Green Street Hooligans von Sauron ================================================================================ Kapitel 2: Chelsea Smile ------------------------ Nach dem Aufprall auf den Boden schmerzte Elijah's Schulter. Er brauchte einen Moment, um wieder klar zu werden; er war so verschreckt, dass er für einen kurzen Moment seine Augen schloss und tief durchatmete. Er konnte Pete schnauben hören und beschloss, jetzt einmal nicht wegzulaufen. Er hob den Blick seiner blauen Augen und sah Pete an. „Was sollte das?“ „Was das sollte? Mein Gott, gib' mir das verdammte Geld, du halbes Hemd. Du hast hier sowieso nichts verloren. Du kannst dich ja nicht mal wehren.“, sagte Pete und verschränkte die Arme vor der Brust. Er stand immer noch vor Elijah, groß und einschüchternd. Elijah biss sich auf die Lippen und stützte sich mit den Ellbogen am Boden ab. Er war noch nie so grob umgestoßen worden – wenn er sich genau erinnerte, war er sowieso noch nie in so etwas verwickelt worden. Irgendwie war er brenzligen Situationen immer ganz geschickt entschlüpft. Bis heute. „Es war das erste Mal, dass mir so etwas passiert ist...“, stieß er leise hervor und zögerte; seine Augen wichen Pete aus, während er sich mit seiner rechten Hand über sein Knie fuhr. Ein wenig Blut klebte da, weil er sich beim Aufprall wohl etwas angeschlagen haben musste. Pete stieß ein lautes Lachen aus. „Nein, dein Ernst? Du dachtest echt, das hier wäre schon eine Schlägerei? Oh man, wo haben sie dich denn rausgelassen... Aus Disneyland?“ Elijah rümpfte die Nase und sagte nichts. Er spürte genau den verhöhnenden Blick von Pete's grauen Augen auf sich, doch trotzdem nahm er leichten Schwung und stand auf. Er klopfte seine Jeans aus und richtete sich auf. Dass er sich etwas benebelt fühlte, mochte er Pete nicht zeigen, der immer noch amüsiert seine Augen auf ihn gerichtet hatte. „Nicht überall auf der Welt schlägt man Leute gleich nieder.“, antwortete Elijah, Pete's Blick endlich erwidernd. Es dauerte einen Moment, bis Pete sich wieder regte; mit einem fast schadenfrohen Ausdruck in den Augen lachte er erneut auf. „Ach, was soll's – vielleicht kannst du ja doch noch was lernen, wenn ich dich mitnehme. Aber lass' dir eins gesagt sein: Die Getränke gehen auf dich! Komm' jetzt.“ Elijah war fast zu erstaunt, zu verwundert, dass er doch mitgehen konnte und sogar das Geld behalten durfte, dass er es fast verpasste, Pete zu folgen – dieser war schon mehrere Schritte voraus, bevor er sich umdrehte, die Hände in die Taschen seiner Jacke gesteckt, und rief: „Gott verdammt, schlaf' nicht ein, du Yankee! Oder muss ich dich vorwärts treten?“ Elijah brauchte einige Meter mehr, um Pete aufzuholen, das Gesicht immer noch vollends verwundert. Als er neben Pete Schritt halten konnte, sagte er: „Warum hast du deine Meinung geändert?“ Pete sah die Straße hinauf und grinste leicht. Er warf Elijah nur einen kurzen Seitenblick zu, und obwohl ein Grinsen ja allgemein als freundliche Geste galt, war Elijah sich immer noch nicht sicher, ob Pete ihn nicht wieder an der nächsten Ecke umhauen würde. „Ich habe meine Meinung nicht geändert, man. Ich denke nur, je mehr fremde Kulturen vom Fussball verstehen, desto...“ „In Amerika nennen wir es Soccer.“ „Verdammte Scheiße, nimm' dieses Wort ja nie wieder in diesem Land in den Mund! Gott, ihr Yankees seid echt sowas von dämlich wenn es um Sport geht...“ „Auch wenn wir nicht so Soc... Fussballbegeistert sind, so haben wir dafür Baseball.“ Pete lachte. „Baseball ist die schwulste Sportart die es gibt!“ „Ist sie nicht. Es gibt einen Spieler, der bei einem Schlag fast 200 km//h erreicht.“ „Das bedeutet gar nichts, Idiot... das heißt nur, dass er schneller wixen kann als du.