Callboys von Stoechbiene (ZoxRo (LyxKa, SaxNa)) ================================================================================ Kapitel 36: Seelenheil ---------------------- 36. Nami Seelenheil Ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Wollte wissen, was echt und was gespielt ist. Immerhin geht es um Robin's Seelenheil, ihr Glück, ihre Lebensfreude und da wäre ich sicherlich die letzte die dabei zusehen würde, wie sie in ihr Unglück rennt. Ich bin ihre Freundin, ich beschütze sie! Sie braucht jemanden der auf sie achtet, denn in ihrer Verletzbarkeit, ihrer Scham, all dem was Zero ihr angetan hat und von dem ich mit Sicherheit auch nicht alles weiß, soll sie dieses Mal verschont bleiben, sofern dies in meiner Macht liegt. Ich wünsche ihr Glück, Zufriedenheit und einen Mann, der es schafft sie aus ihrem Alltag zu befreien und keinen Fettsack, der versucht ihr all das zu nehmen, was sie sich selbst durch Fleiß und harte Arbeit aufgebaut hat. Zero soll sich nicht wagen, noch einmal in ihrem Leben aufzutauchen, andernfalls kratze ich ihm die Augen aus! Kurz flammt wieder diese unbändige Wut in mir auf, die ich jedoch mit einem Schluck Saftschorle schnell hinunterspüle. Es fällt mir schwer mir selbst zu verzeihen, dass ich damals nicht für sie da war, als sie mich so dringend brauchte. Mein Studium stand zu diesem Zeitpunkt für mich im Mittelpunkt, aber auch Partys, Flirts und die Suche nach mir selbst, meiner Unabhängigkeit. Doch es war falsch sich von Familie und Freunden zu distanzieren, nur um hinterher festzustellen, dass sie genau das sind, was mein Leben am meisten braucht. Aber so wie ich sie brauche, brauchen sie auch mich und das gibt mir das Gefühl von Glück und die Gewissheit ich selbst sein zu dürfen. Egal, es geht hier nicht um mich, ich sollte nach Robin sehen, nicht meinen Aggressionen frönen. Es ergibt schließlich keinen Sinn auf die Vergangenheit zu schimpfen, wenn doch die Gegenwart meine Aufmerksamkeit fordert. Und kaum habe ich die Terrassentür erreicht und sehe zu Robin, ist meine Wut schon längst vergeben und vergessen und stattdessen diesem quietschigen Gefühl gewichen das mich immer befällt, wenn ich Liebespärchen sehe. Dicht sitzen sie zusammen am Beckenrand des Swimmingpools, ihre Gesichter nicht weit voneinander entfernt und tauschen kleine Blick aus. Zudem scheint Robin entgegen ihrer sonstigen Art versucht zu haben auf Tuchfühlung mit ihm zu gehen, doch er unterbindet dies, hält ihre Hand lieber fest in seiner. Er ganz der Profi und sie endlich das, was sie nie sein durfte. Ich kann sie beide ja verstehen. Zwar sehe ich nur Ryo's nackte Rückenpartie, aber die allein lässt erahnen, dass sein gesamter Körper gut trainiert ist. Und dass bei solch einem Anblick selbst Robin schwach wird, nun, wer kann es ihr verdenken? Also ich bestimmt nicht! Er ist ein verdammt hübscher Kerl, den ich ebenfalls nicht von der Bettkante stoßen würde, sollte ich je das Glück haben, dass er sich dort niederlassen würde. Aber so wie es aussieht, würde er ein anderes Schlafzimmer vorziehen. Robin ist ja auch eine sehr attraktive Frau, mit der wohl kaum ein Mann ein Schäferstündchen ausschlagen würde. Das kann selbst Ryo nicht leugnen, besonders nicht, dass ihm vorhin gefallen hat, was er gesehen hat. Umsonst wird er schließlich nicht in den Pool gesprungen sein. Tja, das ist wohl einer der größten körperlichen Vorteile einer Frau gegenüber einem Mann: Wir können noch so erregt sein, aber man sieht es uns nur an, wenn wir wollen. Dabei kann er von Glück reden, dass seine Gegenüber einen so zurückhaltenden Charakter besitzt. Ich an ihrer Stelle würde zumindest versuchen ihn zu verführen, besonders wenn ich mir seiner Zuneigung sicher sein könnte, so wie es bei den beiden der Fall