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Wer braucht schon Psychologie?!

Andrew und Nuka
von

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Der Patient

Hi!

Dies hier ist die erste Story, die ich zu animmexx schicke und ich hoffe, es wird nicht die letzte sein! ^_~ Dies hier wird wohl ein längeres Projekt.

Ich widme das hier: meinem Haruutier!! (Ich hoffe du siehst dir das hier an, nachdem du das sowieso schon alles gelesen hast!) und Dunkelelfe! (Die das hier dämlich findet... (:p) Selbst Schuld! Es wird immer besser! Du verpasst was!) Und dem krümeligen Dinatier!

Tjaa....Viel Spaß und es wird in den nächsten Teilen spannender!! Versprochen!!^_^

Gruß Niemue
 

Der Patient

Andrew war nervös. Er wusste zwar, dass er für alles gewappnet war, er lange und intensiv studiert hatte und auch schon ein klein wenig Erfahrung mit Patienten hatte. Aber natürlich nicht mit solchen Patienten! /Worauf habe ich mich da nur eingelassen?!/, fragte er sich und folgte dem Wachmann durch die engen Gänge des Gefängnisses. Er seufzte leise. Der Mann vor ihm warf ihm ein Grinsen über die Schulter zu. "Nervös, huh?! Keine Sorge. Die Akte, die Sie da gelesen haben sagt überhaupt nichts über seinen Charakter aus! Die par Ausbruchversuche, Prügeleien -vor allem mit den Wachleuten- und sein Boxtraining sagen wirklich überhaupt nichts aus! Er ist ein ganz ruhiger und intelligenter Kerl. Der tut Ihnen nichts, weil er genau weiß, dass man ihm dann wegen Mordes noch mal 15 Jahre geben könnte. Obwohl...wenn Sie ihn reizen und etwas Falsches sagen, dann könnte er vielleicht ausflippen. Das passiert ihm manchmal. Man hat mir gesagt, das ist weil er diese Depressionen hat, aber Sie sind ja ein prima Psychologe! Das kriegen Sie hin! Sie sind ja extra gerufen worden, um die Depressionen wegzutherapieren. Obwohl...Sie sehen mir noch recht jung aus! Haben Sie denn schon viel Erfahrung?! Man braucht Erfahrung, wenn man mit ihm vernünftig umgehen will. Er kann manchmal schwierig und stur sein! Aye?!" Das Zwinkern des Mannes ließ Andrews Sorge noch mehr steigen wie auch seine langsam aber sicher aufsteigende Übelkeit.

/Das ist doch alles ein schlechter Witz...So eine verdammte Sch...Nicht aufregen, Andrew! Du schaffst das! Das packst du locker! Neulich dieser Mrs. Murphy und dem kleinen Jungen vorige Woche konntest du auch helfen!/ Er atmete hörbar ein und wieder aus. Dann kam ihn ein weiterer Gedanke, ein Gegenspruch, fast eine Erwiderung: /Aber das war eine 70jährige Frau, deren einziges Problem war, dass ihre Katze gestorben war und ein Junge, dessen Mutter nicht genug Zeit für ihren Bengel hatte! Kein gefährlicher und wohlmöglich wirklich geisteskranker Vergewaltiger und Mörder, der jetzt schon 5 Jahre hier drin sitzt und vielleicht noch 10 Jahre verbringen wird! Verdammt!/ Andrews Nervosität stieg von Atemzug zu Atemzug und er war sogar ein wenig zittrig, als er in den kleinen Vernehmungsraum trat und seine Tasche auf den weißen Tisch in der Mitte legte. "Ich lasse Sie sich jetzt mal sammeln, Mr. Bucker. Hab gehört, Psychologen tun das vor einer Besprechung. Ich schicke ihn Sträfling Nummer 433 gleich." Der Mann zwinkerte abermals, machte damit einer Eule Konkurrenz und schloss hinter sich die Türe.

Kaum hatte er sich hingesetzt wurde die Tür wieder geöffnet. Andrew spannte sich und blickte zur Tür. Doch was er sah, war nicht der erwartete, 27jährige Russe, sondern ein weiterer Wachmann. Einer von der älteren Sorte. "Entschuldigen Sie, Sir. Aber dürfte ich ein paar kurze Worte mit Ihnen über Nuka reden?!" Andrew hob leicht eine Augenbraue. /Nuka?! Scheint vertraut mit dem Kerl zu sein...Na ja...bis Sanatchev kommt, kann ich ja schon einmal etwas über ihn herausfinden.../ "Ja, natürlich. Ich nehme an, Sie sind etwas vertrauter mit ihm?!" Der Wächter nickte und ließ sich nach kurzem Zögern auf dem Plastikstuhl ihm gegenüber nieder. "Also...", fing er an und trommelte mit seinen Fingern auf der Tischplatte herum, etwas, was Andrew jetzt nun fast seinen letzten Nerv raubte, "ich denke, Sie haben einen falschen Eindruck von ihm...Seine Akte sieht schlimm aus. Es stimmt schon, dass er hier als aggressiv und leicht reizbar gilt, aber das ist nur an seinen schlechten Tagen! Das fing alles erst vor etwa 5 oder 6 Monaten an." "Was fing an?", unterbrach Andrew ihn. Der Wachmann warf ihm einen kurzen, abschätzenden Blick zu. "Nun ja...Da ist ein neuer Sträfling eingetroffen und in seine Zelle verlegt worden...Die beiden kannten sich noch von früher und Nuka hat sich wohl an seine Vergangenheit erinnert. Seit dem ist er immer sauschlecht drauf. Er hat sich selbst verletzt, hat irgendetwas Spitzes gefunden und sich den Arm aufgerissen, sobald er die Gelegenheit dazu gefunden hat. Wenn ich ihn darauf angesprochen habe, ist er immer ausgeflippt. Das ist auch die Prügelei mit dem Wächter, das war ich. Normalerweise verstehen wir uns prima. Ist was besonderes, der Kerl. Ist am Anfang öfters wegen Rassismus unter den Gefangenen zusammengeschlagen worden, hat sich aber nicht unterkriegen lassen. Wollte auch nicht sagen, wer's war. Harter Kerl ist er. Sehr solidarisch."

