A Revolution Is A Simple Thing, But Love Is Not What Revolution's For von CharleyQueens ================================================================================ Kapitel 3: Journey Through The Past ----------------------------------- Who Knows Where This Road May Go Back To Where I Was On To Find My Future Things My Heart Still Needs To Know   Yuri wusste nicht, was das zwischen ihm und Otabek war. Seit sie sich das erste Mal begegnet waren, hatte Otabek wie versprochen jeden Tag Essen gebracht und sie hatten ein paar Worte ausgetauscht. Yuri mochte die Ruhe und Gelassenheit, die Otabek ausstrahlte. Er hasste es, sich eingestehen zu müssen, dass er Otabek bewunderte. Yuri verbrachte den Rest des Tages damit, den Palast zu erkundigen. Wie erwartet waren die Gerüchte nur Gerüchte. Bisher hatten ihn keine Geister erschreckt. Nun, abgesehen von den Albträumen, aber diese hatte er schon immer gehabt. Sie kamen und gingen immer wieder. Nun waren zwei Wochen vergangen. Es war Samstag, Otabek hatte frei und gemeinsam schlenderten sie nun durch den Palast. Bisher hatte Otabek niemandem davon erzählt, dass Yuri hier lebte. Dabei gab es genug Gelegenheiten. Noch konnte Yuri ihm nicht ganz vertrauen. Und doch, er merkte, dass er Otabek nicht mehr verachtete. „Warum bist du Soldat geworden?“, fragte er nun, während er eine halbe Gurke aß, die Otabek mit ihm geteilt hatte. Otabek blieb stehen und sah ihn verwundert an. In den wenigen Wochen ihrer Bekanntschaft hatte Yuri gelernt, Otabek zu lesen. Während andere behauptet hätten, dass Otabek stoisch dreinblickte, konnte er dutzend Gefühle auf Otabeks Gesicht entdecken. „Weil mein Vater es wollte“, erklärte er schließlich, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Yuri hob eine Augenbraue. „Machst du alles, was dein Alter verlangt?“ Otabek sah ihn ruhig an. „Er würde sicher nicht wollen, dass ich einen Straßenjungen füttere und ihn hier im alten Zarenpalast leben lasse.“ „Oh, was für ein Rebell du bist“, spottete Yuri und drehte sich doch zur Seite, um so sein Lächeln zu verbergen. So bemerkte er jedoch nicht, dass Otabek stehen geblieben war, und stieß gegen ihn. „Oi!“ Yuri sah ihn verärgert an, dann verstummte er, als er bemerkte, wo sie stehen geblieben waren. Vor dem Porträt der Zarenfamilie. Der letzte Herrscher, Nikolai Nikiforov-Plisetsky, saß auf dem Thron. Sein schwarzes Haar und Bart waren bereits grau an manchen Stellen. Die blauen Augen wirkten streng und doch voller Liebe. Hinter ihm stand seine Tochter, Großfürstin Sophia. Ihr Haar war genauso schwarz wie das ihres Vaters. In ihren grünen Augen lag eine tiefe Trauer. Yuri konnte das Gefühl nicht unterdrücken, sie in den Arm nehmen zu wollen. Viktor, Zarewitsch und einziger Überlebender, stand neben ihr und hatte eine Hand auf die Schulter seiner Mutter gelegt. Sein Vater war kurz nach Viktors Geburt im Krieg gefallen, wie Yuri gelernt hatte. Sophie hatte erst Jahre später erneut geheiratet und vier Kinder bekommen. Katherina, die Älteste. Ihr schwarzes Haar war zu einem strengen Zopf gebunden und ihre Augen blitzten wissbegierig hinter der Brille auf. Nadia und Marie, während Nadia fromm und anständig war, war Marie ein Wildfang. Und auf Nikolais Schoß saß der jüngste Enkel der Nikiforov-Plisetsky Dynastie. „Yuri Nikiforov-Plisetsky“, sprach Otabek langsam den Namen aus und drehte sich dann wieder zu Yuri um. „Ihr habt den gleichen Namen.“ „Bloßer Zufall. Oder willst du jetzt jeden mit dem Namen Viktor einsperren lassen?“ Yuri trat einen Schritt zur Seite. „Mag sein, aber findest du nicht auch, dass ihr eine gewisse Ähnlichkeit habt?“ Yuri antwortete nicht. Natürlich hatte er die Ähnlichkeit bemerkt. Sie hatten beide die gleichen grünen Augen und das gleiche blonde Haar. Aber es war nur ein Zufall. „Kennst du die Gerüchte, dass der jüngste Enkel des Zaren damals überlebt hat?“, fragte Otabek langsam. Yuri nickte einfach nur. Natürlich kannte er sie. Dass Yuri Nikiforov-Plisetsky überlebt hatte, war ein Gerücht, das schon beinahe Teil der rossiyanischen Geschichte war. Und er wusste auch, dass immer wieder junge Männer behaupteten, Yuri zu sein. „Prinz Viktor glaubt diese Gerüchte zumindest“, fuhr Otabek vor. „So sehr, dass er eine Belohnung ausgesetzt hat für die Person, die seinen Bruder findet. Und weißt du auch, wo Viktor sich seit der Revolution aufhält?