Lass mich nie mehr los von Nozomi-chan ================================================================================ Kapitel 1: `Cause everything is never as it seems ------------------------------------------------- Kapitel 1: `Cause everything is never as it seems „Dylan, wo bleibst du denn??!“ Die Stimme am anderen Ende der Handy-Verbindung war so laut, dass der Blonde das Telefon kurz von seinem Ohr wegriss. „Ich hab den Bus verpasst, Mann! Und schrei mir, verdammt nochmal, nicht so ins Ohr!“ „Der Müller ist schon total sauer! Der denkt, du schwänzt!“ „Und selbst wenn …“ Durch die Hetzerei und das gleichzeitige Sprechen mit Richy hatte Dylan allmählich Probleme, seinen Atem zu kontrollieren; er war kurz davor stehen bleiben zu müssen. „Naja, er hat dich heute wohl sehr fit an Jessys Lippen hängen sehen…“ Er konnte seinen Kumpel förmlich durchs Telefon grinsen hören. War ja klar, dass dieser Spast von Lehrer dumme Kommentare abliefern musste, während er sich hier abhetzte. „Kannst ihm ausrichten, ich bin fitter denn je und jeden Moment da ... Bis gleich!“ Damit klappte er sein Handy zusammen und schob es sich in die Hosentasche. Mittlerweile war er an der Sporthalle angekommen, hastete durch die Tür und den Gang Richtung Umkleiden entlang. Laut keuchend knallte er die Tür auf. Doch was ihm dann ins Auge fiel, ließ seinen Atem abrupt stocken. Die blauen Flecken waren riesig, teilweise hatten sie die Größe von zwei Fäusten. An den Farben erkannte man, dass ältere dabei waren, die schon ins gelbliche übergingen und offensichtlich neuere, die noch sehr dunkel und auffällig waren. Noch während Dylan dabei war, seine Gedanken zu ordnen, und die Eindrücke zu verarbeiten, blickten ihn zwei dunkle Augen entsetzt an; sie gehörten dem Jungen, dessen Rücken der Blonde gerade so angestarrt hatte. Schnell zog sich dieser Junge ein schwarzes T-Shirt über, schlüpfte gleich darauf in eine ebenfalls dunkle Trainingsjacke und verließ eilig die Umkleiden durch die Tür, die zu den Hallen führte. Immer noch total perplex starrte Dylan auf den Platz, an dem der Junge gestanden hatte. Erst langsam wurde ihm bewusst, dass er ihn kannte; sie waren zusammen in ein paar Kursen. Doch so richtig aufgefallen war er ihm bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Und wenn er so drüber nachdachte, wusste er noch nicht einmal, wie er hieß. „Alter, wo bleibst du denn!?“ Der Blonde hatte gar nicht gemerkt, dass Richy den Kopf zur Tür reinhing. „Schläfst du?“ „Äh … nein…“ Damit zog er sich schnell um und folgte dem anderen in die alle, wo sich bereits zwei kleine Grüppchen gebildet hatten. Zwei seiner Mitschüler starrten nachdenklich auf die übrigen Jungen, die noch keiner der beiden Gruppen angehörten. „Na endlich, Anderson, ich dachte schon, sie würden gar nicht mehr hier auftauchen! Kommen sie her – wir spielen Basketball!“ Gut, nun war die Sache mit der Grüppchenbildung auch geklärt. Etwas gelangweilt, weil dem Lehrer in den letzten Wochen wohl nichts Besseres einfiel als Basketball zu spielen, schlurfte der Blonde auf die anderen zu. Noch bevor er dort überhaupt zum Stehen kam, rief Tobias laut „Dylan!“ und von seiner Gegenseite war verärgertes Murren zu hören. Er war gut im Basketball, wie fast in allen Sportarten; vor allem in den Ballsportarten gab es nur einige in seinem Kurs, die es mit ihm aufnehmen konnten, und das wussten natürlich alle, weshalb er immer einer der Ersten war, die beim Aufteilen der Teams gewählt wurde. Er trabte zu Tobias und den beiden anderen in dessen Team – Leon und Sam – und begrüßte ihn mit einem kurzen Klaps auf die Schulter. Als er dann zu denen sah, die noch auf ihre Auswahl hofften, erblickte er den Jungen von vorhin wieder. Und nun konnte er ihn auch endlich richtig ansehen: Er hatte schwarzes Haar, das er sich schon relativ lange hatte wachsen lassen und zu einer, wie Dylan fand, typischen Emo-Frisur trug. Der Pony hing ihm schief über die dunklen Augen, das rechte Auge blitzte nur etwas unter den dicken Strähnen hervor. Die Haare hingen ihm bis tief in den Nacken und auch seine Ohren lugten nur hervor unter dem Schwarz. Im Gegensatz zu den anderen Jungs, die er kannte, war dieser Junge eher schmächtig und blass. „Dann nehmen wir als letztes Jonas.“ Der Emo-Junge nickte kaum merklich und trat dann zu dem gegnerischen Team dazu. Jonas also hieß er – nein, den Namen hatte er noch nie bewusst gehört, seltsam. „Und wir Richy …“, murmelte Tobias. „Bleibt euch ja nichts anderes übrig!“ Grinsend trat Richy auf ihn zu. Er wusste, dass er eine Sportniete war – alle wussten das – aber er hatte in anderen Fächern seine Stärken und nahm das Ganze mit Humor. Nur Tobias sah das etwas anders, der musste gewinnen. Immer. ~~~ „Mann, Tobi!!“ Genervt sah Dylan zu, wie sich das andere Team einen erneuten Zweipunkte-Wurf erspielte. „Du sollst doch Michi decken!“ Sie lagen bereits 15:20 hinten und allmählich zweifelte er an Tobias` Ehrgeiz, das Spiel tatsächlich gewinnen zu wollen. Allerdings musste er zugeben, dass ihr Gegner-Team auch wirklich gut drauf war; allen voran Jonas. Er hatte nie bemerkt, dass der Schwarzhaarige so gut war, erst jetzt fiel es ihm auf. Er spielte clevere Pässe, hatte enorm gute Finten und Dribblings drauf und fast ein Drittel des Punktekontos ging auf seine Kappe. Doch wenn er sah, wie Jonas sich beim Teamjubel jedes Mal zurücknahm und dadurch andere in den Vordergrund rückte, verstand er auch, warum er ihm nie aufgefallen war. Und seit Dylan diese wahnsinnigen blauen Flecken auf Jonas` Rücken gesehen hatte, musste er den anderen dauernd anstarren; ihre Blicke trafen sich dabei ständig, aber Jonas ignorierte den Blonden auffällig unauffällig. Dass Dylan sich außerdem nicht richtig traute, den anderen anzugehen, ihm den Ball wegnehmen zu wollen, hing wohl auch mit seiner Entdeckung in der Kabine vorhin zusammen; schließlich wollte er ihm nicht noch mehr weh tun … „Dylan!!“ Es war nur ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, doch der reichte, um sein eigentliches Vorhaben zu negieren: Sam spielte ihm den Ball weit und hoch zu, Dylan sprang wuchtig dem orangen Rund entgegen und sah dabei nicht den schwarzhaarigen Jungen an seiner Seite. Dem Blonden kam es vor, als hätte sein Ellenbogen an Jonas` Schläfe ein lautes ´Pong` verursacht, das alle in der Halle hören mussten. Tatsächlich aber bemerkte niemand etwas - alle spielten weiter, der Lehrer setzte seine skeptische Beobachtung fort. Deshalb sah nur Dylan zu, wie Jonas erst kurz taumelte und dann zusammenklappte wie ein nasser Sack. Er starrte kurz auf den anderen, doch als dieser sich tatsächlich nicht mehr rührte und schlitterte er auf ihn zu, drehte ihn aus seiner verdrehten Haltung auf den Rücken. „Jonas!“ Seine Stimme klang hysterischer als er es beabsichtigt hatte. „Jonas, hörst du mich!?“ Jetzt bemerkten auch endlich die anderen, dass etwas nicht stimmte und schnell hatte sich eine Traube um die beiden am Boden knienden – beziehungsweise liegenden – gebildet. „Was ist hier los?“ Der Lehrer sah erst verärgert zu Dylan, dann erkannte er endlich, dass Jonas bewusstlos vor ihm lag. „Was zum Teufel ist passiert?!“ „Ich … ich hab…“ Dylan konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so durch den Wind war. Er musste die ganze Zeit auf Jonas` fahles Gesicht starren. „Hast du ihn etwa geschlagen??“ „Nein!“ Zornig sah er seinem Lehrer ins Gesicht. „Wir sind zusammengeprallt … ich glaube, er hat meinen Ellbogen an die Schläfe bekommen…“ „Deinen Ellenbogen an die Schläfe bekommen?“, wiederholte der Lehrer; seine Stimme klang halb ungläubig, halb besorgt. Vorsichtig strich er Jonas` schwarze Haare beiseite, begutachtete die freigelegte Schläfe. Dylan sah nur hilflos zu, er hatte sich unbewusst am Ärmel des Bewusstlosen festgekrallt. „Jonas … kannst du mich hören?“ Vorsichtig hob der Mann Jonas` Kopf an, tätschelte ihm die Wangen wie man es aus all diesen dämlichen Hollywoodstreifen kannte, wenn jemand bewusstlos war. Und tatsächlich: Stöhnend blinzelte der Schwarzhaarige plötzlich, sah sich verwirrt um. Als er Dylans besorgten Blick sah, richtete er sich auf. „Was ist passiert?“ Schwindel durchfuhr ihn und er hielt sich die Stirn. „Anderson hat dich offensichtlich aus Versehen umgehauen…“ Der Lehrer ignorierte Dylans wütenden Blick. „Und deshalb wird er dich jetzt ins Krankenzimmer bringen. So will ich dich nicht an meinem Sportunterricht teilnehmen lassen.“ Damit stand er auf und klatschte kurz in die Hände. „So, die Show ist vorbei! Der Rest macht die Partie fertig, vier gegen vier!“ Etwas unbeholfen brachte der Blonde Jonas auf die Beine. Gerade als er seinen Arm um dessen Schulter legen wollte, wurde er von diesem angeblafft: „Ich hab was am Kopf, laufen kann ich noch ganz gut!“ Er wand sich aus der gut gemeinten Geste. Etwas zu schnell, denn durch die ruckartige Bewegung überkam ihn wieder ein leichter Schwindel, er blieb kurz stehen, starrte auf den Boden. „Klappt ja wunderbar …“, meinte Dylan sarkastisch und trat dicht an den anderen, bereit ihn aufzufangen, falls er wieder zusammensacken würde. ~~~ „Du brauchst dich nicht hierher zu hocken und zu warten…“ Allmählich ging ihm das Gezeter des anderen auf die Nerven. „Mach ich aber.“ „Sollst du aber nicht.“ „Herr Gott, freu dich doch einfach drüber!“ „Du brauchst nicht dein schlechtes Gewissen beruhigen, nur weil du mich umgenietet hast.“ „Ich hab dir schon mal gesagt, dass das keine Absicht war! Und außerdem hab ich kein schlechtes Gewissen – selbst schuld, wenn du so dämlich dastehst, wenn ich den Ball annehmen will!“ „…“ Wieder saß er schweigend da. Jonas vor ihm auf der Liege hatte sein Gesicht zum Fenster gedreht, starrte hinaus; nervös zupfte er an seinem Daumen herum. „Oder ist es wegen dem, was du vor dem Spiel gesehen hast?“ Dylan wusste nicht, was in diesem Augenblick schneidender war: Jonas plötzlich auf ihn gerichteter, intensiver Blick oder seine fragenden Worte? „Wenn es das ist, dann vergiss es am besten ganz schnell wieder. Tu am besten weiter so, als würdest du mich kennen …“ Verwirrt blickten die blauen Augen in die dunkeln. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“ „Was sonst.“ „Irgendjemand da draußen …“ Er wusste nicht recht, welche Worte er für das, was er gesehen hatte, benutzen sollte. „… schlägt dich grün und blau; und ich soll so tun, als ob nichts wär??“ Dylan sah, wie sich Jonas` Hände verkrampften. „Und wenn schon … Hat bisher doch auch keinen interessiert.“ „Weiß denn irgendjemand davon?“ Der Gedanke, dass ein anderer es wusste und nichts dagegen tat, erschien Dylan so unglaublich falsch. Doch das Schweigen des Schwarzhaarigen beantwortete diesen Gedanken. Stumm setzte sich Jonas auf, er sah kurz in die blauen Augen, als wolle er etwas sagen, rutschte dann aber von der Liege und ging zur Tür. „Bitte behalt es für dich.“ Die Worte klangen nicht wütend oder traurig. Es war eine simple Bitte – doch den Blick in den fast schwarzen Augen, der diese Bitte begleitet hatte, würde Jonas so schnell nicht vergessen. ~To be continued.~ Kapitel 2: And when you're feeling empty, keep me in your memory ---------------------------------------------------------------- Kapitel 2 : And when you're feeling empty, keep me in your memory „Mann, Dylan, jetzt bleib doch stehen!“ „Verpiss dich – lass mich bloß in Ruhe!“ Neugierig geworden sahen Jonas` dunkle Augen auf. Er war vollkommen in seine Deutsch-Lektüre vertieft gewesen, doch als Dylan wütend an ihm vorbeirauschte – dicht gefolgt von seiner Freundin Jessica – kam er nicht umhin, aufzusehen. Offensichtlich hatten die beiden sich gerade ziemlich gestritten, was wohl die halbe Schülerschaft in der Caféteria mitbekommen haben dürfte. Noch während Jonas überlegte, über was dieses Traumpaar schlechthin streiten konnte, setzte sich jemand neben ihn. „Faust?“ Mel gab ein würgendes Geräusch von sich. „Ich frag mich immer noch, wie man sich Deutsch-LK antun kann …“ „Auch schön, dich zu sehen.“, erwiderte der Schwarzhaarige sarkastisch, woraufhin seine beste Freundin breit grinsen musste. „Hast du gesehen, was der Anderson wieder für ´ne Show abgezogen hat?“ „War ja nicht zu übersehen…“ „Das ist so typisch, dieser Arsch muss sich immer in den Mittelpunkt stellen. Hauptsache, alle bekommen es mit, wenn er Zoff mit seiner Alten hat.“ „Hm…“ Jonas musste wieder an den Vortag denken. Er wusste nicht recht, was er von dem Blonden halten sollte. Bisher hatte er gedacht wie Mel und gemeint, Jonas sei ein arrogantes, ignorantes und selbstverliebtes Arschloch. Doch seit er gestern den entsetzten Blick in seinen Augen gesehen hatte, dachte er die ganze Zeit, dass der andere gar nicht so falsch sein konnte … im Gegenteil. „Was ist los mit dir? Du bist so still …“ Mel sah ihn vorsichtig an. „Nichts, was soll schon sein.“ Er lächelte sie schief an, doch bei Mels nächster Frage erstarb sein Lächeln: „Ist dein Dad zurzeit zuhause?“ Sie wusste, dass genau das das Thema war, weshalb er meistens nachdenklich und ruhig wurde. Dass heute ein ganz Anderer seine Gedanken so durcheinander brachte, konnte sie ja nicht wissen. „Nein, er war zwei Tage weg und kommt heute Abend wieder.“ Sie nickte, grinste dann wieder vielsagend. „Was soll das Grinsen?“ „Wenn er heut Abend wiederkommt, trifft es sich doch gut, wenn du da nicht da bist?“ „Auf was willst du raus?“ Er ahnte Übles. „Kollgenstufenfeier.“, meinte sie nur knapp. „Ach, Mel… Das Thema hatten wir doch schon. Was wollen wir denn da?“ Sie sah ihn bittend an. „Nur damit du wieder diesem Typen nachsabbern kannst … Da hab ich echt null Bock drauf.“ „Dann suchen wir für dich halt auch jemanden, dem du nachsabbern kannst!“ Jonas verdrehte genervt die Augen. „Ich glaube, auf deine Verkupplungsversuche kann ich verzichten…“ „Das heißt, du gehst mit??“ „Wenn ich dafür jetzt meinen Faust weiterlesen darf.