“ Elijah spürte, wie seine Wangen leicht erröteten. Er hoffte, dass Pete es nicht sah, doch der war viel zu sehr damit beschäftigt, sich über amerikanische Sportarten aufzuregen. Deswegen beschloss Elijah, ihm erst einmal eine Weile still zuzuhören, bevor es noch weitere Zusammenstöße geben würde. Er hatte keine Lust, den Nachmittag alleine zu verbringen, auch wenn Pete gerade nicht die Gesellschaft war, die er sich erhofft hatte. Oder die er sonst um sich hatte. „Ist es weit bis zum Stadion?“, fragte Elijah, als er merkte, dass Pete eine kleine Pause von seinen Schimpftiraden einlegte. Pete antwortete nicht direkt; er rümpfte kurz die Nase und deutete dann mit seinem Kopf in Richtung Straße; an der Ecke weiter vorne befand sich eine Eckbar, die vom weiten sehr gemütlich aussah. „Nein, wir gehen erstmal Bier trinken. Das Spiel beginnt nicht vor sechs.“ Kurz bevor sie an der Kneipe ankamen, brachte Pete Elijah mit einer festen Handbewegung zum Stehen. „Hör zu, du benimmst dich ganz normal. Du sagst denen, dass du nur zu Besuch bist und nicht lange bleibst. Und Gott verdammt, Yankee-“ „...- Elijah.“ „...wie auch immer, halt bloß die Klappe über Fußball. Und nehm' nie wieder dieses eine dämliche Wort in den Mund!“ Elijah wollte gerade das „verbotene Wort“ Soccer aussprechen, er überlegte es sich jedoch anders – er hatte keine Lust, noch einmal auf dem Boden zu landen. Also schluckte er seinen Sarkasmus herunter und folgte Pete in die Kneipe. Drinnen war es so, wie er es von einer uralten, englischen Kneipe erwartet hatte: der Raum versank in dem Qualm von Zigaretten, überall war es laut und überfüllt, die Leute - und hier waren es fast nur Männer - tranken Bier und erzählten sich derbe Witze. Die Möblierung war ebenso alt wie die Kneipe selbst; überall standen hölzerne Hocker und Bänke, Tische mit zerkratzten Platten, Fensterläden an den Fenstern, rustikal und mit weißen Spitzenvorhängen geschmückt. Mitten in der Kneipe war eine runde Bar, ein großer Tresen, in dem drei Leute bedienten. Obwohl Elijah etwas abgeschreckt war, fühlte er sich dennoch wohl. Die Atmosphäre war entspannt, und obwohl ihn jeder zweite in seiner Trunkenheit anrempelte, fühlte er sich nicht ausgegrenzt. Pete strebte auf eine dunkle Ecke zu, in der vier andere Männer saßen und tranken. Bevor er sich setzte, fasste er Elijah an die Schulter und zog ihn weiter nach vorne. Elijah errötete leicht, setzte jedoch ein Lächeln auf. „Leute, das ist Elijah, der Bruder von Shanon. Er kommt aus den USA und hat dummerweise keine Ahnung von Fußball. Ich hab' mir gedacht, wir bringen ihm mal den englischen Nationalsport näher. Elijah, das sind Bover, Matthew, Mike und Nick.“ Elijah erwiderte die Grüße und das Nicken und setzte sich neben Pete, als jeder sich vorgestellt hatte. Es war eine lustige Runde, wie Elijah schnell bemerkte. Obwohl er sich anfangs nicht traute, auch nur ein Wort zu sagen, bemerkte er, dass er gut integriert wurde, obwohl die Männer die meiste Zeit Witze über die USA rissen oder sich über Elijah lustig machten. Jedoch erkannte Elijah, dass sie das stets auch bei sich selbst taten – es war einfach ihre Art von Humor. Man kam schnell zurecht mit allen – selbst Pete war ein angenehmer Geselle, wenn man ihn nicht gerade reizte. Die Runde wurde lustiger, je mehr Alkohol floss. Elijah hatte noch nie viel getrunken und fühlte sich schon gut angeduselt, als er zum ersten Mal nach drei Bier auf die Toilette ging. Die Toilette war anders – irgendwie ekelig und typisch ungepflegt. Elijah beugte sich über das Waschbecken und warf sich einen Schwung Wasser ins Gesicht. Der Schwindel wurde etwas besser, jedoch blieben seine Wangen – wie er vorhin bemerkt hatte – vom Alkohol leicht gerötet. Einen Moment lang sah er sich im Spiegel an. Das Rot sah gut aus mit seinen blauen Augen – jedoch schossen ihm wieder die Gedanken an den Rausschmiss in den Kopf. Was machte er hier? Wenn sein Vater das jemals herausfinden würde... Doch bevor er noch weitere Gedanken und Sorgen anhäufen konnte, ging er wieder hinaus und direkt an die Bar, um eine Runde Bier zu bestellen. „Da bist du ja wieder!