Living In A Toy Box von cleo-- ================================================================================ Kapitel 5: Caught By The Clowns ------------------------------- Langsam öffnete sie die Augen. Ganz leicht, nur um zu sehen, ob sie allein war. Kaltes, weißes Licht blendete wie Scheinwerfer in ihr geschundenes Gesicht. Sie war wieder in ihrem Zimmer. Schon allein diese Erkenntnis ließ ihre Äuglein geschlossen bleiben. Sie fühlte sich müde, träge. Wahrscheinlich hatten sie sie mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln bis zum Rand voll gepumpt. Ihre Fingerspitzen strichen schwach über die weißen Bettlaken. Immer noch am Leben. Scheiße. Sie hatte gewusst, dass diese zwei winzig kleinen Kratzer sie nicht töten würden, aber die Hoffnung stirbt zuletzt, wie man so schön sagt. Jazmin versuchte ihre rechte Hand zu heben, die Augen immer noch fest geschlossen, sie sollten das Elend nicht sehen. Vorsichtig strich sie sich über ihre Wangen und musste feststellen, dass zwei riesen große Pflaster auf ihrem Gesicht prangten. Sie konnte kaum glauben, dass das, was in ihrem Kopf als Traum umher spukte und ihr wahrscheinlich schlaflose Nächte bereiten wird, wirklich geschah. Das Blut, die aufgebrachten Zuschauer, die unheimlichen, ruhigen Pfleger. (Die nahmen wahrscheinlich selbst gern mal ein Gläschen von ihren Mittelchen) Nein, das war nicht sie. Das kleine süße Püppi, dass Alles mit sich machen ließ, hat sich gewehrt, hat gezeigt, was es dachte, was es fühlte. Es kam ihr komisch vor, das zu denken, als wäre sie ein anderer Mensch. Kein getretener Hund mehr, der jammernd auf dem Boden lag. Sie hatte es getan. Oh Gott, sie hatte es wirklich getan! Neben der Verwirrung schwang auch ein wenig...Stolz in ihrem Gedanken mit. Von nun an sollte alles anders werden. Sie war nun endgültig am Tiefpunkt angelangt, nun stand ihr nichts mehr im Wege, sie fühlte sich, als hätte sie eine neuen Ebene erreicht. Kein Mitleid mehr für das kleine Püppi. Das war erst der Anfang der Show, meine Freunde! Die Tage vergingen und schon bald ging Jazmin wieder ihrem Alltag nach. Wie vorher. Fast wie vorher. Tagsüber verschanzte sie sich in ihrem Gummizellen- ähnlichem Zimmer, verweigerte das Essen und starrte stundenlang in die Leere. Psychologen bissen sich an ihr die Zähne aus. Keine Sitzung verging, in der sie nicht teilnahmslos und schweigend in der Ecke saß. Sie ließ niemanden an sich heran. Vor Berührungen schreckte sie nun noch intensiver zurück als vorher. Die Ärzte grübelten und überlegten was mit dem Mädchen nicht stimmen könnte. Doch alle Diagnosen endeten in einer Sackgasse. Jazmin selbst war von den achsotollen Psychologen wenig begeistert und verachtete deren armselige Arbeit. Es brachte ja alles nichts. Sie war unheilbar, das wäre mal eine gute Diagnose gewesen. Das hätte sie ihnen sofort geglaubt. Den ganzen Tag schwelgte sie in einer anderen Welt, wenn man sie ansprach antwortete sie nicht. Ihr Körper war anwesend. Ja. Aber ihr Geist war woanders. Da, wo keine weißen Wände waren, keine Stahltüren, keine hektischen Menschen. Sie wusste nur zu gut, dass ihr Verhalten alles andere als normal war. Mit Absicht ignorierte sie andere, reagierte nicht auf Fragen, tat so, als könne sie nicht sprechen. Und es funktionierte recht gut. Bald gab man sich keine Mühe mehr, sich um sie zu kümmern. Selbst die Medikamente wurden nur noch auf ihren Tisch gestellt, ganz egal, ob sie sie nahm oder nicht. Sie war nur noch ein Schatten. Doch ironischer Weiße war sie die Einzige, die das Spiel in der Hand hatte. Als Geist sieht und hört man so einiges mehr, wie als „normaler“ Patient. Äußerlich war sie nicht ansprechbar, doch innerlich beobachtete sie alles mit Adleraugen, nahm alle sie umgebenden Reize wahr, und behielt