“ „Danke, mein Süßer!“ Damit drückte sie ihm einen Schmatzer auf die Wange und sprang sichtlich glücklich auf und davon. ~~~ Jonas konnte absolut nicht verstehen, was Mel an dem Typen fand: Gut, er sah ganz nett aus mit seinen stylisch gegelten Haaren und den grau-blauen Augen, aber vom Verhalten her war er doch ein totaler Trottel. „Steckt der sich da gerade Salzstangen in die Nase?“, Jonas zog angewidert eine Augenbraue hoch. „Hat ja keiner gesagt, dass du die dann essen sollst!“ „Aber er macht das bestimmt dann noch...“ „Jonas, du nervst!“ „Entschuldige bitte, wenn ich es langweilig finde, zwei Stunden einen Typen anzugaffen, der sich aufführt wie ein 7-Jähriger.“ Denn genau das taten sie hier gerade. Demonstrativ riss Jonas den Mund auf und gähnte geräuschvoll. Er saß mit Mel nun schon fast zwei Stunden an der Bar und starrte zu Richy, den Mel so anhimmelte, und seinen Freunden hinüber. Eines musste man seinem Jahrgang lassen: Feiern konnte er. Dadurch dass Steffis Vater der Besitzer eines Clubs war, hatten sie immer die perfekte Location. Hinter der Bar standen im Schichtwechsel immer zwei Leute aus dem Jahrgang, die dafür sorgten, dass es auch ein feuchtfröhlicher Abend wurde und während auf der Tanzfläche zu den Beats des DJs getanzt wurde, konnte man es sich im hinteren Bereich des Clubs auf Sofas und Sesseln gemütlich machen. Mels Stöhnen ließ ihn aufblicken: Vom Eingang her kam Dylan. Sichtlich schlecht gelaunt und in den gleichen Kleidern wie heute morgen in der Schule. Der Blonde stellte sich zu seinen Freunden, riss Richy die Bierflasche aus der Hand und nahm einen kräftigen Schluck. „Wie kann man nur mit so jemandem befreundet sein?“, lästerte Mel los. „Frag ich mich auch.“ Dass er diese Aussage andersherum bezog, merkte Mel natürlich nicht. Seufzend stützte sich Jonas auf seinen Ellbogen ab, blickte zu der Gruppe hinüber, die er schon den ganzen Abend beobachtete. Jetzt wo Dylan dabeistand, interessierte ihn das Treiben dort drüben viel mehr. Der Blonde hatte die Flasche Bier bereits geleert und trat an die Bar. Dabei sah er zu Mel und Jonas hinüber; sein Blick blieb an dem Schwarzhaarigen hängen. Fast kam es Jonas so vor, als wären die blauen Augen sanfter geworden, als er ihn ansah. Kurz nickte Dylan ihm zu, wendete sich dann an den Barkeeper. „Was sollte denn das?“ „Was?“ „Na das!“ Sie äffte Dylans Geste nach. „Ach … lange Geschichte.“ „Ahja.“ Genervt verschränkte sie die Arme vor der Brust. Währenddessen war Dylan wieder bei seinen Freunden. Es vergingen einige Minuten bis sich das Grüppchen in Bewegung setzte und zu den Sofas schlenderte. Durch die Tanzenden verdeckt, war von ihnen nun kaum noch etwas zu sehen. „So ein Scheiß …“, murmelte Mel noch genervter als gerade schon und reckte sich auf ihrem Stuhl, um irgendwas zu sehen. Vergeblich. „Komm, wir setzen uns auch auf die Sofas!“ „Also wenn du ihnen nachdackelst, musst du dich aber auch zu ihm setzen. Ansonsten machst du dich total lächerlich.“ Jonas wusste selbst nicht, was ihn da gerade ritt. Mel überlegte kurz, rutschte dann aber von ihrem Hocker und griff nach ihrem Cocktail. Sie trank ihn in einem Zug leer. „Dann komm!“, rief sie und zog ihn hinter sich her durch die tanzende Menge. Als sie auf Dylan und seine Freunde zugingen, sah dieser auf. „Schau an, unser Emo-Pärchen!“, rief Sam gespielt entzückt. Entsetzt ließ Mel die Hand von Jonas los, schüttelte schnell den Kopf: „So ein Quatsch, wir sind kein Paar!“ Automatisch blickte Jonas zu Dylan. Der war allerdings mit seinem neuen Getränk beschäftigt. Mel ließ sich auf einer der Couches nieder, so dass nur noch Sam zwischen ihr und ihrem Angebeteten saß. Jonas setzte sich auf eine kleine Couch, die vollkommen frei war und neben Mels stand. Plötzlich fragte er sich, was er hier eigentlich tat. Er sah auf die tanzende Menge, dann zu Mel, die gerade versuchte über Sam hinweg ein Gespräch mit Richy anzuzetteln. Seufzend lehnte er sich nach hinten. Eine Stunde. Eine Stunde würde er ihr geben, dann würde er verschwinden. Sein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es erst kurz nach elf war. Die Gespräche der Gruppe waren zwar nicht so langweilig, wie er vermutet hatte, aber durch die vielen Insider-Witze konnte er auch nie mit lachen, wenn alle vor sich hin grölten. Als Dylan, der die ganze Zeit über ziemlich ruhig dabei gesessen hatte, aufstand, sah Jonas ihm nach. Der Blonde kam kurz darauf zurück, eine neue Bierflasche in seiner Hand haltend. Er schien kurz zu überlegen, dann kam er auf Jonas zu, dessen Herz plötzlich schneller zu schlagen begann. „Darf ich?“, Dylan deutete auf den freien Platz neben Jonas. „Klar…“ Verwirrt richtete sich der Schwarzhaarige etwas auf, machte Dylan Platz. „Du hast schon die ganze Zeit so verloren ausgesehen …“, meinte Dylan leise, so dass nur er und Jonas es hören konnten. Jonas sah ihn etwas verlegen an, blickte in die blauen Augen. Sie waren noch viel schöner so aus der Nähe; kein einziges Blau, sondern ganz viele verschiedene Facetten und Farbtöne. Und nach allem was er früher über Dylan gedacht hatte, fühlte er sich jetzt peinlich berührt, als er die Ehrlichkeit in den Augen des anderen entdeckte. „Geht es dir wieder besser?“ „Hm?“ „Naja, wegen gestern.“ „Achso.“ Er winkte lässig ab. „Klar.“ Erst als Jonas die Schulter des anderen an seiner eigenen spürte, merkte er, wie nah dieser ihm gekommen war. Sein Herz schlug wieder etwas schneller. Dylan hatte etwas an sich, dass ihn unglaublich nervös werden ließ. Als er zu ihm sah, bemerkte er, dass der Blonde zu Mel und Richy hinüberblickte. „Deine Freundin hat ja einen ganz schönen Narren an Richy gefressen, oder seh ich das falsch?“ „Ja, das hat sie durchaus …“ Jonas konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen; dass sie schon den ganzen Abend dabei waren, Richy und seine Freunde zu beobachten, behielt er dabei für sich. „Hast du denn eine Freundin?“ Dylans Direktheit ließ den Dunkelhaarigen verkrampft aufsehen. Er schüttelte als Antwort nur kurz den Kopf. „Ich auch nicht.“ Verwirrt sah ihn Jonas an. „Ich und Jessy haben heute Schluss gemacht.“ Er fuhr sich mit der Hand kurz übers Gesicht. „Ich hab mit ihr Schluss gemacht, weil sie mich verarscht hat…“ Jonas wusste nicht so recht, was ihn gerade mehr verwirrte: Dass das Traumpaar seiner Schule wohl doch nicht so traumhaft gewesen war oder diese seltsame Situation, in der er sich gerade befand und in der ihm ein Junge, mit dem er vor gestern nie ein Wort gewechselt hatte, von seinem Liebesleben erzählte. Oder war es doch dieses Ziehen in seiner Brust, dass ihm das drängende Verlangen gab, sich mehr an den anderen zu lehnen und ihn tröstend in den Arm zu nehmen? Doch stattdessen blickten die dunklen Augen nur mitfühlend in die blauen. „Das tut mir Leid …Ihr wart ein schönes Paar.“ Seine Worte klangen so abgedroschen. Doch was sollte er anderes sagen? Er kannte Dylan kaum – geschweige denn Jessy. „Mir nicht…“ Erst auf Jonas` fragenden Blick hin, sprach Dylan weiter. „Das ist ja das Seltsame. Jessy ist ein tolles Mädchen … die Zeit mit ihr war schön. Aber …“ Jonas wartete gespannt auf die nächsten Worte. „… irgendwie war da nie etwas, das ich als Liebe bezeichnen würde.“ Jonas musste schlucken. Er spürte regelrecht, wie sein Herz gegen seine Brust hämmerte. „Ich hatte nie … Herzklopfen… Schmetterlinge im Bauch … nie das Gefühl, wirklich verliebt zu sein…“ Er fuhr sich durch die blonden Haare, so dass seine Frisur durcheinander gewühlt war. „Gott, ich bin so ein Arschloch …“ „Du bist kein … Arschloch.“, murmelte Jonas leise und sprach dabei genau das aus, was er Mel wohl nie würde hören lassen dürfen. „Naja, ein netter Mensch bin ich aber auch nicht gerade…“ Jonas konnte Dylans traurigen Blick kaum ertragen; deshalb starrte er auf seine eigenen Hände, zupfte an seinem Armbändchen herum. „Du bist netter als du denkst, glaub mir.“, flüsterte der Dunkelhaarige leise. Er sah nicht, wie Dylan ihn lange von der Seite ansah. „Sagst du das jetzt, weil ich … das gestern nicht rumerzählt habe?“ Unweigerlich verkrampften sich Jonas` Hände, mit flackernden Augen sah er Dylan an. Wut stieg in ihm auf. „Weißt du was? Lass es einfach, okay?!“ Schnell stand Jonas auf. Auf eine Konversation, die in diese Richtung ging hatte er wirklich keine Lust. „Warte!“ Hastig lief ihm der Blonde hinterher. Durch den Alkohol im Blut und die tanzenden Leute um ich herum war es gar nicht so einfach, dem anderen zu folgen. Und so sah er auch nicht, dass sich der Schwarzhaarige bis zum Hintereingang vorgekämpft hatte. Wütend stieß Jonas die Tür auf und ging nach draußen. Es war kalt und hatte angefangen zu regnen. Dass er seine Jacke drinnen hatte, ließ Jonas genervt aufstöhnen; reingehen würde er deswegen aber nicht noch einmal. Leicht zitternd lehnte er sich an die halbhohe Mauer rechts vom Ausgang, suchte in seiner Hosentasche nach einem Feuerzeug und einer Zigarette. Er brauchte ein paar Anläufe um sie zu entzünden. Schon der erste Zug an der Zigarette ließ ihn etwas ruhiger werden. Nachdenklich starrte er auf die Pfütze vor seinen Füßen. Normalerweise konnte ihn nichts so schnell aus der Fassung bringen wie es da drin eben passiert war, und doch … Er wollte in Dylans Augen nicht dieser Kerl sein, der geschlagen wird. Doch genau als den sah ihn der Blonde. Und nichts anderes. Als plötzlich die Tür aufging, sah der Schwarzhaarige auf. Eigentlich hätte er es sich denken können. „Da bist du ja…“ Dylan trat auf ihn zu, ließ die Tür hinter sich zufallen. Sein Blick verriet sofort, dass er ein schlechtes Gewissen hatte. Durch den niederprasselnden Regen sah Jonas in die blauen Augen seines Gegenübers. „Ich wollte … ich mein… ich weiß nicht, warum ich das gesagt hab eben …“ Er atmete hörbar ein und wieder aus, sah kurz beschämt zur Seite. „Jetzt weiß ich … dass du das Thema …meiden willst. Ich fang nicht mehr davon an.“ Damit sah er aufrichtig in die Augen des anderen. „Versprochen.“ Dylan hielt ihm seinen kleinen Finger hin. Der Schwarzhaarige zögerte kurz, dann hakte er seinen ein. Von der Hand des Blonden ging eine unglaubliche Wärme aus. Keiner der beiden merkte, dass sie länger als für ein Versprechen nötig mit verhakten Fingern im Regen standen und einander ansahen. „Ich wusste gar nicht, dass du rauchst…“ Es war mehr eine Frage als eine Feststellung. Damit trat Dylan neben Joans, lehnte sich ebenfalls an die kleine Mauer. „Nur selten … um wieder runterzukommen.“ „Verstehe.“ Schuldbewusst starrte Dylan in den Nachthimmel hinauf. Dann zog er sich die Kapuze seines Pullis über den Kopf; auch wenn sein Haar schon völlig strähnig-nass an seinem Kopf klebte. „Wollen wir nicht wieder rein? Du erkältest dich noch …“ Er blickte auf den dünnen Pullover, den Jonas trug. „Ich wollte eh gehen…“ „Du willst schon nach Hause?“ „Nein, nach Hause wollte ich eigentlich auch nicht …“ „Gehst du mit zu Melanie?“ „Keine Ahnung…“ Beide schwiegen. Dylan merkte, dass mit dem anderen etwas nicht stimmte. Dass … es ihm nicht gut ging. Was ihm solche Kopfschmerzen bereitete, wusste er allerdings nicht. Und Nachfragen kam nicht infrage. Nicht jetzt. Nicht hier. Aber ihm kam eine andere Idee: „Willst du … ich mein…“ Der Blonde zog nervös seine Hände in seine Pullover-Ärmel. „Du kannst bei mir übernachten…“ Jonas hatte gerade seinen Zigarettenstummel fallen lassen und blickte erstaunt und fragend in die blauen Augen. „Was?“ „Ich mein…wenn du …nicht nach Hause willst…“ Er suchte nach den richtigen Worten. „Ich kann dir einen Schlafplatz anbieten.“ Er versuchte es mit einem Lächeln. Jonas dagegen schien zu überlegen. Er versuchte für sich abzuwägen, ob es der andere gerade ernst meinte. Welche Gründe dieser hatte, einen im Grunde wildfremden Kerl bei sich übernachten zu lassen. Das schlechte Gewissen vom Sportunterricht? Mitleid aufgrund seiner Entdeckung in der Umkleide? Der Alkohol im Blut? „Wieso…?“, das ewige Grübeln brachte ihn dazu einfach nachzufragen. „Na, bevor du … auf der Straße schläfst…“ „Nein, ich mein: wieso?“ Skeptisch blickte er den Blonden an. „…“ „Dylan?“ „Muss es denn immer einen Grund geben …“ Langsam schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf. Nein, musste es nicht. „Okay. Gut.“ Dylan grinste zufrieden und richtete sich auf. Er warf einen Blick auf die Uhr. „Wenn wir uns beeilen, kriegen wir den letzten Bus noch.“ „Ich bin mit dem Auto da.“ Der einzige Grund, warum Jonas heute den ganzen Abend brav abstinent geblieben war. „Du musst mich nur lotsen.“ „Okay.“ Wie praktisch. Auf dem Weg zum Auto schwiegen sich die beiden Jungen wieder an. Beide waren damit beschäftigt, nicht noch nasser zu werden, denn der Regen hatte nicht nachgelassen – im Gegenteil. Jonas grübelte immer noch darüber, dass er die kommende Nacht bei einem Kerl verbrachte, mit dem er vor gestern kein einziges Wort gewechselt hatte. Und Dylan versuchte das Gefühl einzuordnen, dass ihn dazu gebracht hatte, dem anderen so etwas vorzuschlagen – insgeheim schob er es auf die zwei Bier. „So, da sind wir.“ Jonas richtete seinen Schlüssel auf einen dunkelblauen Ford Fiesta, sperrte mit einem kurzen Knopfdruck auf. „Du fährst einen neuen Fiesta?“ Dylan funkelte das Auto begeistert an. „Wahnsinn.“ „Mein Dad verdient gut.“ Damit stieg er ein, lehnte sich auf seinem Sitz einen kurzen Moment zurück und sah zu Dylan, der sich gleich artig anschnallte. Interessiert sah sich der Blonde um. „Jetzt musst du mich nur noch lotsen.“, erinnerte Jonas den Blonden. „Regensburger Straße sagt dir bestimmt was, oder?“ „Klar.“ Damit ließ er den Motor an und lenkte das Auto geschickt aus der Parklücke. Der Blonde sah sich währenddessen weiter um. Er entdeckte ein kleines Foto, das mit Tesa am Armaturenbrett befestigt war. Er beugte sich vor und erkannte den Schwarzhaarigen darauf; er stand dort hinter zwei jüngeren Kindern – einem Mädchen und einem kleinen Jungen - und hatte die Arme um die beiden gelegt. So fröhlich wie auf dem Foto hatte er den anderen bisher leider noch nicht erlebt. „Meine Geschwister.