Callboys von Stoechbiene (ZoxRo (LyxKa, SaxNa)) ================================================================================ Kapitel 28: After Show ---------------------- 28.Robin After Show Oft ist es im Leben so, dass man unweigerlich an einen Punkt angelangt, an dem man sich entscheiden muss. Gehe ich links oder rechts. In diesem Fall wäre allerdings passender, gehe ich ins Stars oder fahre ich nach Hause. Der kleine blaue Stern ist zweifelsfrei die Eintrittskarte zum Stars, aber ist es auch ebenso zweifelsfrei eine Aufforderung von Ryo sich mit ihm zu treffen? Jetzt? Wie soll das funktionieren oder möchte er mir etwa beweisen, dass er sich an zwei Orten gleichzeitig aufhalten kann? Was steckt dahinter? ‚Hast du das gehört? Sie hat eine Affäre mit drei Männern!’ ‚Ja, und dabei ist einer gutaussehender als der andere!’ Wie kann er mir das bloß antun? Meine Gefühle zu ihm rücksichtslos mit Füßen treten. Gefühle, von denen er gar nichts weiß, die ich ihm aber vor wenigen Stunden am liebsten offenbart hätte. Mein Traum der vergangenen Nächte, nie existierte Zärtlichkeiten, die wir im Schutz einer heißen kalifornischen Nacht tauschten, die mich am Tag begleiten und verfolgen. Ein fiktives Stimmungshoch, niedergeschlagen von der harten Realität, in der andere Frauen diese intime Seite an ihm auskosten dürfen. Oder bin ich selbst schuld daran? Seit ich ihm das erste mal in diesem Nachtclub begegnet bin, als Nami ihn mir als mein Geburtstagsgeschenk vorstellte, verhielt ich mich ihm gegenüber distanziert. Er sollte nicht den Eindruck gewinnen, nein, niemand sollte den Eindruck gewinnen, dass ich im Grunde nichts weiter bin als eine dieser vereinsamten Ehefrauen, die sich nach Liebe und Geborgenheit sehnen und dies bei einem Mann suchen, von dem sie all dies höchstens für ein paar Stunden bekommen und dann auch nur unter der Voraussetzung, dass sie ihn dafür entsprechend entlohnen werden. Doch ich betonte immer wieder aufs Neue, dass ich lediglich mit ihm ausgehen wollte, weil ich keinen Gefallen daran fände allein um die Häuser zu ziehen, aber auf keinen Fall deshalb, weil mich die Sehnsucht beinahe um den Verstand bringt. Es war noch nie besonders klug, sich selbst etwas vormachen zu wollen. Und wenn ich schon einmal dabei bin mich selbst unter Anklage zu stellen, kann ich dies auch gleich bis zum bitteren Ende durchziehen. Früher oder später muss ich der Wahrheit ins Auge blicken, muss einsehen, dass es nicht bloß die Enttäuschung über Ryo ist, der mich mit einer anderen Frau betrügt, sondern vor allem die Tatsache, dass ich nicht einen Moment an der Aufrichtigkeit seiner Worte gezweifelt habe. Wie ein Schulmädchen hat er mich an der Hand gehalten und mich dabei nur das sehen lassen, was ich sehen wollte. Einen charmanten jungen Mann, der diesen Job allein aus einer Notlage heraus ausübt und nicht etwa deshalb, weil er eben wie alle Männer möglichst viele Frauen abschleppen will. Noch immer sitze ich auf meinem unbequemen Bürostuhl, hadere mit mir selbst, ob ich die Zügel, die mein Herz im Zaum halten, loslassen soll oder die absolute Vernunft den Kampf in mir gewinnen lasse, zurück nach Santa Monica zu fahren und Ryo für immer aus meinem Gedächtnis zu streichen. Mein Blick gleitet zu meinem Handy, nicht das erste Mal in den letzten fünf Minuten und sicherlich auch nicht das letzte Mal an diesem Abend. Es wird mich immer an ihn erinnern, an sein Lächeln, an sein verführerisches Parfum, diesen hypnotischen Blick und seine starken Arme, die mich an dem Abend in Pasadena hielten und mir Schutz vor den Menschenmassen boten. Die Zügel schmerzen, schneiden sich tief in mein Herz, das wild in meiner Brust schlägt, als wolle es ausbrechen. Es will zu ihm, sofort, egal wie schwierig der Weg dorthin auch sein mag und ungeachtet dessen, was dieses Treffen mir offenbaren wird, denn nichts ist schlimmer als die quälende Frage nach dem: Was wäre wenn…? Wenn ich nun nicht meine Handtasche geschnappt hätte, irgendwelche Dinge blind hineingepfeffert hätte und wie von der Tarantel gebissen auf die Straße geeilt wäre, um wild winkend ein Taxi zu bekommen? Hätte ich mich tagelang gefragt, ob er wirklich im Stars auf mich gewartet hat? Ob er mir zugelächelt und alle meine Sorgen beseitigt hätte? Der graugrüne Zwanzigdollarschein wandert von meiner Hand in die gebräunte Hand des Taxifahrers, der mich aufgrund des vielleicht doch etwas zu großzügigen Trinkgelds mit seinen blinkend weißen Zähnen anlächelt. Aber was interessiert mich ein Mann in einem gelben Auto, wenn vielleicht in meiner Lieblingsbar der Traum meiner schlaflosen Nächte wartet? Vielleicht aber auch nur. Vor der breiten Glasdrehtür halte ich einen kleinen Moment inne, straffe meine Schultern, fahre mir kurz durch die Haare, um mich schließlich der Herausforderung zu stellen. Wer weiß, was dieser Abend bringen wird? Aber egal was es auch sein mag, ich muss mich meinen eigenen Gefühlen stellen, keine Ausflüchte mehr. Hell blinkt der kleine Stern den Türsteher an, ehe er mir den Weg zum Aufzug freigibt. Ich habe Glück, muss nicht warten, denn die chromfarbenen Türen öffnen sich direkt vor mir und gibt eine Gruppe lachender Menschen, leider samt Alkoholfahne, frei. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass es doch schon recht spät geworden ist. Ich hoffe nicht zu spät... Erneut öffnen sich die Türen und das erste Mal seit meinem unplanmäßigen Aufbruch überfällt mich ein tiefes Gefühl der Scham. Was muss Ryo von mir denken, wenn er mich sieht? Wird er mich auslachen, weil ich ihm wie ein Lemming gefolgt bin? Oder liegt er inzwischen bei Sina im Bett und verschwendet keinen Gedanken mehr an mich? Zögerlich betrete ich den Raum, lasse meinen Blick zur Bar wandern, doch keine Spur von Ryo. Ob er…? „Hi, Süße!“ Schweig still mein Herz! „Musst du mich so erschrecken?“ Aber June lacht bloß. „Ganz cool bleiben, ist doch nichts passiert.“ Wieder lacht sie, offen und ungezwungen. Beneidenswert. „Hast du einen Rückfall?“ „Was für einen Rückfall?“, frage ich sie irritiert, lasse dabei aber meinen Blick beiläufig durch den Raum gleiten. Kein Ryo. „Na einen Spießerrückfall! Du bist angezogen wie das strenge Fräulein von der Nonnenschule.“ „Danke für die Blumen.“ „Keine Ursache. Aber jetzt komm, du siehst aus, als könntest du etwas Unterhaltung gebrauchen.“ Ich möchte mich nicht unterhalten, keine Witze reißen oder auf sonst irgend eine Weise so tun, als würde ich mich amüsieren, denn auch wenn ich mich in dieser tollen Bar befinde, die Sterne über mir glitzern, ich bin allein und keiner ist hier, um mein Herz zu erheitern. Dennoch nehme ich an der Bar Platz, nicke Jessy zu, die emsig damit beschäftigt ist schmutzige Gläser einzusammeln und in eine Durchreiche zu stellen, wo sie von einer eifrigen Hand in Empfang genommen und höchst wahrscheinlich gespült werden. „Erzähl mal, wo hast du gesteckt, dass du hier in diesem Aufzug erscheinst. Theater? Oper?“ An June’s Worten kann ich erkennen, dass sie in ihrem Leben wohl noch nie an einem dieser Orte war, denn dafür wäre ich in meinem dunkelblauen Nadelstreifenkostüm eindeutig underdressed, zumindest wenn man wie mein Vater sich nur mit Plätzen der gehobeneren Klasse begnügt. „Nein, ich war auf einer Ausstellung.“ Ich muss ja nicht verraten, dass ich diese Ausstellung organisiert habe, das ist unerheblich, zudem möchte ich June nicht eine weitere Bestätigung ihrer Worte, ich sei eine Spießerin, geben. „Egal ob Ausstellung oder Theater, das ist beides nichts für mich. Folglich ist es kein Wunder, dass ich dich für eine Spießerin gehalten hab, sorry.“ Trotz oder gerade wegen ihrer Worte muss ich dann doch kurz lächeln, denn obwohl June eindeutig älter ist als ich, wirkt sie oft ausgelassen wie ein Teenager auf mich. Im Hintergrund höre ich die leise Klingel des Fahrstuhls, die erneut die Hoffnung in mir weckt, dass Ryo auf dem Weg hierher ist. Möglichst unauffällig versuche ich einen Blick auf den Eingang zu erhaschen, aber das fällt gar nicht so leicht, wenn selbiger hinter meinem Rücken liegt. Ich riskiere es. Was hab ich schon zu verlieren? Ryo kann ruhig wissen, dass ich auf ihn warte. Das wird er ohnehin sofort merken, wenn er mich hier sitzen sieht. Wenn, denn der Aufzug ist leer, kam nur aus dem Erdgeschoß hier hochgefahren, um ein paar der Gäste nach unten zu bringen. „Hier, ein kleiner Muntermacher. Aber Vorsicht, der haut rein.“ Ich wende mich wieder June zu, die mir auffordernd ein kleines Glas entgegenhält. Zwei Flüssigkeiten, die sich wie Öl und Wasser zu trennen scheinen, doch ein genauerer Blick zeigt, dass die Grenze zwischen beiden stetig zu verwischen scheint. Wir prosten uns kurz zu, ehe jede von uns ihr Glas in einem Zug leert. Oh! Augenblicklich wird mir warm, brennt sich der Alkohol doch langsam meine Speiseröhre hinab. Was zum Teufel war da drin? „Lecker, oder?“ „Schon“, ich huste kurz, „aber eine kleine Vorwarnung wäre ganz nett gewesen.“ Wieder muss ich husten, doch June grinst nur kess. „Etwa Vorsicht Alkohol? Aber wenn das so ist, warne ich dich jetzt besser auch vor.“ Verschwörerisch zwinkert sie mir zu, bedeutet mir aber im selben Moment meine Aufmerksamkeit auf den Eingang des Stars zu richten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)