Callboys von Stoechbiene (ZoxRo (LyxKa, SaxNa)) ================================================================================ Kapitel 40: Destiny ------------------- 40. Robin Destiny Kaum dass sich die beiden Fahrstuhltüren vor mir öffnen, richten sich sämtliche zwei Augenpaare, die sich in dem dahinterliegenden Raum befinden, auf mich. „Wir haben noch geschlossen“, kommt es auch prompt von einem der beiden Barkeeper, die eifrig damit beschäftigt sind den heutigen Abend vorzubereiten. Salsa Party stand auf einem Plakat unten am Eingang, dementsprechend gut besucht wird die Bar bald sein. Kurz zögere ich noch, ehe ich den Lift verlasse und das Stars vollends betrete. Ich erkenne keinen der Menschen wieder die hier eifrig hin und her laufen, aber da Ryo einmal meinte, dass die meisten Angestellten nur Aushilfskräfte wären, wundere ich mich darüber auch nicht länger, sondern sehe mich weiter nach einem bekannten Gesicht um. „Ist June nicht da?“, frage ich einfach in die Runde, während ich langsam auf die Theke zulaufe. Doch ich muss erst gar nicht auf eine Antwort der beiden warten, denn June hat offensichtlich unsere Konversation mitbekommen und kommt aus der Küche geeilt. Verwundert, aber dennoch freundlich sieht sie mich an, bis sie mich schließlich mit einer kurzen Umarmung begrüßt. „Was treibt dich so früh hierher? Kann ich etwas für dich tun?“ Abschätzend blickt sie an mir runter, ehe sie in ihrer unverblümten Art gleich einen Vorschlag parat hat: „Du brauchst ein passendes Outfit für heute Abend?“ Ich lache kurz amüsiert auf. June hat eine besondere Art an sich, Menschen fröhlich zu stimmen, obwohl sie ihnen einfach nur offen ihre Meinung entgegenbringt. „Nein, deshalb bin ich nicht hier. Aber in der Tat wäre es nett, wenn du mir ein paar Minuten deiner Zeit schenken könntest.“ Es ist mir unangenehm sie darum zu bitten, denn zum einen ist mir das Thema peinlich und zum anderen hat sie sicherlich im Moment genug zu tun, denn in einer halben Stunde öffnet ihre Bar. Andererseits konnte ich ja nicht ahnen, dass ausgerechnet heute eine Mottoparty im Stars stattfindet. „Klar! Lass uns ein ruhiges Plätzchen suchen.“ Sie steuert einen der Tische in der Nähe der Bar an und wirft ihr Handy auf den Tisch, das sie in der Hosentasche wohl sonst beim Sitzen stören würde. Ich setze mich zu ihr, wobei ich mir Zeit lasse, denn im Grunde weiß ich noch gar nicht so genau, wie ich anfangen soll. Nami meint zwar immer man solle direkt auf den Punkt kommen, denn alles andere wäre nur Zeitverschwendung, aber sie hat ja leicht reden, sie ist jetzt nicht hier. Ungeschickt krame ich in meiner Handtasche, doch es hilft alles nichts; Jetzt gibt es wohl kein Zurück mehr. Aber es ergibt auch keinen Sinn den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun, als sei alles in Ordnung. Außerdem möchte ich endlich ein paar Antworten! Ehrliche Antworten und nicht wieder in einer Sackgasse landen, um mir die Wahrheit vorzuenthalten. Natürlich weiß auch ich, dass es Gründe für dieses Schweigen gibt, doch die Zeit ist reif mich einzuweihen. Schnell schiebe ich ein Foto über den Tisch und blicke erwartungsvoll in das Gesicht meiner Gegenüber. Sie nimmt es auch in die Hand und für einen kurzen Moment kann ich sehen, dass sie das Bild kennt oder zumindest weiß, worum es geht. „Was ist damit?“, fragt sie und lächelt etwas unsicher. Die beste Schauspielerin ist sie nicht, aber das macht mir die ganze Angelegenheit nur leichter. Dennoch rast mein Puls wie verrückt und ich bete, dass nicht noch mehr unliebsame Überraschungen auf mich warten werden. Aber eigentlich bin ich doch aus genau diesem Grund hier, um Antworten zu erhalten, egal wie unangenehm sie sein mögen. „Das bist doch du, oder du warst es?