Tränen des Himmels von Sonnenblume (Liebe über das Leben hinaus...) ================================================================================ Die letzte Reise... ------------------- Kleine Flocken fielen auf die Erde. Es hatte vor ein paar Minuten begonnen zu schneien und langsam wurde die Stadt mit einer weißen Decke überzogen. Die Menschen freuten sich, insbesondere die Kinder. Sie standen an den Fenstern und schauten fasziniert dem wirbelnden Tanz zu. Endlich konnten sie im Schneemänner bauen und im Schnee tollen. Es war immerhin schon kurz vor Weihnachten. Trotzdem war niemand auf den Straßen zu sehen. Auch auf der Brücke fielen die einzelnen Flocken sanft auf die Erde. In der Nacht hatte es gefroren, aber mittlerweile war der Fluss unter der Brücke schon wieder aufgetaut. Leise Wellen schwappten an die Banden. Dies alles interessierte die junge Frau nicht, die bewegungslos in der Mitte der Brücke verweilte. Sie stand auf dem Geländer und lehnte sich an den Pfeiler in ihrem Rücken. Ihre ausdrucksstarken Augen blickten in den grau, mit Wolken verhangenen, Himmel. Sie wirkten nicht fröhlich und optimistisch wir früher, sondern strahlten eine gewisse Gleichgültigkeit und Stumpfheit aus, aber wer sie gut kannte, würde dort auch eine kleine Spur von Sehnsucht und Schmerz wiederfinden. Ihre rosafarbenen Haare waren vom Schnee schon ziemlich durchnässt und klebten an deren Gesicht. Auch die Kleidung war dem Wetter nicht wirklich angemessen. Wer trug denn schon bitte mitten im Winter ein kurzes Kleid mit nur einer -nicht gerade dicken- Jacke darüber?! Langsam wanderte der Blick der Rosa haarigen vom Himmel zum einen Ende der Brücke, fokussierte jedoch nichts bestimmtes. Ihre Gedanken waren weit weg. Sie schweiften durch ihr vergangenes Leben, pickten, mehr unbewusst als bewusst, einige Ereignisse heraus , die sie am liebsten komplett verdrängt hätte. Das Mädchen schloss die Augen und dachte dabei an ihre Eltern und deren Tod vor zwei Jahren. ~Flashback~ Das Auto war durch das Geländer gebrochen und fiel. Die 15-jährige saß auf der Rückbank und starrte mit weit aufgerissenen Augen nach vorne. Ihr Vater hatte das Lenkrad fest umklammert. Der Schreck und die Angst standen ihm ins Gesicht geschrieben. Auch ihre Mutter war vor Schreck erstarrt, doch fand sie schnell wieder zu sich. Indessen klatschte das Fahrzeug auf die harte Wasseroberfläche auf. Die Ältere griff nach dem Sicherheitsgurt der Rosa haarigen und löste ihn. Sie hatte nicht mehr viel Zeit. Bis die Grünäugige begriff was hier gerade vor sich ging, war sie schon abgeschnallt und die Autotür war geöffnet. Sie wurde kraftvoll hinaus gestoßen und begann schon fast automatisch damit, nach oben zu schwimmen. Kurz bevor sie jedoch die Oberfläche erreichte, sah sie zurück. Das Auto sank tiefer und tiefer, und ihre Eltern mit ihm. Ihre Mutter hatte sie hinaus geschubst, in der Hoffnung, dass wenigstens sie noch eine Chance hätte zu überleben. Aber nun musste sie mit ansehen, wie ihre Eltern vor ihren Augen ertranken. Hätte sie unter Wasser schreien können, sie hätte es getan. Da jedoch langsam der Sauerstoff knapp wurde, streckte sie sich nach vorne und erreichte schließlich die rettende Oberfläche, wo sie gierig nach Luft schnappte. Langsam schwamm sie ans Ufer und zog sich mit steifen Fingern an Land. Dank ihrer nassen Sachen konnte sie sich nur schwer bewegen und so blieb die Rosa haarige auf dem Rücken liegen und war im ersten Moment einfach nur froh, wieder atmen zu können. Dann wurde ihr jedoch schmerzlich bewusst, dass ihre Eltern wahrscheinlich niemals mehr so genießerisch die Luft einatmen würden können, wie sie es gerade tat. Diese Erkenntnis traf sie mit einem Schlag. Ihre Eltern waren ertrunken! Heiße Tränen flossen über ihre Wangen und tropften auf den Boden. Ungewollt entkam ihr ein verzweifeltes Schluchzen. Nie wieder würde ihr Vater sie in den Arm nehmen können, niemals wieder würde sie das Glitzern in den Augen und das schöne