so die Kontrolle über diese außergewöhnliche Situation. Sie hatte sie gefunden, die Grenze zwischen Wahnsinn und Realität. Ihr neuestes Hobby war es, nachts im Klinikgebäude ihr Unwesen zu treiben. Als Alice verkleidet mit den zwei großen Schleifen im Haar und dem süßen Kostüm, wanderte sie in der Dunkelheit durch die traurig schwarzen Flure. Sie machte sich einen Spaß daraus, von den verwirrten und anfangs ängstlichen Pflegern wie ein Geisteskranker zurück in ihr Zimmer geführt zu werden und so zu tun als schlafwandle sie. Sie brabbelte dann immer irgendwas von wegen, dass sie Stimmen höre, die ihr sagen würden, sie solle alle hemmungslos aufschlitzen. Die meisten Pfleger, versuchten das zu ignorieren. Doch gerade die Neuen, die noch nicht so viel Erfahrung hatten, begannen dann immer zu zittern und verwirrt auf sie einzureden. Wer war da wohl der Kranke? Es ging sogar soweit, dass sie den Patienten und den Ärzten kleine Streiche spielte. Sie klaute Krankenakten, nahm einige Änderungen darin vor, Kritzelte die Ränder voll und versteckte sie auf ungewöhnlichen Orten. In Toiletten, in Schränken anderer Patienten, in den Essensbehältern der Kantine (der Fraß schmeckte sowieso scheußlich...) Um nur einige zu nennen. Sie stibitze Dauermarker und malte die Wände mit Schleifen und Puppen voll. Einmal bot sich ihr sogar die Gelegenheit einen Schlafenden ein Herzchen auf die Wangen zu malen. Der Typ hatte einen schrecklichen Waschzwang...Nur soviel: 2 Wochen lang lachte sie ein scharlachrotes Gesicht, dass wie ein wunder Baby Popo aussah, an. Das war witzig. Umso öfter sie schleichen und verstecken übte, umso weniger wurde sie erwischt. Alle meinten ihr auf heißer Spur folgen zu können, doch immer wenn die Nachtwache um drei Uhr morgens in ihr Zimmer schaute, fanden sie ein schlafendes Püppchen vor. Zucker. Süß. Eines Nachts machte sie sich wieder auf, mit rosa Schleifchen, kurzem Röckchen und einem Permanentmarker in der Hand und hüpfte fröhlich durch die Flure. Solch ein Gefühl von Freude und vollkommener Erfüllung hatte sie lang nicht mehr verspürt. Dies war besser als alles Morphium. Ein richtiger Vollrausch. Sie war high. High vom Unruhe stiften. In Söckchen hüpfte sie ein Kinderlied summend durch die dunklen Gänge. Nachts sah alles hier um einiges bedrohlicher und fremder aus, als wenn es vom unschuldigen Tageslicht erhellt wurde. Am Ende des Flurs sah sie die karg beleuchtete Pflegerstation, doch es schien kein Mensch dazu sein. Sie bog rechts in den Süd- Flügel ab und holte ihren Stift aus dem Dekolleté. Als sie gerade die Kuppe des roten Markers abnahm und ihrer Kreativität freien Lauf lassen wollte, hörte sie Schritte. Flink huschte sie zum nächsten Flur und versteckte sich hinter der Wand. Warten. Hören. Nichts. Vorsichtig lugte sie aus ihrem Versteck heraus. Im Schatten des spärlichen Lichts der drei von fünf funktionierenden Neonleuchten, sah sie einen Schatten einer mittelgroßen Person vorbei gehen. Warten. Ducken. Und weiter geht’s. Doch gerade als sie aufstehen wollte, hörte sie ein untypisches Geräusch. Es hörte sich wie ein dumpfer Schlag an, dann ein Krachen. Wahrscheinlich war den unfähigen Schwestern mal wieder der Schreibtisch umgefallen. Doch das nächste Geräusch machte sie stutzig. Ein helles Knallen, wie ein Blitz. Wie ein....Schuss. Gut, das war alles andere als gewöhnlich. Sie spürte, dass etwas anders war als sonst, etwas stimmte nicht. Noch einmal schaute sie um die Ecke und sah nun zwei finstere Gestalten den Gang entlang kommen. Sie erstarrte und hielt die Luft an. Egal was hier los war, sie musste hier weg. Jazmin erhob sich und tippelte in flinken Schritten über die Fließen. Es war kein Laut zu hören, zumindest keiner, der von ihr ausging. Denn als sie schon einige Meter