Die unerträgliche Leichtigkeit des Dies von NanaSaintClair (...Manche Menschen machen es sich wirklich zu einfach! [Die x Kao]) ================================================================================ Kapitel 11: Falling Die ----------------------- Oje, der Titel ist pöse. X] Den kann man so vielseitig verstehen. Gefällt mir.^^ Anmerkung: Für viele kam Kaorus Handeln doch etwas plötzlich und vielleicht zu schnell. Dazu kurze Erklärung: Ich versuche immer, die Charaktere so zu schreiben, wie sie wirklich sein könnten. Da diese Geschichte aus Dies Sicht ist, hat er natürlich keine Ahnung von Kaorus Gedankengängen, logisch. Aber ich schätze Kao so ein, dass er bis zum Letzten dicht hält, was seinen Gefühlskram angeht und dann irgendwann mal für sich eine Entscheidung trifft. Diese hat er Die mitgeteilt, richtig? Dass Kaoru mit Die ins Bett geht, finde ich nur normal. Kaoru ist ein Kerl und Kerle wollen ficken. Da er nun weiß, dass er Die will, geht er auch mit ihm ins Bett. So einfach ist die Männerwelt. ;) DANKE für die Kommis beim letzten Kapitel! Yesh, ich brauchte 3 Runden Sex - sollte doch authentisch sein. *lol* Kapitel Elf FALLING DIE Manchmal werde ich nachts wach und merke, wie einsam ich bin. Dann denke ich an Kaoru und wie groß meine Sehnsucht nach seiner Nähe sein muss, wenn er tatsächlich immer wieder mein erster Gedanke ist. Normalerweise fühle ich mich dann kalt und leer. Diese Nacht jedoch ist alles anders. Werde ich wach, dann kann ich ihn neben mir spüren, höre seine gleichmäßigen Atemzüge und lege meine Arme noch ein wenig fester um ihn. In mir breitet sich eine angenehme Wärme aus, ein Glücksgefühl, welches einfach wohlig ist und mich ohne Sorgen in der Welt sein lässt. Ich fühle mich vervollständigt. Als mir die Sonne grell ins Gesicht scheint, öffne ich die Augen und blinzele durch meine leicht verquollenen Augen. Es ist kalt, auch wenn Kaorus Decke recht warm ist. Ich rieche seinen Duft, alles riecht nach ihm hier. Nur wo ist er? Meine Augenlider blinzeln erneut, als ich ihn am Bettrand sitzen sehe. Er knöpft sich gerade sein Hemd zu und ich stütze mich auf meine Ellenbogen. Warum ist er schon angezogen? Wo will er denn hin? Warum weckt er mich nicht? Ein wenig ängstlich versuche ich, nicht daran zu denken, dass er vielleicht die Absicht hat, sich aus dem Staub zu machen. Absurd, denn es ist doch seine Wohnung. Nichts desto trotz könnte er es ja nun doch bereuen, auch wenn er etwas anderes gesagt hat. Und pah, ich scheiß drauf, dass ich gesagt habe, es wäre okay für mich, wenn es bei dieser Nacht bleiben würde. Er dreht sich um und lächelt. „Guten Morgen.“ „Morgen Kao,“ krächze ich und huste, um meine belegten Stimmbänder frei zu bekommen. „Wo willst du hin?“ Er lacht leise und schmunzelt so süß, dass ich keinen Zweifel daran habe, dass er nicht fliehen will. „Ich gehe uns was zum Frühstück besorgen. Schlau, wie wir sind, haben wir daran natürlich nicht gedacht.“ Verständlich, aber eigentlich will ich nicht, dass er geht. Also sage ich nichts, schiebe lieber die Unterlippe nach vorn und greife nach seiner Hand, mit der er sich auf dem Bett abstützt. „Dauert nicht lange, Die.“ Kaoru lächelt mich an und befreit seine Hand aus meinem Griff, um mir damit durch das Haar zu streichen. „Wenn ich wiederkomme, frühstücken wir und der Rest des Tages gehört uns.“ Er beugt sich nach unten und küsst mich liebevoll, wie es noch nie zuvor jemand an einem Morgen danach getan hat. Er schmeckt köstlich. Freu mich schon auf nach dem Frühstück. „Mmh,“ kichere ich, denn Kao schmeckt nicht nur nach Kao, sondern auch minzig. „Du hast schon Zähne geputzt.“ Er grinst, durchwuschelt mein Haar und lacht. „Japp, im Gegensatz zu dir.“ Feiert der mich aus? Ich bin doch gerade erst wach geworden! Das ist nicht fair. Schmollend kuschele ich mich ins Bett. „Beeil dich, ja? Damit ich dir den Tag versüßen kann.“ Lachend geht er aus dem Schlafzimmer und ich vernehme kurz darauf die Wohnungstür. Toll. Und jetzt? Ich quäle mich hoch und schlüpfe erst mal unter die Dusche, putze Zähne und rauche eine Zigarette. Nach 30 Minuten ist Kaoru noch nicht wieder da, was wahrscheinlich normal ist bei dem Verkehr heutzutage. Dennoch überlege ich, ob ich ihm vielleicht eine SMS sende mit ‚ICH VERMISSE DICH’. Nein, zu kindisch! Oder soll ich doch? Neiiin... Stattdessen setze ich Kaffee an und decke mal den Tisch. Ich habe zwar null Ahnung, was Kao zum Frühstück mitbringt, aber Teller können nicht schaden. Tassen auch, so für den Kaffee. Und nun? Ich stecke mir noch eine Kippe an und setze mich auf das Sofa, wo ich mir denke, es kann ja nicht schaden sich ein wenig die Zeit an der PlayStation zu vertreiben. Nach einer Stunde werde ich etwas skeptisch, jedoch vereinnahmt mich das Spiel so sehr, dass mir gar nicht auffällt, als weitere 30 Minuten vergehen. „Verdammter Mist! Mach jetzt!“, schreie ich den Fernseher liebevoll an, weil ich einmal mehr Game Over bin. Da höre ich plötzlich das Türschloss und ein riesiges Lächeln breitet sich auf meinem schnuckeligen Gesicht aus. Mein Kao ist wieder da! Mein Magen knurrt auch schon, aber das ist zweitrangig. Ich springe vom Sofa auf und sehe meinen Liebling in die Wohnung treten. Nur irgendetwas stimmt nicht... Ich spüre es. Als sich Kaoru umdreht, ziert kein Lächeln mehr sein Gesicht, sondern da sind Falten an der Stirn und seine Lippen sind zu einer schmalen, nachdenklichen Linie zusammengezogen. Er meidet meinen Blick, aber ich verstehe es nicht. Ich schlinge meine Arme um ihn und versuche seinen Hals zu küssen, damit er bessere Laune bekommt, doch er schiebt mich weg und geht in die Küche, wo er eine Tüte vom Bäcker lieblos auf den Tisch wirft und sich eine Kippe anzündet. Er atmet tief ein und aus und irgendetwas sagt mir, dass er wütend ist. Aber warum? Ich kille das Arschloch, der meinem Kaoschatz den Tag versaut hat. „Was ist denn los?“, frage ich vorsichtig und bleibe in sicherer Entfernung vor Kaoru stehen. Er verzieht den Mund zu einem bitteren Lächeln und schaut mich kurz giftig an. „Sag du es mir.“ „Was? Versteh ich nicht.“ Der macht mich ganz kirre. Mein Kopf ist verwirrt. Wieder dieses tiefe Ein- und Ausatmen, als müsse er seine Wut zügeln. „Ich denke, dass du mir etwas zu sagen hast. Meinst du nicht?