“, fange ich schließlich an. „Kann sein. Wie kommst du darauf? Das Foto muss ja schon ewig alt sein.“ Sie versucht mir auszuweichen und schenkt mir ein unbeholfenes Lächeln. „Das Tattoo an deinem Hals. Es wäre schon ein besonders großer Zufall, wenn es noch eine Frau in L.A. gäbe, die den gleichen winzig kleinen Kolibri auf den Hals tätowiert hat wie du. Farben und Größe sind schließlich frei wählbar.“ „Was willst du?“ Die Freundlichkeit in ihrer Stimme wackelt. Anscheinend fühlt sich June in die Ecke gedrängt. Ich kann es ihr nicht einmal verübeln. „Der Mann auf dem Foto, woher kennst du ihn?“, hake ich weiter nach. „Ich kenne viele ältere Herren, das bringt dieser Job so mit sich. Was weiß ich, wer das ist!“ Sie greift nach ihrem Handy und ist im Begriff sich wieder zu erheben, doch ich halte sie zurück, indem ich schnell meine Hand auf ihre lege. „Du willst mir doch nicht ernsthaft weißmachen, dass du deinen eigenen Vermieter nicht kennst? Immerhin gehört ihm ein Teil dieses Komplexes, einschließlich der großzügigen Vierzimmerwohnung, in der du mit Jessy wohnst.“ Überrascht sieht sie mich an, ehe sie in den Angriff wechselt: „Und wenn schon! Oder arbeitest du neuerdings fürs Finanzamt?!“ „Nein. Aber dieser Mann auf dem Foto der seinen Arm um dich gelegt hat, dein Vermieter, ist mein Vater.“ Ich muss hart schlucken, bevor mir die Tränen kommen. Als ich nach Ryo’s letztem Besuch die Aufnahmen auf meinem alten Laptop noch einmal genauer unter die Lupe genommen habe, weil ich mehr über die Schwerter herausfinden wollte, bin ich unter anderem über diese Aufnahme gestolpert. Es war ein Schlag ins Gesicht gewesen und noch immer weiß ich nicht, wie ich mit der ganzen Sache umgehen soll. Ich fühle mich von allen Seiten betrogen und habe Angst, dass Ryo ebenfalls in irgendeine Sache verstrickt ist, die am Ende bedeuten könnte, dass es für uns beide keine gemeinsame Zukunft geben wird und ich wieder diejenige bin, mit deren Gefühlen man gespielt und ausgenutzt hat. Mit großen Augen sieht June mich an, ehe sie verstehend nickt und sich wieder vollständig hinsetzt. „Jetzt verstehe ich auch deine Hartnäckigkeit.“ Ein wenig verunsichert streift sie sich mit der Hand durchs Haar, scheint nach Antworten zu suchen. „Du willst bestimmt wissen, woher ich ihn kenne. Ich meine, du wirst sicherlich wissen, dass es nicht im Tennisclub oder so war.“ Sie lächelt ein wenig, aber sie wirkt erschöpft. „Schon. Er ist immerhin mein Vater, auch wenn wir vielleicht nicht das innigste Verhältnis haben, aber ich habe sonst niemanden.“ Außer mit Nami habe ich noch nie mit jemandem darüber gesprochen. Doch ich kann keine ehrlichen Antworten erwarten, wenn ich nicht selbst ehrlich bin, egal ob es mich im Augenblick schmerzt oder nicht. June nickt, doch ihr Blick wirkt nach innen gerichtet, als würde sie in ihren Erinnerungen nach verborgenen Erlebnissen suchen. Unglücklich und traurig sieht sie dabei aus, dass es mir fast leid tut sie belästigt zu haben. „Ich denke ungern an diese Zeit zurück, aber ich weiß auch, dass das Schicksal es letztendlich gut mit mir gemeint hat. Gewissermaßen hatte ich Glück; Jessy und ich hatten Glück. Es ist nicht leicht auszusteigen und als lesbisches Pärchen besonders nicht, schließlich…na ja.