You Always Meet Twice A Lifetime von NguyenTranLoc (Final Fantasy VII) ================================================================================ Kapitel 13: End Of Passion Play ------------------------------- "Und der war es ganz sicher?", hakte Reeve nach und bezog sich bei seiner Frage auf ein Aktenfoto von Trax, das auf die kleine Leinwand neben ihm projiziert wurde. "Ganz sicher", sagte Tifa und nickte nachträglich. Dieses Gesicht würde sie nicht so schnell vergessen. "Der hat uns im 'Siebten Himmel' überfallen." "Und er ist nicht mehr am Leben?" "Er ist tot, wirklich!", fiel ihr Elena ins Wort, bevor Tifa überhaupt etwas sagen konnte. "Gut, dann bleiben nur noch drei", stellte Reeve zufrieden fest. "Das ist die erste gute Nachricht seit Tagen!" jubelte Cid verhalten und zündete sich die dritte Zigarette in dieser Besprechung an - Reeve hatte schon lange aufgeben ihn auf das Rauchverbot aufmerksam zu machen. "Drei SOLDATs klingt doch gleich nicht mehr so schlimm wie sieben." "Die drei Verbleibenden sind allerdings die gefährlichsten", dämpfte Reeve seine Freude. "Und wenn schon? Mit denen werden wir auch noch fertig!" Von seinem Standpunkt fest überzeugt und offensichtlich nicht an weiterer Diskussion interessiert, lehnte Cid sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schwang die Beine auf den Tisch. Tifa musste schmunzeln. Sie hatte sich in der Vergangenheit sicher genau schon so oft wie jeder andere über Cids Macken aufgeregt, aber gerade musste sie feststellen, dass sie dieses Gehabe irgendwie vermisst hatte. Es war schön einige ihrer Freunde wieder zu sehen, auch wenn sie bisher kaum Zeit gehabt hatten miteinander zu reden. Außerdem tat es irgendwie gut auch mal wieder zuversichtlichere Menschen um sich zu haben. Sie waren wieder zurück in Midgar. Kaum eine halbe Stunde nach dem Kampf im Parkhaus waren sie per Hubschrauber zurück in die Hauptstadt gebracht worden, wo sie sich mit Reeve getroffen hatten - in Person, anstatt mit seinem Avatar Cait Sith. Hier hatten sie endlich mehr über die Hintergründe erfahren, auch wer Mishimas Leute waren - oder besser: Sarcones Leute. Schließlich war der junge Wissenschaftler der Kopf hinter alldem. Sie fühlte sich gleich wohler, jetzt wo sie nicht mehr ganz im Dunkeln tappte. Die Tatsache, dass ihre Wunde endlich richtig versorgt worden war und sie sich seid Tagen endlich wieder sauber und nicht mehr als Flüchtige fühlte, tat das übrige. Trotzdem gab es immer noch einige Angelegenheiten, die Tifa gehörig störten. Nur Schlaf hatte sie kaum bekommen und nun war es schon wieder früher Nachmittag. Vincent war also tatsächlich in die Fänge von Sarcone geraten und diente ihm jetzt als Prototyp - oder was auch immer - für seine Experimente. Er war nicht entkommen, wie Elena es vermutet hatte. Das brachte Tifa zu der zweiten Sache, die ihr im Moment noch missfiel: Elena. Die Turk hatte Reeve bisher zwar relativ freizügig Rede und Antwort gestanden, was ihre Beteiligung an der ganzen Geschichte betraf, allerdings hatte sie ein kleines Detail bisher ausgelassen. Genau genommen war es ein großes, gefährliches, zähnefletschendes, mittlerweile geflügeltes Detail. Und die angestrengte, übereifrige Art mit der sich Elena gerade auf Reeve konzentrierte, verriet Tifa, dass die Turk wieder einmal nur schuldig ihrem Blick auswich. Tifas Blick wanderte zu Cloud, der ihr an dem großen Besprechungstisch gegenübersaß. Er sah Elena ebenfalls misstrauisch an und ihm schien wohl auch aufzufallen, dass die Turk nicht alles erzählte. Tifa lächelte ihm kurz zu, als er bemerkte, dass sie ihn ansah, was er erwiderte, bevor sich beide wieder Reeve zuwandten. "Und du hast wirklich keine Ahnung, wo ihr Hauptquartier sein könnte?" "Nein, Reeve", erklärte Elena zum wiederholten Male. "Es war immer Mishima, der mich kontaktiert hat. Und persönlich getroffen hab ich ihn nur das eine Mal in Costa del Sol." "Mhh..." Reeve seufzte verstimmt und blickte nachdenklich zu Boden. "Da Beruga tot ist, müssen wir also hoffen, dass wir die Kleine so schnell wie möglich zum Reden bringen." "Sie ist ein Kind. Kann das so schwer sein", fragte Elena etwas verwundert. "Kind? Pah!", warf Cid ein, während er in unveränderter Haltung zur Decke starrte. "Die kleine ist kein Kind, das ist eine durchgeknallte Irre!" Reeve hob hilflos die Hände. "Was auch immer. Wir haben sowieso keine andere Wahl. Bei Beruga hätten wir davon ausgehen können, dass er zur Kooperation bereit ist, wenn wir ihm Schutz zusichern. Raika war zum Glück nicht sehr lange bei ShinRa. Sobald sie verhörbereit ist, wird es wohl hoffentlich nicht mehr lange dauern bis wir den Standort ihres Verstecks erfahren." Cid setzte sich wieder gerade und drückte ungeduldig seine Zigarette in der leeren Tasse vor ihm aus. "Haben wir's dann bald? Ich hab seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen. Ich will mich hinlegen." "Das kannst du auch, Cid. Ich denke, das war soweit alles", meinte Reeve und schaltete den Projektor aus, bevor sich wieder an Elena wandte. "Oder gibt es noch etwas Wichtiges, das wir wissen sollten?" Als Elena daraufhin nur den Kopf schüttelte, hatte Tifa Schwierigkeiten sich zusammenzureißen und nicht aus der Haut zu fahren. Sie konnte das einfach nicht glauben! Sie wollte gerade selbst dazu ansetzen etwas zu sagen, als die Tür des Besprechungszimmers aufgestoßen wurde und Reno hereinplatzte. "Die Kleine wäre dann soweit, Boss", teilte er kurz angebunden mit, warf den Versammelten einen kurzen Blick und schlenderte dann lässig wieder nach draußen, wobei er die Tür offen stehen ließ. Reeve nickte zufrieden. "Oh gut, dann wollen wir mal. Ihr könnt natürlich gerne mitkommen, wenn ihr wollt." "Nichts lieber als das!", rief Cid und sprang von seinem Stuhl auf. "Ich dachte, du wolltest dich hinlegen?" fragte Reeve etwas überrascht. "Pah! Und mir entgehen lassen, wie diese kleine Irre auspackt? Pah ha! Cloud erhob sich kopfschüttelnd und folgte Reeve zusammen mit Cid aus dem Zimmer, während Tifa es etwas langsamer angehen ließ und Elena am Handgelenk packte, die es ebenfalls sichtbar eilig hatte wegzukommen. "Was war das gerade für eine Show?", zischte Tifa angefressen mit leiser Stimme. "Ich hab alles gesagt, was die anderen wissen müssen", antwortete Elena ebenfalls ziemlich gereizt. "Der Rest ist meine Sache. Das geht niemanden was an", erklärte die Turk knapp, ohne Tifas Blick zu erwidern und befreite ihr Handgelenk. "Hast du jetzt endgültig..." "Kommt ihr?", fragte Cloud und steckte seinen Kopf wieder zur Tür herein." "Klar", meinte Elena und eilte an ihm vorbei aus dem Raum. Tifa warf ihr einen finsteren Blick hinterher, bevor sie aufstand und missmutig nachfolgte. Cloud sah sie besorgt an. "Alles in Ordnung?" Sie zögerte einen Moment, bevor sie mit einem Kopfschütteln antwortete. "Schon okay..." * * * Sie hatte ihn abgeknallt! Dieses Miststück Devon hatte ihn einfach abgeknallt. Es war nicht das erste Mal, dass er niedergeschossen worden war, aber diesmal war es wohl um ihn geschehen. Oder war er schon tot? Er hatte irgendwann das Bewusstsein verloren und nun waren die Schmerzen größtenteils verschwunden. Eine unnatürliche Wärme erfüllte seine Brust. Fühlte sich so der Lebensstrom an? Es unterschied sich eigentlich nicht wirklich von... Verwirrt schlug er die Augen auf und starrte zur Decke. Er war nicht mehr in diesem Parkhaus, aber den Lebensstrom hatte er sich auch anders vorgestellt. Außerdem kannte er diese Decke. Er war... im Hauptquartier!? "Bist du endlich wieder wach?", fragte eine unfreundliche Stimme, die er nur zu gut kannte. Immer noch etwas durcheinander setzte Lorgan sich auf und starrte