Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 100: Das unabwendbare Ende ---------------------------------- Das unabwendbare Ende Catherine sagte nichts und rührte sich auch nicht. Lucien. Ihr Vater. Ihre Mutter. Sie alle standen vor ihr und blickten sie an. Sie standen vor ihr und einen Moment ertappte sie sich dabei, dass sie nicht glauben wollte, was sie eigentlich doch wusste. Sie wollte nicht glauben, dass sie nicht mehr ihre Eltern und ihr Bruder waren, doch genau das war eine Tatsache, an der niemand mehr etwas ändern konnte. „Catherine.“ flüsterte Lea und ergriff ihren Arm, um sie in die Realität zurückzuholen. „Sie sind unsere Feinde.“ entgegnete Catherine und machte sich von Lea los, um angreifen zu können, sobald es nötig war. Die Eindringlinge zogen ihre Lippen zurück und zeigten ihre spitzen, viel zu langen Fangzähne, wobei sie ein zischendes Geräusch hören ließen. Ihre Blicke hefteten sich durstig auf Catherines Kehle und jagten ihr einen Schauer über den gesamten Körper, der jedoch nicht nur ihrer Furcht, sondern auch ihrer Wut entsprang. Adrenalin rauschte durch ihre Adern. Lucien, Clarisse und Jacques sprangen auf sie zu, doch kamen nicht sonderlich weit. Louis zog Lucien und Jacques von ihr zurück, versicherte sich, dass Lea nicht in akuter Gefahr war und dass Catherine irgendetwas mit dem letzten verbleibenden Gegner tat, doch Catherine hatte mit dem Dolch nur einen Angriff abgewehrt und belauerte sich nun mit ihrer ehemaligen Mutter. Wut. Hass. Zorn. Sie vernahm Louis Stimme und auch Leas Stimme, die irgendetwas sagten. Geräusche. Krach. Verzerrte Schreie. Unbändige Wut brodelte in ihr, trieb ihr Herz zu einem rasend schnellen Tempo an und sensibilisierte ihren Körper für die kleinste Veränderung. Ihre Sinne schärften sich. Plötzlich war alles so klar. Plötzlich war alles so klar für sie. Sie fühlte ihren Puls an ihrem Hals, an ihren Handgelenken und an ihren Schläfen pochen. Sie hörte ihr Herz. Sie hörte ihren Atem. Sie fühlte das Leben in sich. Leben und Wärme. Hitze. Clarisse stürzte sich wieder auf Catherine, die mit schnellen Reflexen ihre Gegnerin packte und sich vom Leib hielt, indem sie sie erneut von sich schleuderte, ihr bis zu der Stelle folgte, an der sie mit kreischenden Schreien niederstürzte und ihr den Dolch in den Leib rammte. „Das reicht nicht, Catherine.“ hörte sie Louis Stimme von sehr weit weg zu ihrem Verstand durchdringen. „Ich weiß.“ hörte sie sich sagen und Clarisses Körper ging in Flammen auf, die Catherine bis zur letzten tänzelnden Zunge kontrollierte. Wenig später war nichts mehr außer Asche von allen drei Vampiren übrig und Catherine sank neben der Brandstelle erschöpft zu Boden. Sie hatten die anderen beiden ebenfalls dem Feuer übergeben und es war Glück, dass der Stein in der Eingangshalle nicht empfindlich war und es keine Rauchmelder gab. Sie war müde. Sie hatte Kopfschmerzen. Sie konnte nicht mehr. Sie wollte nicht mehr. Sie hatte gerade die toten Abbilder ihrer Familie beseitigt. „Heute scheint die Nacht der großen Überraschungen zu sein.“ murmelte Louis, schob mit seinem Fuß die Asche ein wenig zur Seite und kniete sich neben Catherine. „Ich kann es kontrollieren.“ flüsterte sie. „Ja, das habe ich gesehen.“ entgegnete er und blickte zu Lea, die sich auf Catherines anderer Seite niederkniete. „Es sind keine Hexenkräfte.