Augen wandern weiter. Links von ihr, in der Nähe der Tür zum Esszimmer steht Peter; das Haar wild und die Kleidung leicht beschädigt. Seine grünen Augen sehen sie beunruhigt an. Ihr gegenüber, vor der Haustür, hockt Drogo. Sein weißer Pullover ist fast völlig zerstört und hängt ihm nur noch in Fetzen am Leib. Blutigen Fetzen. Sein Blick ist nicht auf die junge Frau gerichtet, er haftet an jemand anderen Rechts von ihr, dennoch sieht sie eine eigenartige Mischung aus Hass und Angst darin. Am untere Ende der Treppe steht Nicolae mit dem Rücken zu ihr. Auch sein, sonst so tadelloses Äußeres, hat stark gelitten. Seine langen braunen Haare sind unordentlich, der Stoff seines Hemdes hier und da zerrissen. Sein Kopf ist in die gleiche Richtung gedreht, wie der von Drogo. Das Kindermädchen dreht ihren Kopf weiter nach rechts … Der Anblick, der sich ihr darbietet, drückt ihr alle Luft aus den Lungen und lässt ihr Herz mehrere Sekunden stillstehen. Sebastian … Vor der zerstörten Terrassentür steht der große schwarze Wolf. Die gelben Augen lodern vor Zorn, Blut stopft aus seinem Fell und aus seiner Schnauze. Ein lautloses Schluchzen schüttelt Emmas Körper und reißt sie aus ihrer Starre. Sie eilt die Treppe hinunter, ohne, dass sie sagen könnte, wo die Energie dafür herkommt. Ihre Augen sind auf Sebastian gerichtet, der sichtbar kämpft nicht zusammen zu brechen. Nach der letzten Stufe wird ihr Lauf abrupt gestoppt. Nicolae hat sie am Unterarm gepackt und zieht sie zurück. Unsagbare Wut schießt plötzlich durch ihre Blutbahn und sie dreht sich zu dem Familienoberhaupt um. „Lass mich los!“, brüllt sie ihn an. Offensichtlich überrumpelt von ihrem Zorn lässt er sie los, als hätte er sich die Hand an ihrer Haut verbrannt. Ungläubig sieht er sie an, sagt aber nichts. Die junge Frau wirft Nicolae noch einen vernichtenden Blick zu, dann eilt zu Professor Jones. Als sie nur noch eine Armlänge entfernt ist, sieht sie erst das ganze Ausmaß der Verletzungen. Eine klaffende Wunde zieht sich über seine Schulter bis zur Mitte des oberen Rückens, eine weitere befindet sich über seinem rechten Auge; und wer weiß, was sich unter dem dichten Fell noch alles verbirgt. Der bernsteinfarbene Blick des Wolfs ist weiter stur auf die Brüder gerichtet. Es scheint, als würde er die Vampire damit in Schach halten, oder, das er befürchtet, dass sie erneut über ihn herfallen, wenn er die Augen abwendet. Fassungslos geht die Studentin neben Sebastian in die Knie. „Was habt ihr getan?“, faucht sie und sieht die Männer einen nach dem anderen an. Sie kann den Zorn nicht verbergen, will sie auch nicht. „Tsk, wir ihm? Was ist mit uns?“, knurrt Drogo angepisst. Der wütende Blick von Emma trifft den Blonden. Ja, er hat scheinbar einiges eingesteckt, aber er ist ein verdammter Vampir! Er heilt schneller, wie man es überhaupt sehen kann! Das kann man wohl kaum vergleichen, mit den Verletzungen, die sie dem Wolf zugefügt haben. „Ernsthaft?!“, knurrt sie zurück. Der Jüngste der Bartholys verzieht das Gesicht. Er scheint deutlich ihre Meinung zu seinem Kommentar in ihrem Gesicht zu lesen. Entgegen seiner sonstigen Art, sagt er nichts mehr dazu. Ein tiefes zittriges Brummen lenkt die Aufmerksamkeit der Frau wieder auf Sebastian. Er scheint in sich zusammen zu sinken und starke Schmerzen zu haben. Ohne darüber nachzudenken streckt sie die Hand aus und streicht ihm sacht über den Hals. Als würde er sich jetzt erst ihrer Gegenwart bewusstwerden, dreht das Tier den Kopf. Der Zorn schwindet aus den gelben Augen und weicht etwas anderem: einer noch ungesagten Entschuldigung und einem erneuten Versprechen, sie zu beschützten. Zitternd geht der Wolf in die Knie und legt sich schließlich wimmernd hin. Das zarte Winseln, das von Sebastian zu hören ist lässt der jungen Frau die Tränen in die Augen schießen. „Wie konntet ihr nur?! Er will mir doch nur helfen!