Living In A Toy Box von cleo-- ================================================================================ Kapitel 6: You' ve Changed -------------------------- Der Minivan legte eine stuntreife Vollbremsung hin und Jazmin schleuderte es mit dem Kopf voran an die Wagentüren. Die Clowns stiegen aus dem Fahrercockpit und liefen um den Van herum. Mit einer ruppigen Bewegung riss einer der beiden die Klappe auf und warf sich Jazmin über die Schulter. Diese hatte es mittlerweile aufgegeben sich zu wehren und ließ sich wie ein Baby durch die Gegen tragen. Nur bereute sie jetzt, dass ihr Minirock fast 2 Nummern zu klein war. Sie lief rot an, als sie sie beiden Männer leise Lachen hörte. Jazmin spürte Hände, die sie unsanft an Oberschenkeln und Hüfte umklammerten. Berührungen waren ihr mehr als unangenehm, sie verspürte den Drang, dieses Gefühl abschütteln zu wollen. Ein grausiges Frösteln zog durch ihren Körper. Die Clowns hatten ihre Masken inzwischen abgelegt und liefen nun von der Tiefgarage, in der sie geparkt hatten, in ein kleines, altes und kaum noch als Haus zu identifizierendes Fabrikgebäude. In Jazmin kam wieder die Aufregung und auch ein wenig Angst auf und sie malte sich aus, was jetzt passierte und was hier vor sich ging. Sie spulte ihre Erinnerungen nochmals Rückwärts und überdachte diese Absurde Situation. Gedanklich fasste sie die Fakten zusammen. Zwei Clowns. Ein Minivan. Ergänzung: Ein stinkender Minivan. Kein Alarm. Irgendwie wollten diese Dinge nicht ganz zusammen passen. Doch ehe sie dem Geschehen auf die Spur kam, hörte sie, wie sich eine Tür öffnete und sie unachtsam in einem Raum geworfen wurde. Da saß sie nun. Verwirrung war kein Ausdruck für das, was gerade in ihrem Köpfchen umher spukte. Beine und Hände immer noch gefesselt, saß sie im Schneidersitz auf kaltem Steinboden. Ihre Gliedmaßen versteiften sich, sie hatte keine Ahnung was in den nächsten Minuten geschehen würde. Ihre Sinne arbeiteten auf Höchstleistung, sie versuchte jedes Geräusch, jeden Luftzug aufzunehmen und zu analysieren. Wo war sie? Sie hielt den Kopf gesenkt, als würde sogleich jemand auf sie einschlagen. Diese verlorene Kontrolle, dieses Ungewisse machte sie wahnsinnig. Die Erwartungen, sie schlimmen Erwartungen, fraßen sie innerlich auf. Der Joker lehnte an einer Wand, nicht weit entfernt von ihr. Mit grübelnder Miene beobachtete er das kleine zarte Püppchen, dass diesen grauen Steinboden zu einer Blumenwiese machte. Sie bewegte sich nicht. Er bewegte sich nicht. Fast 5 Minuten vergingen in stiller Beobachtung und Taxierung, bis er schließlich langsam auf sein Opfer zuging. Trotz der leisen Schritte, die einer Katze ähnlich waren, hörte Jazmin sie wie ein lautes Hämmern. Sie waren langsam, zu langsam. Das beunruhigte sie. Sie hatte keine Ahnung, wen sie vor sich hatte. Der Joker blieb kurz vor ihr stehen, als überlege er, wo er seinen nächsten Schritt hinsetzten würde, schaute kurz auf das Nervenbündel am Boden hinab und schlich dann um sie herum wie eine Hyäne um seine Beute. Jazmin konnte die Nähe spüren. Als er genau hinter ihr war, zog sie den Kopf noch tiefer in den Nacken. Als er wieder vor ihr angekommen war, kniete er sich vor sie und legte den Kopf schief. Jazmin konnte die Unruhe, die Hektik, die ihren Gegenüber umgab, deutlich in der Luft spüren. Es machte ihn Unberechenbar. Der Joker musterte aufmerksam ihr Gesicht, zumindest den Teil, der nicht von einer vergilbten Binde verdeckt war. Ihm blieben die Narben auf den zarten Wangen nicht unbemerkt, doch als er deren Echtheit überprüfen