“ Ich stehe gerade da wie ein verirrtes Alien. Der wollte doch nur Frühstück kaufen und ich war ganz brav hier Zuhause und habe gewartet. Was soll ich denn jetzt erzählen wollen? Genauso doof schaue ich gerade wohl aus meiner Wäsche. „Ich weiß nicht, was du meinst, Kao.“ Holla! Seine Finger krallen sich an den Küchentresen, gegen den er lehnt, und die Knöchel werden schon ganz weiß. Was habe ich denn verbrochen? Hätte ich die Finger von der PlayStation lassen sollen? „Weißt du nicht? Ich gebe dir mal einen Hinweis. Weißt du, wo ich gerade war?“, faucht er mich an und ich kann nur mit dem Kopf schütteln. Ich dachte, er war beim Bäcker oder so... „Ich war gerade bei dir zuhause.“ DAS war das Stichwort. Ich zucke zusammen. Aber Moment mal... dann war er eben bei mir zuhause, na und? Er hat schon seit Wochen nicht mehr nach meiner Wohnung gefragt. Die ist jetzt wieder in Ordnung! Natürlich! Ist er sauer, dass ich ihm das noch nicht gesagt habe? „Ja, und? Was hast du da gemacht? Du wolltest doch—“ Ich belüge mich selbst, aber egal, denn Kaoru unterbricht sowieso. „Ich wollte Frühstück besorgen. Hab ich auch. Musste aber einen Umweg fahren und kam an deiner Wohnung vorbei. Also denk ich mir, ich bin nett und bring dir deine Post mit. Nun rate mal, wen ich im Treppenhaus getroffen habe? Richtig! Deinen Vermieter! Und wie der Zufall so wollte, unterhielt der sich gerade mit deinem Nachbarn. Weißt schon, der mit der Sanitärfirma. Klingelt’s?“ Jetzt legt er aber los und bei jedem Wort schlucke ich schwerer. Diese Idioten werden doch wohl nichts Falsches erzählt haben? Ich befürchte aber doch. „Ich weiß ja nicht, was die dir erzählt haben, aber—“ Jetzt wäre es günstig, wenn ich eine Ausrede hätte. Dank Kaoru erübrigt sich die einmal mehr, als er mir ins Wort fällt. „Vielleicht die Wahrheit?“ Er schaut mich an, so durchdringend und enttäuscht, die wunderschönen dunklen Augen so voller Zweifel und nach Fassung ringend. „Sieh mich an, Die. Sieh mir einfach noch mal in die Augen und sag mir, dass du nicht gelogen hast. Dass du tatsächlich wegen eines gottverdammten Wasserrohrbuches hier gewohnt hast!“ Ich würde ja, aber ich kann nicht. Locker lässig kann ich lügen, aber doch nicht so! Nicht, wenn er so vor mir steht und es mein Herz zerreißt. Ich liebe ihn doch! „Du kannst es nicht.“ Enttäuscht von mir, dreht er sich weg. Vielleicht hatte er auch genau das erwartet. Dass ich ihn enttäusche. „Damals konntest du es.“ „Es tut mir leid,“ flüstere ich und hoffe, dass ich es irgendwie wieder gut machen kann. „Damals nicht,“ sagt er mit kalter, trockener Stimme, als habe ich ihm jedes Gefühl gerade genommen. „Da tat es dir nicht leid. Du standest da und hast mir ins Gesicht gelogen.“ „Aber doch nur, weil ich keinen anderen Ausweg wusste!“ Es war doch so! Und jetzt hat es doch uns beiden gedient, nicht nur mir. „Keinen Ausweg aus was?“ Oh, er faucht wieder. „Aus meiner Lage. Ich dachte doch, du würdest mich niemals lieben und ich wollte doch nur bei dir sein, dich glücklich machen. Nicht traurig oder enttäuscht. Aber du wolltest mich nie in deiner Nähe haben und deswegen—“ Wo hat er nur die Art her, dass er mich ständig unterbricht? „Deswegen lügst du mich an? Du hast es auch nicht nur einmal getan, nein, du tust es ständig. Du kannst mir in die Augen sehen und mir ins Gesicht lügen, ohne Skrupel. Zeigst mir sogar Dokumente, die besagen, dass du einen Versicherungsschaden hast. Dass dein Nachbar insolvent ist. Du machst dich damit strafbar, Die! Und nur damit du hier sein kannst? Denkst du nicht, es hätte auch andere Wege gegeben, dass ich mich in dich verliebe?“ Himmel Herr Gott! Ich weiß nicht, ob er mir stinksauer oder zu Tode enttäuscht lieber ist. Meine Knie fangen an zu schlottern, wenn er wütend wird. Nun werde ich verzweifelt. „Kao, es war mir egal, ob ich mich strafbar mache. Hauptsache—“ „Hauptsache du kannst mich damit verarschen!“, fällt er mir ins Wort. „Nein! Ich wollte dich nicht verarschen!“ Warum versteht er das denn nicht? „Ich wollt nur—“ „Mir glauben machen, dass du einen Schaden in deiner Wohnung hast. Wo ist da der gottverdammte Unterschied? Verarscht hast du mich! Und wie!“ Okay, jetzt fängt er an zu fluchen. Ich zittere. Ohne Scheiß. „Es tut mir doch auch leid, aber ich wollte nur, dass du mich siehst, wie ich wirklich bin.“ Weiter kommt ich nicht, denn meine Stimme bricht und Kaoru nutzt die Chance. „Wie du wirklich bist? Genau das habe ich auch gesehen jetzt. Ein Lügner bist du und niemand, dem man auch nur ein kleines Bisschen trauen kann.“ Woah, das tut weh. Aber er hat nicht unrecht und ich fühle mich beschissen. Dabei bin ich doch gar nicht so! Ein Lügner vielleicht, aber keiner, dem man nicht vertrauen kann. „Ich habe es doch nur gut gemeint. Ich wollte nicht lügen.“ Verzwickt. Ich höre mich unglaubwürdig an. „Hast du aber!“, knurrt er und verschränkt die Arme. „Und niemand garantiert, dass du es nicht wieder tust. Mein Vertrauen hast du schamlos missbraucht und mir über Monate einen Bären aufgebunden. Was soll ich nun von dir halten, Daisuke? Ich vertraue keinem Lügner.“ Aber ich habe ihn doch lieb! Als ich einen Schritt auf ihn zugehe, schaut er mich grimmig an. „Denk nicht mal dran.“ „Kaoru, es tut mir leid.“ Ich stehe da wie ein Idiot und er hat recht mit allem, was er sagt. „Das reicht aber nicht.“ Er klingt verletzt, noch mehr verletzt als wütend. „Gott, ich habe dir alles geglaubt. Das mit Aiko auch und deine Geschichte im Fahrstuhl.“ „Das war nicht gelogen!“ Er glaubt doch wohl nicht, dass ich das auch erfunden habe? DAS war doch die Wahrheit! „Kaoru—“ „Ach, und woher weiß ich das? Vielleicht hast du Aiko zu Unrecht beschuldigt und dir die nette Geschichte im Aufzug ausgedacht, so dass ich weich werde? Ich glaub dir gar nichts mehr, kein einziges Wort.“ Bitterkalt ist seine Stimme und mich überkommt eine Gänsehaut. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Stehe da und schaue ihn an. Doch er sieht mich nicht an. „Alles, was ich wollte, war bei dir sein,“ sage ich so ruhig und ehrlich, ich es kann. „Das warst du auch,“ gibt Kaoru zurück und drückt seine Zigarette im Aschenbecher aus, bevor er mich scharf ansieht. „Für die längste Zeit.“ Wie? Meine Augen reißen sich wie von selbst weit auf. „Was soll das heißen?“ „Dass du besser deinen Krempel zusammenpackst und verschwindest.