“ beantwortete sie seinen fragenden Blick und schüttelte den Kopf. „Es sind… meine. Ich weiß nicht, woher sie kommen. Oder was es mit ihnen auf sich hat, doch sie waren immer an Wut gebunden. Wut. Adrenalin. Wahrscheinlich war es der Trieb zu überleben, der es ausgelöst hat, aber wichtig ist, dass ich niemanden mehr aus Versehen versengen werde.“ „Niemanden mehr?“ fragte Louis beunruhigt nach. „Lestat… Er durfte schon Bekanntschaft mit dieser Fähigkeit machen.“ Louis fühlte sich plötzlich unwohl und rutschte ein Stück weiter von Catherine weg, weshalb sie lächeln musste. „Es scheint, als machen wir es dir nicht gerade einfach.“ sagte Catherine und deutete mit einer vagen Handbewegung auf sich und Lea. „Nein, heute… brauche ich, denke ich, nichts mehr!“ meinte er, doch ein kaum sichtbares Lächeln umspielte seine Lippen. „Wir sollten die Fenster aufmachen und hoffen, dass wir diesen Gestank einigermaßen aus dem Haus bringen.“ meldete sich Catherine wieder zu Wort und erhob sich zitternd. „Du schwankst.“ bemerkte Lea und Catherine hielt sich einen Moment an ihrem Arm. „Scheint so.“ entgegnete sie einsilbig, sammelte sich und ging, um den Schaden – die Luftverpestung – zu inspizieren und zu verringern, indem sie in die Bibliothek und in den Salon ging, um alle Fenster zu öffnen und schließlich auch die Haustür weit aufmachte, um frische Luft in die Villa strömen zu lassen. „Ich denke nicht, dass man dauerhaft etwas riechen wird.“ meinte Louis nach einer Weile, in der er und Lea die Asche zusammengefegt hatten, und schnüffelte in die Luft. „Es ist schon deutlich besser.“ Catherine nickte und blickte auf den Eimer mit den Überresten ihrer Eltern und ihres Bruders. Sie seufzte und meinte dann: „Darf ich dich um etwas bitten, Louis?“ „Sicher.“ „Die Asche… Ich möchte sie begraben. Das bin ich ihnen dann doch schuldig.“ erklärte Catherine, worauf Louis sofort nickte. „Ich werde drei Urnen besorgen – symbolisch – und bei den Bäumen dort hinten eine Grube graben. Ich sage dir Bescheid, wenn ich damit fertig bin.“ bot er an. „Danke. Vielen Dank.“ erwiderte Catherine und Louis verließ schnell die Villa. Es dämmerte noch nicht, doch in etwa einer Stunde würde der Morgen unaufhaltsam näher kommen, und damit sank die Chance, dass Lestat und die anderen noch in dieser Nacht zurück sein würden. Lea und Catherine stellten den Eimer zur Seite und machten sich daran, den Schmutz vom Boden zu schrubben, was mehr Anstrengung bereitete, als beide angenommen hatten, doch schließlich war nichts mehr zu sehen. „Ich fühle mich, als hätte ich die gesamten Ereignisse dieser Nacht von mir abgewaschen.“ murmelte Lea und blickte auf die blanke Stelle auf dem Steinfußboden. „Ja, ich weiß, was du meinst.“ entgegnete Catherine und setzte sich auf die Treppe, nachdem sie den Schrubber aus der Hand gelegt hatte, um auf Louis Rückkehr zu warten. Lea setzte sich neben sie und seufzte. Catherine brach schließlich das nicht unangenehme Schweigen und meinte: „Weißt du, ich dachte, meine Eltern seien tot.“ „Hat das dieser Daniele gesagt?“ „Ja, und ich hätte wissen müssen, dass ich dem nicht glauben darf, aber… nun, es war einfach, es zu glauben. Ich konnte mir nicht vorstellen, warum er es erfinden sollte.“ „Und nun?“ „Nun habe ich endlich Gewissheit, dass ich die letzte bin, die von meiner Familie übrig ist. Dafür haben wir gerade gesorgt.“ „Ich bin auch noch da.“ erinnerte Lea und blickte Catherine an, die daraufhin nickte. „Sicher, Cousine, sicher.