Andrew hörte mit gerunzelter Stirn zu, er wollte etwas sagen, wurde aber wieder aber davon abgehalten. "Aber das ist noch nicht alles! Als ich mal Nachtschicht hatte, hab ich nachgesehen, ob bei ihm alles in Ordnung ist. Er hatte Alpträume und hat im Schlaf wirres Zeug geredet. Hörte sich ziemlich schlimm an. Und soweit ich das von anderen gehört habe, macht er das jetzt seit ungefähr 2 Monaten in jeder Nacht durch. Der scheint nicht viel zu schlafen und hat öfters Ringe unter den Augen."

Die Tür wurde wieder geöffnet. Der ältere Wachmann sprang auf und grinste die Neuankömmlinge schief an. Es sah fast so aus, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Der Wächter von eben trat ein und grüßte Andrew mit einem Nicken und einem breiten Grinsen. Dieser seufzte leise. Der Mann ging ihm mit seiner überirdisch guten Laune auf die Nerven. Derjenige, der hinter ihm heraustrat ließ ihn jedoch überrascht die Augen aufreißen. Das war wohl ein schlechter Witz! Das da war kein Vergewaltiger! Das war ein Supermodel! Der hatte eine Vergewaltigung nicht nötig! Der konnte wirklich jeden haben! Da ihm nur Ausschnitte aus der Akte vorgelegt wurde, Name, Alter, Geburtsort, Verhalten und so etwas in der Art, hatte er keinen blassen Schimmer, wie der Mann aussah. Und vor allem wie gut er aussah. Andrew war vollkommen unvorbereitet gewesen.

Das, was ihm sofort auffiel, waren seine strahlenden, tief grünen Augen, die ihn ebenso überrascht anblitzten. Er schien wohl ebenfalls nicht mit so einem jungen Psychologen gerechnet zu haben. So sehr Andrew von seinen Augen auch gefesselt war, wurde der Sichtkontakt unterbrochen, als der ältere Wachmann auf den Sträfling herantrat, ihm kurz auf die Schultern klopfte, ihm etwas zuflüsterte und dann in die Knie ging um seine Fußfesseln zu lösen. Andrew konnte nicht anders und fuhr mit seinem Blick über den Körper des Sträflings. Groß, mindestens 1,90, breite Schultern, trainierte, gebräunte Oberarme, auf denen jedoch lange, weiße Narben zu sehen waren, die von Schnittwunden herrührten. Typische Spuren vom *Ritzen*. Große, kräftige Hände, die wohl ziemlich fest zupacken konnten. Als sein Blick zu seinen Beinen fuhr musste er schlucken. Lange Beine! Auch wenn sie in der orangen Gefängnishose ein wenig komisch aussahen. Andrews Augen wanderten wieder zu seinem Gesicht. Markante, fein geschnittene und kräftige Gesichtszüge, der Schatten eines Dreitagebarts, der ihm einen verwegenen Eindruck verschaffte, hellblonde Haare, hinten kurz nach vorne immer länger werdend, so dass sie ihm ins Gesicht und vor die wundervollen Augen fielen. Das Gefängnis schien einen guten Friseur zu haben. Außerdem hatte er eine lange, kräftige Nase. Der einzige Makel war, dass sie ein klitzekleines Stückchen schief war. Es war fast nicht zu bemerken. Wahrscheinlich hatte sich der Russe mal die Nase gebrochen. Er hatte schmale Lippen, die neutral, fast ein wenig gleichgültig und gelangweilt lächelten, als ginge diesen Mann diese ganze Sache überhaupt nichts an. So etwas hatte Andrew erwartet. Er wusste, dass es genau in diesem Moment hinter der Stirn des Sträflings arbeitete. Wie bei jedem Patienten.

"Haben Sie jetzt genug gegafft, Sir?!" Andrew zuckte zusammen, als ihn die tiefe, irritierender weise belustigte Stimme aus seinen Gedanken riss. Andrew seufzte auf. Er bemerkte, dass sein Gesicht warm wurde und er war sich sicher, dass er rot geworden war. /Wieso musste mir das wieder passieren?! Verdammt! Warum werde ich rot?! Nimm dich zusammen, Andrew!/ Er schüttelte kurz seinen Kopf und öffnete um sich abzulenken seine Ledertasche. Mit einem Seufzen zog er den Block heraus, in den er seine ersten Notizen über den Sträfling Nuka Sanatchev geschrieben hatte. Er würde wohl etwas hinzufügen müssen: Der Kerl war verdammt attraktiv! Andrew ermahnte sich in Gedanken, sich zusammen zu nehmen und deutete gezwungen ruhig vor sich auf den Plastikstuhl. "Setzen Sie sich bitte, Mr. Sanatchev. Ich will ohne Umschweife beginnen." "Natürlich, Mr...Wie war noch gleich ihr Name?!" Andrew seufzte abermals auf und betrachtete seinen Patienten, der sich ihm gegenüber an den Tisch stellte. "Andrew Bucker."

Sanatchev nickte und ließ sich auf dem Stuhl nieder. Schwerfällige Bewegungen. Andrew hob eine Augenbraue. Nuka Sanatchev sah erschöpft aus. Er saß leicht vorgebeugt und stützte sich schwer auf seinen Ellbogen auf. Auch fiel ihm jetzt auf, dass der Sträfling wirklich Ringe unter den Augen hatte. Er schien wirklich nicht gut zu schlafen. Andrew veranlasste die beiden Wachen mit einem Nicken den Raum zu verlassen. Schließlich waren sie allein, saßen sie sich gegenüber und schwiegen sich an.

"Wollen...Sie nicht anfangen?!" Die Stimme des Russen zerriss förmlich die Stille. Andrew lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war nervös. Hatte regelrecht Lampenfieber. Doch er unterdrückte das Gefühl. Er rief sich die Worte seines Professors in Erinnerung. /Erst einmal langsam vortasten! Sie müssen ihren Patienten einschätzen können! Lassen Sie ihn mit dem Reden beginnen. Danach können sie immer noch direkte Fragen stellen./ "Warum fangen Sie nicht an?!" Nuka runzelte die Stirn. "Und womit?!" Andrew zuckte die Achseln. "Womit Sie wollen. Erzählen Sie mir, warum Sie mich gerufen haben. Es muss ja einen Grund geben. Erzählen Sie mir von ihren Problemen. Sonst bin ich umsonst gekommen." Nuka schien einen Augenblick zu überlegen. Dann nickte er. "Gut...Ich fange an..." Andrew wurde mit einem Schlag hellhörig und aufmerksam. Das leichte, fast nicht zu hörende Zittern, das in Sanatchevs Stimme mitgeschwungen hatte, hatte Alarmglocken in Andrews Kopf schlagen lassen. Unsicherheit! /Was geht in ihm vor...?/ Aufmerksam und konzentriert musterte er sein Gegenüber. Versuchte jede noch so winzige Veränderung seines Mienenspiels zu analysieren. Seine Körpersprache zu übersetzen.