wollte, drehte Jazmin ruckartig den Kopf zur Seite. Sie konnte es spüren, die Bewegungen, die Gedanken des nächsten Schrittes. Jazmin hörte das Lachen, das leise und doch beängstigende Lachen. Es kam ihr bekannt vor. Die Person ihr gegenüber war ihr nicht fremd, doch wer sie war, war ihr ein Rätsel. Das Lachen hallte in ihrem Kopf wieder. Er schien sich lustig über ihre Scheu zu machen, als hätte er sie nicht erwartet. Plötzlich packte der Joker sie an den Schultern, schleifte sie durch den halben Raum und setzte sie auf einen alten Tisch. Jazmin ruderte umher, versuchte die Person zu erwischen, doch ihr Gegenüber schien ein Geist zu sein. Immer da, wo man ihn nicht vermutet. Sie erschrak umso mehr als sie plötzlich kühles Metall und kalte Fingerspitzen an ihren Waden spürte, die sanft und vorsichtig zu ihren Knöcheln hinunter strichen. Als sie zurück zuckten, wurden sie von der kalten Hand des Jokers ergriffen und wieder heran gezogen. „Na, na, ganz ruhig Püppi“ Diese Worte... Mit dem Messer schnitt er behutsam das Klebeband, als wäre es ein teurer Fisch, bei dem man das Kochrezept genau beachten müsste. „Kein Grund Angst zu haben. Jetzt ist es sowieso zu spät!HIHI“ Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Sie überlegte angestrengt, wen sie vor sich haben könnte. Sie hatte das Gefühl, diese Worte schon einmal gehört zu haben, untermalt von diesem kranken Kichern. Der Joker beugte sich um sie herum, um auch ihre Handfesseln zu lösen. Sofort schnellten Jazmins Hände hoch, um die Person vor ihr zu packen...oder zumindest zu schlagen. Doch der Joker reagierte schnell, zu schnell. Er griff ihre Hände und drückte sie auf den Schreibtisch. „Hast du keine Ohren, Püppi? “ Wieder dieses Lachen, es lief ihr jedes Mal kalt über den Rücken. Langsam nahm er wieder seine Hände von den ihrigen und wendete sich der Augenbinde zu. Langsam und ruhig. Kein Grund zur Eile. Er wollte es genießen. Jazmins Hände blieben brav auf dem Holz liegen, verkrampft und angespannt. Das Lachen, es hallte in ihren Erinnerungen wieder. Die Stimme, das aus dem rot geschminkten Mund drang. Die Narben. Er fasste um ihren Kopf und zog ihr das Stück Stoff hinunter, fast so, als wäre er darum bemüht, ihre Frisur nicht zu zerstören. Die Karte. Der Joker. Die Erinnerungen kamen zurück. Licht drang in ihre Augen. Mit aufgerissenen Äuglein starrte sie in die leeren Augen des Clown, dem sie vor einigen Jahren schon einmal begegnet war. „Hast dich verändert, Püppchen“ Er schaute sie mit diesem Blick an, mit dem wahrscheinlich Victor Frankenstein auch sein Monster angeschaut hatte, als er es zum Leben erweckte. Stille. Ihre verwirrten und starren Blicke brachten ihn Wahrscheinlich kurz von seinem Konzept ab, das er sich für diesen Moment zurecht gelegt hatte, doch schnell fand er den Faden wieder. „Hübsche Aufmachung“ Er deutete auf ihr wahrscheinlich viel zu kleines Kostüm. „Hab von deinem kleinen Auftritt gehört. Hat mir gefallen. Hast Talent. Solltest zum Theater gehen. HIHI“ Weiter blickte Jazmin fassungslos in das geschminkte Clownsgesicht. „Hast wohl deine Sprache immer noch verloren?“ Jazmin wollte sich an den Kopf fassen, doch ihr war plötzlich zu schwindelig, als dass sie irgendeine Bewegung hätte machen können. „W-Was wollen Sie...von MIR?“- „Was ich will?Hmmm....“ Der Joker machte einen theatralische Geste und kniff die Augen zusammen, als überlegte er angestrengt. „Also erst einmal will ich meinen Pfand zurück“ Fordernd streckte er die Hand aus. Jazmin legte den Kopf schief. Ihre Konzentration hatte gerade den Tiefpunkt erreicht. Welchen Pfand...? „Die Karte! Der Karte! Die Karte!