“ Er hört sich fast heiser an. „Ich will dich hier nicht mehr sehen.“ „Aber Kao—“ Er kann doch nicht... Nur deshalb? „Nichts aber, Daisuke! Ich will mit keinem Lügner zusammen sein, kapiert? So viele Dinge, die du mir letzte Nacht gesagt hast und jetzt weiß ich nicht mehr, was davon ich dir eigentlich noch glauben kann.“ Er wird laut und schaut mich furchtbar wütend an. „Du und ich, das war alles ein großer Fehler, also nimm dein verfluchtes Zeug und geh!“ Ich will nicht weg. Ich will Kaoru nicht aufgeben. Ich will nicht wieder ohne ihn sein. „Und wenn nicht?“ „Das willst du nicht erleben,“ droht er und reißt die Wohnungstür auf. „Ich gehe jetzt und wenn ich wiederkomme, bist du verschwunden. Hast du verstanden?“ Ohne meine Antwort abzuwarten, geht er raus und wirft die Tür hinter sich zu. Ich komme erst Minuten später zur Besinnung und schniefe, schaue mich um, doch niemand ist da. Kaoru ist tatsächlich gegangen und will, dass ich ausziehe. Was mache ich jetzt nur? Erst einmal zünde ich mir eine Kippe an und nehme einen tiefen Zug. Ich muss nachdenken. Nicht zusammenbrechen, das ist auch wichtig. Alles wird sich regeln, ganz sicher. Nur nicht resignieren! Okay, also Kao ist weg und wenn er wieder kommt, soll ich weg sein. Und wenn ich einfach bleibe? Was will er tun? Mich wirklich rausschmeißen? Vielleicht samt der Polizei, die er sowieso gleich mal benachrichtigt wegen meiner Urkundenfälschung? Soweit würde er doch nicht gehen. Oder doch? Er ist wütend, also vielleicht doch. Soll ich tatsächlich gehen? Vielleicht ist es das beste. Ich nehme meine Sachen und gehe einfach, bis er merkt, wie sehr ich ihm fehle. Und wenn ich ihm nicht fehle? Was dann? Oh Gott, jetzt werde ich panisch. Nein, ich werde ihm ganz sicher fehlen. Er liebt mich. Das hat er gesagt. Dass das mit uns ein Fehler war, meint er gar nicht so, hat er bestimmt nur im Affekt gesagt. Okay, dann packe ich eben meine Sachen... Das ist doch verkehrt! So gar nicht richtig! Ich gehöre doch zu ihm! Aber ich muss mich seinem Willen beugen. Zunächst einmal, wie eine Art Buße, die ich tue, bis er sich beruhigt. Das mach ich. Es fällt nur so schwer. Als ich beginne, meine Sachen einzusammeln, zerbreche ich innerlich. Im Wohnzimmer liegen so viele Dinge verstreut und im Badezimmer stehen alle meine Kosmetikartikel. Die Gurkenmaske erinnert mich an damals, als Kao krank war. Und dann das Handtuch, in dem er mich verfolgt hatte... Ein tiefer Seufzer durchfährt mich. Erst ganz zum Schluss traue ich mich ins Schlafzimmer, dorthin, wo wir beide eins waren letzte Nacht. Es riecht noch nach uns. Nach Kaoru. Wenigstens hat er bereits aufgeräumt und keine Utensilien rumliegen lassen, dieser alte, verklemmte Mistkerl! Gott, wenn ich jetzt nicht aufpasse, fange ich an zu heulen. Ach, geschissen auf das, was ich vielleicht vergessen habe. Ich muss hier raus! Gerade, als ich meine Taschen schnappe, geht die Tür auf und Kaoru sieht mich mit kaltem Blick an. „Noch da?“ „Bin schon weg,“ brabbele ich mit rauer Stimme. Freundlicherweise hält er mir die Tür auf, was nicht minder ein Zeichen ist, dass ich endlich verschwinden soll. Doch eines muss ich ihm noch sagen, als ich meine schweren Taschen in den Hausflur schleppe. „Letzte Nacht habe ich dich nicht belogen, Kao. Ich liebe dich. Niemals hätte ich so etwas getan, wenn nicht für dich,“ schluchze ich so langsam vor mich hin, doch anscheinend wird er nur noch wütender daraufhin. „Dann danke, dass deine Dummheit meine Schuld ist!“ Und wumms! Die Tür ist zu. Und jetzt? Mir kommt alles nur noch wie in Zeitlupe vor, als ich mich umdrehe und apathisch meine Sachen in den Aufzug trage, bevor ich damit nach unten fahre, hinausgehe und alles in meinem Auto verstaue. Selbst mein sehnsüchtiger Blick nach oben zu Kaorus Schlafzimmerfenster kommt mir seltsam vor, in Apathie, Trauer, Schmerz. Er bricht mein Herz. Doch ich habe seins gebrochen. Voller Schuldgefühle steige ich ein und fahre los. Wohin? Ich weiß es nicht. Mein Zuhause ist bei Kaoru, denn Zuhause ist dort, wo das Herz ist. Ein Platz, jedoch kein Gebäude. Mein Platz ist bei ihm. Als ich an meiner Wohnung ankomme, sehe ich bereits meinen Vermieter am Eingang stehen, der sich diesmal mit einem Bewohner der ersten Etage unterhält. Er glotzt mich dumm an, als ich meine Taschen Richtung Gebäude schleppe. Bitte lass ihn einfach die Fresse halten! „Guten Tag, Herr Andou!“ NEIN! „Tag auch,“ antworte ich mäßig und schleppe mich hinein, doch diese Pissbacke hält mich auf. „Herr Andou, heute war ein Freund von ihnen hier.“ Als ob ich das nicht wüsste, du Arschloch. Wegen dir...! „Da gab es wohl Missverständnisse wegen ihrer Wohnung. Und Herr Misaki neben ihnen hatte auch damit zu tun. Wissen sie vielleicht—?“ „Missverständnisse, ganz genau!“ Ich bremse den Idioten gekonnt aus, denn ich habe jetzt echt keine Lust auf solchen Scheiß hier. „Hat sich alles geklärt. Das war wirklich ein unangenehmes Missverständnis. Schönen Tag noch!“ Mein aufgesetztes Lächeln lässt die Leute doch immer wieder glauben, ich genieße mein Leben. Dabei ist es momentan ziemlich futsch. Kein Kao. Kann das wirklich wahr sein? Wie kann ich nur so blöd sein und das vermasseln? Ach, ich Volltrottel! In meiner Bude angekommen, ist diese natürlich eiskalt. Keine Heizung seit fast drei Monaten. Was will ich da erwarten? Zumindest ist die Kälte wenigstens meiner Gefühlsstimmung angepasst. Ich friere, meine Welt ist kalt, sie ist einsam und leer. Wie meine Wohnung. Ohne Kaoru ist alles doof. Nachdem ich meine Heizung wieder aufgedreht und die Hälfte meiner Sachen in die Waschmaschine gestopft habe, suche ich nach etwas Essbarem, aber es ist nichts da. Wonach mir wäre, ist Schokolade und zwar viel davon. Doch weil ich Weihnachten nicht bei meinen Eltern war, habe ich auch nichts bekommen, was ich jetzt aus Frust naschen könnte. Meine Klamotten, die ich letzte Nacht trug, wasche ich nicht, sondern lege sie in mein Bett. Na und, dann bin ich eben nicht mehr ganz dicht, wen interessiert’s? Die Sachen wasche ich niemals mehr, wenn es sein muss! So langsam drehe ich wirklich frei. Aber nicht, als würde ich jeden Moment ausrasten, nein, es ist anders. Ich tue all die alltäglichen Dinge mit einer Gleichgültigkeit, die sogar mir Angst macht, tue dabei auch Dinge, die ich sonst meide, weil ich sie