“ Der Blonde sah auf; er hatte es sich fast gedacht. „Sehen süß aus, die beiden. Wie alt sind sie?“ „Kiara ist 12 und Moritz ist gerade sieben geworden.“ „Jonas, der große Bruder.“ Dylan musste grinsen; irgendwie passte diese Rolle zu dem anderen. Auch Jonas lächelte leicht. Dann tippte Dylan an ein kleines Stofftier, das am Rückspiegel baumelte; wenn er es richtig erkannte, war es eine Maus – mit Flügeln. Das Kärtchen mit dem Namen des Tieres hing noch daran und darin stand etwas Handschriftliches. Fahr nicht schneller als dein Schutzengel fliegen kann. Chris Nachdenklich starrte er auf den Namen, er konnte ihm aber kein Gesicht zuordnen. „Hab ich zum 18. bekommen.“ „Von Chris.“ Jonas schmunzelte. Dylan war so leicht zu durchschauen. „Ja, von Chris. Meinem besten Freund.“ „Jonas, der beste Freund.“ Auch diese Rolle des Schwarzhaarigen konnte er sich gut vorstellen. Das eigenartige Gefühl, dass er dabei empfand, versuchte er zu ignorieren. ~~~ Durch Dylans Hilfe fand Jonas schließlich problemlos einen nahen Parkplatz. Der Blonde wohnte nicht weit weg von seinem eigenen Zuhause; es war ein ruhiges Wohngebiet mit jeder Menge hoher Mietshäuser. Dylan führte ihn in den dritten Stock eines dieser Häuser. Er brauchte etwas bis er im dusteren Licht der Treppenhaus-Lampe das Schlüsselloch fand. Als die beiden in den Flur der Wohnung traten, gab sich Dylan keinerlei Mühe, leise zu sein; er knallte die Schlüssel auf das Telefonschränkchen, das gleich neben der Garderobe stand, und machte das Licht ein. „Meine Eltern sind nicht da.“, erklärte er, als er sah, wie leise Jonas versuchte, seine Schuhe zu den anderen zu stellen. „Hast du keine Geschwister?“ Wieder wurde ihm klar, wie wenig er über den Blonden wusste. „Mein Bruder wohnt in München. Im Studentenheim. Er studiert Anglistik und Geschichte auf Lehramt.“ „Verstehe.“ Jonas musste kurz zittern; durch seine feuchten Kleider schüttelte es ihn richtig. „Hier ist das Bad.“, der Blonde stieß die Tür neben der Haustür auf und schaltete das Licht im Badezimmer an. „Ich hol dir schnell ein paar frische Klamotten, dann kannst du duschen.“ Noch bevor er irgendwas erwidern konnte, war Dylan auch schon weg. Der Schwarzhaarige trat in das gemütlich eingerichtete Badezimmer. Das Fenster war durch eine Bambus-Jalousie blickdicht gemacht worden; vor Badewanne, Waschbecken und Dusche lagen weiße Flokati-Teppiche. Gerade als er sich auf den Wannenrand setzte, kam Dylan herein. Seine Wangen waren von der Kälte gerötet, aber er schien im Gegensatz zu ihm nicht zu frieren. Er legte die Klamotten auf einen Hocker, der neben der Dusche stand. „Ich hab dir auch zwei Handtücher mit hingelegt.“, damit wollte er das Badezimmer wieder verlassen. „Danke, Dylan.“ Der Blonde drehte sich noch einmal um. „Gern geschehen.“ Er lächelte. „Mein Zimmer ist das letzte hinten rechts. Komm einfach rein, wenn du fertig bist.“ Die Dusche tat richtig gut – er hatte gar nicht gemerkt wie durchgefroren er schon war, erst als er über seine unterkühlte Haut fuhr, wurde ihm das allmählich bewusst. Er beeilte sich, um den anderen nicht zu lange warten zu lassen – und trocknete sich so im Eiltempo ab und zog die Klamotten an, die ihm der Blonde zurechtgelegt hatte. Im Spiegel warf er einen kurzen Blick auf sich: Seine Wangen waren gerötet, das schwarze Haar hing ihm schlaf bis tief in den Nacken. Die dunklen Augen hatten einen eigenartigen Glanz. Er hatte nicht erwartet, heute nicht nach Hause zu müssen …Dylans Gegenwart tat ihm überraschend gut. Seufzend roch er am Ärmel des Pullovers, den er nun anhatte. Sofort kam ihm das Gesicht des Blonden in den Sinn – zu sehr erinnerte der Geruch an ihn. Er duftete nach Freiheit, Fröhlichkeit und … Wohlbefinden. Ruckartig richtete sich der Schwarzhaarige auf, ging zur Tür – „Jetzt bloß nicht zu viel in die Situation interpretieren!“, ermahnte er sich – und irrte im Flur zu Dylans Zimmer. Als er zu besagter Tür kam, öffnete er sie vorsichtig und spähte hinein. Auch hier waren die Jalousien geschlossen, allerdings wurde das Zimmer durch eine kleine Nachttischlampe erhellt. Als Jonas zu der Lichtquelle sah, erkannte er auch, dass Dylan bereits in seinem Bett lag; brav in seine Decke eingepackt lag der Blonde auf dem Bauch und hatte einen seiner Arme unter das Kissen geschoben. Seine Augen waren geschlossen und Jonas war sich nicht sicher, ob er schon schlief. Vorsichtig trat er in das düstere Zimmer, schloss leise die Tür hinter sich. Unterhalb seines eigenen Bettes hatte Dylan eine Matratze für den Schwarzhaarigen ausgelegt, und Kissen und Decke vorbereitet. Seufzend ließ sich Jonas auf der Matratze nieder, begann es sich bequem zu machen, als er merkte, dass der Blonde ihn aus müden Augen beobachtete. „Entschuldige… hab ich dich geweckt?“ „Nein, nein,…“, die Antwort klang wenig überzeugend. „Brauchst du noch irgendwas?“ „Nein, alles perfekt.“ Um seine Worte zu untermalen, legte sich der Schwarzhaarige hin, kuschelte sich ebenfalls in die Decke. „Danke…“ „Du brauchst dich nicht tausendmal bedanken…“ Dylan kämpfte mit der Müdigkeit; er hatte seine Augen wieder geschlossen und seine Worte waren nur noch ein leises Nuscheln. Nachdenklich starrte Jonas an die Zimmerdecke über ihm. Er war bisher nicht sonderlich müde gewesen – Autofahren pushte sein Gehirn immer etwas -, aber mittlerweile überkam ihn doch allmählich die Müdigkeit. Er rollte sich zur Seite, sodass er Dylans Gesicht im Halbdunkel sehen konnte. Jetzt konnte er den Schlafenden in Ruhe betrachten, ohne rot anlaufen zu müssen: Die blonden Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, sie waren so lang, dass sie teilweise bis zur Nase reichten. Die Augen waren entspannt geschlossen und der Mund etwas geöffnet; Dylans Unterlippe war viel voller als die Unterlippe, was ihm einen kleinen Schmollmund brachte. Als sich der Blonde mit einem schmatzenden Geräusch bewegte und die Augen etwas öffnete, sah Jonas beschämt zur Seite. „Dylan…?“ Der Blonde gab ihm nur mit einem unverständlichem Geräusch, das nach Hm? Klang, zu verstehen, dass er zuhörte. „Wieso lässt du mich heute hier schlafen?“ Es war die Frage, die er ihm vorhin schon gestellt hatte; er musste es wissen. „Ich mag dich halt …“, es war wieder nicht mehr als ein leises und undeutliches Nuscheln, doch Jonas hatte es verstanden. Augenblicklich verkrampfte er sich, zog seine Knie noch näher an seinen Körper. Dylan war nun ganz eingeschlafen, sein Atem ging langsam und gleichmäßig. Noch einmal sah Joans zu ihm hinauf, blickte in die sanften Gesichtszüge. Dann bettete er seinen Kopf auf seinem Arm, schloss zufrieden die Augen. Mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht und in Gedanken immer wieder Dylans verschlafene Worte hörend übermannte nun auch ihn der Schlaf. ~To be continued.~ Kapitel 3: You can sit beside me when the world comes down ---------------------------------------------------------- Kapitel 3: You can sit beside me when the world comes down. “Ich hab einfach nicht mehr dran gedacht … nein …” Genervt verdrehte Jonas die Augen, sah Dylan entschuldigend an, der grinsend auf seinem Bett saß. „ Ja … ja. Mach ich. Mann, Mel, ich erklär dir später alles, okay? … Ja …Ich muss jetzt Schluss machen… Ja, okay. Bis dann. Ich ruf dich an.” Seufzend drückte er auf die rote Aus-Taste des schnurlosen Telefons und warf es dem Blonden zu, der es locker auffing. „Na, wenn das keinen Ehekrach gibt…“ „Ach, hör bloß auf … manchmal führt sie sich echt auf wie so ein alter Hausdrachen.“ Jonas fuhr sich durch die Haare. „Ich denke, ich gehe jetzt dann auch mal…“ „Wie du willst.“, damit erhob sich Dylan. Es war Samstag und mittlerweile schon weit nach Mittag. Langsam aber sicher musste er dann doch mal zuhause aufkreuzen. Und seine Geschwister kamen sicherlich auch bald von seiner Großmutter zurück. Als er im Flur nach seiner Jacke griff, bemerkte Jonas, dass er noch Dylans Kleidung trug. „Bringst mir halt in der Schule mit.“ Jonas war immer wieder erstaunt, wie aufmerksam der andere doch war; schon die kleinsten Veränderungen in seinem Blick bekam dieser mit. „Okay, mach ich.“ Er hatte die Haustür bereits geöffnet, drehte sich aber nochmals um. „Und auch auf die Gefahr hin, dass es dir auf den Keks geht“- er machte eine bedeutsame Pause, grinste dann „danke für alles…“ Dylan lächelte aufrichtig, nickte kurz und legte dem Schwarzhaarigen eine Hand auf die Schulter. „Wenn du mal genug von deinem Hausrachen haben solltest … du weißt ja jetzt, wo ich wohne.“ Lächelnd trat Jonas nach draußen und machte sich auf den Weg zu seinem Auto. ~~~ “Du siehst ja fertig aus, Dylan… “ Sam sah den Blonden mitleidig an. „Ich hab nicht viel geschlafen. Jess hat mich das halbe Wochenende tyrannisiert…“ „Klingt ja übel.“ „Wenn die mir heute über den Weg läuft, kann ich für nichts garantieren.“ „Erzählst du auch irgendwann mal, was zwischen euch war?“ Dylan verzog das Gesicht und rutschte auf seinem Stuhl noch weiter nach unten. Abwesend starrte er auf die Tischplatte und seinen Rucksack, der darauf lag. „Ich will jetzt nicht darüber reden …“ Dass Sam einen kleinen Flunsch zog, nahm der Blonde nicht mehr wahr, denn in diesem Augenblick trat Jonas durch die Klassenzimmertür. Es war seltsam: Bis zur letzten Woche hatte er noch nicht einmal gemerkt, in wie vielen Kursen sie zusammen waren – geschweige denn hatte er den Namen des anderen gekannt. Und ein Wochenende später war er es, der ihm – ohne es selbst zu wissen – die Gesellschaft geschenkt hatte, die er nach der Trennung von Jessy gebraucht hatte. Jonas trat an den übrigen herumstehenden und – sitzenden Mitschülern vorbei und lief zu seinem Platz; im Mathekurs saß er genau vor Dylan. Bevor er sich setzte, nickte er diesem kurz zu. Er kramte sein Mäppchen und einen Block heraus. Dann überlegte er einen Moment und drehte sich um. „Guten Morgen.“ Dylan setzte sich hastig auf, sah kurz zu Sam, der ihm einen verwirrten Blick zuwarf, dann aber auf den Schwarzhaarigen. „`Morgen.“ Jonas schien kurz zu überlegen und war fiebrig auf der Suche nach einem Gesprächsthema. „Habt ihr … Mathe gemacht?“ Dylan schüttelte nur den Kopf. „Ich hab mich dran probiert, war nicht wirklich einfach…“ „Aha.“ „Wenn sie sowas in der Klausur dranbringt, bin ich verloren.“ Der Schwarzhaarige versuchte es mit einem Lächeln, doch Dylan blieb weiter abweisend. „Wenn du meinst.“ Jonas versuchte in die blauen Augen zu schauen, zu verstehen, was in dem anderen vorging. Als er merkte, wie Dylan seinem Blick auswich und sich stattdessen Sam zuwandte, drehte er sich wieder um. Er fummelte an der Spirale seines Blockes herum; in seinem Hals hatte sich ein dicker Kloß gebildet. Dann stand er auf und verließ das Klassenzimmer. Er sah nicht, wie Dylan ihm hinterher blickte. „Was geht denn mit dem Emo ab – seit wann spricht der denn?“, grinsend machte sich Sam über den Schwarzhaarigen lustig. Dylan dagegen starrte auf den nun leeren Platz vor ihm. „Jetzt geht er bestimmt und ritzt sich die Arme auf“- „Halt die Klappe, Sam!“ Der Freund sah ihn verwirrt an – vor allem als auch er aufstand und schweigend das Klassenzimmer verließ. Die blauen Augen huschten durch die Schülermenge, den Gang entlang. Er ging durch die Aula, an den Toiletten vorbei. Erst dann sah er den Schwarzhaarigen: Er stand mit dem Rücken zu ihm an seinem Spint; er hatte die Faust an die Spinttür gelegt und drückte seine Stirn dagegen. Dieser Anblick bescherte dem Blonden ein unangenehmes Ziehen in der Brust und er konnte nicht anders als einen Schritt auf den anderen zuzumachen und ihm sanft eine Hand auf die Schulter zu legen. Jonas zuckte kaum merklich zusammen, holte einmal tief Luft und drehte sich herum, um in die blauen Augen zu sehen. „Alles… okay mit dir?“ Seine eigenen Worte kamen Dylan so aufgesetzt und falsch vor. Jonas` verachtendes Schnaufen bestätigte ihn darin noch. „Hast du jemandem erzählt, dass ich bei dir übernachtet hab? Hast du es Sam gesagt?“ „…“ Enttäuscht schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf. „War klar … wär ja auch peinlich, wenn man sich mit dem Emo abgibt.“ Er sprach so verächtlich von sich selbst, dass Dylan entsetzt zusammenzuckte. „So ist das nicht“- „Schon klar, Dylan, ich hab´s verstanden.“, damit wandte er sich ab, wollte gehen. Doch der Blonde war schneller und griff nach dem schmalen Handgelenk des anderen. „Warte!“ Jonas versuchte seine Hand zu befreien, doch Dylan ließ nicht locker. „Nein… ist okay.“ Jonas lächelte. “Kontakt zwischen jemandem wie mir und dir… das klappt nicht. Wir sind zu verschieden. Ich versteh das. Ehrlich.“ „Glaubst du das wirklich?“ Enttäuscht ließ er Jonas` Hand nun los. „Glaubst du wirklich, ich wär so oberflächlich? Glaubst du wirklich, zwei vollkommen verschiedene Menschen sind verdammt dazu, nichts miteinander zu tun haben zu dürfen?“ Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich glaub nicht an so einen Schwachsinn – und wenn es sein muss, überzeuge ich auch dich davon.“ „Bitte?“ Jonas wusste nicht recht, auf was der Blonde hinauswollte. „Ich würd mich nämlich gerne weiterhin mit dem Emo abgeben … wenn er mich denn lässt.“ Jonas bekam einen hochroten Kopf; sein Herz schlug ihn bei diesen Worten verdächtig stark gegen die Brust. Er brauchte ein paar Sekunden, um die Worte zu verstehen und die implizite Frage darin zu erkennen. Alles, was er schließlich herausbrachte war ein leises Murmeln: „Ja, er … er lässt dich.