Demonstrativ von Elster (Spoiler fürs Ende der 2. Staffel!) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Verrauschte Countrymusic mischt sich mit dem alten Ledergeruch des Impala und es ist etwas, das Dean an früher denken lässt, an lange Autofahrten auf dem Beifahrersitz, John eine vertraute und sichere Präsens am linken Rand seines Blickfelds. Manchmal ist er das immer noch, ein Schatten im Augenwinkel, gerade so, dass man ihn nicht mehr sehen kann. Dean ist nicht abergläubisch, aber es gab Momente, in denen er nicht gewagt hätte, über seine linke Schulter zu gucken. Jetzt sitzt Sam auf dem Beifahrersitz und sieht demonstrativ aus dem Fenster. Es ist eines der vielen, vielen nervtötenden Dinge an ihm, dass er beinahe alles demonstrativ machen kann. Er muss das gelernt haben, als er zehn oder elf war, denn Dean ist sich sicher, dass Sam damals angefangen hat, demonstrativ Hausaufgaben zu machen – etwas, das Dean nie getan hat. Auf die Gefahr hin, paranoid zu klingen: Dean würde jeden Eid schwören, dass Sam sogar demonstrativ atmen kann. Er scheint dann Unzufriedenheit und Vorwürfe stumm und anklagend auszustrahlen. Es gibt keine logische Erklärung dafür, aber es ist da, zäh und kalt. Und Dean kann es nicht ignorieren, er kann nur hoffen, dass Sam irgendwann aufhört. Es ist schlimmer, wenn Sam wirklich auf Dean wütend ist und nicht auf John. John konnte Sams Protest ignorieren, so gut, dass Dean sich manchmal nicht sicher war, ob er es überhaupt bemerkt hatte. So gut, dass John tatsächlich überrascht wirkte, als Sam nach Stanford ging. Verletzt, verraten und überrascht, und es hatte ihn wütend gemacht, aber es war das einzige gewesen, was Dean davon abgehalten hatte, auch zu gehen. Und jetzt ist alles anders und alles beim alten und Sam starrt demonstrativ aus dem Fenster. Starrt demonstrativ auf endlose, immer gleiche Maisfelder, als würde der verdammte Grand Canyon an ihm vorbeiziehen. Und er tut das seit dreißig Minuten. Dreißig endlosen Minuten, voll mit statischem Rauschen und Liedern, in denen es um Einsamkeit und verlorene Liebe geht und um endlose Landstraßen und noch mehr Einsamkeit. Dean wird nie verstehen, wie gerade sein Vater diese Musik mögen konnte. Seit dreißig Minuten. Seit Sam den Streit um die Musik und die Frage, ob nach Genfer Konventionen mehr als drei Durchläufe der Black-Sabbath-Kassette am gleichen Tag zulässig wären, damit beendet hat, dass er das Radio eingeschaltet hat. Dreißig Minuten, seitdem Dean gesagt hat, dass er in knapp einem Jahr nie wieder Black Sabbath hören müsste. Dreißig Minuten demonstratives Schweigen und Ausdemfestergucken und ungefilterter, direkt auf Dean gerichteter Samfrust. Und Dean weiß nicht, was er dagegen tun soll. Er kann nicht sagen, dass es ihm Leid tut. Es war eine beschissene Entscheidung in einem Leben, das ihm immer wieder nur die Wahl zwischen Regen und Traufe lässt. Aber es war eine Entscheidung, die ihm Sam zurück gebracht hat und er kann das nicht bereuen und er kann sich nicht vorstellen, anders zu handeln. Dean weiß nicht, wie er es Sam erklären soll, er weiß es einfach nicht. Sam war nicht dabei – verdammt, er war tot und das ist der ganze Punkt. Dean will nicht in die Hölle, natürlich, und er will nicht sterben, aber das alles hat erst wieder eine Bedeutung seit Sam lebt. Catch 22. Alles – das Schweigen und die Vorwürfe – alles ist besser als Sams Leiche in einem heruntergekommenen Hinterzimmer. Wie könnte die Hölle schlimmer sein? Und schließlich räuspert sich Sam – demonstrativ natürlich – und fragt, ob sie Metallica anmachen können. Und Dean stimmt zu und ist erleichtert, dass Sam aufgehört hat. Sam behauptet, dass Dean die „Ich werde sterben“-Karte nicht mehr ausspielen kann, aber er ist nachgiebiger, lenkt schneller ein, statt tagelang stur auf seinem Standpunkt zu beharren. Er will sich nicht mit Dean streiten. Und Dean weigert sich, sich deswegen schlecht zu fühlen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)