Die leicht zusammengezogenen Augenbrauen. Die dadurch leicht gerunzelte Stirn. Die Augen, die verzweifelt umherhuschten, versuchten sich an irgendeinem Punkt auf dem Tisch festzuhalten und schließlich an einem langen Kratzer im Holz anhielten. Die Finger, die er ineinander verschränkt hatte, jedoch gleichzeitig miteinander rangen. Er machte von einer Sekunde auf die nächste einen zerwühlten Eindruck. Auch die krampfhafte Stille, die nun von ihm ausging, zeigte dies deutlich. "Anscheinend wollen Sie doch nicht anfangen. Gut. Ich denke so weit sind wir auch noch nicht. Wir sollten uns erst einmal ein Bild von einander machen." Der Mann hob verwirrt den Blick. "Und wie soll das gehen?! Soll ich sie malen oder wie?!" Ein leichtes Lächeln huschte über Andrews Gesicht. Jetzt glaubte er, etwas entdeckt zu haben. Dann setzte er auf Risiko. "Sie sind schlau. Hören Sie auf zu spielen. Sie wollten mir überhaupt nicht sagen, was ihr Problem ist, nicht wahr?!" Im nächsten Moment ging eine unheimliche Veränderung mit Nuka Sanatchev vor. Er lehnte sich zurück, richtete sich im Stuhl auf und grinste breit. Alles nur gespielt. Vielleicht hatte er ihn nur aus Spaß gerufen. "Sie sind ebenfalls schlau, Doc." Andrew nickte langsam. Gerade eben hatte der Russe gespielt, jedoch spürte er, dass an allem vielleicht doch ein kleines Fünkchen Wahrheit war. Ein Teil der Unsicherheit haftete immer noch an seinem Gegenüber. Auch die Erschöpfung war nicht gespielt. Nuka Sanatchev hatte bestimmt Probleme.

"Woran haben Sie es denn gemerkt?!" Andrew zuckte die Schultern. "Ich denke das war..." "Weibliche Intuition?!", unterbrach der Sträfling ihn unschuldig grinsend. Andrew seufzte abermals auf. "Nein...Es war nur eine Ahnung. Sie sind sehr frech und vorlaut, dafür, dass sie im Gefängnis sitzen, Mr Sanatchev." "Nennen Sie mich doch bitte Nuka! Sonst fühle ich mich so alt!" Nukas Zwinkern ließ ihn kurz lächeln. Andrew musste zugeben, dass der Russe sich sehr gut auf Schauspielerei verstand. Eine fröhliche Fassade hatte er sich da aufgebaut. Respekt. /Mal sehen, wie lange es dauert, bis er mit seiner Fassade zusammenbricht. Bei so einer Verdrängung ist es nur noch eine Frage der Zeit./ Das belustigte Grinsen in den ausdrucksstarken Augen seines Gegenübers ließ ihn stutzen. "Was ist?" Nuka schüttelte den Kopf. "Mir ist nur gerade aufgefallen, dass sie mich gerade analysieren, Andrew. Ich darf Sie doch so nennen?!" "Ja, Sie dürfen mich so nennen, Nuka." Sanatchev nickte lächelnd. "Prima. Dann hätten wir das ja geklärt!" Andrew runzelte die Stirn, deutete jedoch ein Nicken an. /Was geht in ihm vor? Vielleicht ist er ja total durchgeknallt...?!/

Es breitete sich eine unheimlich angespannte Stille zwischen ihnen aus. Andrew fixierte seinen Patienten, versuchte auch nur aus einem Zucken etwas über Nuka herauszufinden. Und Sanatchev seinerseits musterte ihn eingehend. Er schien ihn regelrecht in sein Gedächtnis einbrennen zu wollen. Nach der leichten Andeutung eines Lächelns jedoch zu urteilen machte es ihm nichts aus so genau gemustert zu werden. Was bei Andrew nicht unbedingt der Fall war. Er hasste das nämlich abgrundtief!

Der Sträfling fuhr im nächsten Moment auf. Andrew zuckte wegen der plötzlichen Bewegung zusammen. Sein Gegenüber lachte laut auf und grinste ihn an. "Sie sind aber schreckhaft! Wie ein Reh! Mir ist nur eingefallen, dass ich eine Zigarette da habe. Ich wollte mir nur eine nehmen!" Andrew beruhigte sich sofort. Bis ihm auffiel, was sein Gegenüber da gesagt hatte. "Wo haben Sie denn die Zigarette her?! Dürfen Sie rauchen?" Nuka zauberte von einem Moment zum anderen eine Zigarette in seine Hand und grinste ihn breit an. "Wir bekommen einmal im Monat eine Packung. Das ist mir aber zu wenig. Ich bin leider Kettenraucher. Todd war so nett und hat sie mir eben gegeben. Sie wissen schon, der Wachmann, der eben mit Ihnen geredet hat. Was hat er Ihnen eigentlich erzählt?" Andrew runzelte für einen Moment die Stirn, doch dann besann er sich auf die Frage. "Nicht viel. Er hat mir ihren jetzigen Zustand etwas näher gebracht und versucht mich davon zu überzeugen, dass Sie ein netter Kerl sind." Nuka betrachtete die Zigarette und sprach in einem ruhigen Ton, ohne auch nur für eine Sekunde den Blick von der *ach so tollen* Zigarette zu lösen: "Und was denken Sie jetzt? Bin ich ein netter Typ oder ein Dreckskerl?!" Andrew zuckte die Schultern. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr erwiderte er: "Ich kenne Sie jetzt erst seit ungefähr einer Viertel Stunde. Deshalb ist es klar, dass ich mir da noch kein Bild gemacht habe. Nach Außen hin scheinen Sie ganz ok zu sein...Aber jeder Mensch trägt eine Fassade." "Sie auch?" Die Frage kam so plötzlich, dass Andrew verwundert den Blick hob und nur fragend gucken konnte. Nuka wiederholte sich. "Ich meine, ob Sie ebenfalls eine Fassade tragen." Ihm wurde es ungemütlich. Alles schien sich in der nächsten Sekunde gegen Andrew zu richten. Der unbequeme Stuhl wurde für unerträglich lange Momente noch unbequemer. Die Kälte, die von den groben, schmucklosen Betonwänden ausging, noch unangenehmer. Und Nukas Anwesenheit noch Nerven aufreibender. "Ich...?! Ob ich eine Fassade trage?! Eine Maske?!", vergewisserte er sich noch einmal, wartete Sanatchevs Nicken jedoch nicht ab. "Ich...Ja, vielleicht...früher..." Das Gestammel erstarb und für einen kurzen Augenblick schien Andrew in Erinnerungen zu schwelgen, dann jedoch riss er sich zusammen. Seine Stimme verfestigte sich. "Ja, früher einmal bestimmt. Wie gesagt. Jeder trägt einmal eine Fassade. Man muss nur wissen, wie man sie auflöst." Nuka ließ ihn nicht aus den Augen. Eine blonde Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht, doch er ließ sie da, wo sie war. Es schien ihn nicht zu stören. Es verlieh ihm etwas Geheimes. "Und sie können diese Fassaden natürlich zum Bröckeln bringen...Haben Sie Feuer?!" Andrew sah ihn verwundert an. /Dieser Themenwechsel! Was soll das?!/

