Lass mich nie mehr los von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Vertrauensbrüche --------------------------- CARLY Ich hätte nie gewollt, dass es so weit kommt, und Maxis Frage schockte mich. „Vertraust du mir noch?“ Er hatte mir den Rücken zugedreht, doch nun drehte er sich um und sah mir mit einem erdolchenden Blick in die Augen. Seine Blicke durchlöcherten mich quasi. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Immerhin hatte ich ihn mit diesem Mädchen reden sehen und ... „Vertraust du mir denn noch?“ Irgendetwas in Maxis Augen erlosch. „Warum beantwortest du meine Frage nicht?“ Sein Blick wurde traurig. „Nicht wirklich.“ Nun hatte ich es gesagt, und es war, als hätte ich mir selbst in die Hand geschnitten. „Warum?“, fragte er. Ich senkte den Blick. „Na ja, da war dieses Mädchen und ... es ist ja schon länger so. Wir streiten uns nur noch! Ständig ist irgendwas!“ Maxi knirschte mit den Zähnen. „Verdammt, Carly! Merkst du denn gar nichts?! Du interessierst dich doch eh nur für deine Klamotten, mal hier ein T-Shirt, mal da neue Schuhe, mal eben zum Friseur. Und ich darf dir dann helfen, den ganzen Scheiß in Ordnung zu bringen. Es ist alles anders geworden! Wir haben uns seit Tagen nicht mehr geküsst, geschweige denn umarmt oder sonstwas. Nichts, Carly, nichts verstehst du!“ Seine Worte trafen mich mehr als jeder Schlag ins Gesicht. Tränen rannen mir die Wangen herunter. „Maxi ...“ Meine Stimme war nur noch ein Flüstern. „Ich wollte das alles nicht! Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommt ... Liebst du mich noch?“ Ich sah auf und begegnete Maxis traurigem Blick. Treuherzig schaute er mir direkt ins Herz. Seine Augen glitzerten, als er beinahe unmerkbar den Kopf schüttelte. Mein Herz zerbrach. Ich flüsterte: „So macht das keinen Sinn mehr, Maxi.“ Meine Stimme zitterte. Er fixierte den Fußboden. Als er den Kopf wieder hob, sah ich eine Träne, die sich seine Wange herunterschlich. „Bitte, Carly. Ich versprech dir ... ich versprech dir, dass alles besser wird. Ich schöre es. Aber bitte ... bitte verlass mich nicht!“, flüsterte er verzweifelt. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und wischte mir mit den Daumen die Tränen weg. Kraftverschwendung, sie flossen unbeirrt weiter. Er näherte sein Gesicht dem meinen und sah mir tief in die Augen. Als er so nah bei mir war, dass nur noch ein Stück Papier zwischen uns gepasst hätte, fühlte ich eine Träne auf meine Wange tropfen, und diesmal war sie nicht eine der meinen. Ganz sanft und vorsichtig legten sich seine Lippen auf meine. Sachte schob ich ihn ein Stück weg. „Das ist nicht mehr das Wahre, Maxi. Bitte mach es mir nicht noch schwerer.“ Tatsächlich hatte ich bei dem Kuss nichts gespürt, und das war früher doch so anders, so viel schöner gewesen. „Denk doch bitte noch mal darüber nach. Carly, ich bitte dich!“ „Maxi! Versteh doch. Ich liebe dich nicht mehr. Du mich auch nicht. Was macht das noch für einen Sinn?“ Er schaute mich ungläubig an. „Das bedeutet ...?“ Ich nickte leicht. „Aber ich möchte nicht im Streit auseinandergehen.“ Er entgegnete: „Ich auch nicht ...“ Dann umarmte er mich. Ich drückte ihn fest an mich und schloss die Augen. Ließ mir die letzten zwei Jahre mit ihm durch den Kopf gehen. „Mach’s gut, Carly. Und pass auf dich auf.“, waren seine Worte, die er kaum noch herausbekam. Ich nickte wieder. „Versprochen.