Lass mich nie mehr los von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Geständnisse ----------------------- CARLY Der nächste Morgen begann früh für Maxi und mich. Joschka riss die Tür auf, sie flog gegen die Wand und er schrie begrüßend: „Guten Mooooorgen! Hä?! Ihr in Jogginghose und T-Shirt?“ Sein Blick war ... dumm. Schlicht und ergreifend einfach dumm. Ich sah an mir herunter, natürlich trug ich eine Jogginghose, genau wie Maxi. Ich zuckte die Schultern. „Klappe, Joschka. Du nervst!“, stöhnte ich dann. Ich hatte Kopfschmerzen, der gestrige Abend war für mich nicht leicht gewesen, auch wenn ich keinen Schluck Alkohol getrunken hatte. Dieser Morgen war merkwürdig. Joschka kapierte seltsamerweise sofort, dass nicht alles in Ordnung war bei uns, und knallte die Tür zu. Ich ließ mich in die bequemen Kissen fallen. „Carly?“, fragte eine Stimme leise neben mir. Ich hielt die Augen geschlossen und deutete mit einer Handbewegung an, dass Maxi weitersprechen sollte. „Ist das ... gestern wirklich passiert?“, fragte er, und ich konnte den Hoffnungsfunken in seiner Stimme hören. Ich schlug die Augen auf und setzte mich schwungvoll hin. „Ja.“, antwortete ich leise, fast flüsternd. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, doch als ich sein zittriges „Oh!“ hörte, spürte ich, wie sehr ihn das getroffen hatte. „Maxi, es tut mir doch auch leid. Ich wollte nicht, dass ...“ Er wehrte ab. „Ist schon ok, wenn keine Gefühle mehr ... da sind ...“ Er konnte nicht mehr weitersprechen, ich merkte es ihm deutlich an. Sein Gesicht drehte er zur Seite, dann stand er ruckartig und energisch auf. „Ich zieh mich um.“, kam es gedrängt aus seinem Mund. Ich wollte nichts sagen, nicht jetzt, nicht hier. Nicht mehr zu diesem bescheuerten Thema. Lustlos zog ich mir irgendeine Jeans und irgendein T-Shirt an, und ohne mich zu schminken oder mir großartig die Haare zu machen (und das war WIRKLICH untypisch für mich), tapste ich die riesige Treppe hinunter in den Essenssaal. „Morgen?“ Leons Begrüßung war mehr eine Frage als alles andere. Er musterte mich mit einem Blick, den ich nicht ganz definieren konnte. FABI Es klopfte an meiner Tür, und eigentlich brauchte ich gar nicht zu fragen, wer das war. Ich schaute auf meine Decke und lächelte. „Ja?“ Die Tür wurde einen Spalt breit aufgezogen, und Carly steckte ihr hübsches Gesicht herein. „Darf ich reinkommen?“, fragte sie leise. Ich nickte. „Sonst hätte ich wohl Nein gesagt, meinst du nicht?“ Sie grinste. „Schon. Aber ich kann mich immer noch nicht ganz an deine Veränderung gewöhnen. Normalerweise, wie ich dich seit den letzten zwei Jahren kenne, hätte man dich jetzt wohl mit irgendeiner blonden Bordsteinschwalbe unter der Bettdecke vorgefunden.“ Ich runzelte die Stirn, dann lachte ich. „Du hast recht, aber bitte erinner mich nicht mehr daran.“ Sie grinste wieder, unwiderstehlich. Ich hörte, wie mir die Worte „Was möchtest du denn?“ von der Zunge glitten. Ihr Gesicht wurde ernst und sie setzte sich zu mir aufs Bett. „Weißt du ... Maxi und ich, wir ...“ Schnell schaute sie zu Boden. Ich wusste genau, was sie sagen wollte, und beendete den Satz für sie. „Ihr habt euch gestritten?“ Sie nickte, ein klein wenig überrascht. „Woher ...“ Ich lächelte. „Intuition.“ Sie nickte noch einmal, dann fuhr sie fort. „Seit gestern sind wir nicht mehr zusammen. Wir hatten beide das Gefühl, dass ... dass da keine Gefühle mehr waren. Weg. Einfach so. Zwei Jahre haben wir durchgemacht und jetzt – einfach alles verloren.“ Sie schüttelte ihren Kopf mit dem wunderschönen Gesicht und den seidenen schwarzen Haaren und stützte ihn dann auf eine ihrer Hände. Ich konnte nicht genau feststellen, welchen Punkt des Raumes sie fixierte. „Ich weiß, was du meinst. Seid ihr im Streit ... auseinandergegangen?“ Ich flüsterte, um sie nicht zu erschrecken. Ein Lächeln zeichnete sich auf ihren vollen Lippen ab. „Nein. Wir bleiben ... Freunde. Ein Glück. Ich will ihn nicht verlieren, Fabi. Nicht so. Nicht ganz.“ Ich nickte. „Ich weiß. Ich will nicht, dass du unglücklich bist, Carly. Ich konnte nie ... verkraften, dass du mich verlassen hast, weißt du. Ich wollte dich immer glücklich sehen – aber vorallem mich. Ich war ein Arsch.“ Sie belächelte mich, sah mich dabei aber nicht an. „Nein. Nicht vor zwei Jahren. Damals warst du ein wundervoller, zärtlicher Mensch. Meine Güte, wenn ich gewusst hätte, was ich dir angetan habe, dann ... aber weißt du, ich habe über die letzten Jahre völlig vergessen, dass du Gefühle hast, und es tut mir schrecklich leid, das musst du mir glauben.