Das Schneebild von Malin-Saturn (1. Advenstürchen 2008) ================================================================================ Kapitel 1: Das Schneebild ------------------------- „Es schneit“, sagte Katja, doch erntete sie dafür nur missmutiges Murren. Fünf Kinder liefen durch die Strassen von Moskau. Bepackt mit Mehl, Zucker, Butter, Eier und Gewürzen. Sie hatten sich überlegt ihren Vater zu überraschen und Plätzchen zu backen. Katja war Fünfzehn und die Älteste. An einer Hand hatte sie ihren sechsjährigen Bruder Viktor gefasst. Sie trug außerdem die Eier. Denn diese den zwölfjährigen Zwillingen Lera und Kostja anzuvertrauen wäre sinnlos gewesen. Bei dem besonders streitlustigen Paar wären sie eher früher als später zerbrochen. Sascha, dreizehn Jahre die zweitälteste trug das Backbuch. Denn als die fünf im Laden standen, fiel ihnen auf, dass sie gar nicht wusste wie man die Bäckerei anfängt. Deshalb ist die Chaostruppe erstmal in eine Buchhandlung gegangen um kurz darauf sich mit den Backzutaten einzudecken. Sie hielten an einer roten Ampel inne und holten erstmal Luft. „Vielleicht wird der Wind stärker“, warf Katja ein dun alles starrte sie an. „Noch stärker?“, fragte Kostja fassungslos. „Es reicht so schon“, nickte Lera und zerrte an ihrem Rucksack, wo der Zucker verpackt worden war. „Man ist das schwer“, meckerte sie und seufzte dann. „Vielleicht waren fünf Kilo doch etwas viel“, überlegte Sascha laut und winkte dann ihre Geschwister ihr zu folgen. Es war grün. „Hoffentlich wird es nicht noch windiger“, sagte sie und warf einen Blick zu Katja hinüber und stichelte: „Deine komischen Schneebilder gibt es auch bei Sturm nicht. Die sind nur da drin.“ Sie pickte mit Zeigefinger gegen Katjas Stirn. Diese verzog verärgert die Stirn, sagte aber nichts. „Endlich sind wir da“, warf Kostja ein. Ihm schmerzten die Schultern wie seinem Zwilling denn er trug sieben Kilo Mehl. Er warf sich gegen die Haustür und lärmend trampelte die Fünf hinauf in die Wohnung und das Backen konnte beginnen. Ein lautes Niesen unterbrach die wilde Diskussion, die gerade in der großen Wohnküche geführt wurde. Viktor schniefe und wischte sich mit einer bemehlten Hand den Staub, der ihn zum Niesen gebracht hatte weg. Die Folge war, dass er erneut nieste. „Iih, Viktor“, kreischte da Lera auf. Ihr Zwillingsbruder verdrehte die Augen und bearbeitete weiter den Teig mit aller Kraft. Sascha hatte das Backbuch nicht aus den Händen gegeben und saß auf einen Barhocker und blätterte in diesem. Von ihrem erhöhtem Patz gab sie Anweisungen, die seltsamer Weise auch alle ohne zu Murren befolgten. Katja fettete mehrer Bleche. Ihre Finger glänzten von der Margarine und auch in ihren Haaren klebte Fett. Sie wischte sich ihre Hände an der Schürze ab und holte dem Jüngsten ein Taschentuch. „Hier Viktor, putz dir die Nase“, forderte sie ihren Bruder auf und der nahm das Papier und schnaubte geräuschvoll. „Viktor“, meckerte Lera angewidert und Kostja blaffte: „Halt doch mal deine Klappe.“ „Halt du doch deine Klappe“, pfefferte die Schwester zurück und eine handvoll Mehl segelte ihm ins Gesicht. Nun nieste Kostja. Das ließ er sich natürlich nicht gefallen. Noch ehe irgendwer irgendwas tun konnte, traf Lera ein Klumpen Teig. Diese wiederum konterte mit Zucker. Das Mehl hatte Katja in Sicherheit gebracht. Sascha schlug das Buch geräuschvoll zu. Sie wollte ein Machtwort sprechen, doch da erwischte sie Teig mitten ins Gesicht und es verschlug ihr buchstäblich die Sprache. Viktor lachte vergnügt. Ihm gefiel die Essenschlacht. Lera und Kostja prügelten sich nun richtig. Sie balgten sich auf dem Boden, zogen sich an den Haaren und schimpfen ohrenbetäubend. Katja wollte dazwischen gehen, doch es hatte zur Folge, dass sie selber auf dem Boden landete. Eine Druckwelle stieß sie gegen die nächste Wand. Es tat nicht sonderlich weh und Katja rappelte sich auch schnell wieder auf, doch das Kostja Magie gegen seine Geschwister einsetzte, war kein Spaß mehr. „Schluss jetzt“, rief Sascha. Sie war aufgesprungen, hatte den Teig aus ihrem Gesicht gewischt und stand mit erhobenen Händen vor den Zwillingen. Silber scheinende Fäden spannten sich von ihren Fingern zu den beiden Geschwistern und ließ diese in ihren Bewegungen erstarren. Katja zog Viktor hinter sich. Wie gesagt, Magie war kein Spaß und schon gar nicht wenn es sich, wie in Kostjas und Saschas Fall um dunkle Magie handelte. Die fünf