“ Beide konnten sich ein breites Grinsen nun nicht mehr verkneifen. Dylan deutete mit seinem Kopf an, zurück ins Klassenzimmer zu gehen, und Jonas folgte ihm. Zusammen drängten sie sich zum bald beginnenden Unterricht zurück. Keiner der beiden sagte ein Wort – doch was sollte es auch zu reden geben? Es war alles gesagt. Und als Jonas schüchtern zu dem Blonden neben sich sah, hatte er dieses unbestimmte und doch intensiv starke Gefühl, dass dies der Anfang von etwas war. Der Anfang von etwas ganz Wunderbaren. Etwas Neuem. Etwas, nach dem er sich schon lange wieder gesehnt hatte. ~To be continued.~ Kapitel 4: I look at you with such disdain ------------------------------------------ Kapitel 4: I look at you with such disdain Jonas streckte sich genüsslich auf seinem Bett. Schmunzelnd verzog er den Mund und dachte nach. „Ich weiß nicht. Es hat sich so vieles geändert in den letzten Wochen…“ »Na, dann komme ich ja genau richtig, um mir das Ganze mal genauer anschauen zu können.«, meinte Chris am anderen Ende der Leitung. „Ja, genau. Apropos, weißt du jetzt schon, wann du genau kommst?“ »Nicht genau … mein Dad besteht drauf, dass er mich rauffährt. Nur ist der ja noch auf Dienstreise. Vor dem Wochenende wird es aber wohl nichts.« Der Schwarzhaarige seufzte leise. Er konnte es gar nicht mehr erwarten, seinen besten Freund endlich einmal wieder zu sehen. Chris lebte nun seit fast zwei Jahren in der Schweiz, weil seine Mutter aus beruflichen Gründen dorthin versetzt wurde. Seitdem kam er nur alle naselang – meistens in den Ferien – zurück in die Heimat, um seine Freunde zu besuchen; allen voran Jonas und Mel. Dank der gerade angebrochenen Osterferien war es also wieder einmal so weit und Jonas hatte schon eifrig sein Zimmer aufgeräumt und eine Liste erstellt mit Dingen, die er mit Chris unternehmen wollte. Dass sich seine Ankunft jetzt allerdings nochmal verschob und er dann auch nur eine gute Woche würde bleiben können, ärgerte ihn. „Hm…“, grummelte er deswegen leise in sein Handy. »Sind doch nur noch ein paar Tage.«, Jonas konnte das Lächeln des anderen förmlich durch das Telefon hören. »Und dann musst du mich unbedingt auch diesem ominösen Dylan vorstellen.« Jonas war dankbar, dass sein Freund ihn in diesem Moment nicht sehen konnte. Sein Kopf hatte nämlich die Farbe einer überreifen Tomate angenommen. Er hatte selbst gar nicht gemerkt, dass er so oft von Dylan erzählte. Aber offensichtlich oft genug. „Öh..ja, sicher.“ »Gut, dann sehen wir uns ja … Ich muss jetzt Schluss machen, Mum hat mir bestimmt schon dreimal Kelle-schwenkend zu verstehen gegeben, dass es Essen gibt.« Er lachte. „Dann mal guten Appetit! Und vergiss nicht Bescheid zu sagen, wann du kommst – damit ich auch zuhause bin!“ »Und nicht bei Dy-« Weiter kam Chris nicht mehr, denn Jonas hatte sein Handy schnell zugeschoben. Kopfschüttelnd sah er auf das Display; dann legte er das Handy auf die Seite und trat an seinen Schrank. Tobias aus seinem Jahrgang wollte heute Abend in seinen Geburtstag hinein feiern und alle waren eingeladen. Wirklich alle. Noch vor einem Vierteljahr hätte er die Rundmail, die herumgeschickt worden war, einfach ignoriert. Doch jetzt war er seit knapp zwei Monaten mit Dylan befreundet und bei ihm gehörte Tobias zum engeren Freundeskreis, so dass er sich zu seinem eigenen Leidwesen von dem Blonden zu der Party hatte überreden lassen. Ja, was man für seine Freunde alles tat. Und Freunde, das waren sie inzwischen wirklich. Ich würd mich nämlich gerne weiterhin mit dem Emo abgeben … wenn er mich denn lässt. Als Dylan ihm das damals im Schulflur gesagt hatte, hätte er eher mit leeren Worten als mit Ernsthaftigkeit gerechnet. Doch Dylan war eisern geblieben und seitdem stand der Blonde also regelmäßig vor seiner Haustür und überredete ihn zu den unterschiedlichsten Unternehmungen; meistens gingen sie zusammen ins Kino – weil Dylan mittlerweile ganz genau wusste, wie sehr Jonas Filme liebte – oder hingen draußen rum und quatschten stundenlang. So hatte der Schwarzhaarige den anderen in kürzester Zeit ziemlich gut kennen gelernt und wusste nun ganz genau, dass er nicht dieser oberflächliche Junge war, den Mel und er oft in ihm gesehen hatten. Dylan machte sich eine ganze Menge Gedanken über alles Mögliche, er liebte seine Familie und Freunde unendlich und hatte so viele liebenswerte Macken, dass Jonas mittlerweile schon aufgehört hatte, sie zu zählen. Zufrieden sah er nun an sich herunter, betrachtete sich im Spiegel. Er hatte seine dunkle Röhrenjeans und einen lila-schwarz gestreiften Kapuzenpulli angezogen; um den Hals hatte er sich seinen schwarzen Schal gewickelt. Alles in allem sah er nicht recht viel anders aus als sonst; nur seine Augen glänzten etwas mehr als gewöhnlich; er freute sich auf den Abend. ~~~ Als er auf den Klingelknopf drückte, dachte er sich schon, dass es nicht Dylan sei würde, der ihm öffnete. Und er behielt recht: „Dylan ist nocht nicht fertig … aber damit hast du auch bestimmt nicht gerechnet, oder? Komm rein, Jonas.“, Schmunzelnd trat Dylans Mum zur Seite, damit Jonas eintreten konnte. Sie strich ihm zur Begrüßung kurz über den Rücken, so wie sie es immer tat, seitdem sie den Schwarzhaarigen drei-oder viermal gesehen hatte. Jonas mochte Dylans Mutter. Sie war freundlich, ehrlich und eine sehr sanfte Person, die ihn wohl auch ziemlich schnell in ihr Herz geschlossen hatte, wie er von Dylan erfahren hatte. „Dann geh ich mal hinter und tret ihm ordentlich in den Hintern…“ „Mach das.“ Jonas klopfte kurz, bevor er Dylans Zimmer betrat. „Du bist schon da??“, der Blonde sah ihn entschuldigend an. „Ist es schon so spät?“ „Ähm.. kurz vor …ähm…“, stammelte Jonas etwas verwirrt. Dylan stand oben ohne vor ihm und wühlte in seinem Kleiderschrank, der ein heilloses Chaos beinhaltete. Konzentriert trat er zum Bett und lugte auf den Wecker. „Kurz vor zehn.“ „Mist…“ Damit zog er ein schwarzes Hemd aus dem Schrank, das unglaublicherweise weniger verknittert war als man es bei dem Berg an Klamotten, die scheinbar nur in den Schrank gestopft worden waren, erwartet hatte. Während der Blonde das Hemd anzog und es zu zuknöpfen begann, drehte er sich zu Jonas, der auf dem Bett Platz genommen hatte. „Kann ich das anlassen?“, fragte er ihn kritisch und hob eine Augenbraue. Zu dem schwarzen Hemd trug Dylan eine dunkelblaue Jeans, die ihm perfekt passte und gewisse Stellen schön betonte. Der Blonde sah – wie immer – perfekt gestylt aus und Jonas wunderte sich, dass er so viele Wochen nach der Trennung von Jessica noch immer Single war. Dieses Mal warte ich auf die Richtige, hatte er erst neulich zu Jonas gemeint. „Ich nehme dein Schweigen und Glotzen mal als `Ja` an.“, Dylan grinste und grabschte nach seinem Handy, das auf dem Schreibtisch lag. Jonas sah verlegen auf seine Füße. „Auf geht´s, gehen wir!“ „Yeahi…“ ~~~ Schon auf der Straße vor dem Haus, wurde Jonas klar, auf was er sich da eingelassen hatte. Aus dem zweiten Stock war laute Musik zu hören, am Eingang des Mehrfamilienhauses, auf den sie jetzt zugingen, standen schon unzählige Gäste, von denen er nur einen Teil als Mitschüler von sich und Dylan erkannte. „Hey, `Abend!“ Es war Tobias selbst, der ihnen oben angekommen, die Haustür öffnete. Mit einem Handschlag begrüßte er Dylan, dann sah er auf Jonas. „Na, auch zwei bekommt man auch nur noch im Doppelpack, wie?“ Der Schwarzhaarige merkte zwar, das Tobias schon angetrunken war, trotzdem wusste er nichts darauf zu erwidern. Stattdessen bemühte er sich, freundlich zu bleiben: „Ja, sieht so aus… Danke für die Einladung übrigens.“, er hielt dem Jungen eine Hand hin. Tobias nickte kurz, dann griff er nach Jonas` Hand. Dylan, der bereits im Flur stand und das Geschehen beobachtete, lächelte; dann gab er Jonas mit einer Kopfbewegung zu verstehen, ihm zu folgen. Die Wohnung von Tobias` Eltern war locker das Doppelte von seinem eignen Zuhause und jetzt verstand Jonas, wie es zu der Massen-Party kommen konnte. Überall standen gutgelaunte Jugendliche herum; einige kannte der Schwarzhaarige aus seinen Kursen, andere hatte er noch nie gesehen, wieder andere schienen definitiv schon älter zu sein – er tippte auf Studenten. Es war unglaublich laut; die Musik schien von überall zu kommen und es wunderte ihn, wie es die ganzen Grüppchen schafften, sich zu unterhalten. Dylan vor ihm drehte sich kurz zu ihm um, beugte sich an sein Ohr. „Ich hol uns was zu trinken – schaust du nach einem Platz, wo wir uns bisschen hinsetzen können? Ich hab keine Lust, bis Mitternacht nur rumzustehen…“ Er sah Jonas fragend an, dann legte er seinen rechten Arm um dessen Schulter und zeigte auf einen Raum am Ende des Flurs. „Da ist das Wohnzimmer, schau am besten dort …“ Damit löste er sich von Jonas und wollte gehen. „Dylan!“ „Ja, ich weiß: Eine Cola für dich.“, damit drückte er sich durch die Massen in Richtung Küche. Jonas fand unterdessen relativ schnell einen Sitzplatz; als er ins Wohnzimmer trat, winkte Sam nämlich schon wie ein Wilder von den Sofas zu ihm herüber. „Jonas, hier!“ Er zeigte auf den freien Platz neben sich und schob zwei Kissen beiseite. „Wir haben extra für euch freigehalten.“ „Danke…“, jetzt sah er auch, wen er mit `wir` gemeint hatte. Mit um den kleinen Couchtisch herum saßen neben Sam auch noch Richy, die eher schüchterne Lara aus seinem Bio-LK und noch ein Mädchen, das er aber nicht kannte. Er nickte kurz in die Runde und ließ sich dann auf den freigehaltenen Platz fallen, als auch schon Dylan den Raum betrat. Die zwei Plastikbecher jonglierend kam er auf sie zu und quetschte sich dann zwischen Sam und Jonas. Jonas musste schmunzeln, als er das krakelige J auf seinem Becher mit der Cola sah, den Dylan ihm nun in die Hand drückte. Mit einem kurzen Handschlag begrüßte er dann auch Sam, der ihm gleich zuprostete. Die Runde, in der er mit Dylan saß war nett und die beiden lachten viel. Zwischendurch kam auch der Gastgeber, Tobias, vorbei, um sich nach dem Wohl seiner Gäste zu erkundigen, doch die waren – vor allem durch Sams parodistische Ader – bestens gelaunt. Jetzt wo Jonas die anderen auch besser kannte, fiel ihm der Umgang mit ihnen schon wesentlich leichter als noch vor ein paar Wochen auf der Kollegstufenfeier. Und auch wenn er oft noch zu spüren bekam, dass er in die Clique nur durch Dylan hineingerutscht war, so hatte er doch das Gefühl, dass die Akzeptanz auch von ihrer Seite immer größer wurde. Vor allem mit Sam kam der Schwarzhaarige mittlerweile bestens aus; er war schon lange nicht mehr der Emo, sondern endlich zu Jonas geworden. Lächelnd lehnte er sich nach hinten. Sam erzählte gerade einmal wieder eine witzige Schullandheim-Anekdote aus Mittelstufen-Zeiten, in der er Dylan und Richy im Nieselregen auf den Balkon des Herbergszimmers gesperrt hatte – in Shorts wohlgemerkt. Er kannte die Story bereits, musste aber trotzdem wieder schmunzeln. Allerdings fühlte er sich mittlerweile auch wirklich müde; er war heute um acht aufgestanden, um Bio für das nach den Osterferien anstehende Abi zu büffeln, und gerade überkam ihn wieder eine dieser nächtlichen Müdigkeitsphasen, die es zu überwinden galt. „Alles klar?“, hörte er plötzlich Dylans sanfte Stimme an seinem Ohr. Er sah auf, direkt in die blauen Augen. Der Blonde hatte sich zu ihm gebeugt und legte nun seine Hand auf Jonas` Oberschenkel. „Du warst gerade so weggetreten…“ „Bin nur bisschen müde. Geht gleich wieder…“ Nervös sah er auf Dylans Hand, deren Daumen nun sanft auf und ab streichelte. Machte der Blonde das gerade bewusst oder hatte er schon etwas zu viel intus? Als hätte er Jonas` Gedanken lesen können, nahm Dylan seine Hand weg. Fast enttäuscht starrte der Schwarzhaarige auf seinen Oberschenkel, als er überrascht bemerkte, dass Dylan – so weit das überhaupt möglich war – noch näher an ihn heranrückte und plötzlich seinen Arm um ihn legte und ihn etwas an sich drückte. „Dann ruh dich doch ein bisschen aus…“, flüsterte er leise. Jonas Herz legte in diesem Moment eine unglaubliche Geschwindigkeitsleistung zutage, und in seinem Bauch machte sich ein starkes Kribbeln bemerkbar. Etwas misstrauisch sah er zu den anderen, doch keinen schien es wirklich zu stören, dass der Blonde ihn an sich drückte wie seine neueste Eroberung. Allmählich ließ Jonas` Anspannung nach und er lehnte seinen Kopf gegen Dylans Schulter. Der gleichmäßige Atem des anderen und seine beruhigende Stimme, wenn er etwas zum Gespräch beitrug, ließen ihn noch schläfriger werden. Mit Mühe folgte er so halb den Erzählungen und driftete immer wieder gedanklich ab. Dylans Geruch – eine Mischung aus Deo, Alkohol und seinem ganz eigenen Duft – lag in seiner Nase, stieg in seinen Kopf; er würde diesen Duft unter tausenden anderen wieder erkennen. Dass er tatsächlich eingenickt war, merkte Jonas erst, als er durch eine ruckartige Bewegung von Dylan aufschreckte. „Entschuldige!“ Verwirrt sah er den Blonden an. „Kein Ding.. Hab ich geschlafen?“ „Wie Dornröschen.“, meinte Dylan schmunzelnd. Dann sah er plötzlich zur Tür, Jonas folgte seinem Blick. Der Raum war wesentlich leerer als vor seinem Schläfchen, aber es hielten sich noch immer dutzende Leute hier auf. In der Wohnzimmertür sah er dann, was Dylan so stutzig gemacht hatte: Bekleidet in einer schwarzen Jacke, aus der unten deutlich ein pinkes Oberteil herauslugte und mit sichtlich schlechter Laune stand Mel dort. Und als sie einen Schritt ins Zimmer trat, kam der offensichtliche Grund ihres Besuches auf der Party zum Vorschein: Chris stand direkt hinter ihr. Jonas schüttelte kurz verwirrt den Kopf, sah dann nochmals hin, doch das Bild blieb dasselbe. Chris war etwas größer als Mel und sah problemlos über sie in den Raum hinein. Als er Jonas erblickte, hellte sich sein Gesicht auf und er drängte sich an Mel vorbei zum Sofa. „Hey, Jo!“ Jonas sah kurz zu Dylan, dessen mehr als verwirrte Aufmerksamkeit dem Neuankömmling galt; dann sprang er auf und umarmte seinen besten Freund fest und innig. „Chris…“, bestätigte er für sich selbst leise. „Du hast mir gefehlt.