Nach einigem Zögern nickte er und zog aus seiner Hosentasche ein Feuerzeug heraus. Er hatte es vor ein paar Tagen seinem kleineren Bruder Rob abgenommen. Eigentlich mochte er Raucher nicht so sehr. Sein Vater hatte immer Pfeife geraucht oder Tabak gekaut. Andrew jedoch fand den Geschmack des bitteren Krauts sehr unangenehm. Eine kleine Schwäche von ihm. Wie eine ganze Menge andere, die in diese Richtung gingen. Er verzog kurz den Mund, wandte seine Aufmerksamkeit dann jedoch auf Nuka, der genüsslich den ersten Zug von seiner Zigarette nahm und den blauen Rauch langsam ausatmete. Das Feuerzeug lag vor ihm auf dem Tisch. Der Sträfling gab ein leises Seufzen von sich, bei dem sich Andrew die Nackenhaare aufstellten. Nicht nur der Körper war attraktiv! Die Stimme war tief und schien leicht zu vibrieren. Er fragte sich, wie der Russe das so hinbekam. Das war pure...pure... Er verbot sich jeglichen Gedanken, der in diese Richtung ging. So etwas durfte er nicht denken.

"Oh ja...Das ist eines von den Dingen, die ich ungemein vermisst habe..."Andrew lächelte leicht auf diesen Satz. Was für törichte Laster manche Menschen doch hatten. Doch dann gefror sein Lächeln. Nukas Augen hatten ihn ins Visier genommen. Tief grüne, kalte Augen mit einem Andrew aufs Tiefste verwirrendem Glimmen trafen auf Blaue, die den Blick verstört erwiderten. Mehrere Gedanken schwirrten durch Andrews Kopf. Im nächsten Moment verstand Andrew den Blick. /Er hat darüber nachgedacht, was er vermisst hat...Er ist jetzt schon seit 5 Jahren hier drin...Er muss seit 5 Jahren keinen Lebenspartner mehr gehabt haben!/ "Sehen Sie mich nicht so an!" Andrews Stimme zitterte. Er ertrug solche Blicke einfach nicht. Sein Herz begann wie wild zu schlagen. Nuka lachte leise und rau auf. "Keine Sorge, Andrew, ich verspüre keinerlei Interesse an Ihnen. Sie müssen wissen, manche Männer hier sind in Ordnung und stinken nicht allzu sehr, daher läuft mein Sexualleben prima!" Andrew schluckte. Das vertrieb nicht gerade seine Angst. Ganz im Gegenteil. Im nächsten Moment brach Nuka in schallendes Gelächter aus. Andrew zuckte sofort erschrocken zusammen. "Ihr Gesicht sollten Sie mal sehen! Vergessen Sie das! Nur ein alter Gefängniswitz!" Andrews Gesicht blieb vollkommen starr. "Über so etwas macht man keine Witze." War sein einziger, trockener Kommentar. Nuka hob sofort den Kopf und blickte ihn mit schief gelegtem Kopf an. "Sie sind wohl gegen Schwule, was?!" Ein leichtes Lächeln legte sich auf Andrews Züge. "Nein. Keineswegs. Ich bin selbst an beiden Geschlechtern interessiert. Mir macht das keine Probleme." In Gedanken schlug er sich kräftig vor die Stirn. /Du Idiot! Muss er denn auch alles über dein Privatleben wissen?! Er ist nur ein Patient!/ Nuka sah ihn verblüfft an. "Wirklich?! Oh..." Ein anzügliches Grinsen legte sich auf seine Züge und er balancierte, die erheblich kürzer gewordene Zigarette auf den Fingerrücken. Es war wirklich ein amüsierender Anblick. "Wissen Sie, Andrew, das eröffnet mir völlig neue Möglichkeiten! Wenn ich Sie mir so ansehe, dann könnte ich mir vorstellen, dass ich die Knackis, solange Sie hier sind, verschmähe und mich Ihnen zuwende! Sind Sie solo?" Andrews Hände ballten sich zu Fäusten. Er suchte krampfhaft nach etwas, an dem er sich festhalten könnte. Er fühlte sich nämlich so, als hätte ihm jemand die Beine weggezogen.