“ Hörbar atmet sie aus und sieht mich dann doch direkt an. „Sergej war ein guter Kunde von mir und damit meine ich jetzt nicht, dass er derjenige war, der mich am häufigsten aufsuchte, sondern dass er mir häufig Geschenke machte die so banal wirkten, dass mein Zuhälter kein Interesse daran hatte sie mir wegzunehmen. Gutscheine für die Drogerie um die Ecke oder den Friseur. Das waren für einen reichen Mann wie ihn Peanuts, aber für mich bedeuteten sie bares Geld. Jessy kannte er ebenfalls vom Dungeon. So hieß der Laden, in dem wir uns trafen. Und ich kann dir sagen, der Name hält was er verspricht.“ Kurz räuspert sie sich und wirft mir einen prüfenden Blick zu. Doch ich sitze wie versteinert, beiße fest die Zähne zusammen, um meine Emotionen besser im Griff zu haben. Ich möchte hier nicht in aller Öffentlichkeit in Tränen ausbrechen, das wäre mir peinlich. „Zu dieser Zeit lernte ich auch Ryo kennen und hatte die zweifelhafte Ehre ihn auf seine Rolle als Second vorzubereiten.“ Sie lacht kurz amüsiert auf, während mir das Herz in die Hose rutscht. Second? Augenblicklich schießt mir die Erinnerung an den silbernen Stick in den Kopf, den wir bei einem unserer Treffen verwendeten. „Manchmal frage ich mich wirklich wer auf die Idee kam, aus ihm einen Callboy machen zu wollen. Was das Verkaufen seines Körpers betrifft ist er echt ein bisschen grün hinter den Ohren, zumindest ist er kein Draufgänger. Versteh mich recht. Es ist etwas völlig anderes eine feste Partnerschaft zu haben als sich von fremden Menschen flachlegen zu lassen. Das hat wenig miteinander zu tun. Aber ich kann dich beruhigen, er hat nicht einen Tag als Second gearbeitet und auch zwischen uns lief nie etwas.“ Erleichterung umfängt mich und nur zu gerne glaube ich ihren Worten, dass Ryo nie ein Second gewesen ist. Doch etwas scheint ihr noch auf der Seele zu brennen. „Obwohl,…na ja…er war bis jetzt der einzige Mensch in meinem Leben, der mich in den Arm genommen hat und sagte, dass ich nicht wertlos bin, sondern wichtig. Ich meine jetzt als Freund, ohne Hintergedanken, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Das bedeutet mir nach wie vor sehr viel.“ Sie nimmt erneut das Foto in die Hand und atmet tief durch. „Als Sergej damals ein Treffen mit Jessy und mir buchte, hatte ich ehrlich gesagt ziemlich Schiss davor. Die Typen, die sonst mit ihm in den Club kamen oder besser gesagt die ihn damals mitgebracht hatten, waren nicht gerade angenehme Kunden. Manche Menschen glauben, bloß weil sie Geld haben dürfen sie sich alles erlauben oder nehmen. Dass man keine Gummipuppe ist, wird dabei schon ganz gerne mal vergessen. Egal, das ist zum Glück Vergangenheit. Jedenfalls erzählte er uns von seiner Idee, in einem Hochhaus eine Kneipe eröffnen zu wollen. Ich muss gestehen, ich hatte Angst, dass er uns verarschen wollte. Ich meine, wer kommt denn schon auf die verrückte Idee zwei Huren als Bardamen anzuheuern? Inzwischen weiß ich, dass es genau andersherum war. Er wollte uns befreien und hatte nach einer Möglichkeit gesucht uns in Lohn und Brot zu stellen. Auf dem normalen Arbeitsmarkt hätten wir vermutlich kaum eine Chance gehabt, schließlich haben wir beide keinen Schulabschluss. Ehrlich, ich weiß bis heute nicht, was er für uns alles auf sich genommen hat, aber ich stehe ewig in seiner Schuld.“ Sie legt das Bild zurück auf den Tisch und grinst mich ein bisschen verschmitzt an. „Aber wenn ich schon nichts für ihn tun kann, dann vielleicht wenigstens für seine Tochter. Im Grunde geht es doch um Ryo, nicht wahr?