hasse. Dann fange ich an, mein Wohnzimmer umzuräumen und das Telefon zu ignorieren, wenn es nicht ‚Kaoru’ oder ‚unbekannt’ auf dem Display anzeigt. Der Fernseher bleibt aus und spätestens DAS zeigt, dass ich psychisch die Kontrolle verliere. Meine Gitarre würdige ich nicht eines einzigen Blickes. Apathie: auch Teilnahmslosigkeit, Leidenschaftslosigkeit, mangelnde Erregbarkeit und Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen. Keines dieser Attribute trifft auf mich zu in der Regel, aber heute ist die Ausnahme der Regel und alle diese Dinge beschreiben meinen Gemütszustand. Keine Lust mit anderen zu reden, will nicht mal angesprochen werden, beachtet oder genervt. Der Schneeregen stört mich nicht, als ich auf dem Balkon stehe und eine Zigarette rauche. Die Wievielte ist das eigentlich? Keine Ahnung, will es eigentlich gar nicht wissen. Gestern noch stand ich mit Kaoru auf seinem Balkon und wir feierten in Neujahr. Kaoru... Apathie tritt bei manchen psychischen Krankheiten auf, auch bei Autismus, Anorexia nervosa, Hospitalismus oder Depressionen und bei der fortgeschrittenen Demenz. Häufig ist die Apathie mit anderen Symptomen verbunden, z. B. Appetitlosigkeit, Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Schlaflosigkeit (oder Schläfrigkeit) und Veränderungen der Urteilskraft. Hunger? Nein, nicht wirklich. Zu traurig. Ich bin der größte Idiot auf der ganzen Welt! Ich streiche mir die kleine verflixte Träne von der Wange und drücke meine Zigarette, die sich so gut wie alleine aufgeraucht hat, im Aschenbecher aus, bevor ich nach drinnen schlurfe. Es ist schon dunkel, aber ich denke nicht daran, das Licht einzuschalten, als ich mich auf das Sofa setze und zur Balkontür hinaus auf die Lichter starre. Noch vermisst mich Kaoru nicht, wie es scheint. Doch soll er nicht glauben, dass ich aufgebe. Ob ich es wagen sollte...? Meine Hand greift zum Telefonhörer und drückt die Kurzwahltaste, auf der Kaoru gespeichert ist. Es läutet. Und läutet weiter. Dreimal. Sechsmal... „Hier ist der Anschluss von Kaoru Niikura. Da ich momentan beschäftigt bin, können Sie mir eine Nachricht hinterlassen. Danke.“ „Kao... hier ist Die. Geh bitte ran, wenn du da bist.“ Abgedroschen und doch das Einzige, was mir einfällt. „Es tut mir leid, was ich gemacht habe. Ich bin ein Idiot. Ich habe nicht nachgedacht, aber ich will dich nicht verlieren. Kao? Kaoru... Ich liebe dich doch. Ich...“ Was soll ich noch sagen? Vielleicht ist er nicht mal Zuhause. „Bitte ruf mich an. Das kann es nicht gewesen sein. Kao... bitte.“ Zögernd lege ich auf. Ich bettele und das wohl zum ersten Mal in meinem Leben. Wie konnte ich mich nur so sehr in einen Menschen verlieben? Wie nur? Mein Leben war doch toll bisher. Schon als ich noch ein Teenager war, wusste ich, dass ich auf Männer abfahre und habe meinen Charme dahingehend gerne eingesetzt. Natürlich musste ich auch Rückschläge in Kauf nehmen, aber niemals blieb Zeit zum Trauern, wenn man gleich auf neue Leute trifft. Dann kam ich zu Kyo und Shinya, war Bestandteil einer Band, die sich, als auch Kaoru und Toshiya Mitglieder wurden, einen Status erarbeitet hat, der weltweit sehr hoch ist. Damals war mein Leben perfekt, obwohl ich schon vom ersten Moment an wusste, dass ich Kao eines Tages besitzen wollte. Ja, besitzen. Höhere Ansprüche hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Doch im Laufe der Jahre hat sich alles verändert, meine Zuneigung zu ihm vertieft und jetzt, wo ich ihn von ganzem Herzen liebe, vermassele ich es! Es ist doch zum Haare raufen, schreien und wahnsinnig werden! Ich brauche etwas zu trinken. In meinem Schlafzimmer ist ein kleines Regal mit Köstlichkeiten und auch die Fläschchen, die ich zum Geburtstag geschenkt bekommen habe, befinden sich hier. Wahllos greife ich in das Regal und ziehe eine Flasche Sandemann heraus. Glücksgriff! Das Zeug mochte ich noch nie, deshalb nehme ich auch gleich noch den Contreaux mit. Wohin? Zurück zum Telefon natürlich! Auf dem Sofa öffne ich gleich beide Flaschen, nippe am Sherry und beschließe, erst einmal beim Contreaux zu bleiben. Stark, aber zweckmäßig. Innerhalb einer knappen Stunde haben etwa Dreiviertel davon mit meiner Leber Bekanntschaft gemacht und ich halte es keine Sekunde länger mehr aus. Ich schnappe den Telefonhörer und wähle noch einmal. Wieder meldet sich der Anrufbeantworter. „Kao, ich noch mal. Weissu, ich hab nachgedacht und zwar liebe ich dich noch-noch mehr, als ich dir’s letzte Nacht gesacht hab. Bitte ruf mich zurück. Mir tut alles sooo leid. Okay, ich warte hier...“ Diesmal muss er einfach zurückrufen! Nach etwa drei weiteren Stunden und meiner vierten Nachricht auf seinem AB, werde ich doch langsam etwas träge. Gut, liegt vielleicht auch am restlichen Contreaux und der halben Flasche Sherry—zusammen sehr empfehlenswert. Aber mit letzter Kraft greife ich erneut zum Telefonhörer und danke dem Herrn im Himmel, dass es eine Kurzwahltaste gibt, bevor ich mir den Hörer ans Ohr presse und schnell noch einen Schluck aus der Sherryflasche nehme. Blah blah blah. Ich höre Kaorus Stimme zu gerne, aber nicht von dieser Maschine. Wirklich nicht. „Kaoru? Bissu jetz’ da? Nimm domma ab.“ Mist, ich muss hicksen. „Kaoru... Sch’denk immerzu an dich. ... Kannsu mir nich verzeih’n tun? ... Kao?“ Leider ist mein Hirn schon genauso träge und hat bereits leichte bis mittelschwere Aussetzer. Aber selbst, wenn mir nichts einfällt, lege ich nicht auf. Kann ihm auch den AB voll keuchen mit meinen unregelmäßigen, alkoholisierten Atemzügen. „Daisuke issen Butzi, Daisuke issen Butzi. Sch’würd mir das auch anne Stirn schreim, wennu willst. ... Kaooooo. Komm schon, sei nimmer pös mim mir. Sch’lieb di—icks!“ Verdammtes Hicksen! Ach, ist eh alles im Eimer und mein Kopf bringt mich bald um. „Ahhhrghhh—“ Das tut weh. Ob ich jetzt auflegen soll? Wie viel Uhr ist es eigentlich? Kann die Zahlen nicht erkennen, zu verschwommen. Oh Gott, mein Schädel ist heiß und meine Augenlider... Verdammt, ich kann nichts mehr sehen! Dann vernehme ich nur noch den dumpfen Klang des auf den Teppichboden fallenden Telefons. „Auuua,“ erzähle ich meinem Sofa, als das ekelhafte Geräusch der Türklingel in meinem Kopf dröhnt, als würde er davon zerbersten. „Mäh.