“, hauchte ich. Ein letztes Mal drückte ich ihn an mich, dann zogen wir uns um. „Ich nehm das Sofa ...“, beeilte er sich zu sagen, als wir beschlossen, schlafen zu gehen. „Nein.“, beharrte ich. „Es macht mir nichts aus. Im Gegenteil, ich würde dich ... gern noch einmal bei mir haben, so nah, weißt du?“ Die Wahrheit fiel mir schwer. Er zögerte, dann legte er sich zu mir. Just another guy Blinded by your smile Just a lonely heart Can't stand this aching feeling we're apart, ... apart Let me sleep in your arms Let me breathe, this clean bright light surrounding you I know I'm not smart But still I'm trying hard Let me be your guard Protecting you, my angel, from the dark. So lagen wir eine halbe Stunde nebeneinander, ohne ein Wort zu sagen, doch keiner von uns konnte schlafen. Irgendwann nahm er meine Hand. Er drückte sie leicht und weil unsere Köpfe so nah beieinander lagen, konnte ich die Träne spüren, die zeitgleich seine und meine Wange herunterlief. Stundenlang lagen wir Hand in Hand auf dem Bett, hellwach, und starrten in die Nacht. Und dann, noch viel später, ich wäre fast eingeschlafen, flüsterte Maxi plötzlich: „Carly?“ „Ja?“ „Wir sind doch noch Freunde, oder?“ Ich musste unwillkürlich lächeln. „Natürlich sind wir das. Gute Nacht.“ Kapitel 2: Geständnisse ----------------------- CARLY Der nächste Morgen begann früh für Maxi und mich. Joschka riss die Tür auf, sie flog gegen die Wand und er schrie begrüßend: „Guten Mooooorgen! Hä?! Ihr in Jogginghose und T-Shirt?“ Sein Blick war ... dumm. Schlicht und ergreifend einfach dumm. Ich sah an mir herunter, natürlich trug ich eine Jogginghose, genau wie Maxi. Ich zuckte die Schultern. „Klappe, Joschka. Du nervst!“, stöhnte ich dann. Ich hatte Kopfschmerzen, der gestrige Abend war für mich nicht leicht gewesen, auch wenn ich keinen Schluck Alkohol getrunken hatte. Dieser Morgen war merkwürdig. Joschka kapierte seltsamerweise sofort, dass nicht alles in Ordnung war bei uns, und knallte die Tür zu. Ich ließ mich in die bequemen Kissen fallen. „Carly?“, fragte eine Stimme leise neben mir. Ich hielt die Augen geschlossen und deutete mit einer Handbewegung an, dass Maxi weitersprechen sollte. „Ist das ... gestern wirklich passiert?“, fragte er, und ich konnte den Hoffnungsfunken in seiner Stimme hören. Ich schlug die Augen auf und setzte mich schwungvoll hin. „Ja.“, antwortete ich leise, fast flüsternd. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, doch als ich sein zittriges „Oh!“ hörte, spürte ich, wie sehr ihn das getroffen hatte. „Maxi, es tut mir doch auch leid. Ich wollte nicht, dass ...“ Er wehrte ab. „Ist schon ok, wenn keine Gefühle mehr ... da sind ...“ Er konnte nicht mehr weitersprechen, ich merkte es ihm deutlich an. Sein Gesicht drehte er zur Seite, dann stand er ruckartig und energisch auf. „Ich zieh mich um.“, kam es gedrängt aus seinem Mund. Ich wollte nichts sagen, nicht jetzt, nicht hier. Nicht mehr zu diesem bescheuerten Thema. Lustlos zog ich mir irgendeine Jeans und irgendein T-Shirt an, und ohne mich zu schminken oder mir großartig die Haare zu machen (und das war WIRKLICH untypisch für mich), tapste ich die riesige Treppe hinunter in den Essenssaal. „Morgen?“ Leons Begrüßung war mehr eine Frage als alles andere. Er musterte mich mit einem Blick, den ich nicht ganz definieren konnte. FABI Es klopfte an meiner Tür, und eigentlich brauchte ich gar nicht zu fragen, wer das war. Ich schaute auf meine Decke und lächelte. „Ja?