/Einschüchterung...Das ist nur Einschüchterung! Er meint das nicht ernst! Du brauchst dich nicht aufzuregen!/, sagte er sich zur Beruhigung. Jedoch half es ihm nicht sehr. Das ungute Gefühl, dass er in die Enge getrieben wurde, blieb. Und es schnürte ihm regelrecht die Kehle zu. "Ich glaube nicht", sprach er in einem bestimmten Ton, "dass ich das tolerieren werde. Sie sind nur mein Patient und sie werden es -so wie es aussieht- noch für längere Zeit bleiben. Annäherungen werde ich ignorieren und -wenn es nötig ist- dem Therapiepreis hinzurechnen. Also halten Sie sich besser zurück." Nuka hob eine Augenbraue und grinste abermals. "So harte Worte aus Ihrem hübschen Mund...Na, wie Sie meinen! Ich will Ihnen zwar nicht auf die Nerven gehen, aber ich bin ziemlich hartnäckig. So schnell werden sie mich nicht los!" Nach seinem Zwinkern, das jedes Mädchen bestimmt vor Schwärmen in die Knie gezwungen hätte, fühlte sich Andrew nur noch schlechter. Sanatchev sah so aus, als würde er die Drohung wirklich ernst meinen und auch wahr machen. Das beunruhigte ihn wirklich.

Im nächsten Moment klopfte es an der Tür, die kurz darauf ohne zu fragen geöffnet wurde. Nukas Zigarette war sofort unter dem Tisch verschwunden. An der Tischplatte ausgedrückt. /Wie ein Teenager, den man beim Rauchen erwischt hat.../ Doch der belustigende Gedanke amüsierte ihn nicht sonderlich. Nuka war durch dieses Verhalten nur noch schwerer einzuschätzen. "Schon ok, Mr. Sanatchev. Ich habe die Zigarette eh schon durch die Kamera gesehen. Sie brauchen sie nicht zu verstecken." Nuka knurrte auf und legte den Zigarettenstummel auf den Tisch, während der ältere Mann langsam und bedächtig den Raum durchquerte. Er hatte grau melierte Haare und einen kurzen, ordentlich gestutzten Bart, der sein breites, gutmütiges Gesicht umrahmte. Seine Nase war ein wenig zu groß, jedoch verschaffte es ihm ein ausgesprochen liebes Aussehen. Auch wegen dem schwerfällig wirkenden Gang, den runden Augen und dem schmalen Mund kam er Andrew wie ein Andrew wie ein ausgesprochen liebenswürdiger Bär vor. Oder dem Weihnachtsmann nach einer Diät. Jetzt kam die Frage auf, wer dieser Mann denn nun war. Er warf Nuka einen fragenden Blick zu, der den Herrn scheinbar kannte. Der seufzte auf, begann aber dann zu sprechen. "Andrew, das ist Mr. Meyer. Er ist hier der Gefängnisarzt. Mr. Meyer, mein nagelneuer Psychologe, Andrew Bucker." Der Arzt lachte leicht und schüttelte freundlich Andrews Hand. "Es tut mir sehr Leid, dass ich Sie störe, Mr. Bucker, aber es ging einfach nicht anders." Er lächelte darauf gezwungen und erwiderte: "Ach, das ist schon in Ordnung. Wir haben gerade eh über nichts Wichtiges gesprochen. Ich dachte mir, dass wir das erst in der nächsten Sitzung machen..." Er warf Nuka, der ihn verschmitzt angrinste, einen schnellen, fast warnenden Blick zu. "Tja...", lächelte der Mann und blickte auf ihn herab, "der Grund Sie so schnell zu begrüßen ist, dass ich erst gestern von ihrem Vorhaben erfahren habe. Wissen Sie, ich kenne Ihren Vater! Ich habe es mir natürlich nicht nehmen lassen, Ihn anzurufen und einen kleinen Plausch mit ihm zu führen." Andrew erstarrte. Seine Augen weiteten sich entsetzt. Sein Puls beschleunigte sich. /Meinen Vater...angerufen...das heißt...er weiß, wo ich.../ Nach dem Schreck, der Nuka ihm eingejagt hatte, kam jetzt auch nun dieser hinzu. Erinnerungen schossen durch seinen Kopf. Der Ältere redete munter weiter. Jedoch bemerkte Andrew dies nicht, genauso wenig wie er Nuka bemerkte, der ihn aufmerksam musterte.

"Oh, geht es Ihnen nicht gut? Sie sehen so blass aus! Wollen Sie an die frische Luft?" Er wurde aus seinen chaotischen Gedanken gerissen. Verstört schüttelte er den Kopf. "Nein...Schon gut. Es ist nichts. Ich konnte gestern leider nicht viel schlafen und ich bin nur ein bisschen erschöpft und gestresst. Ich musste gestern fast den ganzen Tag bis hierhin fahren und, als ich ankam, hat man mich sofort hier hingebracht. Ich bin nur ein wenig gestresst, verstehen Sie?!" Meyer nickte verständnisvoll. "Oh ja, das ist verständlich. Sie sehen aber wirklich nicht gut aus. Sie könnten vielleicht ein wenig Urlaub vertragen?! Ach! Und ehe ich es vergesse! Ich habe letztens ihre Mutter bei einer Feier getroffen! Ich wollte mit ihr über Sie reden, aber irgendwie lenkte Sie immer ab. Deshalb war ich nun auch so erpicht darauf, Sie zu sehen. Ich war neugierig. Schließlich habe ich Sie das letzte Mal gesehen, als sie 5 Jahre alt waren. Ein toller Bengel! Sie können sich bestimmt nicht mehr daran erinnern. Aber um wieder auf Ihre Mutter zu sprechen zu kommen! Haben sie noch Kontakt mit ihr? Ich meine, nach dieser wahrscheinlich ziemlich schmerzhaften Tren..." Andrew antwortete, bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte. "Nein, leider nicht mehr." Der Arzt lächelte schief und nickte. "Natürlich nicht...Ich meine..." Ein plötzliches, halbwegs melodisches Klingeln ließ sie beide zusammenzucken. Nuka reagierte überhaupt nicht. Verwirrt blickte sich Andrew um, bis er bemerkte, dass die nervtötende, piepende Musik aus seiner Tasche kam. Blitzschnell ergriff er sie und wühlte in ihr herum. Schließlich hatte er sein Handy gefunden. "Tut mir sehr Leid! Entschuldigen Sie mich kurz, bitte!" Mit einem missglückten Lächeln nahm er den Anruf entgegen.