“ entgegnete sie lächelnd und legte ihr den Arm um die Schulter, obwohl Lea ihren Trost nicht brauchte. „Es war alles ein bisschen viel heute Nacht, nicht wahr? Erst das mit Thirlestane Castle, dann das jetzt… und Lestat nicht hier zu haben, ist sicher auch nicht leicht für dich.“ „Hm… ich weiß nicht, was er tun sollte, wenn er hier wäre, doch du hast Recht. Es wäre mir wirklich lieber.“ gestand Catherine und schüttelte den Kopf. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich so auf jemanden angewiesen sein würde, aber ich will mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Ich kann es nicht und ich denke, dass ich mein Leben gegen eine Zukunft mit ihm tauschen würde…“ „Catherine, meinst du das… ernst? Würdest du wirklich… Würdest du ihn wirklich darum bitten, dich zu wandeln?“ „Ja… Ich würde ihn darum bitten. Ich würde ihn anflehen, doch ich vermute, dass er sehr lange hartnäckig bleiben würde.“ „Tatsächlich? Vermutest du das?“ „Ja, Lea. Wenn ich nur daran denke, wie lange es gedauert hat, bis er eingewilligt hat, durch mein Blut nach weiteren Antworten zu suchen… Nun, dann es erscheint mir beinahe unmöglich, ihn dazu zu bewegen, mein Leben zu beenden, auch wenn das hieße, dass er seine Ewigkeit mit mir teilen könnte.“ entgegnete Catherine und schwieg einen Augenblick, ehe sie fortfuhr: „Ich vermute aber noch etwas anderes, Lea.“ „Was denn?“ wollte sie wissen und Catherine wandte ihr den Blick zu. „Ich vermute, dass meine Möglichkeiten ziemlich beschränkt sind.“ „Wie meinst du das?“ fragte Lea. „Ich habe keine allzu große Hoffnung, dass ich diese Sache lebendig überstehen werde. So oder so – mein Leben wird zu Ende gehen.“ „Catherine!“ rief Lea entsetzt und packte sie am Arm. „Lea.“ entgegnete Catherine ruhig und lächelte sie an. „Ich finde es überhaupt nicht toll, wenn du so redest!“ „Entschuldige… Du solltest nicht auf mich und meine düsteren Gedanken hören. Ich bin depressiv und unzurechnungsfähig, wenn Lestat nicht da ist.“ beschwichtigte Catherine sie und ließ ihren Arm von Leas Schulter sinken. Sie wollte Lea nicht beunruhigen, aber tief im Unterbewusstsein dämmerte Catherine das Wissen darum, dass es entweder eine Ewigkeit mit Lestat war, die ihr bevorstand, oder der Tod. Louis kam kurze Zeit später wieder durch den Eingang und hielt prüfend die Nase in die Luft, um den Brandgeruch in der Einganghalle einzuschätzen. „Besser.“ meinte er. „Wirklich besser.“ Catherine und Lea erhoben sich und Catherine nahm Louis die drei Urnen, die er wohl im Karton hielt, ab, und stellte sie auf den Boden, wo sie den Inhalt des Eimers auf sie verteilte. Es war schrecklich, die Asche in dieser unheiligen Handlung zu verteilen, doch was sollte sie anderes tun? Sie seufzte leise und verschloss die Urnen, stellte sie zurück in den Karton, in dem auch ein kleiner Handspaten lag, und ging gefolgt von Louis und Lea über die Flügeltüren in der Bibliothek in den Garten hinaus. Der Kies unter ihren Schritten knisterte. Ein leichter Wind wehte. Catherine überlegte, wo sie die Urnen begraben wollte, und entschied sich für die Grasfläche, die vor dem großen Rosenbeet lag. Louis grub mit dem Spaten eine etwa einen halben Meter tiefe Grube und trat dann zurück, bis Catherine die Urnen hineingestellt hatte. „Willst du … irgendetwas sagen?“ fragte er, als er die Grube zuschütten wollte, worauf Catherine den Kopf schüttelte, und Louis die Erde wieder über die Urnen schaufelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)