“ Die Tür wurde einen Spalt breit aufgezogen, und Carly steckte ihr hübsches Gesicht herein. „Darf ich reinkommen?“, fragte sie leise. Ich nickte. „Sonst hätte ich wohl Nein gesagt, meinst du nicht?“ Sie grinste. „Schon. Aber ich kann mich immer noch nicht ganz an deine Veränderung gewöhnen. Normalerweise, wie ich dich seit den letzten zwei Jahren kenne, hätte man dich jetzt wohl mit irgendeiner blonden Bordsteinschwalbe unter der Bettdecke vorgefunden.“ Ich runzelte die Stirn, dann lachte ich. „Du hast recht, aber bitte erinner mich nicht mehr daran.“ Sie grinste wieder, unwiderstehlich. Ich hörte, wie mir die Worte „Was möchtest du denn?“ von der Zunge glitten. Ihr Gesicht wurde ernst und sie setzte sich zu mir aufs Bett. „Weißt du ... Maxi und ich, wir ...“ Schnell schaute sie zu Boden. Ich wusste genau, was sie sagen wollte, und beendete den Satz für sie. „Ihr habt euch gestritten?“ Sie nickte, ein klein wenig überrascht. „Woher ...“ Ich lächelte. „Intuition.“ Sie nickte noch einmal, dann fuhr sie fort. „Seit gestern sind wir nicht mehr zusammen. Wir hatten beide das Gefühl, dass ... dass da keine Gefühle mehr waren. Weg. Einfach so. Zwei Jahre haben wir durchgemacht und jetzt – einfach alles verloren.“ Sie schüttelte ihren Kopf mit dem wunderschönen Gesicht und den seidenen schwarzen Haaren und stützte ihn dann auf eine ihrer Hände. Ich konnte nicht genau feststellen, welchen Punkt des Raumes sie fixierte. „Ich weiß, was du meinst. Seid ihr im Streit ... auseinandergegangen?“ Ich flüsterte, um sie nicht zu erschrecken. Ein Lächeln zeichnete sich auf ihren vollen Lippen ab. „Nein. Wir bleiben ... Freunde. Ein Glück. Ich will ihn nicht verlieren, Fabi. Nicht so. Nicht ganz.“ Ich nickte. „Ich weiß. Ich will nicht, dass du unglücklich bist, Carly. Ich konnte nie ... verkraften, dass du mich verlassen hast, weißt du. Ich wollte dich immer glücklich sehen – aber vorallem mich. Ich war ein Arsch.“ Sie belächelte mich, sah mich dabei aber nicht an. „Nein. Nicht vor zwei Jahren. Damals warst du ein wundervoller, zärtlicher Mensch. Meine Güte, wenn ich gewusst hätte, was ich dir angetan habe, dann ... aber weißt du, ich habe über die letzten Jahre völlig vergessen, dass du Gefühle hast, und es tut mir schrecklich leid, das musst du mir glauben.“ Ihre blauen Kulleraugen schauten direkt in mein Herz, was ich nach den letzten zwei Jahren für eingefroren hielt – sie bewies mir glücklicherweise das Gegenteil. „Ist verziehen. Ich bin trotzdem ein Idiot gewesen, oder besser geworden. Nachdem zwischen uns Schluss war, habe ich alles verdrängt, meine ganzen Gefühle, und mich mit anderen getröstet. Ich wollte einfach, dass es mir gut ging, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes ... Befriedigung hatte.“ Ich rang meine Hände. Es war nicht leicht für mich, über Gefühle zu reden. Was für ein Scheißthema, Carly wusste, dass ich über unsere Trennung unglücklich war – basta. Aber wusste sie auch, dass ich es immernoch war? Dass ich sie zurückwollte? Sie wendete ihren Blick ab und grinste. „Das hat man gemerkt. Es tut mir alles so leid. Und weißt du, die Zeit mir dir war ... schön.“ Ihre Worte überraschten mich. Bestand etwa die Hoffnung, dass zwischen uns noch einmal etwas werden konnte? Ich lächelte zaghaft. Bloß nicht zu viel Hoffnung machen ... bloß keine Enttäuschung riskieren, nicht schon wieder bei diesem wundervollen Mädchen. „Ich sehe das genauso. Und Carly, ich ... ich vermisse dich. Ich vermisse dich und die Zeit, die wir hatten.