Green Street Hooligans von Sauron ================================================================================ Kapitel 1: Eine andere Welt --------------------------- Elijah zog vorsichtig an der Zigarette, die er sich soeben außerhalb des großen Flughafengebäudes von London angezündet hatte. Mit einem tiefen Zug nahm er das Nikoin auf, behielt es solange in den Lungen, bis es brannte, und stieß den Rauch dann wieder durch die Nase aus. England. Nicht seine erste Wahl für einen vorübergehenden Wohnort, gerade als Amerikaner fiel es ihm schwer. Doch seine Schwester hatte hier geheiratet – und sie würde ihn in Gnaden aufnehmen. Hoffte er zumindest. Die Menschen um ihn herum waren hektisch, manche trugen einen gehetzten Ausdruck im Gesicht. Sie trugen Koffer, Taschen, Regenschirme. Elijah verfolgte die Menschen heimlich mit seinen Blicken. Seine großen, blauen Augen nahmen diese neue Welt fast saugend auf. Nach einigen weiteren Zügen von der Zigarette warf er einen Blick auf den grauen Himmel, der sich zunehmend noch mehr verdüsterte. Er stieß einen tiefen Seufzer aus – er hasste das Wetter in England jetzt schon. Wo war die Sonne nur? Ein freundlicher Zuruf unterbrach seine innere Unruhe. „Lijah!“ Elijah drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme seiner Schwester kam, und lächelte, als sie mit einem Kinderwagen und breit lachend auf ihn zukam. Er ließ seine Tasche von den Schultern gleiten und nahm sie in den Arm, sobald sie ihm nahe genug kam. Er konnte ihr Parfum riechen. So vertraut, obwohl sie sich gut vier Jahre nicht gesehen hatten. „Endlich bist du da! Wie war dein Flug?“, stieß sie hervor, und Elijah konnte einzelne Freudentränen an ihrer Wange entlang laufen sehen. Er grinste und wischte ihr eine Träne sanft weg. „Der Flug war anstrengend, und der Jetlag macht mich fertig, aber es geht mir super. Das ist also Jason? Er ist richtig süß...“, sagte Elijah und wandte seinen Blick auf den Kinderwagen vor ihm, in dem ein kleiner, dunkelhaariger Junge von etwa einem Jahr saß und ihn mit großen, blauen Kulleraugen anstarrte. „Er hat deine Augen, Shanon.“ „Unsere Augen – du weißt doch, die großen Glubscher waren schon immer vorherrschend in unserer Familie.“ „Da hast du recht. Er kommt nach dir, oder?“ „Nicht ganz, aber zum größten Teil.“ Elijah erwiderte ihr Lächeln und hielt Jason einen Finger hin; der Kleine ergriff ihn und lachte quietschend. „So, dann lass uns mal gehen. Mark ist noch bei der Arbeit, aber du bist sicher hungrig, nicht wahr?“, sagte Shanon und ging mit Elijah in Richtung Parkplatz, der ganz in der Nähe war. Die Fahrt war nicht sehr von Gesprächen geprägt. Elijah starrte die meiste Zeit aus dem Fenster und betrachtete die eher tristen Gegenden, durch die sie teilweise fuhren, bis sie in freundlichere Gegenden kamen. Als hätte er es nicht geahnt, begann es langsam zu regnen. Dicke, schwere Tropfen trommelten auf das Dach und gegen die Scheiben. „Ah, ich wusste es. Gerade dann, wenn wir da sind.“ Shanon stöhnte entnervt, doch Elijah lachte nur. „In den Staaten regnet es nicht so oft, aber du bist ja freiwillig hergezogen, Schwesterherz. Dann beschwer' dich auch nicht!“, kicherte Elijah und stieg aus, als klar war, dass sie das Haus erreicht hatten. Es war ein schöner Altbau, nicht zu groß und nicht zu klein, genau richtig für eine kleine Familie. Die Gegend schien sauber und freundlich zu sein, und es gab sogar einen kleinen Vorgarten. Elijah rümpfte die Nase, als ihm einige Tropfen in den Nacken fielen. Der Regen war eiskalt. „Komm, ich helfe dir.“, sagte Elijah, als er sah, wie Shanon sich mit dem Kinderwagen abplagte. „Danke, Lijah.“ Zu zweit hatten sie schnell alles verstaut und traten in das Haus ein. Elijah nickte anerkennend, als klar wurde, dass sie nicht gerade eine günstige Einrichtung hatten. Der Boden im Flur war aus einem teuren Stein, und allein die kleine Anrichte war aus poliertem Edelholz. „Mark verdient gut, ja?“ Shanon grinste. „Er verdient nicht schlecht, das stimmt.“ Sie ging in die Küche und kramte herum, während Elijah den kleinen Jason aus dem Kinderwagen nahm und ihn auf den Arm nahm. Der Kleine grinste und hielt Elijah's Hemdkragen mit seiner kleinen Faust fest. „Ich werde dir etwas typisches, englisches machen – ist dir das recht?