“ Wieso habe ich eigentlich kein Kopfkissen? Das macht es mir noch schwerer, die Birne zu heben. Doch meine Hand kann sich dem Fußboden entlang tasten und fühlt Kissen, Telefon, Fusseln, klebriges Nass... bäh. Wo kommt das denn her? Als es erneut klingelt, stöhne ich, denn das hilft meinem Schädel echt nicht weiter. Wieso habe ich denn bloß soviel gesoffen letzte Nacht? Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Wegen Kaoru! Er will seinen Die nicht mehr haben, weil sein Die ein Vollidiot und Lügner ist. Wieder Klingeln, diesmal kombiniert mit wildem Klopfen. Ich bin drauf und dran, dem Arschloch zu sagen, dass er sich verpissen soll, als mir etwas in den Sinn kommt. Was, wenn es Kao ist? Was, wenn ich ihm jetzt fehle? Kao, ich komme! „Aaahnnn!“ Beim Aufspringen von der Couch fällt mir auf, dass das aufgrund meiner Kopfschmerzen keine gute Idee war. Egal, ich muss zur Tür, stolpere aber über eine leere Flasche Sandemann und vermesse gekonnt den Teppichboden. Autsch, das brennt. Aber ich rappele mich trotz Schürfwunden an der Haut wieder auf und humpele zur Tür, als das penetrante Klopfen noch zunimmt. „Kaoru! Endlich!“ Ich reiße die Tür auf und starre in Shinyas ängstlich verwirrtes Gesicht. „Ich bin zwar nicht Kaoru, aber der wartet unten. Genau wie die anderen auch. Nur du,“ er würdigt mich eines bewertenden Blickes, „fehlst.“ Okay, was habe ich verpasst? Heute ist... der zweite Januar, richtig? Ach du scheiße! Wir müssen los! Wir haben heute Abend einen Gig in Fukuoka. „Oh fuck.“ „Alles klar mit dir, Die?“ Shin schaut mir über die Schulter in die Wohnung, aber dort kann er scheinbar keine Indizien auf mein Wohlbefinden erspähen. „Ja, sicher, alles bestens.“ Ich fahre meine Finger durch das fettige Haar und lege meine Stirn in Falten. Nachdenken, Die, auch wenn es weh tut. „Ich habe nur verschlafen. Sagst du den anderen bitte, dass ich gleich komme? Ich brauch 10 Minuten, okay?“ Er zuckt mir den Schultern und nickt mehr oder weniger. „Okay. Ich besorg dir auch einen Kaffee, ja?“ „Danke!“ Noch mal kurz Lächeln, dann knalle ich ihm die Tür vor den Latz. Wie hat er denn das mit dem Kaffee gemeint? Solange brauche ich doch gar nicht, dass er Zeit hat, Kaffee zu besorgen! Ich muss lediglich schnell duschen, Zähne putzen, rasieren, Haare machen, packen, fertig! Und das mit dem Kopf. Autsch. Es vergehen tatsächlich etwa 30 Minuten, grob geschätzt, denn ich habe meine Armbanduhr im Schlafzimmer liegen gelassen, als ich meine letzten brauchbaren Klamotten zusammensuchen wollte. Okay, das gibt mit Sicherheit Ärger vom Chef. Als ich unten ankomme, stehen Kyo und Toshiya vor dem Bus und rauchen, doch kein Kaoru in Sicht. „Na endlich, du Triefnase,“ strahlt mich Toto an und tritt seinen Zigarettenstummel mit dem Fuß aus, bevor er in den Bus marschiert. „Sorry, kann doch mal passieren.“ Schnell packe ich die Tasche in den Kofferraum und höre lediglich Kyos Schnauben, als er ebenfalls in den Bus kriecht. Dann steige ich ein. Statt meiner Standpauke wegen meiner Verspätung werde ich allerdings mit Ignoranz und Schweigsamkeit von Kaorus Seite gestraft. Er schaut mich kurz missbilligend an und widmet sich dann wieder seiner Lektüre, welche auch immer das ist. Shinyas fragenden Blick ignoriere ich wiederum und pflanze mich auf meine vier Buchstaben. „Hast du gesoffen letzte Nacht?“, frotzelt mich Kyo an und grinst. „Man wird doch wohl noch mal was trinken dürfen,“ sage ich und verschränke die Arme. „Kommt drauf an, wie viel. Wer saufen kann, der kann auch arbeiten,“ meint Toshiya und kichert. „Hörst dich schon an wie unser Klugscheißer-sama.“ Kyo scheint heute bester Laune zu sein, denn er beleidigt Kaoru selten. Vielleicht liegt es auch daran, dass Kao so ziemlich alles ignoriert heute und schlechte Laune hat. Er schaut auch nicht besonders gut aus, wenn ich ihn mir so ansehe. Da sind Augenringe in seinem Gesicht und das ist sehr untypisch für ihn. Die bekommt er sonst nur, wenn er wieder zwei Tage durcharbeitet. Alles meine Schuld, nicht wahr? Habe ich ihm wirklich so sehr verletzt? Ich muss mit ihm reden. Nach dem Soundcheck passe ich auf, welche Zimmernummer Kaoru bekommt, und bin äußerst froh, dass nur Shinyas Zimmer zwischen unseren ist. Wir haben nicht viel Zeit bis zum Abendessen und danach müssen wir bereits zur Konzerthalle. Ich werfe also nur kurz meine Reisetasche im Zimmer ab, kämme noch mal die Haare und hoffe, dass ich nicht allzu scheiße aussehe, bevor ich zu Kaoru gehe. Zögerlich klopfe ich an, als mir mein Herz bis zum Hals schlägt. Ich habe mir zurecht gelegt, was ich sagen will, doch als er die Tür öffnet und in meine Augen sieht, habe ich all das vergessen. „Ist irgend etwas oder wolltest du mich nur dumm anstarren?“ Er klingt verbittert und noch immer erzürnt, aber langsam steige ich dahinter, Kao, keine Sorge. Denn im Grunde habe ich ihn möglicherweise einfach zu sehr verletzt, als dass er sich das anmerken lassen würde. „Können wir reden?“, frage ich also langsam und leise, denn meine Stimme zittert etwas. „Japp,“ antworte er und ich bin erleichtert, zumindest bis er seinen Satz vollendet. „Wenn es nicht um UNS geht, denn das existiert nicht.“ Für einen Moment fehlen mir die Worte, als mir fast das Wasser in die Augen steigt. „Bitte Kaoru. Ich habe einen Fehler gemacht.“ „Ich auch, Die.“ Er ist harsch und nimmt wieder einen dieser unregelmäßigen Atemzüge, als sich seine Augen verdüstern. „Und jetzt gibt es nichts mehr zu reden. Ich bin deine Lügen satt und Ende.“ Meinen Blick senkend resigniere ich fast, als sich meine Brust zusammenzieht und mein Herz schmerzt wie noch nie zuvor. Doch einmal mehr sehe ich flehend auf und schaue ihm in die Augen. Da kann ich es sehen. Es ist, als husche es nur kurz über seine Pupillen. Dass er im Grunde leidet. Die Gefühl sind noch da, doch ich habe sie missbraucht. „Bis später, Die.“ Er will gerade die Tür schließen, als ich sie mit meiner Handfläche wieder aufdrücke und ihn anschaue. „Tu’ das nicht, Kao. Lass das nicht zu. Gib mir noch eine Chance.