zurück gelegt hatte, hörte sie Schritte. Schritte, die nicht mehr so weit entfernt schienen. Sie beschleunigte, ihr Ziel war das Treppenhaus. Die Schritte hinter ihr wurden nunmehr zu einer Art Trampeln, sie kamen näher. Immer. Näher. Jazmin verspürte den Drang sich umzudrehen, doch sie wusste, es würde sie keine schöne Überraschung erwarten. Die Tür, die zum Treppenhaus führte war nur noch ein paar Schritte entfernt. Die Geräusche hinter ihr hallten in ihrem Kopf wieder, sie schienen sich in ihr Gedächtnis zu brennen. Schritt. Schritt. Immer schneller. Immer lauter. Immer...näher. Mit ihren verschwitzen Fingerchen ergriff sie die Türklinke und riss sie auf. Vor ihr lag nun ein unbeleuchtetes, kühles Treppenhaus. Sie konnte die Stufen kaum erkennen, eilte sie jedoch im Sprint hinunter. Die Schritte hinter ihr verhallten wie ein Schrei im Wind, bis sie schließlich nur noch ihr eigenes aufgeregtes Atmen hören konnte. Ein. Aus. Ein. Aus. Sie wusste nicht, wohin sie rannte, nur, dass es nach unten ging. Als sie kaum noch ihre Beinchen spürte und ihre Lungen die Sauerstoffaufnahme verweigerten, wurde sie immer langsamer bis sie stehen blieb. Laut hechelnd lehnte sie sich gegen eine Wand und fasste sich auf den Brustkorb. Auf. Ab. Auf. Ab. Was war das, oder besser WER war das? Oder waren es mehrere? Befanden sie sich immer noch hier? Was wollten die? Sie schloss kurz die Augen und versuchte wieder zu klarem Verstand zu kommen. Die konnten unmöglich etwas von IHR wollen. Theoretischer Weiße lag sie ja schlafend in ihrem Zimmer. Keiner konnte sie hier vermuten. Als sie gerade wieder den Status Quo erreichte, schlangen sich plötzlich zwei Arme um ihren kleinen Oberkörper und drückten ihn fest zusammen. Ihr erster Gedanke war: Die Pfleger sind aber gewalttätig geworden. Ihr Zweiter: Das war kein Pfleger. Spätestens, als sie die Plastik- Clownmaske, die ein Männergesicht verdeckte, zu Gesicht bekam, war ihr klar, das dies nicht, und da war sie sich ausnahmsweise mal sicher, NICHT normal war. Um sich schlagend und tretend wurde sie hastig nach unten in das Erdgeschoss und aus der Klinik heraus getragen. Wieso ging kein Alarm los? Es war doch sonst immer gleich jemand da, wenn hier jemand sein Unwesen trieb. Ausnahmsweiße darf sich jetzt mal jemand blicken lassen! Plötzlich wehte ihr eine frische Brise durch die Haare. Sie waren draußen. Sie wollte schreien, doch schon bald wurde ihr ein äußerst widerlicher Stoffrest in den Mund gestopft. Sie schüttelte widerspenstig den Kopf und strampelte was das Zeug hielt. Ein zweiter Clown band ihre Knöchel und ihre Handgelenke mit Klebeband zusammen. Ein Stück Verbandszeug, was die beiden wahrscheinlich aus der Klinik hatten mitgehen lassen, wurde ihr um die Augen gebunden. Wenigstens musste sie das Elend nicht mit anschauen. Der Spaziergang an die frische Luft hatte auch bald ein Ende, denn der sie tragende Clown warf sie unsanft in einen Minivan, schickte noch ein paar Tritte in ihren Bauch hinterher und warf die Tür zu. Sie konnte den Motor aufbrummen hören und spürte, wie sich das Fahrzeug in Bewegung setzte. Eine, aber wirklich nur eine Frage, klopfte jetzt permanent an ihre Schädeldecke: Was zur Hölle geht hier vor sich?! Im Van war es, wie zu erwarten, unbeleuchtet. Ein unerträglicher Gestank breitete sich vom hinteren Teil des Wagens aus, oh, sie wollte gar nicht wissen, was das war. Es war zwecklos gegen das Klebeband anzukämpfen. Der Clown hatte gute Arbeit geleistet. Sie versuchte ihre letzten Minuten ruhig und gefasst zu verbringen, denn nach ein einem Happy End sah das hier nicht aus. Aber was solls. Endlich ergreift mal jemand Gelegenheit. Trotzdem. Das war irgendwie, mal zur Abwechslung, nicht witzig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)