“, lachte Pete und nahm das Bier, das Elijah ihm hinhielt, mit einem Nicken an. „Du musst einen Kurzen mittrinken, Yankee.“ „Einen Kurzen? Oh, ich...“ „Wenn du jetzt ankommst mit 'das kann ich nicht, weil ich so ein Weichei bin', dann setzt es was!“, erwiderte Pete und drückte Elijah einen Schnaps in die Hand, nachdem er die restlichen Biere verteilt hatte. Der Schnaps brannte stark in Elijah's Kehle, doch er spürte einen anerkennenden Klopfer auf seine Schulter, als er alles getrunken hatte. Fast verschluckte er sich. Seine Schulter schmerzte nach dem Sturz immer noch etwas, jedoch machte der Dusel im Kopf und die gute Stimmung alles wieder wett. Er hatte lange schon nicht mehr so zwanglosen Spaß gehabt. Zu späterer Stunde wurden die Männer in der Kneipe lauter; teilweise standen sie auf den Tischen, prosteten sich zu und sangen Lieder – für den Verein United. Pete hatte ihm alles darüber erzählt, und obwohl er jetzt schon sehr betrunken war, hatte sich Elijah einiges gemerkt. Gelernt wie Vokabeln, als wäre es wichtig. Keine Stunde später waren alle zum Aufbruch bereit. Die frische Luft draußen drang Elijah so plötzlich in die Lungen, dass es seinen Schwindel noch verstärkte. Er schwankte etwas. „Pete, ich glaube, ich gehe nach Hause – ich fühl' mich nicht besonders gut.“, sagte er, als er Pete aufholte und neben ihm ging. Pete schüttelte den Kopf und legte einen Arm um Elijah. „Du gehst nirgendwo hin. Jetzt geht es erst richtig los – du wirst es lieben. Fussball muss man einmal gesehen haben. Also piss' dich nicht so an, Yankee!“ Er gab Elijah einen kurzen Klaps auf die Wange, welcher zugegebenermaßen sehr weh tat, und löste sich, um in die Gesänge der anderen einzustimmen. Elijah wusste nicht, ob Pete extra so grob zu ihm war, um ihm Angst zu machen – oder ob er einfach keine anderen Bewegungen gewohnt war. Das Stadion war fußläufig zu erreichen. „Du musst deine Kapuze aufsetzen!“, mahnte Pete ihn, und Elijah folgte seinem Beispiel, wusste jedoch nicht genau, warum. Doch ihm fiel auf, dass diese Bewegung so einige der Zuschauer machten. Zuschauer, die wie Pete nicht gerade wie die vorbildlichen Nachbarn wirkten. Als sie bei ihren Plätzen angekommen waren, sah Elijah Pete an, der sich auf seinem Sitz zurücklehnte und auf das Spielfeld starrte. „Warum sollte ich die Kapuze vorhin aufsetzen, Pete?“ Pete räusperte sich und streckte sich leicht, ließ den Blick jedoch auf das Spielfeld gerichtet. Elijah konnte eine feine Narbe an Pete's Augenbraue sehen. Ob die wohl von einer Schlägerei kam? „Damit sie dich nicht erkennen. Du wirst noch verstehen, warum. Nächste Mal tu' es einfach, ohne dass ich dir das sagen muss, man.“ „Ist okay.“ Einen Moment sah Elijah Pete noch an, doch als er merkte, dass sich Pete's graue Augen ihm zuwandten, schaute er schnell weg. Er wollte nicht wieder einen blöden Spruch kassieren, denn die konnte Pete gut ablassen. Das Spiel war entgegen Elijah's Erwartung richtig spannend und sehr gut. Er fand ernsthafte Begeisterung an dem Sport, vor allem, weil Pete ihm alles erklärte, was er wissen musste. United spielte gut und gewann sogar. Elijah hatte ein Stadion noch nie so toben sehen, und die Begeisterung der Massen zog ihn regelrecht in den Bann. Obwohl er nicht so viel trank wie Pete, war Pete doch weitaus nüchterner, ebenso seine Freunde. Nur Elijah schien sich schwer mit dem Alkohol zu tun, und die nächste Runde musste er aussetzen, wenn er nicht vornüber kippen wollte. Es kam ihm nicht wie fast zwei Stunden vor, als das Spiel zu Ende war. Vor dem Stadion, zusammen mit Pete in der Runde der vier Männer von vorhin, lächelte Elijah und sagte: „Leute, ich werde mich auf den Weg machen. Der Jetlag bringt mich um...