ist. Doch es kann nicht ungefährlich sein eine verbotene Liaison mit einem Callboy zu haben. Zeit also, dass ich die beiden unterbreche, oder besser gesagt, etwas mehr über ihr Verhältnis zueinander herausfinde. Sollten die beiden wirklich echtes Interesse aneinander haben, dann müssen wir mehr über Ryo und seine Gesamtsituation in Erfahrung bringen, andernfalls können wir ihm nicht helfen, falls wir das überhaupt können. Das Geschäft mit der Prostitution ist ebenso vielschichtig wie brutal und gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass wir behutsam vorgehen und genau wissen, mit wem wir es zu tun haben. Ich möchte nicht schuld daran sein, wenn es hinterher schlimmer für Ryo ist als vorher. Und wie es eben meine Art ist wenn ich Geheimnissen, egal ob groß oder klein, auf der Spur bin, selbstbewusst und ein bisschen unverblümt vielleicht, gehe ich zu den beiden rüber und lasse ich mich neben Robin auf dem sonnenwarmen Boden nieder und lehne mich an sie. Die beiden Turteltauben unterbrechen ihre leise Konversation, ein letzter schüchterner Blick, ehe sie mir ihre Aufmerksamkeit schenken. Wohl zurecht, immerhin habe ich dieses Treffen arrangiert, ohne zuvor meine Absichten mit Robin zu besprechen. Zum Glück ist sie so sehr auf Ryo fixiert, dass sie wohl einfach vergessen hat mit mir zu schimpfen. Gut, als ich ihr vorhin ins Badezimmer gefolgt bin, musste ich mir anhören wie peinlich die Situation gewesen sei. Allerdings hat sie sich nicht darüber beschwert, dass ich ihn überhaupt zu ihr bestellt habe. Ja, auch Robin scheint Schwächen zu haben und eine davon sitzt mir gegenüber; ein rassiger Callboy! Immerhin beweist sie Geschmack. Doch wie immer gibt es auch in diesem Moment einen Makel, einen Umstand der Fragen aufwirft. Und genau deshalb bin ich hier, um Klarheit zu schaffen. „Du bist beschädigt. Sicherlich nicht einfach für Alvida mit diesem Problem umzugehen.“ Selbstredend haben meine Worte ihre Wirkung nicht verfehlt und sowohl Ryo als auch Robin sehen mich an. Aber während Robin sichtlich nicht zu wissen scheint wovon ich spreche, kann ich in seinem Gesicht so etwas wie Scham und Reue erkennen. Was mag nur geschehen sein? Doch während ich mir noch den Kopf zerbreche, wie ich die Wahrheit aus ihm herausbekommen soll, beginnt er von sich aus das Gespräch, aber anders als ich erhofft hatte. „Vertraust du Nami? Ich meine durch und durch?“ Robin stutzt einen Moment, scheint aber dann doch zu verstehen worauf er hinaus will. „Sei ehrlich Nami, weshalb hast du Ryo hierher bestellt?“ Nanu? Weshalb ist sie so misstrauisch? Ich sollte der Sache auf den Grund gehen. „Ich wollte dir einen Gefallen tun“, starte ich meinen Ablenkungsversuch. Vergeblich, wenn ich mir Robin’s Gesichtsausdruck anschaue. „Mit meiner Kreditkarte?“ „Na schön, du hast ja recht. Ich wollte Ryo auf den Zahn fühlen, sehen wie er auf dich reagiert wenn du genervt aus der Uni kommst und ihn nicht anlächelst, so wie du es sonst sicherlich tust.“ Der Schuss ging ja wohl nach hinten los. Sie kennt mich einfach zu gut. „Und mit deinem Job hat dies alles nichts zu tun?“, hakt sie weiter nach. „Nein!“ Ach herrje, daran hatte ich überhaupt nicht gedacht! „Ich schwöre, ich bin hinter keiner Story her und mein Chef weiß von nichts. Es geht mir wirklich nur um dich, Robin. Ehrlich, bei allem was mir heilig ist.“ Kurz mustert sie mich, ehe ihr Lächeln zurückkehrt. „Es tut mir leid, Nami. Die ganze Situation ist ziemlich verworren und um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass du hier bist.“ Und als ob das nicht schon überraschend genug wäre, dass sie mir offen ihre Gefühle anvertraut, umarmt sie mich auch noch, dass ich ihren nervösen Herzschlag spüren kann. Es ist wohl wirklich gut, dass ich hier bin und mich eingemischt habe. „Ich möchte dir ehrlich helfen, deshalb habe ich Ryo hierherkommen lassen.