Be My Valentine von Yurippe ================================================================================ Kapitel 1: Valentine's Day -------------------------- Haruka saß in der Küche, über und über mit Schokolade, Puderzucker und bunten Streuseln bedeckt. Die Küche selbst sah auch aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Dabei hatte doch alles ganz harmlos angefangen... „... der Valentinstag rückt immer näher! Wie wäre es mit etwas köstlicher Schokolade? Schokolade für Ihren Liebsten!“, schallten die Reklameansagen aus sämtlichen Lautsprechern in der Stadt. Überall waren Stände mit Schokolade aufgestellt, an denen man aus unzähligen Geschmacksrichtungen und Formen das Passende für den Mann seines Herzens kaufen konnte. Haruka seufze und schlenderte gedankenverloren auf einen der Stände zu. Sah das alles lecker aus! Fast überlegte sie, ob sie etwas kaufen und selbst essen sollte. Das war schließlich nicht verboten, und in letzter Zeit schienen Geschenke an sich selbst sowie die weiblichen Freunde immer mehr in Mode zu kommen. Schließlich arbeiteten sie das ganze Jahr hindurch hart, und man gönnte sich ja sonst nichts. Oder lag es daran, dass die Menschen einfach nicht mehr in die Liebe investieren wollten? Jedenfalls sahen diese ganzen Pralinen, Tafeln und andere Leckereien verdammt verführerisch aus. Haruka lief schon vom Ansehen das Wasser im Mund zusammen, und sie war kurz davor, in ihrer Tasche nach etwas Geld zu kramen, als sie hinter sich eine Stimme vernahm. „Ist doch alles nur ein geschickter Schachzug der Schokoladenindustrie, um die Verkäufe anzukurbeln.“ Als sie sich umdrehte, war Shuu gerade dabei, sich eine grüne Haarsträhne aus dem Gesicht zu schnipsen. Wie immer sah er umwerfend gut aus, aber das hinderte Haruka nicht daran, sich über seine Bemerkung zu ärgern. „Bist du nicht vielleicht einfach nur sauer, weil du nie Schokolade bekommst?“, stichelte sie. Shuu schnaubte bloß verächtlich. „Ich krieg so viel davon, dass ich nicht mal alles tragen kann. Was ist denn der Sinn an der Sache?“ „Na, man will damit der Person, die man liebt, zeigen, wie wichtig sie einem ist. Ist doch ganz einfach“, dozierte Haruka. Shuu war immer noch nicht überzeugt. „Was wissen denn diese Mädchen schon von mir, als dass sie behaupten könnten, sie lieben mich?“ Darauf fiel Haruka erst mal keine Antwort ein. Während sie überlegte, was sie erwidern sollte, hatte Shuu sich schon zum Gehen gewandt. „Wir sehen uns im Pokémon Center.“ Und weg war er. Ach ja, richtig, dachte Haruka, sie waren ja beide im gleichen Pokémon Center gelandet, wo sie sich auch schon über den Weg gelaufen waren. Nach dem letzten Wettbewerb, den leider keiner von ihnen gewonnen hatte, konnte Shuu nicht wie immer sofort weiterziehen, sondern hatte sein Roselia für einige Tage in Behandlung lassen müssen, da es in der Endrunde einige schwere Treffer eingesteckt hatte. Haruka wiederum hing noch in dieser Stadt herum, da sie sich irgendwie eine Chance erhoffte, Shuu ein bisschen näher zu kommen. Was sie zurück zum Thema brachte. Es stimmte schon, dass keines dieser Mädchen eine Liebesbeziehung mit Shuu verband, aber konnten sie deshalb nicht ihre Gefühle ausdrücken? Nicht, dass es Haruka gefallen würde, wenn sich eine andere an Shuu ranschmiss, aber wenn er gegenüber jeder, die ihm ihre Gefühle offenbarte, so kühl war, standen wohl auch für sie selbst die Chancen schlecht. „Argh, Shuu, wieso musst du auch so ein Gefühlskrüppel sein?“, schimpfte sie leise vor sich hin, als sie sich auf den Heimweg machte. Oder, anders gesagt, wieso hatte sie sich ausgerechnet in diesen Gefühlskrüppel verlieben müssen? Andererseits, fiel ihr ein, hatte er vielleicht einfach nur das Gefühl gehabt, keins der Geschenke wäre von Herzen gekommen. Vielleicht, zumindest wollte Haruka das gern glauben, steckte tief in seinem Herzen ein gefühlvoller Romantiker, den man nur irgendwie herauslocken musste. Oder auch nicht. Zumindest einen Versuch war es wert, fand das Mädchen. Sie kannten sich nun schon eine ganze Weile, und obwohl sie inzwischen relativ gute Freunde geworden waren, stagnierte ihre Beziehung in letzter Zeit. Haruka hätte Shuu zu gern gesagt, dass sie mehr als Freundschaft für ihn empfand, bisher aber noch nicht den Mut und den richtigen Moment dazu gefunden. Aber nun hatte ihr der Zufall sozusagen in die Hände gespielt: sie beide am Valentinstag in der gleichen Stadt. Und das mit dem Mut würde sie schon hinbekommen, hoffte sie. Immerhin hatte sie es auch geschafft, unabhängig von ihren Freunden eine Karriere in Johto aufzubauen. „Auf geht’s!