“ „Oder der Alkohol!“, gackerte Mike dazwischen. „Nein, ich hole euch wohl noch ein, wir Amerikaner sind normalerweise trinkfester!“ „Laber' nicht so blöd rum, Yankee. Geh' am besten Richtung Southern Camp, und nimm' dann die Bahn. Ist gefährlich, laufen 'ne Menge Idioten rum.“, rief Pete ihm noch nach, als Elijah sich schon längst umgedreht hatte. Elijah lachte und warf einen kurzen Blick zurück: „Größer als die Idioten, mit denen ich die ganze Zeit zusammen war?“ Obwohl Nick und Bover die Augen verdrehten, lachten die anderen. Und Elijah fühlte sich zum ersten Mal nicht klein und schwach – sondern gut. Er war angetrunken, fast betrunken, hatte einen Nachmittag verbracht ohne mal vor Büchern zu hängen und – er hatte sich zum ersten Mal zur Wehr gesetzt. Die Straßen waren verlassen, umschlossen von hohen Mauern, als er sich vom Zentrum entfernte und immer weiter in ruhige Gegenden kam, die ihm aber nicht so geheuer waren. Es waren keine Gegenden, in denen Mark und Shanon wohnten – nein, hier wohnten gewiss nicht solche Leute. Manche Ecken der Straßen, gesäumt von Ziegelsteinmauern, waren besonders dreckig. Er war gerade in eine kleine Seitengasse eingebogen, die ebenfalls umzingelt von hohen Mauern war, als er plötzlich Schritte hinter sich hörte. Er drehte sich um, schnell und schon in Erwartung, dass es Pete war – doch da war er fehl. Es waren nicht Pete und seine Kumpels. Es waren drei von den Männern, die sich bei dem Spiel ebenfalls vermummt hatten und die Pete noch übel beschimpft und bedroht hatte. Fans der gegnerischen Mannschaft. Fans, denen Elijah keinen Meter näher kommen musste, um zu wissen, dass sie sicher nicht ohne Grund halb vermummt herumliefen. Er verlor keine Sekunde und begann zu rennen, als wäre eine Herde Büffel hinter ihm her. Er versuchte, sich in dem Chaos an verwinkelten Ecken und Biegungen zurecht zu finden, doch schnell landete er in einer Sackgasse. Als er sich umdrehen wollte, schnitten ihm die drei Männer den Weg ab. Einer von ihnen packte ihn so hart am Kragen wie Pete heute früh – und drückte ihn mit voller Wucht gegen eine Mauer. Elijah spürte, wie sein Kopf schmerzhaft an die Mauer schlug, und er stöhnte auf. „Soso – was macht ein Yankee bei den Affen von United? Hast du dich verirrt, du kleiner Bastard?“ Der größte der drei, der ihn auch an die Mauer gedrückt hatte, stieß ein Schnauben aus. Elijah roch Bier und Gras. „Ich.. ich will keinen Ärger, ich hab' nichts gemacht! Ich bin nur ein Tourist!“, stieß er panisch hervor, doch der Mann verstärkte den Druck auf seine Brust nur. Elijah schnappte nach Luft. Doch einfach war das nicht mehr durch den Druck. „Aach – nur ein Tourist? Na wenn das so ist, wollen wir dir ein kleines Souvenir mitgeben... Nimmst du auch American Express?“ Er zückte eine Kreditkarte und schob sie Elijah horizontal in die Seiten seines Mundes. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, als er spürte, wie die scharfen Kanten der Kreditkarte in seine Mundwinkel schnitten. Doch bevor der Mann mit seiner erhobenen Faust zuschlagen konnte, wurde dieser brutal zur Seite gestoßen durch einen Faustschlag, der eine sofortige Platzwunde auslöste und ihn ins Straucheln brachte. „Denkst du, man lässt seine Kumpels im Stich?“ Elijah kannte die Stimme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)