“ Panik steigt in ihm auf. Es ist ihm peinlich, dass ich hier im Gang stehe vor seiner Tür und ihn anflehe. Erst schaut er schockiert, dann verärgert. Mit Gewalt drückt er die Tür zu und lässt mich davor stehen. Verletzt. Das habe ich ihn; enttäuscht und sein Vertrauen missbraucht. Wie soll ich das jemals wieder gutmachen, wenn er nicht mal mehr mit mir redet? Ich kenne ihn doch. Er ist verdammt stur und wenn er einmal etwas sagt, dann steht er dazu. Koste es, was es wolle. Nur muss es denn wirklich das Uns kosten, welches doch so offensichtlich ihm und mir so viel bedeutet? Meine Schuld. Ich bin solch ein Versager. Nach dem Konzert verkriecht sich Kaoru auf seinem Zimmer und mir bleibt nichts anderes übrig, als auch auf meines zu gehen. Er ignoriert mich noch immer, spult beim Gig sein Programm ab und wechselt sogar Worte mit mir wie „Deine Gitarre musst du noch mal stimmen, Die. Sie klingt einfach zu klamm.“ nach dem Konzert. Alles andere bleibt vergessen, ignoriert, verdrängt. Was bleibt mir also anderes übrig? Ich muss wieder sein Telefon terrorisieren. Nur diesmal werde ich schlauer sein. Diesmal rufe ich auf dem Zimmertelefon an, da kann er keine Nummer darauf sehen. Es klingelt. „Ja?“, krächzt es in den Hörer und ein Husten ist zu hören. „Hallo?“ „Bitte leg nicht auf, Kaoru! Hör mir nur mal zu! Ich...“ Es ist so verdächtig ruhig am anderen Ende. „Kaoru?“ Tuut. Tuut. Tuut. Das kann doch nicht... Mist! Ich will nicht flennen! Auch am nächsten Tag spricht Kaoru kein Wort mit mir und ich fühle mich von Tag zu Tag schlechter, sofern das überhaupt noch möglich ist. Ich habe zehn Jahre gerackert um an ihn ranzukommen, um ihn soweit zu haben, dass er mich an sich heranlässt, und jetzt? Jetzt habe ich ihn dazu gebracht, in Nullkommanichts alle Mauern wieder aufzubauen. Er meidet mich, ignoriert mich oder gibt nur kurze Kommentare, die meist nicht einmal nur an mich, sondern an uns alle gerichtet sind. Das tut so verdammt weh, dass ich entweder die Nächte heulend verbringe oder sturzbetrunken. Je mehr Alkohol im Die, umso betäubter seine Gefühle. Ich gehe nicht einmal mehr aus, sondern ertränke meinen Kummer einsam und allein. Wäre ich in Gesellschaft, würde man mir nur dumme Fragen stellen und ich darf niemandem erzählen, was zwischen mir und Kaoru passiert ist. Das würde er mir nur noch mehr krumm nehmen und seinen Hass steigern. Er würde mir vielleicht vorwerfen, ich würde prahlen, weil er mit mir geschlafen hat. Gott, ich vermisse seine Nähe. Das ist so schlimm wie noch nie zuvor. Jetzt, wo ich ihn hatte, ihn gekostet habe, weiß, wie er sich anfühlt, wie er geschaut hat, als wir uns nahe waren, seinen Geruch, davor, danach, all das bringt mich jetzt um! Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Was bleibt mir also noch außer der Hoffnung, dass Kaorus Wunden irgendwann verheilt sind und ich noch eine Chance bekomme. Ich würde glatt weitere zehn Jahre warten! Mein Handy klingelt und ich schaue träge auf das Display, als ich rücklings im Bett liege. Euphorie kann ich mir sparen. Es ist sowieso niemals Kao, der anruft. Es ist Sho, aber ich gehe nicht ran. Wieso hat der überhaupt Zeit für mich? Toshiya und er telefonieren fast täglich. Macht einen richtig krank! Ich kann nicht mit Sho reden, kann nicht einmal mehr meinem besten Kumpel anvertrauen, was zur Zeit los ist. Zu groß ist die Gefahr, dass er seinem Freund davon erzählt und dann macht es die Runde, Kaoru hackt mir die Eier ab und würdigt mich nicht mal mehr eines abwertenden Blickes. Nein, lieber gehe ich gar nichts erst ans Handy. Wo ist Kaorus Hemd? Fast hektisch taste ich das Bett danach ab, bis ich es endlich finde. Das habe ich versehentlich eingepackt, als ich meine Sachen aus seiner Wohnung räumte. Nicht geklaut, es war wirklich nur ein Versehen! Egal. Es ist alles, was ich noch habe. Ist ein schwarzes T-Shirt, etwas ausgeblichen, denn es ist schon älter. Es riecht wie mein Kao. Mach es nicht nass, Die. Nimm ein Taschentuch für deine Tränen. Und hör auf zu wimmern! Es ist deine eigene Schuld. Du wolltest doch nicht hören! „Argh! Sei still!“ Mich selbst anzuschreien, hilft manchmal. Manchmal auch nicht. Es wird zur Routine. Weil ich keine Lust mehr habe, mit mir selbst zu diskutieren, gehe ich am nächsten Abend dann doch wieder in eine Bar. Es ist dunkel und verraucht. Genau das Richtige, um mich wohl zu fühlen. Ich hocke mich direkt an die Theke und beginne mit dem Kummerbesäufnis. Was gut wirkt, ist alles mit Bier. Bier ist die Basis eines jeden guten Besäufnisses. Und die Basis ist nun mal das Fundament einer guten Grundlage. „Hey Barmann, noch so’n Mai Tai Dingens.“ Daiquiri hatte ich bereits genug und Caipirinha kann ja jeder saufen. Ich stecke mir noch eine Zigarette an und renne die Finger durch die Haare, als ich quasi auf dem klebrigen Tresen lehne. „Ach du—! Wenn das mal nicht die Supertucke ist?“, meldet sich eine schnippische Stimme aus Richtung hinten links. Ich drehe den Kopf leicht, denn mehr ist nicht drin. Ach du heilige Scheiße! Nicht doch die! „Oh fuck!“ Wie war noch ihr Name? „Ach wie schön. Du erinnerst dich,“ grient sie mich an und verschränkt die Arme. „Bitch!“, blubbere ich hervor, aber ich könnte schwören, sie heißt anders. Ich erinnere mich aber nur an Bitch, wenn ich sie sehe. „Fast richtig. Aiko war der Name,“ giftet sie mich liebevoll an und glotzt blöd. „Und deiner war Analratte, oder?“ „Fick dich.“ Warum straft mich der Herr Gott so und schickt auch noch diese dumme Ex von Kaoru zu mir? Er wird sich doch nicht mit ihr verabredet haben? Nein! Nicht hyperventilieren, Die! „Wie geht’s dem Mimöschen denn so?“, lacht sie kratzbürstig und verzieht ihr Schnäuzchen zu einem fiesen Grinsen. „Lass mich einfach in Ruhe, ja?“ Mir ist echt nicht nach Zickenterror jetzt. Ich verrolle die Augen und drehe meinen Kopf wieder gerade, so dass ich vor mich hin starren kann. „Da ist aber jemandem eine fette Laus über die Leber gelaufen,“ verspottet sie mich und pflanzt sich auch noch auf den Hocker neben mir. Ignorieren, sage ich mir, und bloß nicht anschauen, die doofe Nuss. „Nicht mal Resonanz? Was ist los mit dir, Die? Das kenne ich aber anders.“ Sie bestellt sich einen Martini und zündet sich eine SlimLine an. Ich schnaube, viel zu bedrückt, als dass ich mich ihrer Frage schlagfertig erwehren kann. Ich winke halbherzig ab und trinke von dem Mai Tai, den der Barkeeper gerade serviert hat. „Liebeskummer?“, fragt sie gespielt mitleidig. Als ob sie das tatsächlich interessiert! Die würde sich ins Fäustchen lachen, wenn sie wüsste, dass Kaoru mir einen Tritt in den Hintern verpasst hat. Sprichwörtlich. „Noch immer wegen deinem Kaoru?