“ „Gott, Shanon, nein! Mach etwas einfaches. Keine große Mühe. So hungrig bin ich nicht!“, lachte Elijah und ging durch das Wohnzimmer, während er Jason sanft in den Armen wiegte. Die Sofas waren weich und komfortabel – ja, hier würde er bessere Tage erleben als in seiner kleinen Studentenbude. Sein Herz wurde schwer – der Rausschmiss kam ihm wieder in den Sinn. Noch hatte er weder Shanon noch sonst jemandem etwas davon gesagt. Er hatte es eigentlich auch nicht vorgehabt, jetzt, wo er wieder den dicken Kloß in seinem Hals spürte. Doch er ging nicht weg, egal, wie hart er auch schluckte. Das Essen war gut . Auch wenn Shanon Elijah's Proteste niedergerungen und ihm etwas typisches gemacht hatte – Ham und Eggs. Es schmeckte ihm, auch wenn er das Essen vorerst kritisch beäugt hatte. Doch der Hunger hatte gesiegt. Er sprach mit Shanon über vieles, jedoch nicht über die Uni. Vorerst nicht, dachte er, denn Shanon war überglücklich dass ihr kleiner Bruder sie endlich besuchen kam. Sie erzählte ihm von ihrem Leben als Mutter, von Mark und natürlich von England – was sie als Amerikanerin immer noch etwas seltsam fand. Elijah wollte gerade ihre Frage über sein Studium beantworten – er studierte Journalismus – da hörte man, wie die Haustür von außen aufgeschlossen wurde und ein großgewachsener Mann mit Anzug eintrat. Er war gut gebaut und hatte ein markantes Gesicht – jedoch war er attraktiv. Elijah erkannte sofort, warum Shanon ihn geheiratet hatte. Mit einem süßlichen „Hey, mein Schatz!“ begrüßte Shanon ihn und zog ihn in eine feste Umarmung. Elijah hielt sich zunächst etwas im Hintergrund, stand dann jedoch auf, als Shanon ihren Mann losließ und sich in seine Richtung drehte. „Mark, das ist mein kleiner Bruder Elijah – er ist zu Besuch. Ich habe ihm gesagt, er kann natürlich bei uns bleiben, solange er will.“ Elijah lächelte freundlich und stieß ein leises „Hey“ aus, als Mark auf ihn zutrat und ihm die Hand gab. Die Hand fühlte sich grob an. „Hey, endlich lerne ich dich mal persönlich kennen! Freut mich. Fühl' dich ganz wie zu Hause!“ Shanon lächelte und ging mit der Aussage in die Küche, dass sie nun Tee aufsetzen werde – Mark lächelte, nahm Elijah dann jedoch bei der Schulter. „Hör mal. Ich habe heute etwas schönes mit Shanon geplant, sogar einen Babysitter haben wir schon besorgt. Dich stört es doch nicht, wenn wir auswärts sind?“ Elijah schüttelte den Kopf. „Nein, keine Sorge. Ich werde wahrscheinlich eh sehr früh schlafen gehen, du weißt schon, der Jetlag...“ Mark klopfte ihm auf die Schulter. Sie waren gerade bei einem gemütlichen Tee, als es plötzlich laut gegen die Hintertür klopfte. Es war ein energisches Klopfen: Elijah zuckte heftig zusammen und verschüttete etwas von dem heißen Tee auf seiner Jeans. „Das Klopfen kennen wir doch...“, murrte Mark und verdrehte die Augen. Er stand auf und ging in die Küche, von wo aus man das Haus durch die Hintertür betreten konnte. Er öffnete sie und stieß ein eher weniger freundliches „Was willst du hier?“ aus, und mit einem lässigen „Na, dir einen Besuch abstatten, Bruderherz!“, schob sich ein großer Kerl in die Küche, direkt an Mark vorbei. Er war groß, größer als Elijah, wenn nicht sogar anderthalb Köpfe. Sein dunkelblondes Haar war sehr kurz – doch das schmeichelte die groben, aber doch sehr attraktiven Züge seines Gesichtes. Ebenso wie sein Bruder war der junge Mann gut gebaut – zumindest erahnte Elijah das, denn der Mann trug eine etwas weitere Zipperjacke aus schwarzem Nylon mit einem Kragen. Ohne zu fragen ging der Mann an den Kühlschrank und nahm sich ein Bier. Elijah erschrak, als er die Flasche Bier mit seinen Zähnen öffnete und den Deckel achtlos in die Spüle spuckte. Mark verdrehte die Augen und schlug ihm gegen den Hinterkopf, dann drehte er sich jedoch zu Elijah und Shanon um. Die Küche stand offen zum Wohnzimmer. „Pete, das ist Shanon's kleiner Bruder aus den Staaten, Elijah. Elijah, das ist Pete – mein kleiner Bruder.“ Elijah stieß ein leises „Na?“ aus, doch von Pete kam gar nichts. Er nahm einen Schluck Bier und starrte Elijah an- aber eher mit einer Mischung aus Abscheu und Feindseligkeit. Oder war es Herablassung? Er konnte den Blick der grauen Augen nicht ganz deuten – jedoch waren sie nicht freundlich. Pete wandte sich wieder an Mark, der seinen Bruder mit verschränkten Armen ansah. „He, Marki – ich hab mein Portemonnaie verloren. Gestern, ich war saufen. Da war mindestens ein Hunderter drin.