“ Chris` Worte waren nur für Jonas gedacht, doch Dylan hatte sie auch mitbekommen; etwas bedröppelt sah er zur Seite. „Chris, das sind Tobias, Richy, Sam und …“- „Dylan vermute ich.“ Lächelnd reichte er dem Blonden die Hand, der sie nur zögernd schüttelte. „Jonas hat mir viel von dir erzählt.“ Dylan sah kurz zu Jonas, dessen Wangen einen leichten rosa Touch bekommen hatten. „Und du bist also Chris… Von dir hat er nicht so arg viel erzählt, muss ich zugeben.“, Die Worte des Blonden klangen giftiger als er es geplant hatte. Natürlich hatte Jonas von Chris erzählt – jedoch nicht so viel, wie er offensichtlich über ihn selbst weitergeplaudert hatte. Skeptisch betrachtete er den Neuen, nahm missbilligend wahr, dass er ohne Unterlass an Jonas herumfummeln musste; er fuhr ihm mit einem `Sind die lang geworden.` durch die Haare und untermalte ein `Toll siehst du aus.` mit einem Streichen über Jonas` Arme. Chris selbst sah zugegebenermaßen auch nicht schlecht aus. Er war einen Tick größer als Jonas, hatte eine Frisur mit langem, schrägen Pony, deren hinterer Teil wüst durcheinander gepflügt worden war. Ähnlich wie bei Jonas hingen ihm der Pony ins Gesicht, wenn auch nicht so strähnig wie bei ersterem. Zudem schien Chris ein hitziges Gemüt zu haben, denn obwohl es heute Nacht draußen wieder schweinekalt war, trug er einen schwarzen Pullover mit Dreiviertel-Ärmeln. Als Dylan genauer hinsah, entdeckte er am linken Unterarm oberhalb von unzähligen bunten Bändchen einige Tatoos. Nun kam auch Mel auf die Gruppe zu, stellte sich neben Chris und Jonas. „Ich hab ihn nur hergelotst und hau gleich wieder ab. Das tu ich mir nicht an…“ Fast angeekelt sah sie durch die Reihen, an Dylan blieb ihr Blick besonders lange hängen. Mel konnte noch immer nichts mit dem Blonden anfangen, auch Jonas zuliebe nicht; sie wusste, dass die beiden mittlerweile gut befreundet waren, hielt Dylan aber nach wie vor für den Arsch, den sie schon immer in ihm gesehen hatte – egal welche netten Sachen ihr Jonas von ihm erzählte. „Bleib doch noch ein bisschen, Mel…“ „Wir sehen uns morgen.“, damit machte sie kehrt und war genauso schnell wieder verschwunden wie sie gekommen war. Ein bisschen traurig sah Jonas ihr hinterher, dann lächelte er Chris an. „Komm, setz dich!“, er setzte sich wieder zu Dylan und klopfte auf die Sofalehne. Chris gehorchte brav, nahm aber auf dem Boden vor Jonas Platz und erwiderte das Lächeln. „Ich wollte dich anrufen, dass ich jetzt doch schon heute komme, aber du bist nicht an dein Handy…“ „Hm?“, verwirrt suchte der Schwarzhaarige nach seinem Handy; er warf einen kurzen Blick darauf. „Äh… hähä…“ „Aus.“ „Ja…“ „Hätte ich mir ja denken können.“, lachte Chris. Die beiden Freunde begannen sich zu unterhalten – über die Schule, das anstehende Abi, ihre Pläne für den Sommer nach dem Prüfungsstress, ihre Familien, … Dylan beobachtete die beiden still und plötzlich kam er sich ziemlich dämlich vor. Jonas und Chris verband so viel, sie schienen sich in und auswendig zu kennen. Und das Schlimmste war, das für ihn, Dylan, kein Platz zu sein schien hier und jetzt. Seufzend sah er Jonas an; er war so glücklich, die Müdigkeit von vorhin wie weggeblasen und ständig lachte er herzlich. Es war schön ihn so zu sehen, nur … das Lachen galt Chris. „Ich hol mir noch was zu trinken.“, der Blonde rappelte sich auf und griff nach seinem Becher. „Hattest du nicht schon genug?“ „Einer geht schon noch…“ Er merkte selbst, dass er bereits leicht wankte, als er aufstand. „Außerdem kann dir das egal sein, Jonas.“, fügte er kühl hinzu. Dylan verschwand in Richtung Küche und der Schwarzhaarige sah ihm betreten nach. Chris setzte sich auf Dylans Platz und griff nach Jonas` Cola. „Also, erzähl mal, seit wann stehst du auf ihn?“, meinte er leise an Jonas gewandt. Die dunklen Augen weiteten sich, verwirrt wollte Jonas etwas sagen. „Ist doch offensichtlich… Ich mein, ich hab es schon geahnt, als du mir ständig am Telefon von ihm erzählt hast, aber wenn man euch sieht, wird es eindeutig.“ Jonas schüttelte leicht den Kopf. „Er … es… Es ist kompliziert.“ „Kompliziert also? Okay, fassen wir zusammen: Du findest ihn toll, er starrt dich an, als wärst du die 20 Jahre jüngere Version von Brad Pitt… Für mich ein klarer Fall und kein bisschen kompliziert.“ Chris grinste das Grinsen, das Jonas so sehr an ihm mochte. Aber so einfach wie der andere dachte, war das Ganze dann doch nicht. ~~~ Als der Blonde nach über vierzig Minuten noch immer nicht zurückgekommen war, machte sich Jonas allmählich Sorgen. Zum tausendsten Mal sah er auf die Wanduhr schräg gegenüber von ihm. „Schau doch einfach mal, wo er bleibt.“, er sah zu Chris und der nickte ihm verständnisvoll zu. Etwas schlecht fühlte sich Jonas schon, seinen besten Freund bei ihm vollkommen Fremden einfach sitzen zu lassen, aber dass Dylan nicht zurückkam, ließ ihn auch nicht los. „Hast du Dylan gesehen?“, den Kerl, den er im Flur aus einem seiner Kurse erkannte, schüttelte den Kopf, und Jonas sah sich weiter suchend um. War der Blonde etwa nach Hause gegangen, ohne ein Wort zu sagen? Das passte so gar nicht zu ihm… Allerdings hatte er auch ziemlich angepisst ausgesehen, als er vorhin abdampfte, und plötzlich überkam Jonas ein schlechtes Gewissen, weil er so vertieft in die Gespräche mit Chris gewesen war, dass er Dylan ganz links liegen gelassen hatte. „Hast du vielleicht Dylan gesehen – ich bin auf der Suche nach ihm?“, probierte er es nochmals; dieses Mal bei einem Kerl, der an die Küchentheke gelehnt stand und sein Bier fest umklammert hielt. „Hm. Der ist grad Richtung Bad abgehauen…“, nuschelte der Typ. „Danke!“ Zumindest wusste er jetzt, dass er nicht schon gegangen war. Allerdings hatte Dylan auch nicht gerade wenig getrunken; Jonas fürchtete sich schon vor dem, was ihn gleich erwarten würde. Er klopfte erst zaghaft an die Badezimmertür, als sich nichts tat, dann vehementer. Vorsichtig drückte er die Klinke herunter und spähte in den Raum. Die dunklen Augen weiteten sich vor Entsetzen, denn was er dann sah, hatte er wirklich nicht erwarten können. Rechts von der Tür befand sich die Dusche und an deren Plastikwand drängten sich wild knutschend Dylan und Jessica. Jessy drückte den Blonden leidenschaftlich gegen das Milchglas und fuhr ihm durch die Haare, während sie sich gegenseitig die Zunge in den Hals schoben. Die beiden schienen ihren Besucher gar nicht zu bemerken, erst als Jonas bei einem Schritt zurück mit dem Fuß an der Türleiste hängenblieb und ein schabendes Geräusch verursachte, sahen sie sich beide um. Doch während Jessica wenig Interesse an dem Schwarzhaarigen zeigte und ihre Lippen sogleich wieder auf die ihres Ex-Freundes presste, sah dieser – fast geschockt – zu Jonas. „Ich … ich wollte nicht stören…“, stammelte Jonas und schlug die Tür wieder zu. Er sah kurz zum Wohnzimmer, dann in die andere Richtung zur Wohnungstür. Sein Atem ging stoßweise, er musste mehrmals schlucken und obwohl er sich den gesamten Abend mit Cola begnügt hatte, überkam ihn nun fast eine Art Schwindel. Die Stimme um ihn waren nur noch dumpf zu hören und so stolperte er nach draußen vor die Wohnung, wo er versuchte, wieder an Sauerstoff zu kommen. Laut ein-und ausatmend trat er an die gegenüberliegende Wand. „Verdammt!!“ Der raue Putz hinterließ leicht blutende Stellen an seiner Hand, als er mit der Faust dagegen schlug. Im Moment wusste er nicht welches seiner Gefühle am stärksten war: die Wut, der Frust, die Enttäuschung, … Langsam drehte er sich um und ließ sich an der Wand hinuntergleiten, stützte sein Gesicht in seine Hände. Als er hörte, dass sich die Wohnungstür öffnete, ahnte er schon, wer ihm gefolgt war. Er spürte die Hand auf seiner Schulter und als er aufsah, blickte er in die vertrauten braunen Augen. „Du hast ihn gefunden.“, es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Trotzdem nickte Jonas. „Was war denn?“ Der Schwarzhaarige schluckte, fuhr sich mit den Fingern fest über die Augen. Der vor ihm kniende Chris griff nach seiner Hand. „Er war beschäftigt …“ Es kostete ihn alle Kraft, nicht an Ort und Stelle loszuheulen. „… mit seiner Ex.“ Seufzend sah ihn Chris an; dann setzte er sich neben ihn an die Wand, starrte auf seine Füße. Er sah in die dunklen, glänzenden Augen, dann griff er wieder nach Jonas` Hand, die in seinem Schoß lag. Beruhigend fuhr er mit dem Daumen über die Handoberfläche. Jonas sah ihm lange in die Augen. „Das…“ Er drückte Chris` Hand. „…hat mir gefehlt…“ „Mir auch…“ Müde beugte sich Jonas zu Chris hinüber, drückte sich an ihn und zog ihn in eine Umarmung. Chris legte seine Arme um den anderen, fuhr tröstend damit am Rücken auf und ab, strich ihm behutsam durch die schwarzen Haare. Jonas atmete tief ein, sein Atem zitterte etwas, doch die Nähe zu seinem besten Freund ließ ihn ruhiger werden. Er drückte sein Gesicht an Chris` Halsbeuge. Jonas fühlte sich gleich an die Situation vorhin auf dem Sofa erinnert; doch Chris roch so ganz anders als Dylan, dachte er sich; auch so unglaublich gut, aber auf eine ganz andere Art. Er konnte den Unterschied nicht beschreiben… Als Dylan die Wohnungstür öffnete, konnte er nicht anders als auf die beiden zu starren. Er sah, wie sich Jonas an seinem Freund festhielt und dieser ihm sanft durch die Haare fuhr. Sein eigenes Herz schlug ihm hart gegen die Kehle bei diesem Anblick und seine Missgunst gegenüber Chris stieg ins Unermessliche. Demonstrativ knallte er die Tür hinter sich zu, so dass die beiden auseinander fuhren. Als er dann aber Jonas` traurigen Blick sah, wünschte er sich augenblicklich ein Loch, in das er sich verkriechen konnte. Im Gegensatz zu dir, tut Chris diesem Jungen wenigstens nicht weh, rügte ihn eine innere Stimme. Und sie hatte ja so Recht. „Ich hol schnell meinen Rucksack…“, Chris stand auf und trat an Dylan vorbei; nicht ohne ihm dabei einen enttäuschten Blick zu zuwerfen. Auch Jonas stand wieder auf, klopfte sich kurz den Dreck von der Hose. „Wir gehen jetzt.“, meinte er an Dylan gewandt. „Es ist spät und es war ein langer Tag. Für Chris und auch für mich.“ Die Kühle in Jonas` Stimme ließ den Blonden beschämt zu Boden sehen. Dann nahm er das letzte Fünckchen Stolz, das er hatte, und machte einen Schritt auf den anderen zu, der ihn nur erwartend ansah. „Du hattest Recht, Jonas…“ Jonas verstand nicht, worauf er hinaus wollte. „Ich hatte genug.“ Schwach lächelnd schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf. „Ich hatte genug und trotzdem hab ich gemeint, ich müsste noch mehr saufen … Das Ergebnis hat du gerade im Bad erlebt.“ Er fuhr sich durch die blonden Haare. „Ich wollt das eigentlich nicht … sie hat gedrängt und ich …“ Jonas wollte gerade etwas erwidern, doch da trat Chris wieder aus der Tür. „Können wir?“, fragte er stattdessen seinen besten Freund. Dieser nickte. „Schön, dich endlich mal kennengelernt zu haben, Dylan.“, Chris nickte dem Blonden kurz zu, dann ging er die ersten Stufen des Treppenhauses hinunter. Jonas blieb noch unschlüssig stehen, dann ging er zur Treppe. „Wir sehen uns ...“ Mit verzerrtem Gesichtsausdruck fuhr sich der Blonde nochmals durch die Haare. Hilflos sah er zur Treppe, hörte in diesem Moment wie unten die schwere Haustür wieder zufiel. Er verstand, dass er etwas falsch gemacht hatte. Dass er einem Freund wehgetan hatte. Dass da drinnen ein Mädchen stand, für das er absolut gar nichts empfand. Und allmählich begann er auch die Gefühle zu verstehen, die sich in seinem Herzen zusammenbrauten wie die dunklen Wolken eines Sommergewitters. Bei dem Gedanken daran, atmete er nervös aus und strich sich eine einzelne Träne aus dem linken Augenwinkel. ~To be continued.~ Kapitel 5: I'm a little bit lost without you -------------------------------------------- Kapitel 5: I'm a little bit lost without you Lachend stemmte sich Jonas gegen die schwere Haustür, hielt sie seinem Freund auf. Kopfschüttelnd betraten die zwei die Treppe, machten sich auf den Weg in den dritten Stock. „Das war so dämlich, ich weiß bis heute nicht, was ich mir dabei gedacht habe…“ Chris grinste breit. Dann blickte er überrascht auf die oberste Stufe, sah kurz zu Jonas, um diesen mit einem Nicken auf das Entdeckte aufmerksam zu machen. Jonas` amüsiertes Grinsen erstarb, es wich einem verklärt-überraschten Ausdruck. Dann lächelte er etwas verträumt. Vor ihnen, auf der obersten Treppenstufe, saß Dylan. Er hatte den Kopf an die Wand neben sich gelehnt und war eingeschlafen. Er erinnerte Jonas unwillkürlich an einen kleinen Jungen, der auf einer viel zu langen Autofahrt von der Müdigkeit gepackt und nicht mehr losgelassen wurde. Friedlich. Unschuldig. Das Herz berührend. Chris grinste ihm wissend zu, dann hielt er ihm seine Hand hin. „Ich geh schon mal rein.“ Jonas legte seinem besten Freund den Wohnungsschlüssel in die Hand, sah ihm hinterher, wie er vorsichtig an dem Blonden vorbeitretend in der Tür verschwand. Dann stieg Jonas selbst die letzten Stufen zu Dylan hinauf, kniete sich langsam vor ihn und sah in das aus der Nähe betrachtet erschöpft aussehende Gesicht. Er sah auf die feinen schwarzen Wimpern, das strähnig-blonde Haar, das ihm ins Gesicht fiel, und er entdeckte kleine, noch sehr blasse Sommersprossen, die in ein paar Wochen das schöne Gesicht zieren würden. Dann fiel Jonas` Blick auf Dylans Hände; in seinem Schoß hielt er eine braune Papiertüte fest. Stirnrunzelnd sah der Schwarzhaarige wieder in das schlafende Gesicht. Vorsichtig hob er die Hand, fuhr mit den Fingerspitzen sanft über Dylans linken Handrücken. Der Blonde zuckte erst kurz, dann öffnete er verschlafen die Augen. Langsam zog Jonas seine Hand zurück. „Jonas?“ „Ja.. Hallo, Schlafmütze.