“ Ein wenig schiebe ich sie von mir weg, um ihr besser in die Augen blicken zu können. Sie soll wissen, wie ernst es mir ist. „Es ist eine Sache für einen gutaussehenden jungen Mann zu schwärmen, aber er ist nun mal nicht der Postbote oder einer deiner Kollegen von der Uni. Er lässt sich sein Lächeln teuer bezahlen, aber das sicherlich auch nicht ohne Grund. Was ich sagen möchte, ist, dass diese Jungs nicht selten etwas auf dem Kerbholz haben und deshalb in diese Lage geraten sind. Und es tut mir leid wenn ich das so direkt sage, aber Ryo’s Narbe verstärkt leider den Verdacht in mir, dass er schon einmal etwas illegales getan hat.“ Für einen Moment schweigen wir, liegt das Gesprochene doch schwer in der Luft. Vielleicht bin ich die ganze Angelegenheit etwas zu hart angegangen, aber ich möchte einfach nicht, dass Robin wieder verletzt wird. „Mir ist dieser Gedanke auch schon gekommen und Ryo wollte mir gerade davon erzählen.“ Sie wendet sich wieder ihrem Besucher zu, der zustimmend nickt. Anscheinend ist es ihm wirklich ernst. Ich bin gespannt auf das, was er uns erzählen wird. „Meine Frau und ich haben uns im Dojo ihres Vaters kennengelernt. Kendo ist-“ „Diese Verletzung stammt von einem Katana?“, fällt Robin ihm ins Wort. Anscheinend ist sie schon wieder drei Gedankengänge weiter als ich, denn ich verstehe nur Bahnhof. „Ja, so ist es. Es ist bei einem illegalen Straßenkampf passiert.“ Etwas verlegen fährt er sich kurz mit der Hand über einen Teil der langen Narbe, die mehr als deutlich seinen durchtrainierten Brustkorb ziert. „Und was hat das damit zu tun, dass du als Callboy arbeitest?“, bringe ich mich wieder ins Gespräch. „Als meine Frau und ihr Vater bei einem Autounfall ihr Leben verloren, konnte ich allein die Kredite nicht mehr bezahlen. Das Anwesen wurde verkauft und das Geld ging größtenteils an die Bank und den Rest brauchte ich für die Beerdigung und für die Verschrottung des Wagens. Da man den Unfallverursacher nie gefunden hat, blieb ich auf den Schulden sitzen, denn die Versicherung sah sich nicht in der Bringschuld. Aber das war nicht das einzige Problem. Koshiro, mein Schwiegervater, hatte sich auch Geld von einem privaten Kreditgeber geliehen, um die Immobilie auch renovieren zu können.“ Er meint wohl einen Kredithai. Aber wer leiht sich schon Geld von so jemandem, nur um ein bisschen zu renovieren? Klingt für mich eher etwas unglaubwürdig. „Das Dojo hatte Kuina’s Urgroßvater erbaut, nach traditionellem Vorbild. Aber die Familie musste es billig verkaufen, nachdem…sie LA verlassen mussten. Es war immer Koshiro‘s größter Wunsch, die Ehre der Familie wiederherzustellen. Zwar gab es einen kleinen Wiedergutmachungskredit, wenn man es so nennen möchte, aber dieser reichte bei weitem nicht aus, um den geforderten Kaufpreis aufbringen zu können. Zudem musste das Haupthaus von Kern auf saniert werden. Es war komplett verwüstet. Also lieh er sich das Geld auf der Straße…“ So ganz verstehe ich das alles noch nicht. Wieso musste die Familie seines Schwiegervaters LA verlassen? Und weshalb kehrten sie dann doch wieder hierher zurück, wofür sie sich offensichtlich komplett verschulden mussten? Und als ob der Grad meiner geistigen Verwirrung nicht schon groß genug wäre, muss Robin auch noch einen obendrauf setzen: „Ist er…in einem Internierungslager gewesen?“ Was?! „Nein, aber seine Eltern. Er sagte immer, dass seine Mutter diese Ungerechtigkeit nie verwunden hätte und schwere Depressionen deshalb hatte. Ich habe beide nie kennengelernt; sie sind wohl nicht sehr alt geworden.