Jinua an, die ihn genau so herablassend anblickte, wie ihre Stimme geklungen hatte. Die SOLDAT ließ gerade wieder ihre Hände unter ihren Roben verschwinden. Er tastete seinen Oberkörper ab. Die Wunden waren verschwunden. Er hatte zwar schon des Öfteren Schusswunden erlitten, die einen anderen Menschen getötet hätten, aber dieses mal war er davon überzeugt gewesen, es hätte ihn endgültig erwischt. "Deinen Dank kannst du dir sparen", meinte Jinua, bevor er etwas sagen konnte. Sie erhob sich von dem Hocker, auf dem sie bis eben gesessen hatte und marschierte zur Tür des kleinen Krankenzimmers. "Das habe ich ganz sicher nicht freiwillig gemacht." Im Türrahmen hielt sie ungeduldig inne. "Worauf wartest du? Der Kommandant will dich sehen." "Wa-Was ist passiert?", wollte Lorgan wissen, als er vom dem Untersuchungstisch stieg, auf dem er gelegen hatte. Jinua schnaubte verächtlich. "Was schon? Er hat es euch drei Amateuren überlassen und ihr habt es nach allen Regeln der Kunst verpatzt." Genervt verließ sie den Raum. "Komm endlich!" Lorgan betrachtete kurz die zerrissenen Überreste seines blutigen Shirts, die auf einem kleinen Tisch neben dem Bett lagen. Er beschloss sie liegen zu lassen und folgte Jinua mit nacktem Oberkörper aus dem Zimmer. "Ist Beruga entkommen?" "Warst du überhaupt dabei? Oder bist du einfach nur stockbesoffen in eine Munitionskiste gefallen?", giftete Jinua ohne sich zu ihm umzudrehen. Lorgan unterließ es darauf weiter einzugehen. Die Weißhaarige führte ihn in ein anderes Zimmer der Krankenstation, wo ein sichtlich unzufriedener Mishima auf die beiden wartete. Ajig war ebenfalls anwesend, aber der zweite SOLDAT hielt sich beinahe teilnahmslos im Hintergrund. Was Lorgan jedoch wirklich beunruhigte, war nicht etwa der finstere Blick seines Kommandanten, sondern die beiden zugedeckten Körper, die auf den Tischen in der Mitte des Raumes lagen. "Was ist...?" "Ja, genau! Was verdammt noch mal ist passiert?", begann Mishima zu toben. "Das möchte ich von dir gerne erfahren! Vor allem: Wie zur Hölle konnte das passieren?!" Er riss die Decke von einem der Körper und zum Vorschein kam ein lebloses Gesicht, das Lorgan erschrocken als das von Okita erkannte. Gleich darauf kam ihm ein schrecklicher Verdacht, woraufhin Lorgan die anderen drei SOLDATs ignorierend zu dem zweiten Tisch stürmte und die Decke von der dortigen Leiche herunterriss. Er war beinahe erleichtert, als er feststellte, dass es nur einer der Männer war - welcher konnte er nicht sagen, da sein halbes Gesicht fehlte. Allerdings ließ das noch eine weitere Frage offen. Lorgan wandte sich wieder zu den anderen Anwesenden um. "Wo ist Raika?" "Bekomme ich vielleicht endlich eine Antwort, Lorgan?" forderte Mishima mit fester Stimme und deckte dann Okita wieder zu. "Was ist in Junon passiert?" "Ich weiß es nicht genau", antwortete Lorgan ohne dem strengen Blick des älteren SOLDATs auszuweichen. "Ich wurde überrascht. Devon war dort..." "Und Lockheart ebenfalls. Das haben mir die Männer schon berichtet", unterbrach ihn Mishima ungeduldig. "Aber wie kann sein, dass fünf ehemalige ShinRa-Soldaten und drei SOLDATs..." "Zweieinviertel", fiel ihm Jinua ins Wort, worauf Mishima sie mit einem zornigen Blick verstummen ließ, bevor er fortfuhr. "Wie kann es sein, dass acht zuverlässige Kämpfer von zwei Frauen und einem feigen Doktor so aufgemischt werden?" "Midgar hatte auch Leute dort", berichtete Lorgan, und versuchte es so wenig wie möglich nach einer Ausrede klingen zu lassen. "Wie viele?" "Ich weiß nicht. Ich hab nur einen getroffen. Reno. War früher bei den Turks, schuldet mir noch siebzig Gil." Mishima grübelte kurz. "Strife und Highwind hast du dort nicht gesehen? Sie waren auch in Junon." Lorgan nickte bestätigend. "Ich weiß. Okita hat Raika den Beiden eine Warnung überbringen lassen..." Er stockte kurz - seine Frage war immer noch nicht beantwortet worden. "Wo ist Raika?" "Glaubst du, die beiden haben sich mit Midgar zusammengetan?" "Ich weiß es nicht, kann sein, keine Ahnung", antwortete Lorgan. Jetzt war er derjenige, der ungeduldig wurde. "Verdammt, Kommandant, wo ist Raika?! Ist sie auch verletzt?" "Wo schon?" Jinua hörte sich an, als würde sie eine rhetorische Frage beantworten. "Sie hat sich erwischen lassen." "Wir nehmen an, sie haben sie nach Midgar gebracht", fügte Mishima hinzu. "Und Beruga? Haben sie den auch erwischt?" Der Kommandant schenkte ihm kurz einen verwunderten Blick. "Nein, Beruga ist tot, auch wenn scheinbar keiner von euch weiß, warum." "Nur ändert das nichts an unserem Problem", mischte sich Ajig zum ersten Mal in das Gespräch. "Von der Kleinen können sie genauso gut erfahren, wo wir uns verstecken." "Sie wird uns nicht verraten. Sie glaubt an unsere Sache", meinte Lorgan überzeugt. "Ein paar Tage hält sie locker durch. Bis dahin haben wir sie rausgeholt." Mishima schüttelte den Kopf. "Zuviel Aufwand." "WAS?!" "Eine Rettungsaktion vorzubereiten dauert viele zu lange und kostet unnötig viele Ressourcen - von den Männern sind nur noch sieben unverletzt. Selbst wir vier kommen nicht so einfach in den Midgar-Tower rein und wieder raus." "Was sollen wir dann machen? Sie ist erst fünfzehn, verdammt! Irgendwann bekommen die sie klein." Mishima schwieg einen Moment und starrte Lorgan ernst an. "Wir müssen sie ausschalten - so schnell wie möglich, bevor sie uns verraten kann. Ein Attentat ist leichter durchzuführen als Rettungsaktion. " Lorgan war fassungslos. "Bei allem Respekt, Kommandant, das kann doch nicht Ihr Ernst sein." "Ich übernehme das", meldete sich Jinua zu Wort, worauf sich Lorgan zornig zu ihr umdrehte. "Darauf hast du nur gewartet, nicht wahr?" "Bitte?", gab sich die Hexe pikiert. "Ich melde mich nur für einen Auftrag freiwillig, der dir doch ohnehin nicht gefallen würde." "Nur über meine Leiche!", brüllte Lorgan sie an, packte sie gleichzeitig am Kragen und zog sie nah vor sein Gesicht. Jinua zeigte sich unbeeindruckt. Stattdessen verengten sich ihre Augen zu bösartigen Schlitzen. "Lass mich sofort los", zischte sie ihn an. "Dann gehe eben ich", meinte Ajig mit einem genüsslichen Grinsen. "Wenn Lorgan so dagegen ist, dass Jinua es macht. Und ich habe auch kein Problem damit." "Für dich gilt dasselbe!", schrie der riesige SOLDAT und ließ seinen zornigen Blick zwischen Jinua, die er wieder losließ, und Ajig hin und her wandern. "Kein von euch beiden wird sie anrühren!" "Lorgan", begann Mishima mit ruhiger Stimme. "Raika war durchaus ein würdiges Mitglied von SOLDAT. Mir wäre es auch lieber, es gäbe eine andere Lösung, aber es muss sein." Lorgan starrte eine ganze Weile schweigsam geradeaus, während er nachdachte. "Ich weiß", meinte er schließlich verbissen, bevor er sich wieder zu Mishima umdrehte. "Ich werde gehen. Ich werde Raika umbringen." "Abgelehnt", war die knappe Antwort des Kommandanten. "Was? Kommandant, ich werde nicht zulassen, dass sich einer dieser beiden Psychopathen auf sie stürzt! Ich will gar nicht erst wissen, was einer von ihnen mit ihr anstellen würde, bevor sie stirbt. Das hat sie nicht verdient. Ich werde wenigstens dafür sorgen, dass es schnell geht. Einfach und sauber." Mishima schüttelte nur den Kopf. "Du bist ein guter, treuer Soldat, Lorgan, aber du weißt, dass ich dir diesen Auftrag nicht überlassen kann. Weil du ihn nicht ausführen wirst." "Aber..." "Ich werde gehen." Die vier SOLDATs wandten sich alle überrascht Shishima zu, der in der Tür stand, ohne dass ihn jemand dort zuvor bemerkt hatte. "Ich habe mit Sicherheit am wenigstens Probleme in den Midgar-Tower zu kommen. Außerdem können Sie auf diese Art ihren Streit begraben", erklärte der Ninja, bevor er sich an Lorgan wandte. "Keine