Von Hirschen und Rosen von Nanjura ================================================================================ Kapitel 3: Loras I ------------------ Margaery war nur ein Jahr jünger als er. Es war kein ganzes Jahr, einige Tage nach jedem Namenstag seiner Schwester waren sie sogar gleich alt. Und sie sah auch aus wie er, nur dass sie allmählich Brüste bekam und er nicht. Seine Schwester strampfte mit dem Fuß auf. „Wieso muss Loras nach King's Landing?“, fragte sie und verschränkte bockig die Arme. Auch Loras verstand es nicht, obwohl er schon dreizehn und beinahe erwachsen war. Er sollte in die Hauptstadt, Knappe für irgendeinen Bruder des Königs werden. Und wie dieser aussah, konnte er sich nur all zu gut vorstellen, nachdem vor einem Jahr der König selbst in Highgarden war, um mit Loras' Vater zu sprechen. Der König hatte damals bei einem Fest in der großen Halle rechts neben Vater gesessen, auf dem Ehrenplatz, und gefressen und gesoffen und jeder Frau ans Hinterteil gefasst, die an ihm vorbei ging. Der König war fett und hässlich und hatte stets ein von Wein und Bier gerötetes Gesicht. „Es ist eine große Ehre, der Knappe des Bruders unseres Königs zu werden,“ leierte Lord Mace Tyrell die selben Worte herunter wie schon einmal und sah dabei selbst nicht so aus, als wäre er wirklich davon überzeugt. „Das ist mir egal! Ich will, dass Loras hier bleibt!“ Margaery ließ Tränen über ihre Wangen kullern. Dies konnte sie gut, wie auf Komando weinen, und außer ihm und ihren älteren Brüdern Willas und Garlan schaffte es niemals jemand, sie zu durchschauen. Ihre Mutter, Lady Alerie, nahm das Mädchen in den Arm und streichelte ihr sanft über ihr braunes, lockiges Haar – das selbe Haar wie seines, nur etwas länger. „Dein Bruder muss ein Ritter werden, und dies geht nur, wenn er zunächst ein Knappe wird.“ „Dann kann er doch Garlans Knappe sein.“ „Rede keinen Unsinn, Kind,“ sagte Vater schroff. „Wenn er Garlans Knappe wird, und Garlan ihn zum Ritter schlägt, nimmt ihn doch keiner ernst. Niemand nimmt einen Ritter ernst, der von seinem Bruder zum Ritter geschlagen wurde. Loras geht nach King's Landing und wird der Knappe von Lord Renly!“ „Dann lasst mich ihn begleiten, Vater. Ich werde auch brav sein.“ Doch es half alles nichts. Ihr Vater schickte sie beide auf ihre Zimmer, und schloss Margaery sogar ein, damit sie nicht heimlich davon lief. Loras selbst wollte auch nicht in die Hauptstadt, wo es doch genügend Ritter in der Weite gab, denen er dienen konnte, doch wusste er, dass ihm seine Widerworte nichts gebracht hätten, und so hatte er Margaery vorgeschickt, in der Hoffnung, ihre Tränen würden Vater erweichen. Er sammelte all seine schöne Kleidung ein und legte sie sorgfältig in die Truhe, auch wenn sie auf den holprigen Straßen ohnehin wieder durcheinander geworfen werden würde. Noch während er packte, klopfte es an der Tür und Garlan und Willas betraten sein Schlafgemach. Eilig wischte er die Tränen Weg, die ihm beim Gedanken an den Abschied aus seiner Heimat gekommen waren, doch natürlich hatten seine älteren Brüder es trotzdem bemerkt. Willas humpelte zum Bett und ließ sich schwer hinauffallen. Seit einem Unfall bei einem Turnier, bei welchem er vom Pferd gefallen war und sich im Steigbügel verhakt hatte, lief er an Krücken, da eines seiner Beine dadurch steif geworden war. „Kein Grund zum Weinen, Bruder,“ sagte er schließlich. „King's Landing ist nicht so weit weg. Wir kommen dich besuchen.“ Garlen reichte Loras ein Kleidungsstück vom Bett, um ihm beim Packen zu helfen. „Und du wirst ohnehin nicht lange weg bleiben. Du bist talentiert genug, um in ein oder zwei Jahren zum Ritter geschlagen zu werden. Und dann kommst du zurück und wir feiern ein großes Fest!“ Dafür liebte er seine Brüder über alles. Sie schafften es immer, ihn irgendwie aufzuheitern. Doch änderte dies nichts daran, dass er nicht dem Bruder des Königs dienen wollte. Wenn der Mann auch nur halb so fett und halb so versoffen war wie Robert Baratheon selbst, würde er nichts von ihm lernen, und die Jahre wären verschwendete Zeit. Aber da sich seine Brüder solche Mühe gaben, wollte er ihnen seine Zweifel nicht zeigen. „Ja, ihr habt Recht,“ sagte er also mit entschlossener Mine. „Ich werde nach King's Landing gehen, und in ein oder zwei Jahren zum jüngsten Ritter aller Zeiten geschlagen werden. Noch jünger als der Königsmörder werde ich sein. Und dann komme ich zurück und werde unsere Familie mit Ruhm und Ehre überhäufen, und Vater wird stolz auf mich sein und mich nicht mehr für einen weinerlichen, kleinen Jungen halten!“ Doch seiner kurzen Ansprache folgten weitere Tränen, und nun war es an seinen Brüdern, ihn in den Arm zu nehmen und zu trösten, so wie seine Mutter vorhin Margaery getröstet hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)