"Ja? Andrew Bucker hier." Er zuckte zusammen, als er die laute, wirklich wütende Stimme seines Vermieters hörte. "Mr. Bucker! Endlich erreiche ich Sie! Das ist wirklich eine Unverschämtheit! Ihr Bruder macht wieder Unsinn! Er hat Passanten mit Wasserbomben beworfen und das Treppenhaus mit Wasser so rutschig gemacht, dass die arme Mrs. Burker sich fast den Hals gebrochen hätte! Wo immer Sie auch gerade sind, ich verlange, dass Sie herkommen und Ihn zur Vernunft bringen! Er hat sich in Ihrer Wohnung verschanzt! Ich habe schon versucht die Tür mit dem Ersatzschlüssel zu öffnen, aber er muss irgendetwas vor die Tür geschoben haben! Einen Schrank oder so etwas! Verdammt! Er schmeißt wieder mit Wasserbomben!" Andrew erhob sich schnell vom Stuhl und entfernte sich etwas und blieb nervös stehen. "Hören Sie, Mr. Crane...Ich...Ich kann hier nicht weg! Ich bin in Colorado! Und zwar wegen Arbeitsgründen! Ich..." "Das ist mir ganz egal! Sie kommen sofort her und bläuen diesem räudigen Kerl Manieren ein! Sonst tue ich es!" Andrew zuckte zusammen. Wut stieg in ihm hoch. Wut auf alles und jeden. Aber im Moment lenkte er es auf seinen Vermieter. "Wenn Sie ihn auch nur anrühren, dann können Sie was erleben! Ich bin ein gutmütiger Mensch, der vollkommen gegen Gewalt ist, aber, wenn Sie ihn auch nur einmal anrühren, dann schwöre ich bei Gott, dass Sie sich wünschen werden, mich nie kennen gelernt zu haben! Und jetzt hören Sie gefälligst auf mich anzuschreien!" Der Mann am Ende der Leitung verstummte wirklich sofort.

Andrew seufzte hörbar auf und fuhr sich aufgebracht mit der Hand durch die Haare. Er hasste es, die Kontrolle zu verlieren. Im nächsten Moment tat ihm sein Verhalten schon wieder Leid. "Mr. Crane...Entschuldigen Sie. Ich wollte nicht laut werden. Aber warten Sie bitte. Ich bin gerade in einer wichtigen Sitzung. Sie wissen ja, dass ich jede Gelegenheit nutze Geld zu verdienen. Deshalb musste ich dieses Mal nach Grand Junction kommen. Die Fahrt dauert ungefähr 17 Stunden, das heißt mindestens 2 Tage wegen Übernachtung. Bitte verstehen Sie, dass ich nicht die Zeit und Muße habe, wieder zurück zu fahren und den Job aufzugeben. Ich musste meinem Arbeitgeber praktisch um den Hals fallen, damit dieser mich drei anderen Bewerbern vorzog! Diese Arbeitsstelle wird gut bezahlt, deshalb bitte ich Sie, Rob zu sagen, dass ich ihn auf eine Militärschule schicken werde, wenn ich noch einmal etwas Schlechtes über ihn höre!" "Ähm...Nun gut...Ich sage es ihm...Warten Sie kurz." Andrew hörte ein lautes Rascheln. Mit einem entnervten Stöhnen fuhr er sich mit einer Hand über das Nasenbein. /Warum bleibt dieser Mist auch nur immer an mir hängen?! Verdammt! Ich bin das langsam alles Leid!/ Ein leises Knacken ließ ihn aufhorchen. Er vernahm ein lautes Platschen wie von Wasser und dann einen wütenden Aufschrei. Kurz darauf war sein Vermieter wieder am Telefon. "Dieser verteufelte Bengel! Er hat mich mit einem ganzen Eimer Wasser bespritzt! Verdammt noch mal! So eine Mistkröte!" Andrew seufzte auf. "Was hat er denn jetzt gesagt...?" Der Mann lachte trocken auf. "Er sagte, dass Sie das nicht tun könnten, weil Sie gar nicht das Geld dafür hätten! Außerdem würde er nach 2 Tagen wieder rausgeschmissen werden! Und das werde ich bald mit Ihnen tun, wenn Sie sich nichts einfallen lassen! Die anderen Mieter werden schon wütend!" Andrew nickte langsam. "Da hat er ausnahmsweise Recht...Ok...Entschuldigen Sie. Wirklich. Ich werde das hier wohl oder übel an den Nagel hängen müssen...Natürlich...Dürfte ich Sie vielleicht später zurückrufen? Ich muss das hier noch alles klären." "Ja. Tun Sie das! Bis gleich." Andrew legte auf.