“, donnert sie in Richtung der Brüder. „Hat er dir das gesagt?“, fragt Nicolae hörbar zynisch nach. Da ist nur Kälte und Verachtung in seiner Stimme – was so unglaublich befremdlich wirkt, wenn man ihn kennt. „Nein!“, faucht sie aufgebracht. „Die Frau aus meinen Träumen. Sie hat gewusst, dass das hier passieren wird und hat …“ Plötzlich wird ihr klar, dass sie es hätte verhindern können, wenn sie es nur eher begriffen hätte; oder, die Dame sich etwas genauer ausgedrückt hätte. „Sie hat gesagt, ich müsste es unbedingt verhindern, weil nur er mir helfen kann.“ Zum Ende wird sie immer leiser, weil sie sich Vorwürfe macht, dass alles so eskaliert ist. „Welche Frau?“, fragt Peter verwirrt nach und sieht zwischen seinen Brüdern und Emma hin und her. „Die Frau die Lorie gemalt hat“, flüstert das Kindermädchen kraftlos, während ihre Finger langsam durch das schwarze Fell streichen und ihr Blick sich in diesen einzigartigen gelben Augen verliert. „Was?!“ Nicolae ist hörbar erschrocken, und wütend. Er setzt sich in Bewegung und geht straffen Schrittes auf die junge Frau zu. In zwei Metern Entfernung bleibt er jedoch abrupt stehen, weil Sebastian ein eindeutiges Knurren von sich gibt. „Du hast sie gesprochen?“, fragt er ungläubig nach und starrt sie an. Verwirrt wegen der Bestürzung die sie aus der Stimme heraus hört, sieht zu ihm auf. „Ja, sie hat mich gewarnt und gesagt … Ich weiß nicht. Das mich das Seelenfragment nur benutzt um jemanden anderen zu Schaden. Und, dass der Erste der Falsche ist und ihr ihn töten wollt und ich das verhindern soll, muss.“ Die Fassungslosigkeit in Nicolaes Gesicht verunsichert Emma, also redet sie einfach weiter, in der Hoffnung, dass sie endlich erfährt, was los ist. „Sie sagte, sie will mir helfen, weil sie denjenigen kennt, der das verursacht. Er war wohl ein guter Mann, früher. Sie hat ihn geliebt, irgendwie; ich weiß nicht. Es klang eher wie … Eine freundschaftliche Liebe. Sie hat gesagt, dass die Rache ihn nach seinem Tod aufgefressen hat und er dadurch wurde, was er jetzt ist.“ Sie atmet durch und schnauft, „Ich … keine Ahnung. Das war alles so kryptisch …“ „Du hast sie gesprochen“, wispert Nicolae, als hätte er ihre Erklärung nicht gehört, als wäre er in dem Moment hängen geblieben, dass die Frau aus den Träumen erwähnt wurde. Sein Blick ist völlig weggetreten und verliert sich zusehends. Das Kindermädchen runzelt die Stirn. Dieser fast schon apathisch wirkende Gesichtsausdruck, macht ihr Angst. Sie muss unbedingt wissen, was es mit dieser Frau auf sich hat, wenn ihr Erscheinen das sonst so kontrollierte Familienoberhaupt derart aus dem Konzept bringt, muss es etwas Großes sein. „Wer ist sie?“, fragt sie behutsam nach. „Sie … Sie ist … war … meine Verlobte“, erklärt Nicolae. Die Verwirrung steht ihm ins Gesicht geschrieben, und auch unfassbarer Schmerz. Durch ein erneutes Winseln des Wolfs scheint er wieder ins Jetzt zurück zu kehren. „Sie hat gesagt, er könne dir helfen?“, fragt er und sieht das Tier argwöhnisch an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)