Sorge, Mister Fang, es wird schnell gehen. Einfach und sauber, Miss Gullwing wird nicht leiden. Ganz so wie Sie es sich wünschen." "Großartig", schnaubte Lorgan ärgerlich. "Natürlich nur, wenn Sie es gestatten, Mishima", fügte der Ninja höflich hinzu. Der General musterte Shishima einen Moment und schien seine Optionen abzuwägen. "Soll mir Recht sein. Wie schnell lässt sich die Sache erledigen?" "Geben Sie mir vierundzwanzig Stunden." * * * Das erste was Tifa hörte, als sich die kleine Gruppe den Verhörräumen näherte, war gedämpftes Geschrei, das sich - kaum das die Tür zum Beobachtungsraum offen war - in lautes Geschrei verwandelte. Die Quelle hatte sie schnell ausgemacht. Im Nebenraum, dem eigentlichen Verhörzimmer, schrie und tobte eine sichtbar aufgebrachte Raika und brüllte mit ihrer lautesten Stimme auf einen älteren Mann mit hochrotem Kopf ein, der wohl ebenfalls versuchte ihren Geräuschpegel zu erreichen. "Was für ein Geschrei! Warum stellt ihr die Mirkos nicht aus?", fragte Reeve nachdem alle den Beobachtungsraum betreten hatten "Die Mikros sind aus, Sir", erklärte daraufhin der genervt wirkende Mitarbeiter, der in dem Zimmer gewartet hatte. "Holen Sie ihn da raus, Johnson", befahl Reeve seinem Untergebenem, woraufhin dieser erleichtert nickte und einen Schalter drückte, der in dem Verhörraum ein akustisches Geräusch ertönen ließ, das dem dortigen Kollegen vermittelte, dass er das Verhör unterbrechen konnte. Sichtbar erleichtert ließ dieser sich nicht lange bitten und verschwand beinahe augenblicklich aus dem Raum. Was Raika, die ihre verletzte Schulter geschient bekommen hatte, nicht daran hinderte erst ihm und danach der Luft weitere Beleidigungen zuzuwerfen. Als ihr scheinbar endlich der Atem ausging, ließ sie sich mit trotziger Miene auf ihren Stuhl fallen. "Ihr habt die Wände neu gestrichen", stellte Elena fest als sie einen Blick durch das Fenster in den Verhörraum warf. Fragende Blicke beantwortete sie nur mit einem Schulterzucken. Die Tür zum Beobachtungsraum wurde abermals aufgestoßen und der immer noch rotgesichtige Beamte stürmte wutschnaubend herein. "Die Kleine ist doch absolut irre!", knurrte er laut und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von seinem kaum noch behaarten Haupt. "Meine Rede!", pflichtete Cid ihm bei, aber niemand ging weiter darauf ein. "Hat sie Ihnen schon irgend etwas verraten, Pearce?", wollte Reeve ungeduldig wissen. "Nein, nicht wirklich", stöhnte er. "Sehen sie sich die Protokolle von Johnson durch, wenn sie wollen. Ich denke es dauert noch ein Weilchen, bis ich sie überhaupt erstmal dazu bekomme ruhig zu sein." "Machen Sie ein paar Minuten Pause, Pearce. Sie auch, Johnson." Die beiden Beamten zögerten nicht lange und verließen sichtlich erleichtert den Raum. Pearce stockte, als er die neben der Tür an der Wand lehnende Elena bemerkte. "Hi", begrüßte die ihn knapp und grinste leicht. "Mit der Karriere scheint's ja gut zu klappen." Pearce brummte verärgert etwas Unverständliches und eilte dann an der Turk vorbei aus dem Raum. "Ihr kennt euch?", fragte Reeve. "Man könnte sagen, wir haben mal ein paar Tage auf engstem Raum verbracht." "Ah", meinte er knapp. Er verzichtete auf weitere Erklärungen und wandte sich an Reno. "Ist das das Protokoll?" "Jo." Reno grinste amüsiert, als er sich das Dokument durchlas. "Die Kleine kennt ja Ausdrücke... ganz schön kreativ... oh, und den muss ich mir merken. Dich erwähnt sie auch ganz schön oft, Highwind - ich glaub zumindest, dass du gemeint bist." Er las ein paar weitere Zeilen, während sein Grinsen immer breiter wurde. "Wen meint sie sonst wohl mit pädo...?" Reeve hob eine Hand hoch und unterbrach Reno mit einem genervten Räuspern. "Hat sie irgend etwas außer Beleidigungen von sich gegeben?" "Ja. Sie will 'nen Kaugummi." Reeve seufzte hörbar. "Das wird noch ein langer Tag." Tifa betrachtete währenddessen Raika, die im Nebenzimmer gelangweilt mit einem leeren Aschenbecher spielte, indem sie ihn hin- und herrollen ließ, bis er ihr schließlich runter fiel und in lauter Scherben zersprang. Ihrer einzigen Unterhaltung beraubt, lehnte sich das Mädchen zurück und starrte die Decke an. Erst jetzt fiel Tifa auf, dass sie Raika schon zuvor mal getroffen hatte. Sie war zu ihr in die Bar gekommen. So hatte Mishimas Gruppe Elena wohl aufgestöbert. Und sie hatte Raika stattdessen für ein Strichmädchen gehalten. Obwohl sie bezweifelte, dass Raika ein sehr viel besseres Leben führte. "Wie landet so ein junges Ding bei SOLDAT?", fragte sie nachdenklich. "Sie wurde vor etwa vier Jahren in Wutai aufgegriffen, wo sie sich wohl schon einige Zeit aufgehalten hatte und für ein paar der Anschläge während der Besatzung durch ShinRa verantwortlich war." "Sie hat als Terroristin gegen ShinRa gekämpft?" "Terroristin, ja. Aber ihre Bomben galten Wutai. Soweit wir es wissen ist sie eine Kriegswaise. Ihre Eltern müssen bereits während einer der ersten Angriffswellen Wutais zu Beginn des Krieges zu Tode gekommen sein." "Aber da muss sie noch ein Baby gewesen sein." "Ich weiß. Aber Fakt ist: Sie hat einen Mordshass auf Wutai und kann verdammt gut mit Sprengstoffen umgehen - auch wenn wir nie herausbekommen haben, wer es ihr beigebracht hat, wie sie nach Wutai gekommen ist und wie sie all die Jahre dort verbracht hat. Jedenfalls war sie eine geeignete Kandidatin für SOLDAT. Auch wenn sie nie wirklich ein volles Mitglied geworden ist, hat sie sich in den letzten vier Jahren weiterhin mit ehemaligen Mitgliedern der Einheit rumgetrieben." "Kein schönes Leben - wie so viele bei ShinRa." "Bla, bla, bla", warf Reno ungeduldig dazwischen. "Haben wir nichts Wichtigeres zu tun als die arme, kleine Bombenlegerin zu bedauern? Zum Beispiel raus zu finden, wo ihre anderen bombigen Freunde stecken?" "Ich geb's ja ungern zu, aber der Turk hat verdammt noch mal Recht", knurrte Cid. Tifa warf dem Piloten, der sich schon wieder eine Zigarette ansteckte, einen kurzen Blick zu. Cids Nervenkostüm hatte auch schon bessere Tage gesehen. Er wirkte deutlich gereizter als sie ihn Erinnerung hatte. "Wie sieht's aus, Boss? Soll ich sie mir vorknöpfen?" Reno tippte viel sagend an den Schockstab, der an seinem Gürtel baumelte. Tifa traute ihren Augen und Ohren nicht recht. "Ihr wollt sie doch nicht etwa foltern?! Sie ist noch ein Kind!" "Ach komm schon, Lockheart, nur ein kleines bisschen. Hab dich nicht so", grinste Reno sie an und wandte sich dann an die übrigen. "Gebt mir zehn Minuten und wir wissen alles was wir brauchen. Wo das Versteck ist, wie gut es bewacht ist, ihre Körbchengröße..." "Sehr witzig, Reno." Tifa warf ihm einen ärgerlichen Blick zu und verschränkte die Arme. Sie wusste, dass er sie höchstwahrscheinlich nur aufzog, aber bei Reno war es schwer zu sagen, wie ernst er etwas meinte. Sie war froh, dass er in Reeve einen vernünftigen Vorgesetzten hatte. "Hey, hey." Reno hob beschwichtigend die Hände. "Ich dachte nur, ich tu Highwind einen Gefallen..." "Halt gefälligst die Fresse, Turk!", bellte Cid und machte einen drohenden Schritt auf den Rotschopf zu, der mit einem erwartungsvollen Grinsen die Fäuste hochnahm. Cloud stellte sich allerdings zwischen die beiden und hielt Cid wortlos zurück. "Reno!", rief Reeve gleichzeitig und warf seinem Untergebenen einen genervten Blick zu. "Ich übernehme das. Du schreibst inzwischen endlich den Bericht." "Was?! Komm schon, das macht überhaupt keinen Spaß." Reno und Reeve starrten sich einen Moment an, dann schnaubte der Turk frustriert und drückte Reeve die Protokolle in die Hand. "Spielverderber." Tifa konnte Reeves erleichterten Seufzer durchaus nachvollziehen, als Reno endlich zur Tür raus war, die er lautstark