“ Stumm nicke ich, meine Gefasstheit ist wie weggeblasen. „Seit er dich hier angeschleppt hat beobachte ich, wie ihr von mal zu mal vertrauter miteinander werdet. Und dann dieses Treffen, bei dem ihr mich nicht dabei haben wolltet. Spätestens da wurde mir vollends klar, dass ihr euch auf dünnem Eis bewegt. Ich kann nur hoffen, dass ihr keine Dummheiten gemacht habt. Sollte Alvida auch nur einen Hauch davon mitbekommen, wäre das milde ausgedrückt eine Katastrophe. Was nicht heißen soll, dass ich euch nicht verstehen könnte.“ Prüfend mustert sie mich und grinst dabei amüsiert. „Nein! Ich meine, nein, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ Gott ist mir auf einmal warm! „Ich kann nicht gerade behaupten, dass es mich überrascht, dass du noch grüner hinter den Ohren bist als er. Aber das würde ich in eurem Fall sogar als Vorteil werten. Dennoch geht es nicht nur darum, sondern auch, was er dir bereits alles erzählt hat.“ „Ich weiß im Grunde nicht viel, aber ich vermute, dass Alvida ihn mit Diego erpresst, damit er diesen Job macht.“ „Du weißt schon zu viel. Er hätte dir von dem Kleinen nicht erzählen dürfen!“ „Das hat er nicht. Es ist durch einen dummen Zufall herausgekommen. June, bitte. Ich möchte Ryo helfen, aber ich fürchte, ich könnte selbst ein bisschen Hilfe gebrauchen. Und wenn ich noch etwas über Ryo weiß, dann dass er Vertrauen zu dir hat.“ „Ein bisschen Hilfe ist gut. Du musst ein paar Dinge erledigen, bevor er gehen kann, das wird nicht einfach.“ Abwartend sieht sie mich an und im ersten Moment stehe ich völlig auf der Leitung, weshalb sie nicht weiterspricht. Doch dann fällt endlich der Groschen: Sie möchte wissen was ich bereits herausgefunden habe und wie weit ich bereit bin für Ryo zu gehen. „Er schuldet Alvida Geld, das wird sie zurückhaben wollen. Diego muss sicher sein und am besten so wenig wie möglich in Gefahr gebracht werden. Dann dieser Peilsender in seinem Fuß. Dabei fällt mir ein: Hattest du auch einen?“ „Nein. Uns Frauen hält man mit anderen Dingen gefangen, z.B. Gewalt jeglicher Art. Außerdem ist es leichter neue Mädchen für den Strich zu finden als Kerle. Zumindest bei dieser speziellen Art der Prostitution.“ „Oh, okay.“ Ich komme mir schlecht vor. June hat in ihrem Leben sehr viel Leid erfahren und ich verwöhntes Töchterchen habe nichts Besseres zu tun als die beleidigte Leberwurst zu spielen und meinen Vater nicht mehr anzurufen, seitdem ich vor ein paar Tagen dieses Foto von ihm gefunden habe. Dabei ist Familie doch das wichtigste. „Du weißt doch schon eine ganze Menge. Aber wie willst du vorgehen?“ „Diego und Ryo nehme ich zu mir, dann rede ich mit Alvida.“ „Und während du mit ihr verhandelst, hetzt sie ihre Bluthunde auf die beiden. Nein, nein. Der Peilsender muss zuerst weg und am aller besten wäre es, wenn du gar nicht erst in Erscheinung treten würdest. Sobald sie weiß wo er künftig wohnen wird, wird sie euch nicht in Ruhe lassen. Ryo ist unter den Thirds ihr absoluter Liebling. Für sie ist er sogar wertvoller als einer der meisten Seconds, weil er neue Kundinnen schnell an Seconds oder Firsts weiterleitet und die Jungs ihn allesamt respektieren. Sogar ihr bester First lässt nichts auf ihn kommen. Du siehst, Alvida wird dir sicherlich nicht gerade vor Begeisterung um den Hals fallen, wenn du ihr mitteilst, dass du ihren Ryo gerne für dich behalten würdest.“ „Daran habe ich nicht gedacht. Ich bin eher davon ausgegangen, dass er lediglich einer von vielen für sie darstellt. Eine Nummer, mehr nicht.“ Müde reibe ich mir über die Augen. Die letzten Nächte erwiesen sich als nicht besonders erholsam und diese ganzen Schwierigkeiten werden eher mehr anstatt weniger. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)