“ „Verarsch' mich nicht, Pete, was hast du wieder getrieben? Du verlierst dein Portemonnaie irgendwie jede Woche, habe ich das Gefühl. Pete nahm noch einen Schluck Bier und grinste. „Ich habe den einen Typen von Matthew Manon mit dem Kopf voran durch eine Telefonzelle geprügelt – könnte sein, dass ich es da verloren habe.“ Pete's Grinsen war schelmisch, frech, doch Elijah fand es einfach nur ungehobelt, wie der junge Mann sich benahm. Mark warf Elijah einen Blick zu und winkte ihm. „Komm mal kurz her, Lijah.“, sagte er, und Elijah stand zögernd auf. Er versuchte, die letzten Tropfen des verschütteten Tees auf seiner Jeans zu verbergen. Als er neben Mark in der Küche stand, versuchte er, dem herablassenden Blick von Pete aus dem Weg zu gehen. Doch die eiskalten, grauen Augen schienen ihn zu durchbohren. Elijah roch das Bier und rümpfte die Nase. „Hör zu, Pete“, sagte Mark und legte eine Hand auf Elijah's Schulter; „Ich geb' dir die hundert Pfund, wenn du Elijah hier mit zum Spiel nimmst.“ Pete verschluckte sich an seinem Bier. „Was? Bist du bescheuert? Auf keinen Fall nehme ich einen Yankee mit auf ein Spiel! Tickst du noch richtig?“ „Wenn du das verdammte Geld haben willst, nimmst du ihn mit! Oder du kannst dir weitere Besuche sparen.“ Mark's Stimme hatte Macht – und Elijah, der das von seiner großen Schwester kannte, wusste, dass Pete klein beigeben würde. Oder nicht? Er warf Pete einen unsicheren Blick zu. Dieser sah alles andere als begeistert aus. Sein Mund war leicht verzogen, doch er schnaubte und stellte die Bierflasche ab. „Verdammte Scheiße“, schimpfte er leise, raufte sich über seinen Kopf und biss sich auf die Lippen. „Meinetwegen.“, stieß er hervor. „Und wehe, ihm passiert etwas! Du wirst dich benehmen. Hast du gehört? Er ist Shanon's Bruder.“, tönte Mark. Die Gewalt seiner Stimme zeigte Wirkung: Pete schnaubte und trat gegen die Theke. „Reiß dich zusammen!“, schimpfte Mark, wandte sich dann, als Pete aus der Tür ging, an Elijah. „Hör zu“, sagte er leise und drückte Elijah hundert Pfund in die Hand, „du darfst ihm auf keinen Fall das Geld geben, ja? Er wird sich schon benehmen. Gib den Jungs einen aus!“ Elijah nickte und ging in den Flur, um seine Jacke zu holen. Als er sie übergezogen hatte, folgte er Pete aus der Hintertür. Pete stand an eine Mauer gelehnt und hatte sich eine Zigarette angezündet. Als er Elijah auf sich zukommen sah, winkte er ihn grob zu sich. „Komm, schlaf nicht ein!“, murrte er und lief weiter, bis um die Ecke. Elijah folgte ihm, doch sobald er um die Ecke war, spürte er den Druck zweier kräftiger Hände an seinen Schultern. Pete presste ihn an die Wand, die Hände so fest in sein Hemd gekrallt, dass es Elijah weh tat; nervös presste Elijah ein leises Wimmern aus. „Hör zu, Yankee – egal, was mein Bruder gesagt hat, ich werde dich auf keinen Fall auf das Spiel mitnehmen. Als würde ich dort mit einem Amerikaner auftauchen... Gib' mir einfach die Hälfte von dem Geld, verschwinde und mach eine schöne Touri-Tour. Meinem Bruder sagst du aber nichts!“ Elijah schnappte nach Luft, zappelte etwas; er stieß jedoch hervor: „Ich werde dir das Geld nicht geben.“ Pete schnaubte und verstärkte seinen Griff. „Wie war das?“ Elijah schluckte, gab jedoch nicht auf. „Ich sagte, ich gebe dir das Geld nicht. Ich habe es Mark versprochen.“ Pete's Griff wurde nicht lockerer, obwohl Elijah sich wand und versuchte sich zu befreien. Die stahlgrauen Augen seines Gegenübers verengten sich. Elijah nutzte die Gelegenheit und wollte treten, ja, er trat mit aller Kraft zu und war sich sicher, er würde Pete genau zwischen die Beine treffen - schon war er halb am Grinsen, doch plötzlich griff etwas blitzschnell sein Bein und fixierte es, noch bevor er treten konnte. Pete hatte seinen Tritt verhindert und lachte. „Dein Ernst?“, stieß er hervor. „Jetzt haben wir ein kleines Problem, Yankee.“ Und mit einem Ruck riss er Elijah's Bein herum, und Elijah spürte einen Schlag in seine Magengrube und fühlte dann blitzschnell den kühlen Asphalt unter seinem Körper. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)