hinter sich zugezogen hatte. "Ihr könnt ebenfalls gerne hier bleiben, obwohl ich glaube, dass es noch etwas dauern könnte", sagte Reeve. Er warf einen Blick in das Dokument und verzog das Gesicht, dann betrachtete er Raika im Nebenzimmer. "'Etwas' sehr groß geschrieben." Tifa war erleichtert, dass Folter für Reeve wohl wirklich keine Option darstellte. Einen Moment lang hatte sie durchaus ihre Zweifel. Man konnte es schließlich drehen und wenden wie man wollte: Die neue Regierung von Midgar waren ShinRas Erben. "Danke, ich verzichte", meinte Elena und riss Tifa aus ihren Gedanken. "Sieht außerdem nicht so aus, als würdet ihr mich dringend brauchen. Ich bin in meinem Zimmer. Sagt mir Bescheid, wenn die Kleine die Lage des Verstecks ausspuckt." Richtig, mit Elena hatte sie auch noch ein Hünchen zu rupfen! Bevor Tifa jedoch reagieren konnte, war die Turk schon zur Tür hinaus. Aber so einfach würde Tifa es ihr nicht machen. "Entschuldigt mich." * * * "Und wo bitte willst du hin?" Elena zuckte zusammen, als Tifas erboste Stimme hinter ihr ertönte. "Ins Bett. Ich bin müde", antwortete sie knapp und ohne sich umzudrehen oder auch nur anzuhalten. Als sie allerdings die Tür zu dem Quartier erreichte, das ihr zur Verfügung gestellt worden war, wurde sie trotzdem von Tifa eingeholt. "Was sollte das vorhin gerade?", fragte Tifa mit forderndem Ton. "Die werden es schon verkraften, dass ich nicht zu allen 'Gute Nacht' gesagt habe", meinte Elena ohne aufzusehen und sperrte ihr Zimmer auf, doch Tifa zog ihr die Tür wieder vor der Nase zu. "Du weißt haargenau wovon ich rede." Elena starrte einen Moment lang noch auf den Zimmerschlüssel in ihrer Hand. Sie wusste natürlich genau was Tifa meinte. Langsam hob sie den Kopf und drehte sich zu ihr um. "Ich wüsste nicht, was das die Anderen angeht." Tifa starrte sie fassungslos an. "Soll das ein Scherz sein? Wir waren uns doch einig, dass du Hilfe benötigst - dringend. Wo, wenn nicht hier, glaubst du wirst du die bekommen?" "Wer soll mir hier schon helfen?" Verärgert warf Tifa die Arme in die Luft. "Dieses ganze verfluchte Projekt hat doch irgendwann hier seinen Anfang genommen. Irgendjemand wird sich damit auskennen." "Niemand hier kennt sich damit aus", keifte Elena zurück. "Hojo kannte sich damit aus, und der ist tot! Der einzige, der seine Aufzeichnungen studiert hat ist Sarcone. Und sobald sie sein Versteck aus der Kleinen rausgequetscht haben, bin ich die erste die dort auftaucht und ihm alle Knochen einzeln bricht, bis er dieses Dreckszeug wieder aus meinem Körper holt." "Du willst also wieder herumsitzen und warten, dass es besser wird? Das hat bisher ja so wunderbar funktioniert. Ich dachte, dass hatten wir hinter uns?" "Es kann nicht lange dauern, bis wir das Versteck kennen. Bis dahin passiert schon nichts." Wahrscheinlich, fügte Elena in Gedanken hinzu. Hoffentlich. Tifa schnaubt ungläubig und verschränkte ihre Arme. "Glaubst du das wirklich? Gab's es in der letzten Woche einen einzigen Tag, an dem du dich nicht verwandelt hast?" "Das war was anderes. Hier droht uns keine Gefahr, da..." "Gefahr? Waren wir denn auf der Fähre irgendwie in Gefahr? Und das war ja wohl der schlimmste Anfall bisher." "Das war..." Elena geriet ins Stocken und wandte ihren Blick von Tifa ab. Auf der Fähre hatte sie gedacht, sie sei in Gefahr. Tifa sah sie eine zeitlang ungeduldig an, bevor sie sich abwandte. "Ich wollte es dir überlassen, du bist erwachsen. Aber Verantwortung sucht man bei dir wohl vergebens." Sie marschierte davon. "Ich erzähl Reeve davon." Elena sah erschrocken auf. Sie stürzte hinter Tifa her und hielt sie an der Schulter fest. "Tu das bitte nicht." "Warum nicht?" Tifa drehte sich wieder um und sah sie ratlos an. "Erklär mir bitte warum nicht? Ich hab verstanden, warum du nicht in ein Krankenhaus wolltest. Aber hier passiert dir doch nichts. Mein Gott, wenn du solche Angst hast, komm ich sogar gerne mit und pass auf, dass dir wirklich niemand was antut..." "Ich will einfach nicht, dass es jeder weiß", gestand Elena. Sie streifte ihren rechten Ärmel zurück und hob den geröteten Arm vor Tifas Gesicht. "Was würdest du machen, wenn du so rumlaufen müsstest? Es jedem auf die Nase binden? Denkst du, es macht mir Spaß, dass ich von irgendeinem Monster besessen bin, das mir manchmal einfach die Luft abschnürt, bis ich glaube ich sterbe? Und dazu ständig diese Stim... Kopfschmerzen." Sie nahm den Arm wieder runter und zog den Ärmel darüber. "Ist das wirklich etwas, was du gern anderen erzählen würdest? Vor allem Leuten wie Reno oder Highwind?" Tifa schwieg für einen Moment und schien zu überlegen. "Dann erzähl es nur Reeve", meinte sie schließlich. "Du musst es nicht allen erzählen, aber du musst dich jemandem anvertrauen." "Warum ausgerechnet Reeve? Was soll er schon ausrichten können?" "Er leitet schließlich die ganze Sache hier, er weiß vielleicht was zu tun ist. Außerdem wird er Stillschweigen bewahren, wenn du ihn darum bittest. Er ist ein guter Kerl." Elena dachte angestrengt nach. Das ihr kleines Problem nicht von alleine verschwinden würde, war ihr natürlich klar. Allerdings hatte sie keine Lust darauf, anstatt für Sarcone nun für Midgar als Versuchskaninchen zu enden. Nur eines wollte sie noch weniger: Tifas Zorn auf sich ziehen. Sie erwiderte den strengen Blick der anderen Frau. "Also schön, ich gehe nachher zu ihm" "Du gehst jetzt sofort, sonst mach ich es!", sagte Tifa und vermittelte nicht das Gefühl mit sicher verhandeln zu lassen. "Meinetwegen!", gab Elena nach. Es gab ohnehin keinen Ausweg "Aber du erzählst niemanden. Nicht einmal Strife oder Highwind! "Versprochen." "Danke." Elena seufzte kurz, dann machte sie sich nach einem kurzen Zögern mit gesenktem Haupt auf den Weg, um Reeve zu finden. * * * Erschöpft ließ sich Tifa mit ausgebreiteten Armen auf ihr Bett fallen. Gleich nachdem sie Elena zu Reeve gescheucht hatte, hatte sie sich in ihr eigenes Quartier zurückgezogen, um sich etwas auszuruhen. Der Kampf von vergangener Nacht steckte ihr immer noch in den Knochen. Und der heutige Tag war nicht unbedingt weniger anstrengend gewesen. Vor knapp einer halben Stunde hatte sie noch gedacht, dass Schlimmste sei überstanden, aber mit Elena würde es wohl anstrengend sein bis die Sache endgültig ausgestanden war - wann immer das sein mochte. Sie konnte die Turk in einigen Punkten ja durchaus verstehen, aber dass sie unwillig war sich helfen zu lassen konnte Tifa einfach nicht nachvollziehen. Sie schloss die Augen und versuchte sich etwas zu entspannen - es gelang ihr nur unmerklich. Sie hatte den grauenhaften Anblick von Elenas Verwandlung auf der Fähre wieder vor Augen. Dabei war es gar nicht mal die Monstergestalt, die Tifa am meisten zu schaffen machte. Die ihr offensichtlich den Verstand raubenden Schmerzen, die Elena erlitten haben musste, sowie die Tatsache, dass sie es bis kurz davor nicht bemerkt hatte, verursachten bei Tifa ein äußerst schlechtes Gefühl in der Magengegend. Sie seufzte laut. Wenn sie nur mehr tun könnte. Wenn sich Elena nur helfen ließe. Tifa hoffte, Elena würde ihr Wort halten und nun Reeve aufsuchen. So gern sie der Turk auch vertrauen würde, war es wohl das Beste ihr eine halbe Stunde oder so geben, und dann selbst Reeve einen Besuch abstatten. Elena hatte sich in den vergangen Tage als zu großes Talent beim Ignorieren ihrer Probleme herausgestellt. Und beim Schaffen neuer. Tifa rollte sich auf die Seite und bettete ihren Kopf auf die Hände. Was hatte sich Elena auf der Fähre nur gedacht? War sie von ihrer Verwandlung immer noch durcheinander gewesen. War das tatsächlich der schlechte Versuch einer Entschuldigung? Oder konnte es