“ Ihre blauen Kulleraugen schauten direkt in mein Herz, was ich nach den letzten zwei Jahren für eingefroren hielt – sie bewies mir glücklicherweise das Gegenteil. „Ist verziehen. Ich bin trotzdem ein Idiot gewesen, oder besser geworden. Nachdem zwischen uns Schluss war, habe ich alles verdrängt, meine ganzen Gefühle, und mich mit anderen getröstet. Ich wollte einfach, dass es mir gut ging, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes ... Befriedigung hatte.“ Ich rang meine Hände. Es war nicht leicht für mich, über Gefühle zu reden. Was für ein Scheißthema, Carly wusste, dass ich über unsere Trennung unglücklich war – basta. Aber wusste sie auch, dass ich es immernoch war? Dass ich sie zurückwollte? Sie wendete ihren Blick ab und grinste. „Das hat man gemerkt. Es tut mir alles so leid. Und weißt du, die Zeit mir dir war ... schön.“ Ihre Worte überraschten mich. Bestand etwa die Hoffnung, dass zwischen uns noch einmal etwas werden konnte? Ich lächelte zaghaft. Bloß nicht zu viel Hoffnung machen ... bloß keine Enttäuschung riskieren, nicht schon wieder bei diesem wundervollen Mädchen. „Ich sehe das genauso. Und Carly, ich ... ich vermisse dich. Ich vermisse dich und die Zeit, die wir hatten.“ Ob das zuviel des Guten war? Hoffentlich nicht ... Ihr intensiver Blick traf den Boden, und ich hätte schwören können, dass er für Sekundenschnelle ein ganz klein wenig vibierte vor Intensität. CARLY Ich schaute auf den Boden, geschmeichelt. „Ich dich auch.“ Diese Worte konnte ich nur hauchen. Wie kam es nur, dass mein Herz schneller schlug, sobald ich in Fabis Nähe war? Ich wollte es doch so, ich wollte, dass er als Erster von Maxi und meiner Trennung erfuhr. Du hast es so gewollt, also reiß dich gefälligst zusammen, Carly Crown!, redete ich mir selber ein. Ich atmete tief durch und sah ihm mutig in die Augen. Verdammt, was waren die braun! Und so schön ... Ich sah die Verzweiflung in ihnen. ‚Augen sind der Spiegel der Seele‘, sagte man, und durch ihn erkannte ich plötzlich, dass es stimmte. Aber nun lächelte er. „Carly ...“ Er wendete den Blick nicht ab, und insgeheim war ich ihm irgendwie dankbar dafür. Seine Stimme kratzte und schließlich scheiterte er bei dem kläglichen Versuch eines Geständnisses seiner Gefühle, wofür ich seine abgebrochene Rede jedenfalls gehalten hatte. Stattdessen ergriff er einfach meine Hand, ließ mich aber nicht aus den Augen; ich wehrte mich nicht. Es kribbelte, und irgendwie hatte ich das Gefühl, ein Kapitel meines Lebens war abgeschlossen, und der Autor, meine rechte (und linke) Hand hatte ein neues zu schreiben begonnen, als ich seine mit Sommersprossen übersähte Hand auf der meinen spürte. „Lass mich nie mehr los.“, flüsterte ich, und dieser Satz war direkt aus meinem Herzen gekrochen. „Nie mehr“, sagte er, und ich spürte, es war ein Versprechen, vielleicht ja sogar für die Ewigkeit. Bevor ich alles realisieren konnte, schwebte sein Gesicht vor dem meinen. Er musterte meines und insbesonders meine blauen Augen, auf die ich so gar nicht stolz war. Seine braunen waren viel schöner, ich versank regelrecht in ihnen, und dann konnte ich nicht mehr warten. Ich legte meine Lippen blitzschnell auf seine, mit dem Hintergedanken, dass das hier nur ein Traum wäre, gleich würde ich aufwachen und alles wäre geplatzt, alles wie immer. Aber für einen Traum war es zu echt, zu perfekt, zu schön, zu weich, einfach zu real. Der Kuss hielt an, und ich spürte das Prickeln im ganzen Körper, das Prickeln, das mich am Leben hielt. Dann lösten wir uns voneinander und ich wünschte, wir hätten es nicht getan. Er lächelte, ganz zaghaft, als könne jeder Schritt der falsche sein, als könne ein Wort zuviel den Augenblick zerstören. Doch für mich konnte nichts mehr dieses Glück trüben. Rein gar nichts, und ich wünschte mir nur, dass Fabi das genauso sah. Ich erwiderte sein Lächeln noch zarter und küsste ihn noch einmal. Seine Hände legten sich an mein Gesicht, schade, dass er dafür meine Hand loslassen musste, war sie doch gerade so schön warm geworden von seiner weichen Haut. Für mich war unser Kuss schier endlos, und ich spürte, das war es, wonach ich mich die letzten Monate so gesehnt hatte. Dieses Gefühl vom Leben, das Gefühl, endlich eine Ahnung davon zu haben, wie schön es sein konnte, auf der Welt zu sein. Das Gefühl, jemandem etwas zu bedeuten. Und endlich war ich mir sicher: Mein Herz gehörte nun Fabi. 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