“, Jonas legte den Kopf leicht schief. „Was machst du denn hier? Du holst dir noch eine Blasenentzündung auf den kalten Steinfliesen…“ Dylan setzte sich in eine aufrechtere Haltung; er wirkte immer noch etwas verpennt. „Ich hab auf dich gewartet…“, er starrte auf die Papiertüte. „Und ich hab was … also…“ Wie immer, wenn er nervös war, fuhr er sich durch die wirren Haare. Jonas kannte dieses Verhalten mittlerweile nur zu gut und musste schmunzeln. „Die sind für dich.“ Er hielt ihm die Papiertüte hin, die Jonas neugierig entgegennahm. Langsam knitterte er die Falte der Tüte auf und lugte hinein. Sein Schmunzeln wurde zu einem echten Lächeln. Er sah den Blonden fragend an. „Ich kann nicht garantieren, dass sie schmecken… aber es war der vierte Anlauf, die drei vorherigen.. naja, du weißt schon.“ Er deutete eine Kotz-Geste an. „Du weißt, wie sehr ich Cookies mag-“ „Mit extra-großen Schokostücken!“, unterbrach ihn der Blonde. „-mit extra-großen Schokostücken.“ Jetzt musste auch Dylan lächeln. „Aber womit hab ich die verdient?“ Dylan sah kurz auf seine Hände, dann wieder direkt in die dunklen Augen seines Gegenübers. „Sie sind als Entschuldigung gedacht…weil ich auf der Party wieder… so ein riesen Arschloch war.“ Jonas schaute noch einmal in die Tüte. „Du bist… das netteste riesen Arschloch, das mir je begegnet ist...“ Er schüttelnde lachend den Kopf. Dann beugte er sich in einer einzigen schnellen Bewegung zu dem Blonden vor, legte seine Hand auf dessen Schulter und drückte seine eigene Wange an die des anderen. Er schloss die Augen und flüsterte ein leises Danke in Dylans Ohr. Ein Schaudern machte sich im Nacken des Blonden breit, ehe sich Jonas auch schon wieder von ihm entfernt hatte und aufgestanden war. Die plötzliche Nähe hatte Dylan vollkommen aus dem Konzept gebracht und er starrte verwirrt auf die Hand, die Jonas ihm nun entgegen hielt. „Komm schon mit rein, du kleiner Verrückter. Chris wartet auch schon drinnen.“, bei Chris` Namen sah Dylan auf. Dann nahm er Jonas` Hand und ließ sich von diesem hochziehen. Gemeinsam betraten die beiden die Wohnung, und Dylan fiel auf, dass er zum ersten Mal das Innere zu Gesicht bekam. Immer wenn er Jonas in den letzten Wochen hier abgeholt hatte, hatte dieser es geschickt fertig gebracht, ihn nie weiter als bis zur Haustür kommen zu lassen. Dementsprechend neugierig war er jetzt, als er brav seine Schuhe auszog und dem Schwarzhaarigen dann durch den relativ breiten Flur bis zum Ende folgte. Bis auf die beiden letzten Türen waren alle geschlossen; die rechte von den beiden führte anscheinend in das gemeinsame Wohnzimmer, denn bei einem kurzen Blick hinein sah der Blonde eine große Couchgarnitur mit einem kleinen Tisch davor. Doch bevor er mehr davon sehen konnte, trat Jonas auch schon in das linke Zimmer und Dylan folgte ihm. Als allererstes war er sehr überrascht; von außen sah die Wohnung bei weitem nicht so geräumig aus und sollten die übrigen Zimmer auch so groß sein wie das von Jonas, in dem sie nun standen, dann musste Jonas` Vater wohl wirklich gut verdienen. Schräg gegenüber unter dem Fenster befand sich ein großer Schreibtisch, der ziemlich leer aussah; bis auf einen Laptop, auf dem gerade Musik abgespielt wurde, lagen nur ein Block, Jonas` Ordner, den er in der Schule immer mit sich herumschleppte, und ein Mäppchen, aus dem Stifte herauslugten, darauf. Links vom Schreibtisch an der Wand erstreckte sich ein großer Kleiderschrank, eine Tür davon war mit einem Spiegel versehen und die anderen mit einzelnen Postern beklebt, auf denen Gitarren – oder Bässe, Dylan kannte den Unterschied nicht wirklich … - abgebildet waren. Auf der rechten Seite blieb dann sein Blick hängen; auf dem großen Bett hatte es sich Chris bequem gemacht, er lag auf dem Bauch und blätterte in einer Zeitschrift als die beiden anderen den Raum betraten. Suchend sahen sich die blauen Augen um; beim Gedanken daran, dass Jonas und Chris seit fast einer Woche Nacht für Nacht in einem Bett lagen, überkam den Blonden wieder eine unglaubliche Wut auf Jonas` besten Freund. Dass dieser ihm nun fröhlich vom Bett hüpfend entgegen kam, machte die Sache nicht besser. „Hey, Dylan! Na, ausgeschlafen?“ Er versucht nur, freundlich zu dir zu sein, probierte er sich einzureden. Mit einem gezwungenen Lächeln gab er dem anderen kurz die Hand, dann wandte er sich an Jonas. „Ich denke, ich geh dann mal wieder…“ „Was?“ Enttäuscht sah ihn der Schwarzhaarige an. „Du musst noch bleiben – ich mach uns jetzt einen Kakao und wir vertilgen deine Kekse…“ Dann wurde er selbstbewusster: „Kommt gar nicht in Frage, dass du schon wieder abhaust! Du setzt dich jetzt brav hin und verbringst den Nachmittag mit uns!“ Jonas war stärker als Dylan gedacht hatte, als er ihn an den Oberarmen Richtung Bett schob und ihn dann darauf drückte, so dass er sich setzen musste. Seufzend sah er zu, wie Jonas aus dem Zimmer wuselte. Chris sah ihn an; zu gerne hätte er gewusst, was dem anderen gerade durch den Kopf ging. „Du kannst mich nicht besonders gut leiden, oder?“ Dylan blinzelte irritiert. Dass der andere so direkt war, verschlug ihm etwas die Sprache. „Ähm… was? Wie kommst du auf sowas?“ „Oder ist es, weil ich ihm näher bin als du?“ Chris hatte sich seitlich an den Schreibtisch gelehnt. Die lässige Art wie er über das Ganze sprach, machte ihn nicht gerade sympathischer. Dylan sah nochmals kurz zu Chris, der noch immer leicht lächelte; dann stand er auf, ignorierte den Anderen so gut es eben ging und machte ein paar Schritte durch das Zimmer. Sein Blick blieb an einem großen Bilderrahmen hängen; darin befand sich eine Collage aus über einem dutzend Fotos, die verschiedene Leute zeigten: Jonas, Mel, Chris, zwei jüngere Kinder, die Dylan als Jonas` Geschwister wieder erkannte … Dann sah er auf ein Foto, das Jonas zeigte; er hatte eine Gitarre (oder einen Bass?) umhängen und vor ihm stand ein Mikrofon. Er sang. Im Hintergrund erkannte er weitere Leute; zwei davon hatten auch Gitarren umhängen, der dritte saß hinter einem Schlagzeug. Verdutzt starrte er auf das Foto. Jonas hatte ihm nie erzählt, dass er in einer Band gespielt, geschweige denn gesungen hatte. Gedankenverloren strich er über das Foto. Chris musste das mitbekommen haben, denn plötzlich stand er neben dem Blonden. „Jonas hat in einer Band gespielt?“, seine eigene Stimme kam ihm ungewöhnlich zurückhaltend vor. Chris blickte ihn fragend an. „Er … spielt noch immer in einer Band.“ Auf Dylans überraschten Blick hin fuhr er fort: „Er hat dir nichts davon erzählt?“ Dylan schüttelte nur schweigend den Kopf. „Er … erzählt nur selten was von sich.“ Abwesend starrte er auf die Collage. Auf einem der Fotos erkannte er einen deutlich jüngeren Jonas, der freudig-strahlend Chris fest umarmte. „Ich bin ihm tatsächlich nicht so nah wie du ihm.“ „…“ Chris wusste nicht, was er darauf erwidern sollte; irgendwie tat ihm seine Frage von vorhin nun sehr Leid und er wünschte, sie nicht laut ausgesprochen zu haben. „Er vertraut mir nicht.“ Jonas blieb wie erstarrt vor seiner angelehnten Zimmertür stehen. Angestrengt versuchte er zu verstehen, ob sich Dylans Worte auf ihn bezogen. » Ich weiß so gut wie nichts über ihn. Ich dachte, wir wären uns näher gekommen in den letzten Wochen, aber… wenn ich mich hier so umsehe, erkenne ich nichts von ihm wieder. « Der Schwarzhaarige musste schlucken. »Er hat dir von mir erzählt – viel erzählt, oder? … Ich dagegen weiß nichts von dir; nur, dass du sein bester Freund bist und von dir der Schutzengel in seinem Auto stammt. « Jonas hörte Schritte und erkannte am Geräusch, dass sich einer der beiden auf sein Bett gesetzt hatte; vermutlich Dylan. » Jonas meint das nicht böse… Er braucht nur seine Zeit, bis er auftaut. « Jonas überlegte, ob er jetzt hineingehen sollte, doch er wollte hören, was Chris weiter sagen wollte. » Ich kenne ihn schon so lange... da ist es doch ganz natürlich, dass er mir viel erzählt. Und… « Er hielt inne. »Lass dich nicht unterkriegen, Dylan, dann merkst du bald, was für einen wunderbaren Menschen du da gerade kennenlernst.« Jonas merkte, wie er rot anlief. Nach all den Jahren schaffte es Chris immer noch, ihn verlegen zu machen. Seufzend machte er sich mit einem Klappergeräusch bemerkbar, bevor er schließlich endlich sein Zimmer betrat. Es war tatsächlich Dylan, der – immer noch enttäuscht dreinblickend - auf seinem Bett saß, Chris stand noch immer bei der Foto-Collage, die das Gespräch der beiden ins Rollen gebracht hatte. „So, die Herren! Kakao, Cookies …“ Er stellte das mitgebrachte Tablett mit den dampfenden Tassen auf den weichen Teppich in der Zimmermitte. „Zocken wir ne Runde FIFA?“ Er versuchte so locker wie möglich zu sein und dem Blonden ein Lächeln zu entlocken. Ohne auf eine Antwort zu warten, schaltete er auch schon den Fernseher und die Playstation an. Aus seinem Schrank holte er drei große Sitzkissen, schmiss zwei auf den Boden vor den Fernseher und das dritte zu Dylan, der es überrascht auffing. Der Blonde sah kurz auf das riesige Kissen in seinen Armen, dann stand er auf und ließ sich lächelnd neben Jonas auf dem Boden nieder. „Ihr wisst schon, dass ich euch jetzt gnadenlos fertig machen werde.“, stichelte er – wieder ganz der Alte – los. „Wir werden sehen, Anderson…“, meinte Jonas angriffslustig zurück. ~~~ Etwas unruhig bewegte sich der Blonde hin und her, immer darauf bedacht, Jonas nicht zu nahe zu kommen. Er warf einen Blick nach rechts, wo der Schwarzhaarige lag. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, auf den Vorschlag der beiden einzugehen? Er atmete einmal tief durch. Er lag hier in Jonas` Bett – gezwängt zwischen den Schwarzhaarigen und die kühle Wand – und versuchte, endlich einzuschlafen. Chris lag unterhalb von ihnen auf der aufklappbaren Matratze, auf der er – wie Dylan erfahren hatte – schon seit sechs Tagen nächtigte. Erst hatte der Blonde gezögert auf Jonas` Vorschlag hin, bei ihm zu übernachten; doch dann war er doch darauf eingestiegen. Ein fataler Fehler, wie er feststellen musste. Eine gefühlte Ewigkeit lag er nun schon hier und schaffte es nicht, einzuschlafen. Dabei war so eine Situation für ihn doch nichts Neues: Wie oft hatte er schon zusammen mit Sam auf dessen kleiner, ungemütlichen Schlafcouch übernachtet? Hatte er da jemals Probleme gehabt, schnell einzuschlafen? – Nicht die Bohne. Allerdings konnte er auch nicht behaupten, dass er Sam jemals als dermaßen gutriechend empfunden hatte wie Jonas im Moment. Nicht, dass Sam unangenehm roch – keinesfalls! -, aber wie schon des öfteren ertappte der Blonde sich auch jetzt wieder dabei, wie er sich etwas näher an den anderen lehnte, nur um dessen Geruch besser einatmen zu können. Du führst dich auf wie ein 14-jähriges, pubertierendes Mädchen, Dylan! Demonstrativ drehte er sich auf die Seite, die Wandseite. Und tatsächlich: Es dauerte nicht lange bis er in eine angenehme Form von Halbschlaf gedämmert war. Ein plötzlicher Stoß gegen seinen Rücken ließ den Blonden aber wieder aufschrecken. Irritiert sah er sich um und es dauerte einen kurzen Moment bis er wieder wusste, wo er war. Dann bemerkte er auch das, was ihn aus dem Schlaf geholt hatte: Unruhig bewegte sich Jonas hinter ihm hin und her. Vorsichtig drehte sich Dylan wieder auf den Rücken; durch das gedämmte, indirekte Licht im Zimmer, das der Schwarzhaarige für den `dringenden Notfall` angelassen hatte, sah er, dass Jonas noch schlief. Allerdings schien er richtig schlecht zu träumen, denn nach wie vor wälzte er sich unruhig hin und her. Er atmete laut und stoßweise, und auf seiner Stirn hatte sich deutlicher Schweiß gebildet. Überfordert mit dieser Situation richtete sich Dylan etwas auf, stützte sich auf einen Ellbogen. Er überlegte, den anderen zu wecken, doch er traute sich nicht. Der Anblick wie Jonas vor ihm offensichtlich deutlich leiden musste, versetzte ihm einen Stich in seiner Brust. Was ihm wohl solche Albträume bereitete? Wieder merkte Dylan, wie schlecht er den anderen doch kannte. Er hatte keinen Dunst, was ihm Angst oder Sorgen machte… „Bitte nicht…“ Die Worte waren sehr undeutlich, aber Dylan hatte sie trotzdem verstanden. Jonas` Gesicht verzog sich zu einem verzweifelten Ausdruck, in seinen Augenwinkeln bildeten sich kleine Tränen – Dylan hielt es nun nicht mehr aus: Langsam hob er die Hand, fuhr dem Schwarzhaarigen sanft über die Wange. Er beugte sich etwas zu dem Schlafenden und flüsterte ein leises Jonas. Jonas schreckte auf. Seine Augen waren geweitet und er starrte verwirrt in die blauen seines Gegenübers. Eine seiner Tränen rann ihm langsam die Wange hinunter und hinterließ eine glänzende Spur. Er atmete noch immer heftig ein und aus, so als ob er einen Langstreckenlauf hinter sich hatte – oder eine Flucht vor jemandem. Fahrig strich sich der Schwarzhaarige über die Augen, blieb mit der zitternden Hand dann auf seinem Mund liegen. Dylan sah ihn mitleidig an. Als er sah, wie der andere zitterte, griff er nach dessen Hand und drückte sie beruhigend. „War nur ein blöder Traum…“ Mit glasigen Augen sah Jonas ihn an. Vorsichtig erwiderte der Schwarzhaarige den Griff an seiner Hand. „Dylan… ich…“ Dylan schüttelte den Kopf. „Ist schon gut…“ Der Blonde legte sich wieder richtig hin, dieses Mal zu Jonas gewandt. Er hielt noch immer dessen Hand. „Schlaf jetzt … und sollte ich merken, dass du wieder schlecht träumst, wecke ich dich sofort auf. … Dann ist es vorbei… okay?