Lächeln ihrer Mutter sehen, wenn sie sich über etwas freuten. ~Flashback Ende~ Unbemerkt verließ eine kleine Träne den Augenwinkel der nun 17-jährigen, schlich sich über ihre Wangen hinunter bis zum Kinn und tropfte dann den langen Weg in die Wellen des Flusses. Langsam öffnete sie wieder die Augen und stieß sich vom Pfeiler ab. Mit äußerster Vorsichtigkeit balancierte sie sich aus und drehte sich mit dem Rücken zur Straße. Sie starrte geradeaus, denn wenn sie hinunter auf das strömende Wasser schauen würde, könnte es sein, dass sie doch noch einen Rückzug machen würde. Aber genau dies wollte sie tunlichst vermeiden. In dem Moment kam eine weitere Erinnerung in ihr hoch. ~Flashback~ Langsam breitete sie die Arme aus. Endlich fühlte sie sich frei; frei wie ein Vogel im Wind. So lange hatte sie gewartet, bis sie aus diesem Krankenhaus rauskam. Aus diesem verhassten Krankenhaus. Die 10-jährige war schwer an Leukämie erkrankt gewesen. Eine für sie viel zu lange Zeit hatte sie auf der Kinderstation gelegen. Wie sie es gehasst hatte. Aber gott sei dank hatte die Therapie gut angeschlagen und auch die Nebenwirkungen einer solchen Behandlung waren nicht ganz so schlimm gewesen, wie sie gedacht hatte. Auch die Operation war gut verlaufen und ihr Körper reagierte außergewöhnlich gut auf alles. Es war fast wie ein Wunder. Das einzge, was sie gestört hatte, war, dass sie nicht nach draussen durfte. Die Sonne hatte sie angelacht und mit ihren Strahlen ihre Wangen gekitzelt, und obwohl sie mit anderen Kindern so gerne spielen und toben wollte, durfte sie nicht. Nein, sie hatte im Bett zu bleiben! Sie könne sich draußen ja eine Erkältung holen! Als sie diese Worte zum ersten Mal gehört hatte, wäre sie beinahe aus dem Bett gefallen vor Lachen. Sie und Erkältung. Weil sie nicht auf den Arzt gehört hatte, musste sie wenig später aber auch die Konsequenzen daraus ziehen. Es ging ihr zunehmend schlechter. Außer diesem kleinen Zwischenfall verlief alles, wie es sein sollte und es zeigten sich große Fortschritte. Und nun stand sie hier. Vor dem Krankenhaus und hoffte zutiefst, dass sie niemals wieder da hinein musste. Ihr Vater, der sie abholte, kam hinter ihr aus der Tür und trug ihren kleinen Koffer mit all ihren Sachen. Er beobachtete seine kleine Tochter lächelnd. Er trat von hinten an sie hran, nahm sie in den Arm und versprach der kleine Rosa haarigen ersteinmal einen großen Becher Kakao, den sie so liebte, wenn sie daheim waren. Zusammen gingen sie zum Auto, stiegen ein und fuhren nach hause. Die Kleine mit einem Lächeln, welches zeigte, wie sehr sie sich auf zu hause freute und der Große mit einem Lächeln, welches zeigte wie sehr er sich freute seine ganze Familie wieder beisammen zu haben. ~Flashback Ende~ Als sie daran zurückdachte, stahl sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht, was dem von damals so ähnlich war, sich aber auf eine andere Art und Weise so sehr davon unterschied. Weitere Bilder huschten durch ihren Kopf und bei machen musste sie leise lachen, bei wiederum anderen verzog sie leicht das Gesicht und bei einem schüttelte sie den Kopf, so als wolle sie so die Gedanken verscheuchen. Sie würde ihren Eltern folgen, folgen in den Tod. Auf die gleiche Weise wie es damals mit ihnen geschehen war. Heute genau vor zwei Jahren. Zu groß waren die Schmerzen der Einsamkeit in den vergangenen Jahren gewesen. Sie wollte nicht mehr; sie konnte nicht mehr. Sie hatte sich selbst aufgegeben, vegetierte die ganze Zeit nur noch vor sich hin, sah in ihrem leben keinen Sinn mehr. Noch einmal schloss das Mädchen mit den grünen Seelenspiegel ihre Augenlider, holte tief Luft und flüsterte in den leichten Wind, der aufgekommen war und nun die Schneeflocken in ihre Richtung wehen lies: „Verzeih,...Mama.....Papa...“ Langsam verlagerte sie ihr Gewicht nach vorne und breitete die Arme aus, um sich in die nun heftiger tobenden Fluten fallen zu lassen..... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)