“, feuerte sie sich selbst an. Aber wie sollte sie Shuu zeigen, dass ihre Schokolade nicht bloß ein weiterer Schritt in Richtung reicher Kakaohändler war? Da blieb wohl nur eins: selber machen! Es gab nur ein Problem. Sie hatte keine Ahnung, wie sie anfangen sollte. Schließlich war es ja nicht so, als würde sie jeden Tag Schokolade herstellen. „Hm, also zuerst mal die Zutaten... Was braucht man denn für Schokolade? Vielleicht doch erst mal ein Rezept.“ So vor sich hinmurmelnd manövrierte Haruka sich irgendwie durch den lokalen Buchladen und kaufte dann mit dem Rezept in der Hand die Zutaten ein, bevor sie sich auf den Rückweg ins Pokémon Center machte. „Schwester Joy, darf ich heute Ihre Küche benutzen?“ Die Krankenschwester schaute etwas skeptisch, gab aber nach und überließ Haruka den gewünschten Raum. Hoffentlich würde sie das nicht später bereuen, dachte sie. Haruka breitete also die Zutaten auf dem Tisch aus, legte das Kochbuch und die darin aufgelisteten Utensilien bereit und machte sich an die Arbeit. Sah doch eigentlich ganz einfach aus. ... So hatte sie zumindest anfangs gedacht. Nach einigen Stunden jedoch änderte sich ihre Meinung. Erst wollte die Schokolade nicht schmelzen, dann brannte sie an. Dann verbrannte sich Haruka die Hand, öffnete den Puderzucker zu schwungvoll, sodass er sich über den ganzen Raum und sie selbst verteilte, und dann verschüttete sie zu allem Überfluss noch die bunten Streusel. „Das hat ja nicht so toll geklappt“, kommentierte das Mädchen. So viel zu ihrem tollen Plan, Shuu etwas von Herzen kommendes zu schenken. In der Schüssel war nur noch ein Rest Schokoladenmasse übrig geblieben, der sich zu einer kleinen Kugel formen ließ. Diese bestreute sie mit den paar Streuseln, die nicht der Tütenexplosion zum Opfer gefallen waren und platzierte sie in der nun viel zu großen roten Schachtel. Da der Anblick so traurig aussah, dass sie ihn kaum ertragen konnte, klappte Haruka rasch den Deckel zu, band eine Schleife fest um die Pappe und verstaute das misslungene Geschenke in einer dazugehörigen roten Papiertüte. Wieso sie das tat, war ihr allerdings unklar. Sie konnte ja unmöglich Shuu dieses Missgeschick überreichen. Seufzend reinigte sie die Küche, bevor Schwester Joy noch einen Herzinfarkt bekam, und nahm die Tüte mit der missglückten Schokolade an sich. Es fehlte ja noch, dass jemand diesen Misserfolg zu sehen bekam. Gerade als sie durch den Flur zur Treppe schlich, um in ihrem Zimmer erst mal eine Dusche zu nehmen, lief sie, wie könnte es anders sein, ausgerechnet Shuu in die Arme. „Wie siehst du denn aus?“ Gute Frage, wie sah sie wohl aus? In der Küche gab es keinen Spiegel, aber Haruka vermutete, sie sah aus wie nach einer Kuchenschlacht. Großartig, dachte sie. „Ich backe eben mit vollem Körpereinsatz“, gab sie zurück, bemüht, ein bisschen ihrer Würde zu behalten. Shuu grinste. „Das sehe ich. Und die Ausbeute ist in der Tüte?“ „Da ist gar nichts drin!“ Haruka versuchte, das Corpus delicti hinter ihrem Rücken zu verstecken, aber Shuu hatte es sich schon geschnappt und warf einen Blick ins Innere. „Was ist in der Schachtel?“ Als Haruka nicht auf seine Frage antwortete, zog der junge Mann selber seine Schlüsse aus dem Datum und vor allem den Zutaten in ihrem Gesicht. „Schokolade? Ist die etwas für mich?“ „Du hältst doch eh nichts von so was“, fuhr Haruka ihn an und versuchte, sich die Schachtel zu schnappen. Shuu sah sie an. „Das hab ich nie gesagt. Ich wollte nur keine Schokolade von irgendeiner, die sie in irgendeinem Kaufhaus einfach gekauft hat. Aber da du offenbar mit ‚vollem Körpereinsatz’ gearbeitet hast...“ Haruka erwiderte seinen Blick etwas ungläubig. „Also nimmst du meine Schokolade an?“ Eines seiner seltenen Lächeln breitete sich auf Shuus Gesicht aus. „Wenn du sie tatsächlich mir geben willst, nehme ich sie an.“ Haruka lächelte nun ebenfalls. „Wem denn sonst?“ Der junge Mann zog die Schleife auf, hob den Deckel von der Schachtel und nahm die Schokolade heraus, um nach nur einem Bissen angewidert das Gesicht zu verziehen. Bevor Haruka jedoch über seine Undankbarkeit schimpfen konnte, lachte er und sagte: „Na ja, wenigstens wurde sie mit Liebe hergestellt.“ Eine rote Rose folgte seinen Worten. „Darauf kommt es letztendlich an, nicht wahr?“, stimmte Haruka ihm zu. Es ist egal, ob eure Geschenke perfekt sind oder nicht. Hauptsache, sie kommen von Herzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)