“ Jonas war wieder vollkommen ruhig geworden; die Hand auf seiner Brust, die seine eigene so sanft festhielt, beruhigte ihn. Er wusste jetzt, dass er nicht allein war. Er wusste, dass Dylan bei ihm war. Dass der Blonde seine Angst, wenn auch nicht kennen, dann immerhin doch verstehen konnte. Vorsichtig rutschte er etwas an den anderen heran, drückte seinen Kopf sanft an dessen Oberkörper. Dylans Herz puckerte aufgeregt in seiner Brust, als sich Jonas an ihn drückte. Langsam ließ er die Hand des anderen los und legte stattdessen seinen Arm um ihn, strich beruhigend an dessen Seite entlang. Aufgeregt atmete er den Geruch von Jonas` Haaren ein; sie rochen wunderbar nach einem süßlich-duftenden Shampoo. Leicht lehnte er seinen Kopf an den des anderen. Er spürte, wie der Atem des Schwarzhaarigen wieder langsam und regelmäßig geworden war – er war eingeschlafen. Sämtliche Gefühle, die sich schon in den ganzen letzten Wochen entwickelt hatten, wenn er mit Jonas zusammen war, schienen sich in dieser Nacht zu bündeln. Sie ließen sein Herz schneller schlagen, als es für einen Menschen seines Alters gesund sein konnte. Und sie ließen ihn Dinge tun, die er absolut nie für möglich gehalten hatte. Anders konnte er es sich nicht erklären, als er sich dabei ertappte, wie er einen sanften Kuss auf Jonas` Kopf drückte. ~To be continued.~ Kapitel 6: We were both young when I first saw you -------------------------------------------------- Kapitel 6: We were both young when I first saw you Mit zusammengekniffenen Augen sah sich der Blonde um. Erst ziemlich verwirrt, wurde ihm erst nach und nach wieder bewusst, wo er sich befand und was in der letzten Nacht passiert war. Als seine Gedanken bei Jonas ankamen, sah er an seine Seite – doch das Bett war bereits leer. Stöhnend hievte er sich auf seinen Ellenbogen, blickte auf Chris` Schlafplatz neben dem Bett auf dem Boden; doch auch der Schlafsack war feinsäuberlich in seine für ihn vorgesehene Tasche gepackt worden. Der Gedanke, dass die beiden anderen aufgestanden waren und ihn hier seelenruhig hatten weiter schlummern lassen, brachte Dylan dazu, genervt die Bettdecke zurückzuschlagen. Vorsichtig tapste er durch das Zimmer in den Flur, sah kurz Richtung Bad und öffnete dann leise die Wohnzimmertür. Neugierig lugte er hinein, doch außer der sichtbar teuren Wohnzimmergarnitur samt Hightech-Fernsehkram vom Feinsten, war niemand zu sehen. Dylan wollte schon umdrehen, als er bemerkte, dass die Küche direkt ans Wohnzimmer anschloss, und leise Stimmen von dort zu hören waren. Als er jedoch um die Ecke in die Küche spähte, wünschte er sich augenblicklich, nicht hineingegangen zu sein. Die Küche grenzte direkt an einen Balkon; die Balkontür war offen und draußen standen Jonas und Chris. Da sie mit dem Rücken zur Tür standen, hatten sie den Blonden nicht bemerkt, der kurz den Kopf senkte, nur um gleich darauf wieder zu den beiden zu schauen: Jonas hatte sich an Chris gelehnt; sein Kopf lag auf dessen Schulter. Sein bester Freund hatte währenddessen seinen Arm um den Schwarzhaarigen gelegt und fuhr ihm sanft die Seite auf und ab. Das Rauschen in Dylans Ohren war so laut, das er nicht verstehen konnte, was die beiden sprachen. Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen, konnte seinen Blick nicht von Jonas wenden, der sich so sanft an seinen besten Freund schmiegte. Er hatte das Gefühl, die beiden in einem unheimlich intimen Moment zu beobachten und als ihm bewusst wurde, wie sehr er Chris für seinen Platz dort an Jonas` Seite hasste, hielt er es nicht mehr aus, drehte sich um und ging zurück in das Zimmer des Schwarzhaarigen. Seufzend ließ er sich auf dem Bett nieder, starrte auf seine Füße. Das Bild der beiden anderen hatte sich so in sein Hirn gebrannt, dass er es nicht mehr aus dem Kopf bekam. Und er musste daran denken, wie Jonas das erste Mal Chris erwähnt hatte, damals im Auto, als sie von der Party nach Hause gefahren waren. Ja, von Chris. Meinem besten Freund. Seinem besten Freund. Sein bester Freund… Unweigerlich drängte sich dem Blonden die Frage auf, ob Chris und Jonas nicht auch mehr als nur beste Freunde sein könnten. Sie kannten sich schon so lange, wussten alles von einander und die Art, wie sie miteinander umgingen … So sanft, rücksichtsvoll, ... zärtlich? „Du bist ja wach!“ Dylan hatte gar nicht bemerkt, dass Jonas ins Zimmer getreten war. Vollkommen durcheinander sah er den Schwarzhaarigen an. „Alles okay mit dir?“ Die dunklen Augen blickten so besorgt drein, dass sich der Blonde zu einem Lächeln zwang. „Klar, alles bestens.“ „Hm.“ So richtig überzeugend war man wohl nicht, so wie die dunklen Augen den Blonden gerade ansahen. „Hör mal.. ich und Chris, wir haben schon ein bisschen was gefrühstückt. Chris fährt jetzt dann nämlich.“ „Er.. fährt?“ „Ja. War doch seine letzte Nacht heute hier bei mir.“ Auf einen verwirrten Blick hin, fuhr Jonas erklärend fort. „Mel wollte, dass Chris sie auch noch besuchen kommt – deshalb ist er an seinen letzten zwei Ferientagen in Deutschland bei ihr.“ „Achso..“ „Jep. Sein Bus fährt jetzt dann um halb.“ Nachdenklich nickte Dylan. Irgendwie war es erleichternd zu erfahren, dass Chris die nächsten Nächte nicht mehr hier verbringen würde. „Dann… pack ich´s dann auch mal, denk ich…“ Jonas blinzelte ihn erstaunt an. „Du musst doch nicht gehen.. nur weil Chris geht.“ „Ja, schon, aber“- „Hast du nicht Lust, nochmal zu übernachten?“ Die blassen Wangen des Schwarzhaarigen färbten sich leicht rosa; er war selbst überrascht, so direkt danach zu fragen. „Ich meine.. wir können ja wieder Playstation zocken.. oder DVD schauen. Was du magst…“ Lächelnd nickte Dylan. „DVD schauen klingt gut.“ *** Als sich Chris kurz darauf mit einem Händedruck von Dylan verabschiedete, wurde diesem wieder für einen kurzen Moment klar, dass der andere wirklich nicht so falsch sein konnte – als der aber dann Jonas die Treppen hinunter folgte und die beiden fröhlich gackerten, schob er diesen Gedanken wieder ganz schnell beiseite. Die nächste Bushaltestelle, von der aus Chris zu Mel fuhr, befand sich direkt gegenüber von Jonas` Wohnung, so dass dieser ihn kurz begleiten und verabschieden konnte. Das wollte sich der Blonde dann lieber nicht antun und so blieb er wie auf Kohlen sitzend im Zimmer des Schwarzhaarigen. Erst starrte er nachdenklich auf die Foto-Collage, bis ihm etwas einfiel. Schnell stand er auf und blickte vom Fenster aus hinunter Richtung Straße. Auf der anderen Seite der Straße, neben dem Haltestellenschild für den Bus standen Chris und Jonas. Chris hatte seine riesige Reisetasche neben sich auf dem Boden geparkt und unterhielt sich angeregt mit Jonas. Als sich die beiden kurz umwendeten und sich dann in den Arm nahmen, sah Dylan, dass der Bus anrollte. Für seinen Geschmack hielten die beiden sich etwas zu lang im Arm und irgendwie war er dann doch froh, als der Bus ihm die Sicht versperrte und er eventuelle weitere Zärtlichkeiten nicht mit ansehen musste. Jonas sah etwas geknickt aus, als er das Zimmer kurze Zeit später wieder betrat. Seufzend setzte er sich neben Dylan auf sein Bett. Die beiden schwiegen eine Weile, bis der Schwarzhaarige schließlich das Wort ergriff: „Draußen ist es so schön heute… wollen wir ein bisschen raus?“ Dylan blickte zum fenster. Jonas hatte Recht: Der Himmel war strahlend blau und die Sonne schien kräftig von ihrem angestammten Platz herunter. Der Gedanke, mit Jonas im Sonnenschein ein paar Meter zu laufen und auf bessere Gedanken zu kommen, gefiel ihm und er nickte. Wenige Minuten später schlenderten die beiden den Gehsteig entlang der Sonne entgegen. Genießerisch schloss der Blonde seine Augen, tankte fleißig Sonnenstrahlen. Jonas neben ihm lächelte, als er seinen Freund so sah. Als sie an einen Spielplatz kamen, griff der Schwarzhaarige nach Dylans Arm, öffnete das niedrige Türchen des Gartenzauns, der den Platz umgab, und zog den Blonden mit hinein. Verwirrt blinzelte dieser den anderen an. „Willst du eine Runde wippen, oder was?“, meinte er lachend. „Nein..“ Jonas grinste. „Schaukeln.“ Er schlenderte auf eine der beiden Schaukeln zu und ließ sich auf sie sinken; Dylan machte es ihm nach. Langsam schaukelte der Blonde ein wenig nach vorne und zurück, während Jonas abwesend in den Sand blickte, wo er mit dem Fuß eine kleine Furche formte. „Ich war nicht fair zu dir…“ Jonas` Worte waren so leise, dass Dylan sie fast nicht verstanden hätte. Fast. „Was?“ Der Blonde verlangsamte sein Schaukeln, kam zum Stehen. Fragend sah er den anderen an, als dieser aufsah. „Du hast mir nie was getan.. Im Gegenteil. So hilfsbereit, rücksichtsvoll und lieb wie du war lange keiner mehr zu mir.“ Dylan spürte wie er rot anlief. „Doch ich hab dir nie was zurück gegeben.“ „Das ist doch gar nicht“- „Ich glaub, du hattest Recht: Ich hab dir nicht ganz vertraut.“ Dylans Augen weiteten sich; Jonas hatte sein Gespräch mit Chris am Vorabend also mitbekommen. „Oder..ich hab dir nie gezeigt, dass ich dir traue... ja.“ „Ich …“ Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. „Aber ich tu´s.“ Jonas` Gesicht hellte sich auf. „Ich möchte, dass du mich kennst. So gut wie Chris.. besser.“ Dylan musste schlucken. Hieß das, er stellte ihn mit Chris auf eine Stufe? „Ich heiße Jonas Kilian.“ Dylan musste lächeln, als Jonas so begann. „Einige.. sehr wenige Leute nennen mich Jo. Chris tut das. Meine Geschwister. Meine … Mum.“ Der Blonde sah ihn gespannt an. Nie hatte Jonas so offen von sich erzählt. Er wusste nichts über seine Familie, kaum etwas über Chris. Meistens war er es gewesen, der geredet hatte in den letzten Wochen und Monaten. „Ich weiß nicht, wo ich weitermachen soll..“ Jonas lächelte verlegen. „Erzähl mir von Chris…“ Auf Jonas erstaunten Blick erklärte er weiter: „Er weiß so viel über mich von dir – umgekehrt ist es kaum so.“ „Chris...“ Jonas schien zu überlegen. “… da muss ich wohl weiter ausholen.“ Sein Blick wurde leer, seine folgenden Worte klangen wie auswendig-gelernt: „Vor sechs Jahren ist meine Mutter bei einem Autounfall tödlich verunglückt.“ Dylans Herz machte einen Aussetzer. Fassungslos starrte er auf den anderen. Jonas` Blick jedoch haftete auf dem sandigen Untergrund. „Als es passierte..saß ich auf dem Beifahrersitz.“ Entsetzt keuchte der Blonde auf, presste sich die Hand an den Mund. Er konnte nicht glauben, was er da gerade hören musste. Und er wollte nicht, dass Jonas ihm das alles erzählen musste. „Du musst nicht“- Jonas sah ihm in diesem Moment direkt in die Augen. Sie glänzten. Und auf eine verkehrte Art und Weise hatte Dylan das Gefühl, der andere würde gerade durch ihn hindurchsehen. „An einer Kreuzung war ein Kleintransporter bei rot über die Ampel gefahren und direkt in die Fahrerseite gerauscht.“ Nein, Jonas sah ihn in diesem Moment nicht an, er war bei dem Unfall. „Meine Mutter war sofort tot.“ „Das… das tut mir Leid.“ Dylans Stimme war nur ein heißeres Flüstern. „Das damals.. das Blut, ihr leerer Blick,.. ich…“ Jonas fuhr sich durch das schwarze Haar. „Ich bin damals nicht damit fertig geworden. Ich war erst 14… Und mein Vater kam selbst nicht damit klar – wie sollte er mir helfen? … Zu der Zeit hat er dann angefangen zu trinken.“ Dylan wusste nicht, was er auf all das erwidern sollte; gebannt hörte er auf die leisen Worte seines Gegenübers. „Ich war in psychologischer Behandlung, doch.. die Bilder wurde ich nicht los. Ich konnte nicht verstehen, dass meine Mum nicht mehr zurückkommen sollte. Dass ich..sie nie wieder lachen würde sehen, nie wieder im Auto laut mitsingen würde hören …“ Schnell wischte sich der Schwarzhaarige eine Träne aus dem Auge. „Mein Leben damals war ein einziges Dunkel, aus dem ich nicht mehr herausfand… nicht mehr herausfinden konnte.“ Er holte tief Luft. „Und dann kam Chris in unsere Klasse.“ Dylan schluckte. „Ich war so in meiner Lethargie festgefahren, dass ich nicht viel mitbekam von dem, was um mich herum geschah. Auch der Neue in der Klasse war nur ein unbedeutender Teil meines Vormichhinlebens. Dass es letztendlich dieser Neue war, der mir da unten wieder raushalf…“ Ein Lächeln schlich sich auf Jonas` Gesicht. „Er war so verdammt anhänglich und vor allem stur, ich kannte ein solches Verhalten gar nicht. In jeder Pause unterhielt er sich mit mir – dem stillen und immer depressiven Außenseiter. Er setzte sich in der Schule neben mich, war bei jeder Partnerarbeit sofort zur Stelle. Und irgendwann hat er mich dann nach der Schule bis nach Hause begleitet. Aus diesem einfachen Zusammensein hat sich mit den Wochen und Monaten, die verstrichen sind, etwas entwickelt, das letztendlich stärker war, als dieses drückende Gefühl nach dem Tod meiner Mutter…“ Dylan musste unwillkürlich an die Szene am Morgen auf dem Balkon der Kilians denken. Ihm lag eine Frage auf der Zunge, behielt diese aber für sich und hörte stattdessen weiter zu: „Chris brachte mich wieder zum Lachen. Mit ihm konnte ich stundenlang einfach nur auf meinem Bett liegen und die Decke über uns anstarren. Und ich konnte mit ihm über all das reden, was ich solange in mich reingefressen habe.“ Jonas schloss die Augen. „An meinem 16. Geburtstag hat er mich dann zum ersten Mal geküsst.“ Dylans Blick war starr auf den anderen gerichtet. Er hatte es geahnt, aber das Geahnte jetzt aus Jonas` Mund zu hören, war doch nochmal eine ganz andere Dimension. Und das Bild von einem Chris, der Jonas zärtlich küsste, brannte sich tief in sein Hirn ein. „Du bist…“, mehr brachte er nicht heraus. „Damals hatte ich keine Ahnung. Erst durch Chris` Kuss wurde mir bewusst, dass ich eigentlich nie etwas für Mädchen übrig gehabt hatte. Und dieser Kuss dagegen … er fühlte sich so richtig an.“ „Also wart ihr dann ein Paar?“ „Ja… mit allem Drum und Dran.“ Er wurde etwas rot. „Chris meinte damals, er hätte sich auf den ersten Blick in mich verliebt und er hätte alles getan, um den Weg in mein Herz zu meistern.“ Er lächelte versonnen. „Kitschig, ich weiß...“ „Und jetzt? Ich meine… seid ihr noch zusammen?“ Er fürchtete sich vor der Antwort. „Wenn du einem Menschen nicht das zurückgeben kannst, was er dir entgegenbringt, geht das auf Dauer nicht gut… Das habe ich irgendwann gemerkt. Mir wurde bewusst, dass ich Chris liebe – nur auf eine völlig andere Art als er mich. Dass seine Mutter kurz darauf in die Schweiz versetzt wurde, war ein für die Trennung glücklicher Zufall. Es machte das Ganze einfacher; für mich und vor allem auch für ihn… Ich weiß, dass er sehr zu kämpfen hatte mit der Trennung, er stand mehr als einmal angetrunken vor meiner Tür oder rief mich weinend an... Aber ich wusste auch, so sehr er mich auch vermisste – und ich ihn - dass diese Beziehung nicht standgehalten hätte.