"Probleme?" Nukas Frage war überflüssig. Andrew lachte leise auf. Eindeutig ein hysterisches Lachen. "Ja. Mein Bruder." Der Sträfling grinste ihn frech an. "Vielleicht kommt er ja auch ins Gefängnis? Dann kann er mir Gesellschaft leisten!" Andrew schüttelte den Kopf. "Dafür ist er Gott sei Dank noch zu jung." Müde ließ er sich auf dem Plastikstuhl nieder und fuhr sich durch die Haare. Er fühlte sich plötzlich sehr alt. Nicht wie 25, sondern wie über 70! "Ach ja...Ihr kleiner Bruder Rob. Wie geht's ihm denn?" Andrew lächelte kalt. "Wenn ich ihn in die Finger kriege, nicht gut. Wahrscheinlich werde ich ihn wohl oder übel tot prügeln." Im nächsten Moment besann er sich und fuhr ein wenig hoch. "Entschuldigung wegen dieser Ausdrucksweise. Ich bin wirklich ein wenig gestresst. Außerdem, Nuka, tut es mir sehr Leid, aber ich muss die Arbeit mit Ihnen abbrechen. Ich denke, Sie finden jemand anderes, der sich mit ihren Problemen befassen kann." Der Russe seufzte auf und lehnte sich im Stuhl zurück. "Das ist aber schade...Ich hatte gerade angefangen Sie lieb zu gewinnen, Andrew." Der Psychologe spannte sich leicht an und zwang ein leicht zitterndes Lächeln auf sein Gesicht. "Ja. Wirklich bedauerlich." Der Arzt legte eine Hand auf seine Schulter. Etwas, was ihn leicht zusammenzucken ließ. "Aber, aber, Mr. Bucker! Ich nehme fest an, dass man einen Ausweg aus dieser verzwickten Lage finden wird. Ich habe eine Idee! Man hat mir gesagt, dass Nuka wirklich erhebliche Probleme hat und ich habe selbst seine Verletzungen gesehen und versorgt. Ich könnte mit meinen Vorgesetzten sprechen. Vielleicht könnten Sie ihn mitnehmen. Wo leben Sie gleich noch mal?" Andrews Mund war zu einer dünnen, zusammengepressten Linie geworden. Eigentlich wollte er gar nicht antworten, aber das wäre mehr als nur unhöflich gewesen. "Kalifornien, San Francisco." Mr. Meyer nickte. "Nun. Das ist wirklich sehr weit von Grand Junction entfernt...Na ja! Aber Mr. Sanatchev ist ja eh vernünftig und intelligent. Er wird sich bestimmt benehmen." Andrew runzelte die Stirn. Langsam verstand er, was der Mann sagen wollte. Jedoch fragte er noch einmal nach: "Was meinen Sie denn jetzt damit?" Nuka lachte leise und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. "Das ist doch klar. Ich soll mit Ihnen nach San Francisco! Oh Mann...Das kriegen Sie bestimmt nicht durch..." Mr. Meyer zwinkerte dem Sträfling jugendlich zu. "Das werden wir noch sehen! Ich bin ein Freund vom Gefängnisdirektor! Und, Mr. Sanatchev, ich kann Sie gut leiden. Sie haben deutlich mehr Klasse als ihre Kollegen. Sie verdienen diese Chance. Ich glaube nicht, dass Sie ein böser Kerl sind. Außerdem hatte man früher noch nie richtig beweisen können, dass Sie diese Frau vergewaltigten!" Nuka warf den Kopf zurück und lachte laut auf. Andrew zuckte zusammen. Er hasste laute Geräusche. "Nein! Ist der gut! Mr. Meyer! Sie sind wirklich erheiternd!" Andrew verstand Nukas Verhalten nicht ganz. /Was gibt es da zu Lachen?! Ich finde es eigentlich nicht gerade witzig! Er ist anscheinend verrückter, als ich gedacht habe. Möchte ich mich überhaupt noch länger mit diesem Mann beschäftigen?!/ Hinter seiner Stirn arbeitete es. Schließlich kam er zu einem Ergebnis. /Ja. Das will ich. Er ist interessant. Ich brauche das Geld. Und es ist eine wunderbare Gelegenheit Erfahrungen zu sammeln!/ Entschlossen nickte er. "Das ist eine gute Idee, Mr. Meyer. Danke sehr. Wenn Sie das für mich tun könnten, wäre ich Ihnen unglaublich dankbar!" Mr. Meyer winkte ab. "Das ist schon in Ordnung. Das bin ich Ihnen schuldig, weil ich Sie so lange nicht mehr besucht habe. Aber Sie müssten vielleicht klären, wo Nuka bleiben kann." Andrew nickte leicht. "Eine Etage über uns ist eine Wohnung samt Mobiliar frei geworden. Das wäre gut. So wäre er auch gut zu erreichen." Mr. Meyer nickte lächelnd. "Ja, das ist eine wunderbare Idee!"

Sanatchev seufzte auf. "Haben Sie mich vergessen?! Sie sprechen hier über mich! Praktisch über den Verlauf meines weiteren Lebens! Meinen Sie nicht, dass ich da nicht einen Einspruch einlegen könnte?!" Andrew stockte. Sofort nickte er. "Natürlich, Nuka. Entschuldigen Sie vielmals!" Nuka winkte ab und musterte ihn mit leichtem Stirnrunzeln. "Also", begann der Gefängnisarzt mit einem verlegen Lächeln, "was wollen Sie denn jetzt?!" Nuka beugte sich vor und stützte seinen Kopf auf seinen Händen ab. Mit einem breiten Grinsen sah er Andrew an. "Ich will Ihn." Andrew schreckte auf. "Was?!" Im nächsten Moment lief er rot an. Das kam vollkommen überraschend. Nuka lachte auf. "Sie haben schon richtig gehört, Andrew! Ich will bei Ihnen wohnen!" Andrew schluckte. Sein Puls beruhigte sich wieder. /Gott! Einen Moment habe ich wirklich geglaubt, er meine das im wörtlichen Sinne! Himmel! Ich glaube, ich bin fast gestorben! Andrew! Wo ist nur deine Selbstbeherrschung geblieben?! Natürlich meinte er das nicht auf die Weise, wie du gedacht hast!/ Mr. Meyer schlug voller Tatendrang in die Hände -etwas, das bei Andrew wieder ein Zusammenzucken verursachte- und lächelte zuversichtlich. "Na, prima! Dann frisch ans Werk! Ich werde schnell mit dem Direktor reden! Ich bin gleich wieder da! In der Zeit können Sie ja schon einmal ein wenig über Nukas neues Zuhause reden!" Andrew nickte leicht. Ein wenig verwirrt sah er dem Arzt nach, als er schnellen Schrittes das Zimmer verließ. Mit einem Seufzen wandte er sich zu Nuka um. Dieser musterte ihn eingehend. "Erzählen Sie mir jetzt etwas über die Wohnung? Wer hat früher in ihr gelebt? Ich hoffe da drin ist niemand gestorben." Andrew legte den Kopf schief. /Er macht sich über so etwas Gedanken?! Ist das wirklich ein Vergewaltiger?! Er wird immer gegensätzlicher.../ "Nun ja...Eigentlich nicht."

Andrew verbrachte 10 Minuten damit Nuka von seinem Wohnhaus und San Francisco generell zu erzählen. Dann kam Mr. Meyer zurück. Der Direktor hatte zugestimmt. Andrew hatte seinen Vermieter angerufen. Es war alles geklärt. Morgen früh würden Sie aufbrechen. 2 Tage zusammen mit seinem gut aussehenden, schwulen Patienten, einem Vergewaltiger, der anscheinend an ihm interessiert war und bestimmt -egal, was Sanatchev ihm erzählt hatte- seit mindestens 5 Jahren keinen Sex mehr gehabt hatte. Und von den 2 Tagen eine Nacht lang in einem Hotel. Wenn es sich nicht vermeiden lassen würde, wahrscheinlich auch in einem Zimmer.

Und wie Andrew sich doch darauf freute!