“ Ihre Stimme wird sanfter und sie seufzt. Das macht mich stutzig und ich schaue hinüber zu ihr. „Gib doch wenigstens zu, dass du in ihn verknallt bist.“ „Ist doch egal,“ sprudelt es aus mir und ich schaue wieder weg. Warum sag ich überhaupt etwas? Bin ich noch ganz dicht? „Beißt er nicht an?“ Sie provoziert mich. „Do-hoch.“ Und ich falle darauf herein. Blöd von mir. „Was dann?“, schießt sie wie aus einer Pistole. „Ich hab’s vermasselt, okay? Bist du jetzt zufrieden?“, schnauze ich sie ruppig an und versuche nicht zu lallen. „Jetzt lass mich einfach allein und freu dich oder so...“ Ich versinke in Selbstmitleid. Kratzt sie aber wenig. „Ach deshalb.“ „Was?“ Die Bemerkung irritiert mich zu sehr, als dass ich sie ignorieren könnte. „Kaoru hat mich angerufen.“ Ich hätte nicht fragen sollen. „Keine Angst, Schätzchen, er wollte nicht zurück zu mir. Allerdings... wenn ich gewusst hätte, dass ihr in der Stadt seid...“ Sie lässt die Frage offen, als ich sie mir einem Blick durchbohre und mental um die Ecke bringe. „Nichts für ungut. Ich gehe sowieso mit jemand anderem aus jetzt.“ „Schön für dich.“ Es tröstet mich nicht sehr viel, denn die Tatsache allein, dass er sie angerufen hat, bricht mein Herz von Hundertstel in Tausendstel. „Willst du gar nicht wissen, was er wollte?“, fragt sie und betrachtet ihre Fingernägel. Ja. Nein. Nein. Ja. Ach! „Was denn?“ „Ich dachte erst, er wolle mich verarschen, aber er fragte, ob ich damals gelogen hätte. Vertraut dir wohl doch nicht so, keine Ahnung. Er bat mich, ehrlich zu sein und ihm einfach zu sagen, ob ich dich damals wirklich angebaggert hätte oder nicht.“ Wieder dieses keine arrogante Grienen auf ihren Lippen, das ich so hasse. Oh Kao, warum nur hast du das gemacht? Ich bete zu allen mir bekannten Göttern, dass sie ihn nicht angelogen hat, als ich sie erwartungsvoll ansehe. „Zunächst wollte ich ja lügen, aber dann... Ich bin ja jetzt mit einem anderen Typen zusammen und habe sowieso kein Interesse mehr an Kaoru, also hab ich ihm einfach die Wahrheit gesagt,“ lächelt sie mich an und ich denke fast, sie meint es ehrlich. „Echt?“ Das kann ich trotzdem kaum glauben. „Ja, ich hatte wohl einen netten Moment oder so,“ winkt sie ab und grinst. „Wow.“ Da bin ich baff. „Tja, danke. Schätz ich.“ „Nicht der Rede wert. Die ganze Sache war einfach dumm gelaufen. Hätte ich Kaoru gegenüber nicht solche Vorurteile gehabt, dann hätte die Sache vielleicht funktionieren können. Er ist ja wirklich nett und so,“ plaudert sie plötzlich los und ich frage mich, was aus der Bitch-Aiko geworden ist, die gerade eben noch hier saß. „Auch, wenn er einen Fehler hat.“ „Ach ja? Welchen?“ Kaoru ist perfekt! „Dich, du Dummerchen.“ Sie kichert und trinkt von ihrem Martini. „Der mag dich.“ Ich stehe auf der Leitung. „Hat er...?“ „Das gesagt? Nein, hat er nicht. Aber er redet so oft von dir, dass es einem den Ohren rauskommt. Von den anderen hat er niemals gesprochen und ich habe ihn mindestens dreimal nach eurem süßen Bassisten gefragt.“ Frustriert schmollt sie kurz, lächelt dann aber wieder. Ein kleines Lächeln bildet sich auch auf meinen Lippen. Er hatte also damals schon etwas für mich übrig? Wie süß. Und von den anderen erzählt er nie. Nur dass ich schwul bin, scheint er nie zu erwähnen. Er hat echt ein Orientierungsproblem. Oder auch eines mit den Konventionen der Gesellschaft. Ich weiß nicht. „Magst du mir etwas von eurem Bassisten erzählen?“, fragt sie plötzlich und reißt mich aus meinen Tagträumen. „Totchi? Ich meine, Toshiya. Der ist stockschwul,“ lache ich plötzlich, denn irgendwie ist das doch immer wieder lustig. „War fast anzunehmen,“ lacht sie mit und irgendwie finde ich sie jetzt gar nicht mehr schlimm. Als Rivalin war sie ein Biest, aber als Freundin ist sie vielleicht gar nicht so übel. Was denke ich da? Ach egal. Ich bin betrunken und deswegen stoße ich jetzt mit ihr an. Aiko und ich trinken noch ein wenig und ich erzähle ihr auch, dass Kaoru gerade nicht mehr mit mir spricht. Die Details unserer Nacht lasse ich aus. Sie ist sogar der Meinung, ich solle nicht aufgeben. Ironie des Lebens, nicht wahr? Doch am Ende gibt mir das Gespräch mit ihr wieder Mut und neue Hoffnung. Ich werde Kaoru niemals aufgeben, egal, wie schwer er es mir macht. Er muss einsehen, dass wir zusammen gehören! Danke Aiko, denke ich noch spät in der Nacht und wanke zurück auf mein Zimmer. Am nächsten Morgen bin ich dankbar, dass man im Hotel extrastarken Kaffee serviert und sich Gott sei Dank jeder um seinen Scheiß kümmert und mich nicht belastet. Mit tut alles weh. Toshiya sitzt am linken Kopfende des Tisches und telefoniert, wie könnte es anders sein, und Shinya füttert die Töle mit Leberwursthäppchen. Schon beim Gedanken daran würgt es mich. Ich meine Essen, nicht den Hund. Kyo und Kaoru sind noch nicht da. Bei Kyo keine Seltenheit, aber bei Kao... Und da kommt das Waru bereits hereingewettert. Er stoppt vor dem Tisch und wedelt mit einem Zettel herum, schaut mich an, dann Toto, Shinya, wieder mich, usw. „Wo ist Kaoru?“, grunzt er uns an. Ich zucke mit den Schultern. Toshiya schaut Kyo böse an und dreht sich weg, viel zu vereinnahmt von seinem Gespräch am Handy. „Auf seinem Zimmer, glaub ich,“ meldet sich plötzlich Shin und ich lege verdutzt den Kopf schief. Genau wie Kyo. „Will der vielleicht mal runter kommen? Hier stimmt was nicht mit der Setlist.“ „Er war schon hier, als ich kam,“ erklärt Shinya und schiebt noch etwas von der Pastete in den Rachen des Hundes. „Hat wohl schon lange vor uns gefrühstückt und wollte auf sein Zimmer.“ „Na bravo! Und ich flitz dem jetzt hinterher und kann selber nichts essen oder wie? Ganz toll! Wieso treffen wir uns eigentlich alle um acht zum Frühstück? Er selbst war doch der Idiot, der meinte, zusammen frühstücken wäre wie eine Art ‚Dienstberatung unter Kollegen’. Blah blah...“ Kyo ist meistens gereizt am Morgen, das ist normal. Aber heute ist er besonders stinkig. Ich wittere eine Chance. „Gib her,“ zische ich und nehme ihm den Zettel ab, worauf ich bereits das Problem erkenne. Wer zum Henker hat Mazohyst of Decadence wieder ins Programm genommen? „Setz dich, Kyo, und iss was. Ich klär das mit Kaoru.“ „Ja, aber sag ihm, dass ich das Lied zwar singen würde, aber eine ganz bestimmte Stimmung dazu brauche, okay? Er weiß dann schon,“ mault er und schnappt sich ein Croissant, als er sich auf den Stuhl plumpsen lässt. „Ist aber sicher ein Fehler, denkst du nicht?