tatsächlich sein, dass...? Ein Klopfen an der Tür riss Tifa aus ihren Gedanken. Etwas widerwillig setze sie sich auf und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht. Soviel zum Versuch sich auszuruhen. Was hatte sie auch anderes erwartet? "Ich sagte doch, du sollst jetzt zu ihm gehen", sagte sie leicht gereizt als sie die Tür aufzog und geriet ins Stocken, als sie erkannte wer wirklich vor ihr stand. "Cloud...? Hallo!" "Hi", grüßte er sie knapp. "Hab ich dich geweckt? Entschuldige, ich..." Sie schüttelte schnell den Kopf. "Hast du nicht. Ich wollte nur... ich dachte, du... Komm doch rein." Tifa machte einen Schritt zur Seite, so dass er an ihr vorbei konnte und schloss anschließend die Tür wieder. "Schon Erfolg gehabt mit dem Verhör?" Cloud schüttelte den Kopf. "Raika ist ziemlich anstrengend. Reeve hat beschlossen sie noch etwas schmoren zu lassen. Das hat Cid gar nicht gefallen." "Kann ich mir vorstellen. Er hat scheinbar einen ziemlichen Zorn auf die Kleine." "Sie hat sein Flugzeug zerstört. Was erwartest du?" "Stimmt schon." Für einen kurzen Moment stellte sich ein unangenehmes Schweigen ein. "Also, was führt dich zu mir?", fragte Tifa mit etwas nervöser Stimme und ließ sich auf ihrer Bettkante nieder, während sie Cloud von Kopf bis Fuß musterte. Er wirkte auch nach all der Zeit immer noch unverändert. Die Haare, die er nun sicher schon ein Jahrzehnt gleich trug. Dieselbe Art von Klamotten. Die schimmernden blauen Augen, die irgendwie schon immer diese gewisse Traurigkeit beherbergten - seit sie sich das erste Mal die Mühe gemacht hatte, darauf zu achten. Die feinen Züge seines Gesichts, dem es so schwer war ein ernst gemeintes Lächeln abzugewinnen. "Du sagtest, wir müssen reden", meinte er und setzte sich mangels anderer Sitzgelegenheiten neben sie. "Wir haben doch den ganzen Tag geredet." "Nicht wirklich. Wir haben euch berichtet, was wir erlebt haben, und ihr habt erzählt, was euch widerfahren ist - oder besser gesagt, Elena hat es erzählt. Ich würde gerne deine Version davon hören." Cloud sah sie eindringlich an. Tifa fühlte sich ertappt, versuchte aber sich nichts anmerken zu lassen indem sie seinem Blick auswich. "Die wird sich nicht von Elenas unterscheiden." "Tifa", sagte er ruhig. "Ich kenne Elena nicht besonders gut. Sie mag eine gute Lügnerin sein, und ihre Anspannung einfach eine Reaktion auf die letzten Tage. Aber ich kenne dich und die Art wie du jemanden ansiehst, der gerade eine Geschichte erzählt, die du anders kennst. Den Blick hab ich mehr als einmal selbst abbekommen." Schuldig starrte sie die schmucklose Wand an. Sie wusste nur zu gut, wovon er sprach. Aber sie hatte nicht vor ihr Versprechen gegenüber Elena zu brechen - noch nicht. Sie hatte ihr diese letzte Möglichkeit es richtig zum machen zugestanden. "Sie hat das Wichtigste erzählt. Der Rest ist... Elenas Angelegenheit." "Das klingt nicht sehr überzeugend." "Cloud, bitte", wehrte sie sich gegen sein Drängen. "In einer Stunde muss sie euch vielleicht ohnehin alles erzählen, aber ich habe ihr versprochen, nichts zu verraten." Cloud wirkte nicht überzeugt und begann ebenfalls die Wand anzustarren. "Dafür, dass sie ein Turk ist, nimmst du sie ganz schön in Schutz." "Du musst gerade reden", entgegnete Tifa vorwurfsvoll. "Du arbeitest mit Reno zusammen." "Er arbeitet für Reeve. Cid und ich sind hier um Vincent zu helfen. Zufällig stehen wir dadurch auf derselben Seite." Tifa wusste, dass er damit sagen wollte 'Und? Welchen Grund hast du, einem unserer früheren Feinde zu helfen?'. Irgendwie empfand sie das fast schon als Beleidigung. Elena war in den letzten Tagen so etwas wie eine Freundin für sie geworden - eine anstrengende, seltsame Freundin. "Wenn du Elena in dieser Gasse gefunden hättest, du hättest sie in ihrem Zustand auch nicht dort liegen lassen." "Wahrscheinlich nicht", stimmte Cloud ihr zu. "Aber du hättest sie einfach in ein Krankenhaus bringen können und aus. Dann wäre dir viel erspart geblieben." "Du hättest sehen müssen, was die ihr angetan haben... die..." Tifa stockte. Sie durfte nicht zuviel verraten. "Ich würde einfach nur gerne wissen, warum dir ein Turk plötzlich wichtiger als alles andere ist", fuhr Cloud fort, als sie nichts mehr sagte. "Das ist nicht wahr!" "Dafür verteidigst du sie ziemlich vehement." "Hör zu, ShinRa ist seit vier Jahren Geschichte. Elena ist kein schlechter Mensch. Sie hat es verdammt schwer zurzeit. Ich... sie... sie..." Sie sah ihn verärgert an. "Warum muss ich mich überhaupt rechtfertigen?" Er hob beschwichtigend die Hände. "Tut mir Leid. Ich bin nicht hergekommen, um dir Vorwürfe zu machen. Oder zu streiten." "Ich..." Tifa atmete kurz durch und beruhigte sich wieder. "Ich auch nicht. Entschuldige." Sie wandte sich wieder der Wand zu und Cloud tat es ihr gleich. Einige Zeit saßen beide einfach nur schweigend neben einander. "Tut mir Leid wegen deiner Bar", sagte Cloud schließlich. Tifa seufzte hörbar. "Sie gehört... gehörte zur Hälfte immer noch dir." "Ich habe doch gesagt, du kannst sie haben." "Und ich..." Sie brach gleich wieder ab. Die Diskussion hatte schon in der Vergangenheit zu Streit geführt. Das musste sie nicht erneut haben. Erneut kehrte Schweigen ein. "Was macht das Leben in Nibelheim?", wechselte sie schließlich das Thema ohne ihn anzusehen. "Nicht viel. Ein Großteil der Tiere leidet immer noch unter Makovergiftungen. Sie werden von Monat zu Monat aggressiver. Ich versuch sie vom Dorf fern zu halten. Die Nachwirkungen des Reaktors werden wohl noch Jahre lang zu spüren sein." Freiwillig schien er wohl nicht damit herauszurücken, wer bei ihm zu Hause sehnsüchtig auf seinen Anruf wartete. "Und, gibt es jemand Neuen in deinem Leben?" Cloud sah für einen Moment nachdenklich geradeaus. "Eigentlich nicht." Tifa blickte ihn erstaunt an, was er allerdings nicht zu bemerken schien. Das war nicht ganz die Antwort, die sie erwartet hatte. Cloud sah sie wieder an. "Bei dir?" "Nun, Elena... aber das weißt du ja..." "Das meinte ich nicht." "Ich weiß, was du meintest. Ich..." Sie zögerte einen Augenblick. "Nein, gibt es nicht. Hier und da fragt mich jemand nach einer Verabredung, aber irgendwie..." Irgendwie gab es Midgar keine richtig glücklichen Menschen. Keine Menschen mit denen es ihr Freude bereitete Zeit zu verbringen. Es wurde zwar versucht die Stadt deutlich menschlicher und heller wieder aufzubauen. Aber Midgar würde wohl auf ewig eine kalte, anonyme und gefährliche Stadt bleiben - letzteres ironischerweise fast noch schlimmer, seit ShinRas Truppen nicht mehr durch die Straßen patrouillierten. "Fragst du dich manchmal, ob es etwas gebracht hat?" Cloud sah sie verwirrt an. "Was meinst du?" "Die Welt zu retten", begann Tifa und starrte geradeaus zu Boden. "Ich habe immer öfter das Gefühl, dass nichts wirklich besser geworden ist. Mako verschwindet zwar langsam aus unserem Leben, der Planet erholt sich, aber den Menschen geht es eher schlechter als besser. Vieles ist immer noch genau so schlimm wie früher - oder sogar schlimmer. Midgar wird von Tag zu Tag ein unangenehmerer Ort zum Leben." Sein Blick wanderte ebenfalls zu Boden. "Was hält dich dann noch dort?" Tifa erschrak förmlich vor dieser Frage. Sie wusste einfach keine Antwort darauf. Ihre abgebrannte Bar? Ein paar Bekanntschaften, die vielleicht irgendwann mal zu Freundschaften werden konnten? Ihre Stammgäste, die mittlerweile sicher schon ein neues Lokal gefunden hatten? Die Gräber von Wedge, Biggs, Jessie und vieler anderer aus Sektor 7? Erinnerungen? Sie merkte erst jetzt wie einsam sie geworden war. Aber wo sollte sie sonst hin, was sollte sie sonst machen? Barret kümmerte sich um Marlene und war gleichzeitig