“ Ob das zuviel des Guten war? Hoffentlich nicht ... Ihr intensiver Blick traf den Boden, und ich hätte schwören können, dass er für Sekundenschnelle ein ganz klein wenig vibierte vor Intensität. CARLY Ich schaute auf den Boden, geschmeichelt. „Ich dich auch.“ Diese Worte konnte ich nur hauchen. Wie kam es nur, dass mein Herz schneller schlug, sobald ich in Fabis Nähe war? Ich wollte es doch so, ich wollte, dass er als Erster von Maxi und meiner Trennung erfuhr. Du hast es so gewollt, also reiß dich gefälligst zusammen, Carly Crown!, redete ich mir selber ein. Ich atmete tief durch und sah ihm mutig in die Augen. Verdammt, was waren die braun! Und so schön ... Ich sah die Verzweiflung in ihnen. ‚Augen sind der Spiegel der Seele‘, sagte man, und durch ihn erkannte ich plötzlich, dass es stimmte. Aber nun lächelte er. „Carly ...“ Er wendete den Blick nicht ab, und insgeheim war ich ihm irgendwie dankbar dafür. Seine Stimme kratzte und schließlich scheiterte er bei dem kläglichen Versuch eines Geständnisses seiner Gefühle, wofür ich seine abgebrochene Rede jedenfalls gehalten hatte. Stattdessen ergriff er einfach meine Hand, ließ mich aber nicht aus den Augen; ich wehrte mich nicht. Es kribbelte, und irgendwie hatte ich das Gefühl, ein Kapitel meines Lebens war abgeschlossen, und der Autor, meine rechte (und linke) Hand hatte ein neues zu schreiben begonnen, als ich seine mit Sommersprossen übersähte Hand auf der meinen spürte. „Lass mich nie mehr los.“, flüsterte ich, und dieser Satz war direkt aus meinem Herzen gekrochen. „Nie mehr“, sagte er, und ich spürte, es war ein Versprechen, vielleicht ja sogar für die Ewigkeit. Bevor ich alles realisieren konnte, schwebte sein Gesicht vor dem meinen. Er musterte meines und insbesonders meine blauen Augen, auf die ich so gar nicht stolz war. Seine braunen waren viel schöner, ich versank regelrecht in ihnen, und dann konnte ich nicht mehr warten. Ich legte meine Lippen blitzschnell auf seine, mit dem Hintergedanken, dass das hier nur ein Traum wäre, gleich würde ich aufwachen und alles wäre geplatzt, alles wie immer. Aber für einen Traum war es zu echt, zu perfekt, zu schön, zu weich, einfach zu real. Der Kuss hielt an, und ich spürte das Prickeln im ganzen Körper, das Prickeln, das mich am Leben hielt. Dann lösten wir uns voneinander und ich wünschte, wir hätten es nicht getan. Er lächelte, ganz zaghaft, als könne jeder Schritt der falsche sein, als könne ein Wort zuviel den Augenblick zerstören. Doch für mich konnte nichts mehr dieses Glück trüben. Rein gar nichts, und ich wünschte mir nur, dass Fabi das genauso sah. Ich erwiderte sein Lächeln noch zarter und küsste ihn noch einmal. Seine Hände legten sich an mein Gesicht, schade, dass er dafür meine Hand loslassen musste, war sie doch gerade so schön warm geworden von seiner weichen Haut. Für mich war unser Kuss schier endlos, und ich spürte, das war es, wonach ich mich die letzten Monate so gesehnt hatte. Dieses Gefühl vom Leben, das Gefühl, endlich eine Ahnung davon zu haben, wie schön es sein konnte, auf der Welt zu sein. Das Gefühl, jemandem etwas zu bedeuten. Und endlich war ich mir sicher: Mein Herz gehörte nun Fabi. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)