“ „In Parizh“, antwortete Yuri, als die Minuten verstrichen waren und Otabek keine Anstalten machte, weiterzureden. „Sagte Yakov dir nicht, dass du Verwandtschaft in Parizh hast?“, wunderte sich Otabek. Yuri blickte ihn erstaunt an und lachte dann. „Sag nicht, du denkst, dass Viktor mein Verwandter ist? Beka, das ist lächerlich.“ Otabek entgegnete nichts, sondern blickte ihn einfach nur an. Seine Wangen waren leicht gerötet. Es dauerte einige Sekunden, bis Yuri klar wurde, dass er Otabek gerade mit dem Spitznamen angesprochen hatte, den er zuvor immer nur in Gedanken genutzt hatte. Otabek räusperte sich schließlich und richtete seinen Blick dann wieder auf das Porträt. „Ist es wirklich so abwegig? Du wolltest sowieso nach Frantsariya, aber ohne Ausreisevisum kommst du nicht weg. Ich als Soldat kann dir eins besorgen und dich nach Parizh begleiten. Wenn du wirklich Yuri Nikiforov-Plisetsky bist, dann wird Viktor es wissen. Und wenn nicht, nun, dann war einfach alles ein großes Missverständnis, aber du hast es zumindest schon mal nach Parizh geschafft.“ Yuri zögerte. Die Idee war lächerlich, geradezu riskant. „Du würdest deine Stelle riskieren“, stellte Yuri fest. „Dein Leben, wenn du mir hilfst.“ Otabek zuckte mit den Schultern. „Ich wollte diese Stelle nie haben. Es war der Wunsch meines Vaters.“ Er drehte sich zu Yuri um, die braunen Augen funkelten regelrecht, während er weitersprach. „Lass mich dir helfen, deine Familie zu finden“, bat er ihn und hob dann eine Hand, um mit ihr über Yuris Haar zu streichen. „Ich wollte Rossiya schon länger verlassen und nun habe ich einen Grund gefunden.“ Yuri lehnte sich gegen Otabeks Hand, die für eine Sekunde zu lang an seiner Wange lag. Otabeks Hände waren immer warm. Es war ihm schon vorher aufgefallen und er beneidete Otabek darum, war es in Rossiya doch selbst jetzt im Sommer kühl. Yuri griff nach Otabeks Hand und drückte sie fest, während er ihm auffordernd entgegenblickte. „Abgemacht!“, erklärte er sich einverstanden. „Also sag mir, wie du aus mir Yuri Nikiforov-Plisetsky machen willst?“ Otabek lächelte sanft und deutete dann auf das Bild. „Schließ deine Augen, hol tief Luft und stell dir eine andere Welt in einer anderen Zeit vor.“ Yuri rollte mit den Augen. „Du wurdest im Sommerpalast der Zarenfamilie am Meer geboren“, erzählte Otabek ihm. „Mit drei konntest du bereits reiten und hattest ein eigenes Pferd, ein Geschenk deines Halbbruders Viktor.“ „Wie hieß das Pferd?“ „Agape. Du warst ein wildes Kind, aber wer war der Mensch, der dich immer beruhigen konnte?“ Yuri blinzelte und blickte zu dem Porträt auf. „Mein Großvater?“ Otabek nickte zufrieden und zog dann ein kleines Büchlein aus seiner Tasche. „Hier steht deine Familiengeschichte bis ins letzte Jahrtausend drin. Lern es auswendig.“ Yuri sah ihn fragend an. „Das ist nicht dein Ernst. Wie soll ich mir das alles merken?“ „Du musst, wenn du Viktor davon überzeugen willst, dass du sein Halbbruder bist. Oder denkst du wirklich, dass du einfach so zu ihm spazieren kannst? Du wirst getestet werden, Yuri. Ich bin mir sicher, dass du es dir merken kannst.“ Yuri seufzte und griff nach dem Büchlein, blätterte es durch. „Und noch etwas“, fügte Otabek hinzu. „Du bist ein Prinz, also geh auch so. Hoch das Kinn und mach ein gerades Kreuz. Stark und doch anmutig.“ Yuri stellte sich aufrecht hin und machte steif einige Schritte nach vorne. „Und? Ist das stark und anmutig genug?“ „Wie ein toter Löwe“, kommentierte Otabek mit einem leichten Lächeln. „Nun, probieren wir es doch mal mit einer Verbeugung.“ Yuri trat einen Schritt nach vorne, zeichnete dann mit dem rechten Fuß einen Halbkreis durch die Staubschicht und brachte diesen dann hinter dem linken Fuß zum Stehen. „Es ist mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen!“, begrüßte Yuri ihn und mit einem Arm vor seinem Körper und dem anderen dahinter verbeugte er sich tief. Otabek sah ihn fassungslos an. „Sieht aus, als wärst du ein Naturtalent, Yura.“ Yuri errötete und stellte sich dann wieder aufrecht hin. Er bemerkte den Spitznamen, aber entschied sich, die Sache einfach unkommentiert zu lassen. Otabek blickte nach draußen. Die Sonne ging unter. Bald würde es dunkel sein. „Ich muss nach Hause“, erklärte er. „Bis morgen dann. An der gleichen Stelle. Am Wochenende werde ich dich abfragen.“ Yuri lächelte sanft. Er konnte das Wochenende nicht abwarten. Hosted by Animexx e.V. 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