auf der Suche nach Kohle- und Ölvorkommen, um den immer größer werdenden Energiebedarf der Post-Mako-Ära zu decken. Reeve hatte eine Familie und arbeitete für die neue Regierung von Midgar. Yuffie hatte gerade ihr Studium in Wutai begonnen. Red hatte seine Aufgabe als Beschützer des Cosmo Canyons. Cid arbeitete immer noch an der neuen Highwind und flog Lieferungen durch die Welt. Selbst Vincent hatte scheinbar so etwas wie eine Karriere als Kopfgeldjäger gefunden. Nur Cloud wirkte auf sie genauso verloren, wie sie sich selbst fühlte. Vier Jahre waren vergangen, und vieles war trotzdem immer noch gleich. Wie an dem letzten Abend, bevor sie in den Nordkrater hinab gestiegen waren. Sie und Cloud waren die einzigen beiden gewesen, die keinen Ort mehr hatten an den sie zurückkehren konnten, von dem sie sich verabschieden wollten. Sie hatten nur sich beide gehabt. Ein schwaches Lächeln huschte kurz über ihr Gesicht. Unter all das Leid, die Kämpfe und die Trauer damals, hatte sich trotzdem einer der schönsten Momente in ihrem Leben geschlichen. Eigentlich hätte sie wissen müssen, dass es nicht von Dauer sein sollte. "Ich sollte gehen, du bist sicher todmüde. Ruh dich aus", unterbrach Cloud schließlich ihre Gedanken und das lange Schweigen. Tifa sah zu ihm auf, als er langsam aufstand und Richtung Tür ging. Ja, sie war müde, sie brauchte Schlaf. Allerdings war ihre Erschöpfung mehr geistiger als körperlicher Natur. Und etwas brauchte sie im Moment noch mehr. "Warte, Cloud", sagte sie mit unsicherer Stimme, während sie ebenfalls aufstand und mit langsamen Schritten auf ihn zuging. "Hm?" Er drehte sich wieder zu ihr um und sah sie, die Türklinke bereits in der Hand, fragend an. "Könntest du..." Sie legte ihm eine Hand auf die Brust, als sie ihn schließlich erreicht hatte und mit gesenktem Haupt vor ihm stand. "...hier bleiben?" Ihre Augen wanderten von ihrer Hand an aufwärts, bis sich ihre Blicke trafen. "Bitte..." Cloud antwortete ihr nicht, sondern nahm ihre Hand in die seine und sah ihr tief in die Augen. Dann beugte er sich vor und begann sie zu küssen. Tifa schloss ihre Augen, schlang ihre Arme um seinen Kopf und erwiderte den Kuss. Langsam zog sie ihn mit sich zurück in das Zimmer * * * Unentschlossen stand Elena im Gang vor Reeves Büro. Sie hatte ihn im Verhörraum nicht mehr angetroffen und war anschließend eine halbe Ewigkeit ziellos durch den ehemaligen ShinRa-Hauptsitz gestreift, bloß um diesem Gespräch zu entgehen. Allerdings war ihr während ihres Spaziergangs, wenn auch nicht ganz ohne Widerwillen, klar geworden, dass Tifa Recht hatte. Und mit Reeve konnte sie reden. Außerdem: Tifa vertraute ihm, und sie vertraute Tifa. Deshalb war sie schließlich doch hier hergekommen. Elena atmete ein letztes Mal entschlossen durch, klopfte anschließend kurz an die Tür und betrat dann das Büro. Ihr Körper verspannte sich mit einem Schlag, als sie erkannte, wer im Vorraum zu Reeves eigentlichem Büro an einem unordentlichen Schreibtisch saß und gelangweilt auf einem Laptop herumtippte. "Was willst du hier?", fragte Reno sie genervt und machte sich ebenfalls keine Mühe, seine mangelnde Begeisterung zu verbergen. "I-Ist Reeve da?" "Nein", bemerkte Reno schroff, ohne von seinem Computer aufzusehen. "Und selbst wenn er's wäre, hätte er für dich sicher keine Zeit." "Das hast du nicht zu entscheiden, oder bist du seine Sekretärin?", gab Elena patzig zurück. "Wo steckt er?" "Woanders. Was willst du von ihm?" "Geht dich nichts an. Sag mir einfach, wo ich ihn finde, ich muss mit ihm sprechen." Ein genervtes Knurren ausstoßend klappte Reno seinen Laptop zu und sah endlich zu ihr auf. "Was ist los? Willst du etwa um einen Job betteln? Dir geht wohl langsam das Geld aus, hm?" "Vergiss es! Ich komm später noch mal." Elena wollte sich gerade zum Gehen wenden, als Reno aufstand und um seinen Schreibtisch herumtrat. "Um dann seine Zeit zu verschwenden? Ich weiß nicht, ob es dir vorhin entgangen ist, aber wir haben uns um wichtigere Sachen zu kümmern, als um deine Problemchen. Und ein nicht unbeachtlicher Teil von dieser gewaltigen Scheiße ist deine Schuld. Also, warum nimmst du nicht deinen überflüssigen, kleinen Hintern und verziehst dich zurück an deinen Strand, wo du niemandem im Weg stehst?" "Halt einfach die Klappe, Reno", meinte Elena leise, die Hand auf der Türklinke. "Oh, hab ich jetzt deine Gefühle verletzt? Entschuldige." Renos Stimme triefte vor Sarkasmus. "Was zur Hölle ist dein Problem, Reno?", fuhr Elena herum. "Wir waren doch mal Freunde..." "Falsch", schnaubte der Rotschopf verächtlich. "Wir waren Kollegen - bestenfalls." Sie sah Reno überrascht an, versuchte es gleich darauf zu verbergen. Sie musste ihm nicht noch mehr Ziele liefern. "Schön, was auch immer. Trotzdem, ich hätte nicht auf dich geschossen." "Darum geht's also. Darf ich dich daran erinnern, dass du gieriges Miststück zuerst eine Granate nach mir geworfen hast. Natürlich hättest du geschossen." "Aber ich hätte dich nicht mit einem kaputten Bein mit diesem Monster zurückgelassen." Reno lachte laut auf. "Ganz sicher. Als ob du schon einmal in deinem Leben an wen anderen außer dich selbst gedacht hast? Kannst du eigentlich noch was anderes außer jammern? Du bist doch scheinbar allein ganz gut entkommen. Und so wie du herumläufst kann das am Bein auch nicht mehr als ein Streifschuss gewesen sein." "Streifschuss!? Das..." Elena biss sich auf die Zunge. Ihm würde sie das Ganze sicher nicht auf die Nase binden. "Vergiss es einfach. Ich finde Reeve auch alleine", meinte sie und wandte sich zum Gehen. In gewisser weise musste sie Reno recht geben: Das hier war Zeitverschwendung. "Du musst Tseng damals echt gewaltig den Kopf verdreht haben", sagte Reno als sie gerade die Tür geöffnet hatte. "Du hattest - und hast - nicht mal annähernd das Zeug zum Turk. Tu uns endlich den Gefallen und verschwinde! Niemand braucht dich hier." Sie hielt im Türstock inne und presste zornig ihre Augen zu. "TötE IhN!" Das war doch sowieso alles Renos Schuld. "Worauf wartest du noch? Hau endlich ab!", bellte der rothaarige Turk ungeduldig. Seine Schuld. Von Anfang an. "BrINg iHn uM!" Ohne Warnung fuhr Elena herum und wollte sich auf Reno stürzen, blieb jedoch ruckartig wieder stehen, als sie in den Lauf einer Waffe starrte. "Du warst schon immer so was von berechenbar." Reno grinste sie überlegen an. "Jetzt verschwinde endlich!" Elena zögerte für einen kurzen Moment und sah Reno grimmig an, aber noch hatte ihr rationales Denken die Oberhand. Sie machte kehrte und stürmte aus Büro, wobei sie die Tür hinter sich lautstark zuzog. "DU sOlLSt..." "Halt die Klappe!", schrie sie laut, kaum dass sie draußen war, und umklammerte dabei ihren Kopf, ohne darauf zu achten, ob sie irgendjemand sah oder hörte. Ihre Kehle schnürte sich schon wieder zu. "Halt verdammt noch mal die Klappe!" Die Stimme schwieg. Elena sah sich kurz um, aber scheinbar hatte sie keiner bemerkt. Sie atmete durch und versuchte sich etwas zu beruhigen, bevor sie sich auf den Weg machte. Sie hatte nicht vor ihren Fehler von gestern zu wiederholen - keine Lügen mehr. Es war sicher nur noch eine Frage der Zeit. Tifa hatte Recht: Sie brauchte Hilfe, sofort! Sie musste Reeve finden. Sie musste sich beruhigen. Vielleicht war es doch das Beste, Tifa einfach zu bitten mitzukommen. * * * Aufgrund des schlechten Wetters fiel kaum Tageslicht durch das schmale Fenster in das kleine Zimmer, das Shishima als Quartier diente. Da auch sonst keine Lichtquelle ihren Dienst tat, war es beinahe stockdunkel. Regungslos stand Shishima seinem Spiegelbild gegenüber und starrte ihm tief in die Augen - allerdings befand sich kein einziger Spiegel im