“, genervt verdrehte er die Augen, „die hat Wiedervewendungswert!“ Plötzlich ging Jazmin ein Licht auf. Der Joker!...Na klar, wie konnte sie nur. Aber wo...? Nervös fuhr sie sich über die Kleider. Hatte sie ihn überhaupt dabei? Natürlich, sie trug ihn immer bei sich. Sie wollte schon in ihre Taschen greifen, doch als sie bemerkte, dass sie ja gar keine hatte, fiel ihr der ungewöhnliche Aufbewahrungsort wieder ein. Sie griff sich in ihren Ausschnitt und wühlte anfangs etwas desorientiert darin herum, bis sie schließlich die Karte fand und herausholte. Der Joker staunte nicht schlecht und nahm die Karte aufmerksam wie ein rohes Ei in beide Hände. Sie war noch ganz warm. „Nettes Versteck...“, sagte er grinsend und verstaute die Karte in seinem Mantel. „So, dann kann ich dich ja jetzt umbringen“, sagte er beinahe nebensächlich und stürzte sich ohne Vorwarnung auf Jazmin. Das Messer, mit dem er eben noch ihre Fesseln gelöst hatte, hielt er nun fest gegen ihre Kehle gedrückt. Jazmin versuchte im Krebsgang nach hinten zu krabbeln, rutschte auf Papier, welches auf dem Schreibtisch lag, aus und knallte mit dem Kopf auf das Holz. Der Joker hechtete ihr nach und drückte sie nach unten, sodass ihr kaum Luft zum atmen blieb. „So, das war Erstens. Jetzt kommt Zweitens.“ Jazmin war sichtlich überrascht. „I-Ich versteh nicht...“, stotterte sie ihm entgegen. „Was gibt’s da nicht zu verstehen? Ich hab den Pfand zurück, jetzt mach ich dich kalt, zack, bum.“ „Sie entführen mich um mich dann hier zu...umzubringen? Das erscheint mir doch schon sehr... umständlich“ Sie versuchte den über sie gebeugten Joker zu fixieren. „Das mag wohl sein, doch für so ein hübsches Püppchen nehme ich mir doch gerne extra Zeit“ Er lächelte sie an und wollte zum schneiden ansetzten. Doch Jazmin unterbrach ihn ein weiteres Mal. Jetzt, wo der Tod ihr kurz bevor stand, bekam sie doch weiche Knie und wollte diesen Moment so weit es geht von sich wissen. „Aber warum ich? Ich meine...hüpften nicht genug Kranke in der Klapse herum? Warum da...ich?“ Sie presste sich ein gekünsteltes, äußerst verklemmtes Lachen heraus. Gut, das nervöse- Fragen- stellen war nur eine schlechte Methode, ihren Tod herauszuzögern, bis ihr einfiel, wie sie dem Wahnsinnigen da über ihr entkommen könnte. Der Joker schien diese Taktik der Opfer zu kennen, er hatte ja auch genug Erfahrungen mit Leuten, die kurz vor ihrem Ende standen. Verständlich, dass man etwas nervös und hektisch reagiert bevor man den Löffel abgibt. „Weißt du Püppchen, am Anfang konnte ich deinen roten Lippen nicht einen Mucks entlocken und nun scheint sich dein Mund nicht mehr schließen zu wollen. Aber dem Problem kann ich schnell Abhilfe schaffen. Aber um deine Frage zu beantworten, da ich ja kein Unmensch bin, ich will wissen, ob dein Blut genauso dunkelrot ist, wie deine Lippen. HAHA“ Mit der Klinge strich er langsam ihren Hals entlang, über das Schlüsselbein bis hin zu den unbedeckten Schultern. Jazmin hatte nicht oft Gelegenheit, ihre Fähigkeiten in Sachen Menschenkenntnis zu verbessern, doch ihr kam es vor, als könnte sie auch nur einen Funken von Zögern in des Jokers Bewegungen ablesen. Jazmin wollte diese Gelegenheit nutzen, um diese aussichtslose Situation doch zu ihren Gunsten zu wenden. „Und wer hat gesagt, dass ich heute mehr Lebensfreude besäße als vor zwei Jahren?