“ Der Blonde kam sich schäbig vor, weil er sich darüber freute, dass Chris und Jonas kein Paar mehr waren. Chris hatte den Schwarzhaarigen sehr geliebt – er tat es immer noch, das erkannte selbst er als Außenstehender an den Blicken, die er Jonas schenkte. Dass diese Liebe nicht erwidert wurde, musste dem heute Abgereisten sehr wehtun. Und dennoch war er froh, dass er es nicht mit ansehen musste, wie die beiden sich küssten oder verliebt Händchen hielten. Jonas schien sein nachdenkliches Schweigen allerdings miss zu verstehen: „Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt mit anderen Augen siehst.“, meinte der Schwarzhaarige leise. Als Dylan verstand, worauf der andere hinauswollte, schüttelte er heftig den Kopf. „Nein!“ Seine überzogene Lautstärke erschreckte ihn selbst, so dass er deutlich leiser fortfuhr: „Ich hab nichts gegen.. ich meine, ich hab kein Problem damit, dass du auf Männer stehst. Und ich… bin froh, dass du mir das alles so offen erzählst.“ Er war wirklich glücklich darüber. Endlich hatte er das Gefühl, dass der andere ihm ein Stück weit vertraute. Ein sehr großes Stück. Auch Jonas sah erleichtert aus. Dass der Blonde nicht schreiend davon gerannt war, war immerhin schon ein Anfang. Und ob er mit seiner Homosexualität wirklich kein Problem hatte, würde sich in den kommenden Tagen und Wochen herausstellen. Und auch wenn es vielleicht etwas voreilig war, so hatte er doch ein sehr gutes Gefühl, was ihre gemeinsame Zukunft anging. ~To be continued.~ Kapitel 7: It ain't easy growin up in World War 3 ------------------------------------------------- Kapitel 7: It ain't easy growin up in World War 3 Nachdenklich starrte Dylan auf Jonas, der vor ihm das DVD-Regal nach einem guten Film durchforstete. Er hatte heute so viel über diesen Menschen erfahren und wusste gar nicht so recht, wohin mit den ganzen Informationen. Als sie vorhin die Wohnung der Kilians wieder betreten hatten, war ihm das erste Mal aufgefallen, dass er Jonas‘ Eltern noch nie zu Gesicht bekommen hatte – nun wusste er, dass das bei seiner Mutter nicht möglich war. Und dass sein Vater offensichtlich ein Alkoholproblem hatte, ließ in dem Blonden den Wunsch nach einem Kennenlernen auch nicht gerade größer werden… „Also … ich hätte hier Armageddon, Independence Day und den zweiten Teil von Bad Boys. Die gehen alle in die Richtung, die du dir vorgestellt hast, oder?“ Er hielt die drei DVDs hoch. „Ja... also... hm. Entscheide du.“ Während Jonas abwägend auf die Cover der Filme schaute, beobachtete ihn Dylan weiter dabei. Immer wieder musste er daran denken, was er ihm erzählt hatte. Immer wieder sah er Jonas zusammen mit Chris. Er dachte an die Fotocollage in Jonas‘ Zimmer und wie glücklich er auf den Bildern ausgesehen hatte. Und irgendwo in Dylans Inneren wuchs der Wunsch, den anderen auch einmal so glücklich zu erleben. Als der Schwarzhaarige lächelnd Armageddon hochhielt, wurde der Blonde aus seinen Gedanken gerissen. Er nickte zufrieden und drückte sich demonstrativ gemütlicher in die Couch. Jonas legte den Film ein und setzte sich dann neben Dylan. Er griff nach einer zusammengelegten Decke und warf sie über ihre Beine, dann nahm er die Schüssel mit den Chips vom Tisch und stellte sie zwischen sich auf das Sofa. Dylan musste grinsen. „Waaas?“, Jonas sah ihn schmatzend an, er hatte sich eine Hand voll Chips in den Mund geschoben. „Nichts... gar nichts.“ Trotzdem konnte er sich das Grinsen nicht verkneifen. „Starte schon endlich den Film.“ Gähnend blinzelte Dylan dem Fernsehbildschirm entgegen. Der Film ging seinem Ende entgegen, Bruce Willis hatte sich gerade heldenhaft aufgeopfert, um die Menschheit zu retten. Ein weiteres Gähnen unterdrückend sah der Blonde auf Jonas und als er genauer auf dessen Gesicht schaute, bemerkte er in der Dunkelheit, dass der Schwarzhaarige eingeschlafen war. Schon vor einer ganzen Weile hatten sie die Chips in Teamarbeitet vernichtet, die Schüssel auf dem Tisch enthielt nur noch fettige Brösel. Jonas saß, eingemümmelt in die Decke, neben ihm, sein Kopf war in Dylans Richtung geneigt und seine Hände lagen auf einem kleinen Sofakissen, das er auf dem Schoß liegen hatte. Er sah so friedlich aus und wieder einmal wurde dem Blonden bewusst, wie sehr er die Nähe zu dem anderen genoss. Allein jetzt hier zu sitzen, dessen Wärme an seiner Seite zu spüren und zu sehen, wie der andere seelenruhig schlief, gab ihm ein unheimlich großes Gefühl der Geborgenheit. Langsam und vorsichtig lehnte er sich etwas mehr an Jonas, legte seinen eigenen Kopf leicht gegen den des anderen und schloss die Augen. Im Hintergrund hörte er noch den Abspann des Filmes laufen, doch die vielen Ereignisse des vergangenen Tages und Jonas‘ angenehmer Geruch sorgten dafür, dass es nicht lange dauerte, bis auch er eingeschlafen war. *** „Du machst diesen ganzen Dreck hier noch sauber – hast du mich verstanden?“ Vollkommen durcheinander zuckte Dylan zusammen. Blinzelnd stellte er fest, dass er die Nacht offensichtlich auf der Couch der Kilians verbracht hatte. Dann hörte er wieder die Stimmen, die ihn hatten wach werden lassen; er musste gar nicht versuchen zu lauschen, dafür wurde zu laut geredet. „Schrei doch nicht so…“ Jonas sprach bei Weitem leiser als die andere, männliche Stimme. „In meiner Wohnung rede ich so laut wie ich will. Sollte dein Kerl da drin wach werden, ist mir das sowas von egal!“ Dylan war sich ziemlich sicher, wer da so laut herumschrie: Jonas‘ Vater. „Und du machst hier sauber!“ „Ich hab´s kapiert.“ Dylans Augen weiteten sich erschrocken, als er das auf diesen Satz folgende Geräusch erkannte. „Sei nicht so frech.“ Ein Rumpeln war zu hören. „Hast du das auch kapiert?“ „…“ „Ich rede mit dir!“ „Ja…“ „In zwei Stunden bin ich spätestens wieder da. Dann will ich, dass alles tiptop ist.“ „Ja.“ Ein kurzes Rascheln, jemand, der einen Reißverschluss zuzog. Dann ging die Haustür auf und wurde gleich danach wieder geschlossen. Konzentriert versuchte der Blonde irgendetwas zu hören. Erst drang nichts zu ihm durch, dann hörte er ein paar Schritte und wie eine Tür aufging. Er selbst setzte sich auf. Er schlug die Decke zurück, mit der ihn Jonas zugedeckt haben musste, und stand auf. Langsam tappte er durch das Wohnzimmer in den Flur. Er spähte in Jonas‘ Zimmer, doch der andere war nicht darin. Er lief weiter – bis er zum Badezimmer kam. Die Tür war einen Spalt auf, so dass er auch dort hinein lugen konnte. Als er Jonas vor dem Spiegel am Waschbecken stehen sah, setzte sein Herzschlag einen Moment lang aus. Erst sah er beschämt zu Boden, dann doch wieder auf den anderen. Der Schwarzhaarige stand regungslos vor seinem eigenen Spiegelbild, starrte es mit leerem Blick an. Aus seinem rechten Mundwinkel lief ein dünnes Rinnsal Blut. Dylan hatte also richtig vermutet, als er das Geräusch zuvor als Schlag erkannt hatte. Jonas‘ Vater hatte ihn geschlagen. Wegen einer Lappalie. Aus Gewohnheit vermutlich. Dylans Entsetzen vermischte sich mit tiefem Hass. Wie konnte ein Vater sein eigenes Kind schlagen? Wie kaputt musste man sein, um seinem Sohn so einer Demütigung zu unterziehen, ihm – offensichtlich gerne – Schmerzen zuzufügen? So viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf als er vorsichtig das Badezimmer betrat. Erst als er hinter Jonas trat und somit Teil des Spiegelbildes vor ihnen wurde, bemerkte ihn der Schwarzhaarige. Die dunklen Augen glänzten ihm aus dem Spiegel entgegen, baten ihn verzweifelt darum, jetzt nichts zu sagen. Und Dylan hatte auch nicht vor, sich irgendwie zu äußern. Egal, was es gewesen wäre, es wäre zu banal… zu wenig gewesen. Stattdessen blieb er hinter Jonas stehen und legte sanft seine Arme um den schmalen Körper vor sich. Der Schwarzhaarige verkrampfte sich die ersten Momente, dann entspannten sich seine Muskeln und er atmete hörbar zitternd aus. Dylan fuhr sanft über die Brust des anderen, legte gleichzeitig seinen Kopf auf dessen Schulter und drückte seine Wange an die von Jonas. Beide starrten wieder auf die beiden jungen Männer vor ihnen im Spiegel. Der Blonde hob langsam eine Hand und fuhr vorsichtig von Jonas Mundwinkel die Spur des Blutes nach. Die dunklen Augen füllten sich noch mehr mit Tränen, doch bevor eine von ihnen den Weg nach draußen fand, presste Jonas seine Lider fest zusammen. Er senkte den Kopf und atmete einige Male laut ein und wieder aus. Dann wand er sich aus den fremden Armen, drehte sich um und sah den Blonden einen Moment lang an, bevor er nun seinerseits den Jungen vor sich in eine Umarmung zog. Überrascht erwiderte Dylan die plötzliche Umarmung. Jonas wirkte so einsam und verloren in seinen Armen, am liebsten hätte er ihn gar nicht mehr losgelassen. Vorsichtig drückte er ihn an sich, vergrub seine Nase in dem schwarzen Haar. Es verging eine gefühlte Ewigkeit bis sich die beiden schließlich voneinander lösten und Jonas langsam einen Schritt zurück trat. Als Dylan in die dunklen Augen blickte, wusste er, was zu tun war. „Ich … warte in deinem Zimmer.“, flüsterte er. Er konnte verstehen, dass Jonas ein paar Minuten für sich brauchte und so drehte er sich um, schloss leise die Badezimmertür hinter sich und ging in Jonas‘ Zimmer. Nervös fuhr er sich über das Gesicht. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte nun mitbekommen, was Jonas mitmachte, wollte ihm so gerne helfen – doch was konnte er tun? Und die Gefühle, die er für den anderen entwickelte, machten das Ganze noch so viel komplizierter… Er stand wieder vor der Collage, sah verzweifelt auf den lachenden Jonas auf dem Foto vor ihm. Sein Kopf war so voll, er wusste nicht, wohin mit all den Gedanken, mit all den Gefühlen. Jonas musste ihm ansehen, dass etwas nicht in Ordnung war, denn als der Schwarzhaarige sein Zimmer betrat und den anderen ansah, veränderte sich seine neutrale Mine in einen fragenden Blick. „Alles okay bei dir?“ Dylan musste auflachen. Er schüttelte den Kopf. „Du fragst mich, ob bei mir alles okay ist?“ Der Blonde starrte regelrecht in die dunklen Augen seines Gegenübers. „Dir geht‘s scheiße… Dein Dad ist ein Arschloch…“ Er sah wie Jonas gequält auf den Boden sah. „Und du fragst mich, ob ich okay bin?“ Langsam ging Jonas auf sein Bett zu und setzte sich; dann sah er auf in die blauen Augen. „Hör mal... Ich… Es tut mir Leid, dass du das mitbekommen hast…“ Er hielt kurz inne. „Aber es sah alles schlimmer aus, als es ist. Wirklich. Ich... bin es gewohnt und... kann damit leben.“ Dylan blinzelte entsetzt. „Das ist doch nicht dein Ernst, oder??“ Als er in Jonas` unverändertes Gesicht sah, wusste er, dass dieser es tatsächlich so gemeint hatte. „Du meinst, du lässt dich gern schlagen?!“ „Nicht gern! Ich hab gesagt, ich kann damit leben!“ „Ahja, okay. Du kannst also“ Dylan trat an Jonas heran, schubste ihn durch einen Stoß mit der flachen Hand aufs Brustbein nach hinten, so dass er nun mit dem Oberkörper auf seinem Bett lag, die Füße noch auf dem Boden. „damit leben, ja?“ Er schwang sich rittlings auf Jonas‘ Bauch, blickte finster in das verdutzte Gesicht unter ihm. „Lass das, Dylan…“ Jonas wand sich unter dem Gewicht des anderen. „Dann lass doch mal sehen, womit du so leben kannst.“ Er schob den schwarzen Pulli, den Jonas trug, nach oben, zerrte grob das dunkelblaue T-Shirt darunter aus seiner Hose und legte so den Bauch frei. Er hatte mit dem Anblick gerechnet, musste aber trotzdem schlucken, als er die blauen Flecken sah. Vor allem an seiner rechten Seite und am Ansatz der Rippen waren die grünlich-gelben Flecken noch zu sehen. Jonas schob den anderen panisch von sich, setzte sich auf und zog Shirt und Pullover wieder zurecht. Er rutschte an die Wand und zog die Beine an den Körper. Was Dylan getan hatte, fiel ihm erst auf, als er die zittrigen Hände sah, die Jonas um seine Beine schlang, und dessen verängstigten Blick. Beschämt sah er zu Boden, drehte sich herum und wollte das Zimmer verlassen. „Du hast recht.“ Dylan drehte sich um, sah den anderen verwirrt an. „Auf deine direkte … und unsensible Art hast du recht“, wiederholte sich Jonas und stand von seinem Bett auf. „Für mich ist es nur so zur Gewohnheit geworden. Und ich glaub, ich bin Meister im Verdrängen…“ Er versuchte es mit einem Lächeln, das Dylan ihm allerdings nicht so recht abkaufte. „Wenn du das alles weißt, wieso wehrst du dich nicht? Wieso ... lässt du dir nicht helfen?“ Es war die Frage, die Dylan auf den Nägeln brannte, seit er Jonas damals im Sportunterricht mit dem Basketball ausgeknockt und die Misshandlungen zum ersten Mal gesehen hatte. „Moritz und Chiara“, antwortete er schlicht. Auf Dylans leichtes Kopfschütteln fuhr er fort: „Was glaubst du, was aus ihnen wird, wenn ich zum Jugendamt renne? Meinem Dad werden sie weggenommen. Und wo sollen sie hin? Zu meiner 83-jährigen, allein-lebenden Großmutter?“ Er schüttelte vehement den Kopf. „Ich will nicht, dass sie auch noch ihren Vater verlieren. Ich will nicht, dass sie im Heim aufwachsen müssen … wegen mir.“ Dylan schwieg nachdenklich. „Solange er ihnen nichts tut, stecke lieber ich alles ein.“ Dylan hatte oft von selbstlosen Taten gehört. Hatte von ihnen gelesen. Sie in Filmen mit ansehen können. Unweigerlich musste er wieder an diesen bekloppten Hollywood-Schinken denken, den er sich am Abend zuvor noch mit Jonas zusammen angesehen hatte. Und plötzlich kam ihm Bruce Willis nur wie ein mickriger Pantoffelheld vor. Seufzend drehte er sich wieder um und ging zur Zimmertür: „Komm, lass uns aufräumen, bevor er heimkommt und wieder rummault.“ Lächelnd sah ihm Jonas hinterher. ~To be continued.~ Hosted by Animexx e.V. 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