Extravaganza von Sengo-sun ([HolmesxWatson]) ================================================================================ Kapitel 16: Gespieltes Intro ---------------------------- Sie flogen an ihm vorbei, die Fassaden der Stadt. Regen peitschte sein Gesicht, rann ihn in Nase und Mund, drang durch seine Klamotten. Londons kalte Masken starrten ihn an, sie waren die Fenster des urbanen Getümmels. Mirco fühlte sich so schrecklich unwohl. Doch er hatte es gesehen! Er durfte nicht aufhören! Er hatte ihn gesehen! Woyzeck, wie er im Bartholomews gewesen war. Und das alles nur dank Helena. Mirco keuchte, verschluckte sich und begann zu husten. Helenas Worte fielen ihm wieder ein: „‘Woyzeck‘ hat einen inneren Zwang. Er wird ihn sich wiederholen und sei es nur ein Teil von ihm.“ Wem, hatte Mirco gefragt. Helena hatte leise gelacht: „Vater.“ – „Sein eigener?“ Helena hatte abgewinkt. „Das wirst du jetzt nicht verstehen können. Frag dich warum Menschen Morde begehen, nicht die spezifischen Gründe, wie Eifersucht oder so, sondern weshalb sich männliche und weibliche Täter unterscheiden, findest du dann den Urgrund, so wirst du auch dem Mysterium rund um deinen Herrn und Meister ein Stück näher kommen. Ach und Kleiner: vergiss nicht, der Baron lügt.“ Und nun? Was war nun? Mirco rannte weiterhin durch Straßen und Gassen, vor sich etwas fixiert, dass er kaum für möglich gehalten hatte. Er jagte ein Gespenst! Einen grausigen Alptraum und würde ihn aus der Welt der Illusionen und Ängste reißen, in mitten der klaren Realität, wo alles seine Ordnung hatte! Genau dies wollte Mirco tun! Und er wollte den Baron verstehen. Wollte wissen, welche Art von blutigem Spiel vonstattenging. Mirco wollte so viel wissen, doch blieb ihm die Zeit dafür? „Zieh dir etwas an.“ Lestrade schien um Fassung zu ringen, während er seine Stirn massierte. Donovan öffnete und schloss ihren Mund wie ein an landgezogener Fisch, dann machte sie abrupt kehrt und flüsterte halb laut: „Freak.“ Sherlocks Augen verengten sich zu Schlitzen und ich sah darin ein dunkles Feuer lodern, das aus den Tiefen der Genugtuung und Schadenfreude entsprungen zu sein schien. Ja, mein Wohngenosse wirkte selbstzufrieden, als hätte er insgeheim auf eine ähnliche Situation gehofft. Aber warum? Wollte er irgendetwas beweisen. „Warum sollte ich? Ich bin in meinen privaten Vierwänden, keinerlei Gesetzt verbietet mir nackt auf meinem Sofa zu liegen und ein Buch zu lesen. Außerdem fühle ich mich gerade so frei von… Gedanken, ist Anderson gar nicht gekommen. Ich vermute er hätte ein paar Takte sinnlosen, inkompetenten Geplauder mit einbringen können. Irgendwie Schade, ich hätte gerne sein Gesicht gesehen – oder John? Was denkst du?“ Sein Kopf ruckte in meine Richtung, dunkle Wellen fielen ihm in die Stirn. Elegant wurde eine Braue gehoben. Wie leicht es ihm fiel, vollkommen nackt dazuliegen. Ich wäre vor Scham im Boden versunken. Als Sherlock mich weiterhin abwartend sah, konnte ich nur verlegen hüsteln. „Halte mich da raus.“ „Verflucht, mir ist egal, dass dies eure Wohnung ist, aber zieh der jetzt gefällig etwas an.“ Leidlich geprüft verdrehte Sherlock die Augen und stöhnte genervt auf. „Ich hasse es mich zu wiederholen aber: warum sollte ich dies tun, ich liege so schön bequem.“ „Die Leiche des Namenlosen ist verschwunden.“ – „Die ganze?