Raum. "Es entgleitet ihm", begann einer der identischen Ninja, "und er wird größenwahnsinnig." "Damit war zu rechnen", antwortete sein Gegenüber. "Die Gefangennahme des Mädchens ist eine sehr ungünstige Entwicklung. Wir dürfen keine Entdeckung riskieren. Wir sollten es beenden und dem Lord die bisherigen Ergebnisse präsentieren?" "Das wird ihm nicht reichen. Nicht mehr lange und er wird seine Arbeit wohl abgeschlossen haben. Solange sollten wir noch warten." "Also schalten wir das Mädchen aus." Der erste Shishima nickte zustimmend. "Ich werde gehen. Du bist verletzt." Der andere Ninja zögerte einen Moment, bevor er antwortete. "Gut. Ich bereite inzwischen alles für das Ende vor." "So sei es. Für das ehrwürdige Reich." Der eine Shishima verneigte sich leicht, bevor er in die Dunkelheit davon glitt. "Für das ehrwürdige Reich, mein Bruder." * * * Tifa hatte ihren Kopf auf Clouds Brust gebettet und die Bettdecke bis über die Schultern hochgezogen. Ihren Augen waren geschlossen, sie lauschte zufrieden seinem Herzschlag und genoss den Ausklang ihres Schäferstündchens. Sie fühlte sich zum ersten Mal seit langem endlich wieder entspannt und geborgen. "War eine ganze Weile her", meinte Cloud, während er gedankenverloren mit einer Strähne ihres Haares spielte und dabei zur Decke starrte. "Mhh", brummte Tifa leise. Sie hatte keine Lust zu reden. Jedes Gespräch würde nur die Stimme in ihrem Unterbewusstsein lauter werden lassen, die sagte, dass sie gerade eine riesige Dummheit begangen hatte. "Eineinhalb Jahre, oder?" Sie stieß einen langen Seufzer aus. Warum konnte er nicht die Klappe halten und sie den Moment genießen lassen, bevor es wieder auf das alte Spiel hinaus lief? Und warum konnte er sich nicht einmal richtig erinnern? "Fast zwei..." "Vermisst du es manchmal? Das mit uns?" Was meinte er? Die Streitereien? Die Tränen? Seine Rastlosigkeit? Ihre unterdrückte Furcht, die sich nach und nach zu immer mehr Zorn aufgetürmt hatte? "Mhh..." "Ich hoffe, du weißt, dass das damals meine Schuld war. Ich habe einfach keine Ruhe gefunden. Ich war auf der Suche nach etwas, das man nicht finden kann. Ich glaube, ich bin es immer noch." Tifa löste sich von ihm und drehte sich weg, als ihre Stimmung wieder in den Keller rutschte. Warum, warum, warum konnte er nicht einfach still sein? Sie wollte nicht, dass er weiter sprach, weil sie genau wusste worauf es hinauslaufen würde. Ungläubig und frustriert schüttelte sie leicht den Kopf, ohne dass er es bemerkte. Sie biss sich auf die Unterlippe und schloss die Augen in der Hoffnung, dass das alles nur ein schlechter Traum war. Dass es nicht zu dem kommen würde, was nun unweigerlich kommen musste. Als er eine längere Weile schwieg, glaubte sie fast ihre Gebete seien erhört worden. "Denkst du noch manchmal an sie?" Da war sie wieder. Sie. Sie. SIE! Eigentlich hätte Tifa es wissen müssen. Cloud war immer noch derselbe. Sie war so dumm! Ohne noch lange zu zögern schwang sie ihre Beine aus dem Bett, schnappte sich ihre Klamotten und begann sich wieder anzuziehen. Cloud setzte sich verdutzt auf. "Tifa, was ist los? Wo willst du hin?" "Raus", meinte sie knapp und mit gebrochener Stimme, als sie sich ihr Oberteil überstreifte. "Das hier war ein Fehler." "Ein Fehler!?" fragte Cloud überrascht. Er sprang ebenfalls aus dem Bett und suchte seine Klamotten zusammen. Tifa hingegen stürmte einfach aus dem Zimmer auf den Gang hinaus, ohne wirkliches Ziel vor Augen oder sich um ihre Umgebung zu scheren. Wieso konnte sie einfach nicht dazulernen? Wieso hatte sie nur glauben wollen, jetzt wäre alles anders? Sie kam sich so dumm und naiv vor wie schon lange nicht mehr. Dass ihr nun trotz aller Bemühungen sie zu unterdrücken auch noch Tränen in die Augen stiegen, ärgerte sie noch mehr. Alles war gut gewesen. Er hatte sie gerettet, als sie dachte alles wäre aus. Die Verzweiflung von gestern war wie weggeblasen gewesen. Sie hatten sich endlich einmal wieder von Angesicht zu Angesicht unterhalten, nicht gestritten - zumindest kaum gestritten. Für einen kurzen Moment waren sie einfach wieder Freunde gewesen. Aber sie hatte es wieder versuchen müssen und war in dieselbe Falle getappt, aus der sie sich vor zwei Jahren gerade so befreien hatte können. Dabei hätte sie es eigentlich wissen sollen. Cloud würde sich nie ändern. Er hatte sein Entscheidung schon vor Jahren getroffen und würde sie wohl auch nie wieder ändern. Auch wenn er es sich wohl immer noch nicht eingestehen konnte. Und trotzdem klammerte sie sich immer wieder daran, dass er es nicht aussprach. Aber wie sollte man auch gegen eine Märtyrerin bestehen? "Tifa!", rief Cloud hinter ihr, woraufhin sie ihren Gang beschleunigte. Sie steuerte das gläserne Foyer des Stockwerks und die dortigen Aufzüge und Treppen an. Allerdings holte Cloud sie ein, bevor sie ihr Ziel erreichte. "Bleib stehen!" Er hielt Tifa an der Schulter fest und brachte sie dazu stehen zu bleiben, allerdings kehrte sie ihm nach wie vor den Rücken zu. "Kannst du mir bitte erklären, was mit dir los ist?" Sie schüttelte widerwillig seine Hand ab. "Lass mich einfach in Ruhe, Cloud." "Ich glaube es einfach nicht", stöhnte Cloud fassungslos. "Wir haben uns zwei Jahre nicht gesehen und schon nach einer Stunde ist es wieder so wie damals." "Weil du immer noch derselbe bist wie damals", fuhr Tifa ihn laut an, als sie sich zu ihm umdrehte. Ihr war plötzlich egal, ob er ihr Gesicht sah - oder was die Leute rundherum dachten. "Du denkst vielleicht, es macht mir nichts mehr aus. Aber es tut immer noch weh. Es tut weh und es macht mich so unglaublich zornig." "Wovon redest du?" "Ich rede davon, wie schwer es ist tagein, tagaus nicht zu wissen, ob du wirklich bei mir bist. Ohne auch nur die kleinste Andeutung ausharren zu müssen." Tifa gab sich keine Mühe mehr ihre Tränen zurück zu halten. "Ich kann das nicht noch einmal durchstehen." "Und ich weiß nicht, was du meinst." Er umfasste ihre Schultern. "Ich habe dir mehr als einmal gesagt, wie schön es ist mit dir zusammen zu sein. Wie zufrieden ich bin. Dass ich dich liebe." Tifa schüttelte den Kopf. Sie trat einen Schritt zurück und löste sich von seiner Berührung. "Du hast dich doch nur selbst angelogen. Du warst nicht zufrieden. Und das war nicht, was ich hören wollte. Das war nicht genug. Das..." Sie biss sich auf die Lippe. Etwas in ihr schrie 'Aufhören!'. Wenn sie jetzt weiter machte, verlor sie wahrscheinlich auch das letzte Fünkchen Hoffnung, dass ihr diese Lüge noch bot. "Was wolltest du dann von mir hören?" Sie schwieg und wich seinem Blick aus. Wieso konnte er nicht einfach von alleine darauf kommen? "Sag es mir!" Allein dass sie diese Frage stellen musste, zeigte doch schon, dass es eigentlich vorbei war - schon lange. "Tifa, was...?" "Dass du dich auf jeden Fall für mich entschieden hättest", platzte es endlich aus ihr heraus. "Was?!" "Ich hatte es einfach satt nicht zu wissen, ob du einfach nur bei mir geblieben bist, weil ich noch übrig war. Du denkst doch immer noch an sie - und nur an sie. Du suchst sicher immer noch einen Weg sie zurückzubringen, oder? Du wärst doch auch sauer, wenn du nicht wüsstest, ob du für jemanden sein ein und alles oder einfach nur gelegen bist. Die einzige Wahl, weil die erste Wahl draufgegangen ist!" Tifa starrte zu Boden, die Arme um sich geschlungen. Ein Teil von ihr wollte diesen Streit auf keinen Fall führen. Ein nicht gerade kleiner Teil wollte die Wahrheit gar nicht wissen. Ihr Blick wanderte wieder zu Cloud. Er sah sie ziemlich erschrocken an. Im Unterbewusstsein hatte er sich vor dieser Frage sicher genau so gefürchtet wie sie selbst. Aber es ewig herunter zu schlucken, funktionierte genauso wenig. Diese Ungewissheit zerstörte alles was von ihrer Freundschaft noch geblieben war. Damals wie heute. Es wurde mit der Zeit nicht besser - das hatte sie gerade erst wieder bemerkt. Es würde sie nur Tag für Tag zorniger werden lassen, so wie damals. Sie wollte Cloud nicht hassen. Vor allem aber wollte sie SIE nicht hassen. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Jetzt oder nie. "Deshalb...", begann sie zaghaft, seinen Blick mit dem ihren fixiert, "sag mir endlich: Was wäre aus uns geworden, wenn Aeris nicht gestorben wäre?" * * * Ein grelles Licht blendete Vincent, als er wieder zu sich kam. Ärgerlicherweise war das für ihn mittlerweile eine mehr als vertraute Sache. Er lag wieder mal auf einem Operationstisch. Sarcones überhebliche Stimme ließ auch nicht lange auf sich warten. "Mister Valentine, schön dass Sie wieder bei uns sind..." Vincent ignorierte den jungen Wissenschaftler, als dieser mit einem seiner Monologe fortfuhr, und versuchte sich zu konzentrieren, kaum dass er wieder bei Sinnen war. Was war zuletzt geschehen? Er hatte einen Ausbruchsversuch gestartet, aber einer von Sarcones Männern hatte das vereitelt - einer von Sarcones talentierteren Männern. Er konnte seinen verletzten Arm und die Beine immer noch nicht bewegen. Die Verletzung, die ihm zugefügt worden war, war ernsthafter als er zuerst angenommen hatte. Aber er bemerkte noch etwas anderes: Sein linker Arm, oder besser gesagt seine Klaue, war wieder an ihrem Platz. Er hatte wieder eine Waffe. Er zögerte nicht lange, sondern versuchte blitzschnell nach Sarcone zu greifen. Mehr als ein Versuch wurde es allerdings nicht. Eine metallene Fessel hielt seine Klaue an dem Tisch fest. Er zerrte daran ohne etwas zu bewirken. "Mister Valentine", kommentierte Sarcone seinen Versuch und beugte sich über ihn. Vincent nahm den Bluterguss in seinem Gesicht mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis. "Sie glauben doch nicht etwa, dass ich ein zweites Mal einen so fatalen Fehler begehe, oder?" Sarcone entfernte sich wieder aus seinem Sichtbereich und betätigte einen Knopf. Vincent hörte einen Elektromotor anspringen und kurz darauf dreht sich der Operationstisch mit ihm in die Senkrechte. Sarcone sah ihn etwas betreten an. "Sie haben ihre Prothese wieder bekommen, weil der gute Beruga uns von uns gegangen ist. Damit verzögert sich der Einbau eines Injektors leider auf unbestimmte Zeit." Seine Züge hellten sich auf. "Aber es gibt auch positives zu berichten: Dank Ihrer ausdauernden Hilfe konnte ich endlich Professor Hojos Serum rekonstruieren. Ein paar abschließende Tests noch und die Massenproduktion kann beginnen. Allerdings benötige ich dazu mal wieder die Unterstützung Ihrer besseren Hälfte, denn ich habe ein Problem." Sarcone trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf eine Gruppe von sieben Jugendlichen frei, die gefesselt und ängstlich an der Wand kauerten. Die meisten waren wie Bandenmitglieder gekleidet, wirkten aber nicht mehr wie die halbstarken Schläger, die sie wohl mal gewesen waren. Alle schienen zumindest leichtere Verletzungen zu haben. "So viele Freiwillige, aber ich habe im Moment nur noch zwei Einheiten des Serums über. Dünnen Sie die Gruppe doch bitte ein wenig aus. Und bloß keine Gewissensbisse, Mister Valentine. Ich werde ihnen die Fesseln abnehmen, so dass sie sich wehren können. Ich will schließlich die beiden Stärksten für mein Projekt." Sarcone trat wieder an ihn heran, in einer Hand eine Spritze, die mit einer gelbgrünen Flüssigkeit gefüllt war. Er drückte zum Test ein paar Tropfen heraus, dann setzte er Vincent die Nadel an den Hals. Vincent zerrte ein weiteres Mal an seiner Fessel, aber es hatte keinen Zweck. Auf die Schnelle würde er sie nicht lockern können. Er warf einen mitleidigen Blick auf die Kinder. Er konnte nichts für sie tun, aber durch die Verwandlung würde er seine Wunden regenerieren. Und dann würde Sarcone bekommen was ihm zustand. "Freuen Sie sich, bald bekommen Sie ein paar Geschwister", sagte Sarcone vergnügt als er das Serum injizierte. * * * "Ich warte." Das konnte Cloud ihr ohne weiteres ansehen. Tifas fordernder Blick, die verschränkten Arme, die nicht ganz vertrockneten Zornestränen, das alles erinnerte ihn nur zu gut an die Wochen, bevor er Midgar verlassen hatte. Sie hatten sich damals fast wegen jeder Kleinigkeit gestritten, und irgendwie glaubte er jetzt mehr denn je, dass das alles nur vorgeschobene Gründe gewesen waren, weil keiner von ihnen sich getraut hatte, das wirkliche Problem anzusprechen. Ein bisschen wünschte sich Cloud es wäre immer noch so. Er hatte insgeheim gehofft, diese Frage nie beantworten zu müssen. Er hatte sogar die Frage selbst verdrängt. Seufzend sah er kurz Boden. "Ich will... ich werde dich nicht anlügen." Ihre Blicke trafen sich wieder. "Also kann ich dir auch nicht sagen, was du gerne hören würdest." Diesmal war es Tifa, die den Blickkontakt abbrach. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und stieß hörbar Luft aus, nur konnte Cloud nicht deuten ob es frustriert oder erleichtert war, allerdings schien die Anspannung aus ihrem Körper zu weichen. Sie fuhr sich kurz mit einer Hand über die Augen und sah ihn dann wieder an. "Das war es dann wohl endgültig." Cloud nickte langsam, worauf Tifa ein leises, verbittertes Lachen ausstieß. "Wir hätten uns viel Ärger erspart, wenn ich dich das einfach früher gefragt hätte", stellte sie fest. "Nicht wahr?" "Du bist mir immer noch wichtig. Du wirst mir immer wichtig sein, nur..." "Ich weiß", lächelte Tifa schwach, aber versöhnlich. "Du mir auch, aber..." Das Ende von Tifas Satz bekam Cloud nicht mehr mit, da er plötzlich von etwas Kräftigem gerammt wurde. Er wurde einige Meter durch die Luft gegen eine der großen Fensterscheiben geschleudert, die durch den Aufprall riss aber nicht zerbrach. Von der überraschenden Attacke immer noch benommen, hatte Cloud keine Gelegenheit sich zu sammeln, bevor sich sein Angreifer wieder auf ihn warf. Abermals wurde er hart gegen das Glas gestoßen, dass diesmal mit einem lauten Klirren zerbarst. Er hörte Tifa noch aufschreien, dann riss sein Angreifer ihn mit nach draußen in den Regen. Zusammen stürzten sie in die Tiefe. ---------- Ende Kapitel 13 ---------- Anmerkungen des Autors: Ja, ich weiß es ist lange her. Aber die ewige Ausrede, die Uni hält mich auf und entzieht mir sämtlichen kreativen Kräfte will ja auch keiner mehr hören, oder? Also lassen wir's einfach bei "ich tu mein bestes wieder schneller an YAMTAL zu arbeiten". Ich hoffe wenigstens es hat euch gefallen. Okay, das Kapitel hat mich wirklich geschlaucht. Gut, dass mich der Advent Children Motivationsschub darüber hinaus geschoben hat (AC erkenne ich übrigens nicht als Canon an, dafür war's inhaltlich zu mau). Aber ich bin zuversichtlich, dass die nächsten nicht so lange dauern werden. An denen hab ich auch fleißig gearbeitet in der Zwischenzeit (die späteren sind schon recht weit). Was gibt's zu diesem Kapitel groß zu sagen? Nun, ich glaube es dürfte relativ gut rüber kommen, warum ich denke das Cloud und Tifa nicht zusammen passen. Ja, Shishima sind zwei Personen nicht eine, was man aus manchen der früheren Kapitel herauslesen konnte, ein kleinweinig zumindest. Die Punks, die Sarcone Vincent zum Fraß vorwirft, sind die Überreste der Bande die Jinua in Kapitel 7 aufgemischt hat. Und ach ja, es gibt wieder Bonuspunkte für jeden, der mir sagen kann, wo der Titel herkommt *g* Lasst hören, wie's euch gefallen hat, bis zum nächsten Kapitel (das schon fertig is, ich muss nur endlich die letzten Korrekturen anbringen)! Nguyen Tran Loc Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)