“ Robin nickt verstehend und greift aufmunternd nach seiner Hand. Ich muss gestehen, Geschichte war nie mein Lieblingsfach und ohne Robin hätte ich es in der Schule diesbezüglich sehr schwer gehabt. Aber ein Internierungslager mitten in den USA? Ich weiß, dass Robin jedes Jahr zu einem Treffen mit ihrem japanischen Kollegen fährt und danach ist sie immer sehr betrübt. Sie sagte einmal, dass jedes Land dunkle Zeiten im Laufe seiner Geschichte durchlebt hätte und man dürfe nicht aufhören darüber zu sprechen, denn man könne nur daraus lernen. Ich sehe schon, ich werde in der nächsten Zeit nicht darum herum kommen mal ein wenig mein Wissen über amerikanische Geschichte aufzufrischen. „Und wie bist du dann Alvida in die Hände gefallen?“, hakt Robin weiter nach. Sie ist wieder der Wahrheit auf der Spur. Ich habe Robin immer bewundert. Ihre Art analytisch zu denken, jede Frage beantworten zu können wenn es darauf ankommt und dabei doch ihre Natürlichkeit zu bewahren, einfach sie selbst zu bleiben, nie überheblich. Wann immer ich mich in eine ihrer Vorlesungen geschlichen habe, ihrem Vortrag lauschte und dabei stets ins Staunen geriet, wie unterhaltsam und witzig sie ihren Studenten den Lernstoff vermittelt, sah ich voller Achtung zu ihr auf. Und selbst jetzt, wo es eigentlich um eine sehr private Angelegenheit geht, behält sie dennoch den Überblick und das ist gut so. Ich hatte befürchtet, dass Ryo Robin um den Finger wickelt, ihr irgendeinen Mist auftischt, doch sie scheint zu wissen, um welchen Aspekt der amerikanischen Geschichte es sich hier handelt und ob somit seine Erzählung glaubhaft ist. Diesbezüglich vertraue ich ihr blind. „Sie hat die Schuldscheine aufgekauft und somit stand ich plötzlich in ihrer Schuld, nicht mehr in der des Kredithais. Zudem…“, kurz fährt er sich durchs nasse Haar, scheint nicht so ganz mit der Sprache herausrücken zu wollen. Ob er uns doch etwas wichtiges verschweigt? „Ich hatte also recht…damals…“, fügt Robin hinzu. Er nickt nur. Und ich sitze hier und merke aufs Neue, dass es Dinge zwischen den beiden gibt, von denen ich bei weitem keine Ahnung habe. Es scheint nicht das erste Mal zu sein, dass sie über dieses Thema miteinander sprechen. „Damals war Diego noch ein Baby und Alvida bot mir an, ihn gegen meine Freiheit zu verkaufen. Aber was für eine Freiheit hätte das sein sollen? Ich konnte dieses kleine Wunder nicht gegen einen Haufen Dollars eintauschen. Ich bin sein Vater und ein Leben ohne ihn, wäre dem Tod gleichgekommen.“ Robin greift erneut nach Ryo’s Hand, drückt sie fest. Ich dagegen bin einfach nur sprachlos! Ryo hat ein Kind? Einen kleinen Sohn? Und Robin weiß davon offensichtlich! Einen einzelnen Menschen diesem Milieu zu entreißen ist schon keine leichte Aufgabe, aber zwei? Ein kleiner Junge mag im ersten Moment wertlos erscheinen für diese Alvida, aber es gibt genug Perverse und Verrückte, die hinter kleinen Kindern her sind und Geld für sie bezahlen. Nicht auszudenken, was so einem kleinen Knirps alles widerfahren könnte. Schnell wende ich meinen Blick ab und starre ins tiefe Blau des Swimmingpools. Ich darf mich nicht in diesen negativen Gedanken verlieren, damit wäre niemandem geholfen. Aber es ist schwer Angst, Wut und Hass außen vor zu lassen, wenn solche grausamen Themen angesprochen werden. Tief atme ich ein, zähle gedanklich bis drei, ehe ich mich wieder an dem Gespräch beteilige. Wir brauchen einen Plan. Doch ein solcher kann nur funktionieren, wenn wir einen kühlen Kopf bewahren. „Ich gehe mal davon aus, dass sie dir sämtliche Papiere und deine letzten Habseligkeiten abgenommen hat. Richtig?“ „Ganz recht, Nami. Sowohl meinen Ausweis, als auch meinen Führerschein und sämtliche Geburtsurkunden, Unterlagen, einfach alles. Mein einziger Besitz waren drei Katanas, die sie als Pfand ebenfalls einbehalten hat.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)