“, mischt sich Shinya ein und das Gespräch führt sich ohne mich fort, denn ich bin bereits auf dem Weg zu Kaoru. An seinem Zimmer angekommen, klopfe ich und huste kurz. „Wer ist da?“, knurrt es von drinnen und ich wundere mich. Aber ich habe ja einen Vorwand! „Ich, also Die. Kyo hat ein Problem.“ Genug Infos für den Anfang. „Ist offen,“ brummt er und tatsächlich geht die Tür auf, als ich am Knauf drehe. Ich bin etwas überrascht, denn Kaoru sitzt vor dem Fernseher, Controller in der Hand, und spielt PlayStation. Hat er die etwa von Zuhause mitgebracht? „Was hat er denn für ein Problem?“, fragt er und schiebt seinen Rennwagen in eine Kreuzung. „Auf der Setlist steht Mazohyst of Decadence und erst mal wollen wir eigentlich alle gern wissen, warum. Ist das ein Fehler?“ Im Fernseher kommt es zur Massenkarambolage und ich frage mich, seit wann Kaoru denn solche sinnlosen Zerstörungsspiele mag. Ich ja, Kyo sowieso, aber er? „Ist kein Fehler. Hab ich gegen Increase Blue getauscht. Das ging mir auf die Ketten,“ murmelt er und startet sein Auto einmal mehr mit Vollgas. „Oh—kay.“ Warum gerade das Lied gegen das andere würde mich allerdings brennend interessieren. „Aber warum gerade Mazohyst of Decadence ? Wir haben so viele nette Uptempo-Nummern und—“ „Was? Hat Kyo das gesagt?“ Kaoru sprengt sich gerade selbst in die Luft mit seinem Wagen und ich beginne, mir ernsthafte Gedanken zu machen über seine psychische Verfassung. Nicht, dass meine gut wäre. „Nein, Kyo meinte, er würde das Lied singen, aber bräuchte dazu eine ganz bestimmte Atmosphäre. Du wüsstest schon.“ Fragend schaue ich auf Kaoru hinab und hoffe darauf, dass er mich auch mal ansieht, anstatt seine an mich adressierten Erklärungen immer dem Bildschirm entgegen zu brummen. „Ja, ist schon klar. Sag ihm, ich habe mit dem Beleuchtungsteam und dem Tontechnikleiter schon gesprochen. Geht alles seinen Gang,“ erklärt er dem Fernseher und rotzt erneut ein paar Autos, Busse und LKWs weg. „Okay,“ sage ich leise, denn ich bin gerade mehr als nur enttäuscht. Hey, er kann mir doch wenigstens mal in die Augen sehen, wenn wir dienstlich etwas besprechen, oder? Das pisst mich echt an und ich würde am liebsten alles hinwerfen! Aber da es ja meine Schuld ist, verkrieche ich mich lieber woanders und schmolle. „Ach Die?“ Kao dreht sich um und schaut zu mir auf. Hallelujah! Das muss ein Zeichen sein! Endlich! „Ja?“ „Sag doch auch den anderen bescheid, okay? Also Shinya und Toshiya. Sonst sind die beiden wieder sauer, weil ich sie ausgrenze. Dank dir.“ Dreht sich um und rast in eine Mauer! Dankeschön Kaoru! ICH fühle mich ausgegrenzt! Das tut verdammt weh und weil man Schmerz auch gut durch Schmerz bekämpfen kann, drehe ich mich um, beiße ich mir auf die Unterlippe, bis ich den metallischen Geschmack von Blut schmecke, und drücke die Fingernägel so fest wie möglich in meine Handflächen. Wirkt Wunder, denn jetzt würde ich am liebsten Schreien und Heulen, weil meine Lippe pocht und ganz heiß wird. Aua. „Ich halte das nicht mehr lange aus,“ sage ich mir heiserer Stimme ohne ihn anzusehen. „Deine Ignoranz bringt mich um. Warum...“ Nur langsam traue ich mich ihn anzuschauen. „Warum können wir nicht miteinander reden?“ „Ich rede doch mit dir,“ seufzt er ganz unschuldig und sieht mich sogar an. Hätte er jedoch besser nicht, denn der Anblick lässt ihn nicht ganz kalt. Wieder erkenne ich dieses Flackern in den dunklen Augen. Es ist nicht einmal Absicht von mir, dass ich so aussehe. Blutende Lippe, wässrige Augen, müde und todtraurig. „Nicht über uns,“ zittert meine Stimme hervor und ich nehme einen kraftlosen Atemzug. „Weil es da nicht mehr zu reden gibt, Die.“ Seine feste, kalte Stimme macht mir Angst. „Das habe ich dir doch gesagt.“ "Und wenn ich aber noch etwas zu sagen habe?", frage ich verzweifelt und will gerade fortfahren, doch Kaoru ist schneller. "Und was? Dass es dir leid tut? Das hast du schon, danke. Soll ich dir verzeihen? Bitteschön, verziehen. Ich möchte trotzdem keinen Lügner zum Freund!" Ich schüttele den Kopf, als sich Kaoru wieder umdreht zu seinem dämlichen Spiel. "Nein, ich will dir nicht sagen, dass es mir leid tut, denn im Grunde..." Ich muss Luft holen, brauche Mut. "Im Grunde tut es mir nicht leid. Ich kann es einfach nicht bereuen, weil es dir endlich die Augen geöffnet hat und du mir eine Chance geben wolltest. Also ja, ich habe dich angelogen und das war nicht in Ordnung, aber du kannst doch nicht alles hinwerfen. Ich sehe doch, dass du auch noch etwas für mich empfindest!“ Er starrt auf den Bildschirm, oder besser durch ihn hindurch, und sein Blick ist grimmig. Das ist die Fassade, von der ich spreche, die, hinter welcher er sich zu verstecken versucht. „Geh jetzt.“ Das sind seine einzigen Worte, wenn er sie auch flüstert. „Kaoru—“ „GEH!“ Ich kann ihn nur mit großen Augen anstarren, als er mich anschreit. Das ist nicht der Kaoru, den ich kenne. Der schreit niemals. Nicht so laut. Ich kann nicht mehr. Ich spüre die salzigen Tränen, wie sie an meiner Unterlippe brennen. Fliehe. Wenn es sein Wunsch ist, dann gehe ich eben. Ist doch sowieso alles egal. Er will mich nicht mehr, liebt mich nicht mehr, hasst mich. Ich muss raus. Brauche Luft. Ersticke. Meinen Blick nach unten gerichtet, renne ich die Treppen hinunter und merke nur flüchtig, wie ich Personen versehentlich streife, als ich nach draußen gehe. Da ist ein Park hinter dem Hotel. Klein, aber verwinkelt. Dorthin. Ich muss alleine sein. Mit zitternden Händen zünde ich mir eine Kippe an, als ich mich auf einer Parkbank zwischen zwei Hecken setze. Ich nehme eine tiefen Zug direkt in die Lungen und versuche mich zu beruhigen. Heulen wird nichts bringen. Ich habe Verpflichtungen, auch wenn ich gerade lieber den Tod höchstpersönlich treffen müsste, als auch nur ein Crewmitglied oder einen Fan zu sehen. Ich vergrabe mein Gesicht in den Handflächen. Wenigstens findet mich hier erst einmal niemand. „Daisuke Andou! Du sagst mir jetzt sofort, was hier los ist!“ Ende Kapitel Elf. Wassen fieser Cliffie! Aber fällt euch was auf? Ja, es wird noch ein Kapitel mehr geben! XD Fanfiction journal: http://sangha_ff.livejournal.com Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)