“ „Na, anscheinend bereitet es dir Freude, nachts in der Klinik dein Unwesen zu treiben. Ausleben kranker Fantasien kann auch eine Art von Lebensfreude sein“ Ein weiteres Kichern, dass mehr sagte als tausend Worte, hallte durch den kühlen Raum. „Aber ist ein sowieso schon psychisch beendetes, trauriges Leben nicht schlimmer als jeder qualvolle Tod?“ Sie holte das letzte Ass aus dem Ärmel. „Nicht dumm Püppchen, nicht dumm, da hast du wohl recht. Aber im Endeffekt habe ICH ja nichts davon. Weißt du, ich habe einfach eine Schwäche für Leichen. HAHA.“ Gut, das war's. Es gab nichts mehr, was sie hätte tun können. Innerlich betete sie das Vaterunser in der Endlosschleife hinunter, hoffte nicht für immer in die Hölle zu kommen und das der Bastard, der ihre Kindheit zerstörte, eine gerechte Strafe erhielt. Amen. Ihr Schicksal ereilte sie nun. In dieser Welt hatte sie kein Glück gefunden, vielleicht würde sie es woanders finden? Der Joker presste das Messer an ihren Hals, durch den kaum noch ein Hauch Sauerstoff kam. Er schien zu erstarren und blickte auf die Klinge des Messers. Aus seiner Miene konnte man keinen Deut Gefühl ablesen. Jazmin kniff die Augen zusammen und wartete auf die ewige Dunkelheit. Er lehnte immer noch über ihr. Zögernd? Wartend? Was zur Hölle war da los? Kurz wendete er den Blick ab, schaute in die Luft, überlegte und löste sich dann schließlich mit einem Ruck von ihr. Er trat ein paar Schritte zurück und verstaute das Messer in seiner Manteltasche. Jazmin öffnete die Augen und setzte sich auf. Das war jetzt nicht sein Ernst?! Ein Massenmörder hatte gerade zum zweiten Mal die Chance, ihr den Gar auszumachen und ließ es bleiben? Entweder hatte er eine göttliche Eingebung oder er hatte jetzt völlig den Verstand verloren, sofern dafür noch Spielraum existierte. Fast vergnügt warf er ihr entgegen. „Hmm...Heut scheint dein Glückstag zu sein, Püppi“ Er machte die Anstalten gehen zu wollen. Jazmin sprang verdutzt auf und rannte ihm nach. „Was-Was soll das bedeuten?!“Der Joker öffnete die Tür und schien kein weiteres Wort loswerden zu wollen. „Was passiert jetzt?!“ Ohne auf Jazmins verwirrte Fragen einzugehen, murmelte er irgendwas von wegen: „Sei schön brav, Püppi.“ und schlug die Stahltür zu. Jazmin rüttelte an der Klinke, doch die Tür wurde verschlossen. Wütend hämmerte sie gegen den Stahl und erzeugte ein ohrenbetäubendes Geräusch aus lauten Schlägen und schrillen Schreien. „Was soll das? Lassen Sie mich hier raus!“ Überfordert trat sie mit ihrem Knie gegen die Tür und hörte abrupt mit ihrer Trommeleinlage auf, als sich ein unerträglicher Schmerz durch ihr Bein zog. Sie knickte zusammen und lies sich auf den Boden fallen. Tränchen rannen über ihre Wangen und ließen ihre hellen Augen noch glasiger erscheinen. „Ich will nicht mehr...“ Draußen stand der Joker noch solange vor der Tür bis der Lärm geendet hatte. Er hätte kaum damit gerechnet, dass das kleine Püppchen solch einen Krach veranstalten könnte. Jedes Geräusch, das aus ihrem Mund drang, traf ihn wie einen Blitz. Als die Schreie verstummten, trat er nochmals an die Tür heran und lauschte, ob noch irgendein Laut zu hören war. Leises Wimmern war das einzige, was aus dem verschlossenen Zimmer kam. War das die richtige Entscheidung gewesen? Oder hätte er sie doch lieber töten sollen? Er ignorierte die Fragen in seinem Kopf, er bereute nie eine Entscheidung, zumindest stand er zu allem was er tat. Hoffentlich würde alles glatt gehen, durchschauen konnte er sie nicht, aber Mensch war Mensch und Mensch handelte in Notsituationen immer unüberlegt. Sie würde schon die richtige Entscheidung treffen. Er tat es bereits. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)