Geschwister waren keine Menschen. Sie waren Andere. So wie auch ihre Eltern Andere waren. Als Andere oder Anderer entschied man sich bei der Initiierung für die Dunkle oder die Lichte Seite. Bei der Initiierung erhielten sie Fähigkeiten, die gemein hin als Magie bezeichnet wurde, doch es war viel mehr. Sie hatten zum Beispiel die Fähigkeit ins sogenannte Zwielicht einzutreten. Eine Parallelebene zur realen Welt, die für Menschen, verschlossen blieb. In der die Zeit langsamer lief und in der sie auch ihr wahres Gesicht offenbarten, denn in der Welt der Menschen würde man sie nicht von einem Menschen unterscheiden können. Sascha und die Zwillinge Lera und Kostja waren Dunkle Magier. Katja hingegengehörte zu den Lichten. Viktor wiederum war noch nicht initiiert worden. Er gehörte weder zu der einen noch zu der anderen Seite. Die Dunkle ließ von den Zwillingen ab und sie beiden waren von der Starre erlöst. Mit finsteren Gesichtern erhoben sie sich wieder, klopften den Staub von ihren Kleidern und Mehl wirbelte auf. Wieder nieste Viktor, doch diesmal sagte niemand etwas. „Weiter“, befahl Sascha. Sie setzte sich wieder auf den Hocker und scheuchte Lera durch die Küche die Zutaten zusammen zu suchen. Und dann arbeiteten die Kinder im Accord. Die Bleche waren gefettet und bemehlt, die Plätzchen drauf verteilt und gebacken. Es dauerte auch nicht lange da waren alle mit Zuckerguss und Schokolade dekoriert und zum Trocknen auf dem riesigen Küchentisch verteilt. Sascha klappte zufrieden das Backbuch zu und nickte in die Runde. „Lasst uns ins Wohnzimmer gehen“, schlug sie vor und alle folgten ihr aus der Küche. Allein Katja blieb zurück und sah hinaus in die anbrechende Dunkelheit. Anders als ihre Geschwister, die erst bei Nacht munter wurden, kam sie zur Ruhe. Sie sah hinaus in das Schneegestöber. Der Wind frischte auf und es schneite wagerecht. Die flocken wogten gegen die Fensterscheiben und ließ Figuren in ihnen erahnen, die sich so schnell bildeten wie sie wieder auseinandergewirbelt wurden. Das war so ähnlich wie bei den Wolken. Sie lächelte leicht in sich hinein. Sie hatte schon immer eine rege Phantasie gehabt und wenn ihre Geschwister sich darüber lustig machten, wenn sie mal wieder Figuren im Schneegestöber erkannte, hörte sie meist weg. Nun meinte sie einen Schneemann zu erkennen. Dann einen Hund und schließlich eine Blume. Katja seufzte und riss sich von dem Schnee vor dem Fenster los, als sie lauter werden Stimmen aus dem Wohnzimmer hörte. Die Zwillinge trugen mal wieder eine Diskussion aus, die mit Sicherheit sinnlos und auf jeden Fall überflüssig war. Sie hielt jedoch inne, als sich hinter dem Glas die Schneeflocken zu einer ungewöhnlichen Form zusammen zu fließen schienen. Katja blinzelte. Doch das Bild das sich dort draußen in der Dunkelheit bildete, blieb. Diesmal war es keine Phantasie, da war sie sich sicher. Diesmal erschien wirklich eine dreidimensionale Figur. Katja ging näher an das Fenster und starrte hinaus. Ganz deutlich bildete sich ein riesiger Schneekristall mit atemberaubenden Verzierungen. Er schwebte für einen kurzen Moment, einem Wimpernschlag kaum, in der Luft und zerstob dann wieder in alle Richtungen. Katja sah wieder in das ungeordnete Chaos und überlegte ob sie es sich nur eingebildet hatte oder ob der Kristall wirklich dort gewesen war. Unmöglich erschien es ihr nicht. Sie war eine Zauberin und als solche hatte sie auch genug Erklärungen für das Phänomen. Kurzerhand riss sie das Fenster auf und sah hinunter auf die Strasse. Doch da war niemand weit und breit. Die Strasse war leergefegt. Auch das war nicht ungewöhnlich, wie Katja wusste. Schließlich beließ sie es dabei. Sie war sich sicher, dass die überdimensionale Schneeflocke für sie bestimmt war und das wollte ihr reichen. Die Stimmen im Wohnzimmer wurden lauter und so ging sie auch aus der Küche, nahm im Vorbeigehen eines der Plätzchen und brach es durch. Einen Teil aß sie, den anderen behielt sie in der Hand. Kaum war sie bei ihren Geschwistern, da unterbrachen diese ihr Diskussion und starrten entrüstet zu ihrer ältesten Schwester. „Du kannst doch nicht einfach ein Keks essen!“, entrüstete sich Lera. „Und uns keine mitbringen!“, setzte Kostja nach. „Also doch eine Dunkle, denkt nur an sich“, warf Sascha ein und Viktor lacht über das ganze Gesicht, denn ihm gab Katja die zweite Hälfte von ihrem Keks. -Ende- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)