“, während mein Herz stehen blieb um anschließend mit voller Kraft zu pochen, betrachtete mein Kollege seine schlanken Finger. Irgendwie umgarnte seine bleiche Gestalt mit den sehnigen Muskeln, die mich an Balletttänzer erinnerten, eine Aura ungenierte Unschuld – beinahe eine Art weißer Schleier, der Neugeborene umgab und Sherlock war ebenso nackt wie diese. Seine Brust hob und senkte sich regelmäßig, im ruhigen Rhythmus des Atmens, dabei spannte sich seine Brust immer wieder kurz an. Da lag eine klassische Statue, gemeißelt von Meisterhand, beseelt mit einem schimmernden Diamant von einem Verstand und dem Herz… des einsamen Wanderers, der stets einen Fuß vor den anderen setzen musste, ohne Halt, ohne Hoffen auf das wohlige Ankommen. Meine Kehle wurde trocken. Mein Herz fühlte sich seltsam an – irgendwie fehl am Platz, als suche es ebenfalls nach dem rechten Fleck, jenem Ort, wo es hingehörte. Mir entging das Gespräch, obwohl es wohl eher eine Art komödiantischer Akt für Sherlock war und eine pure Entnervung seitens Lestrade. Die Stille in meinem Kopf fühlte sich komisch an, surreal, diffus, eigen, als hätten meine Instinkte beschlossen mich im Stich zu lassen. „Wie? Langweilig? Sherlock, eine Leiche wurde gestohlen!“ – „Jungenstreich, höchstwahrscheinlich werdet ihr sie irgendwo deponiert wiederfinden, als Gag oder dergleichen. Wie gesagt, dies erfordert nicht meine Aufmerksamkeit und nun: raus und vergiss nicht die Tür zu schließen, es zieht etwas.“ Sherlock wedelte ungeduldig mit seinem Buch. „Ehrlich, wie schaffen sie es ihm keine reinzuhauen?“, wandte sich Lestrade an mich. Ich blinzelte kurz, dann zuckte ich die Schultern: „Eiserne Beherrschung?“ Lestrade nickte und murmelte mir leise zu: „Würden sie mir die beibringen, denn wenn das so weitergeht, lass ich jeden angepissten Polizeibeamten auf ihn los.“ – „Verstehe.“ Als Lestrade gegangen war, spürte ich den bohrenden Blick meines Wohngenossen. Er hielt immer noch das Buch hoch, doch sein Augenmerk glitt darüber hinweg, direkt zu mir. „Eiserne Beherrschung? Wie war das mit: Ich war Soldat und habe auch meine schlechten Tage?“ – „Also bitte! Du hast von mir verlangt dich zu schlagen und hast mich zuerst angegriffen.“, verteidigte ich mich, während ich seinen Mantel holte und zu ihm rüber warf. Das dunkle, schwere Stück Stoff segelte ungeachtet zu Boden. „Aber danach, war es schwer dich davon zu überzeugen aufzuhören.“ „Sherlock, lass die Haarspalterei und zieh dir etwas an… Bitte.“ Er schürzte die Lippen kurz, schnalzte mit der Zunge und machte so als würde er interessiert in dem Buch lesen. „Find’s aber gerade so angenehm, solltest es auch mal probieren, hilft beim Denken.“ Ich spürte wie eine eigenartige Spannung meinen Körper befiel, während ich jegliche Bewegung meines Kollegen mit den Augen verfolgte. „Glaube ich nicht.“, seufzend schüttelte ich den Kopf. Dann nickte ich in Richtung Kamin, wo der Rest des verstorbenen Seemannes lag. „Was ist…“- „Nein, John, falsche Frage. Nicht ‚was‘, sondern ‚wieso macht sich ein Mörder die Mühe zurück in die Pathologie zu gehen, der Leiche den Kopf abzutrennen und dann das offensichtlich schwerste Teil des Körper, den Korpus selbst, mit zu nehmen, anstatt nur den Kopf, der definitiv einfacher zu transportieren ist‘ und auch die Frage: ‚welchen Zweck verfolgt der Täter damit?‘ Mach zwei Tassen.“ Seelenruhig blätterte Sherlock eine Seite um, seine grauen, aufmerksamen Augen glitten in einem rasanten Tempo von Zeile zu Zeile. „Wie… Ach, ich lasse es einfach.“ – „Eine weise Entscheidung.“ Hörte ich die tiefe Stimme des Detektiven hinter mir, während ich müde in die Küche schlürfte, wohlwissend, dass mir Sherlock in wenigen Minuten eine Kostprobe seiner Genialität geben würde mit dem Wissen, dass ich dies genoss, es schier in mir einsaugte um kurz darauf Sherlocks Ego in neue Höhen zu katapultieren, weil ich nach seinen Eröffnungen aufhörte zu Denken bevor ich redete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)