Nächtliche Aktivitäten

Endlich wieder ein neues Kapitel! Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich die Geschichte hier veröffentlicht hatte! ^.^ Oh, wie schusselig ich doch bin! *g* Tut mir Leid für die, die das 1. Kapitel gelesen haben! Aber die können sich jetzt einfach bei mir melden und sagen, dass sie noch mehr haben wollen, weil ich nun bereits 14 Kapitel fertig habe und eigentlich posten könnte! ^.~ Ich warte auf eurer Interesse!! Viel Spaß beim Lesen!

Gruß Niemue

PS: Mein Schreibstil hat sich extrem verändert. Bitte nehmt es mir nicht übel! ^_^
 

Nächtliche Aktivitäten
 

/Oh Mann...Wie konnte ich mir das nur einhandeln?! So ein Mist! Warum habe ich den Fall auch angenommen?! Warum habe ich eingewilligt, mich weiter mit ihm zu beschäftigen?! Das ist doch total irreal!/

Andrew seufzte auf und schaltete in den nächsten Gang. Er versuchte krampfhaft Nuka, der auf dem Beifahrersitz saß und aus dem Fenster blickte, zu ignorieren. Bis jetzt war er damit erfolgreich gewesen. Gleichzeitig jedoch machte ihn diese verkrampfte Stille vollkommen irre. So etwas machte ihn immer nervös.

"Du bist ein guter Autofahrer, Andrew. Wir können uns doch duzen oder?"

Überrascht zuckte Andrew zusammen und warf Nuka einen kurzen Blick zu. Dieser blickte immer noch aus dem Fenster, zeigte ihm seinen blonden Hinterkopf und den dazugehörigen gebräunten Nacken.

Ein hübscher Anblick, das musste Andrew zugeben, doch ihm war die andere Seite lieber. Er wollte seinem Gegenüber beim Gespräch ins Gesicht sehen. So konnte er jede Regung beruhigt analysieren und Absichten abschätzen.

"Danke...Und ja, das können wir.", brachte er schließlich gepresst hervor. Ungewöhnlicherweise machte es ihm nicht im Geringsten etwas aus von dem Russen mit *du* angesprochen zu werden. Verwirrend.

Jedoch störte ihn, dass er das Gesicht des Anderen immer noch nicht sehen konnte. Er konnte sich gerade noch davon abhalten, Nuka zu bitten sich zu ihm umzudrehen.

/Behalte deine Nerven! Es ist nichts dabei, wenn er sich mit dir unterhält, während er aus dem Fenster sieht! Ihm ist bestimmt nur langweilig!/

Seine versucht beschwichtigenden Gedanken, halfen ihm jedoch nicht.

Als hätte Nuka seine Gedanken erraten, drehte er sich grinsend zu ihm um und lehnte sich im Sitz zurück.

"Jetzt darf ich dir aber eine Frage stellen! Warum hast du meinen Fall trotz dieser Schwierigkeiten angenommen und bist bereit mir zu helfen?"

Andrew warf ihm einen Blick zu, runzelte die Stirn. Es lag nur Neugier in Nukas Blick. Er war anscheinend wirklich nur gespannt auf die Antwort. Keinerlei Hintergedanken.

/Es interessiert ihn wirklich. Dann sollte ich auch ehrlich sein./

"Ich muss zugeben, dass ich zum ersten Mal einen Sträfling therapieren soll und wollte einfach Erfahrungen sammeln. Das ist alles."

Nuka lachte leise. "Oh, wirklich?! Na ja, es gibt halt immer ein erstes Mal, nicht wahr?! Dann werde ich versuchen dir gute Erfahrungen zu bescheren, Andrew! Aber sei mal ehrlich...Das machst du nicht nur deswegen oder?!"

Dem folgten ein verschmitztes Lächeln und ein Augenzwinkern, das für Nuka typisch zu sein schien. Irgendeine Andeutung.

/Was meint er denn jetzt damit schon wieder?!/

Andrews Stirnrunzeln vertiefte sich und er zwang sich mehr auf die Straße zu achten.

"Ich verstehe nicht ganz, worauf du hinaus willst, Nuka. Erklär es mir."

Nukas breites Grinsen ließ Andrew Schlimmes erahnen. Hätte er doch nie gefragt.

"Nun gut...Du magst mich! Deshalb tust du das alles für mich!"

Vor Schreck drückte Andrew seine Beine durch, so dass Gas und Bremse gleichzeitig betätigt wurden. Das Auto machte einen Satz nach vorne und hielt dann ruckartig an. Sie hatten Glück, dass sie auf einer nicht so dicht befahrenen Landstraße fuhren, so dass sie nur von wenigen, anderen Fahrzeugen hupend überholt werden konnten.

Der Russe brach sofort in heftiges Gelächter aus, während Andrew ihn fassungslos anstarrte.

"Wie kommst du auf diese Idee?! Ich kenne dich erst seit einem Tag und davon habe ich erst eine knappe Stunde mit dir geredet! Du glaubst doch nicht, dass ich dich nach so kurzer Zeit mögen würde! Das ist..."

Nukas lauter werdendes Lachen unterbrach ihn. Langsam kam der Psychologe sich ziemlich verarscht vor.

Er verzog seinen Mund und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. Schneller, als er vielleicht fahren dürfte, fuhr er an. Nun versuchte er seinen Patienten noch verbissener zu ignorieren als vorher.
 

Andrew fühlte sich müde und regelrecht ausgelaugt, als er mit Nuka im Schlepptau das Hotel betrat. Hier wollten sie die Nacht über bleiben. Ihm graute es bei dem Gedanken, dass sie wohlmöglich nur noch ein Zimmer mit zwei Betten oder sogar nur noch mit einem Bett übrig hätten, das er sich mit dem Sträfling -noch einmal zur Erinnerung: ein Vergewaltiger(!)- teilen müsste. Schreckliche Vorstellung!

Er verdrängte den Gedanken, weil er die Rezeption erreicht hatte und die Frau hinter dem Tresen ihm freundlich entgegen lächelte.

"Guten Abend. Wir brauchen zwei Zimmer für die Übernachtung bitte." Das Nicken der Frau ließ Andrews Herz erfreut höher schlagen. Sein Tag war gerettet!

"Aber, Darling! Ich habe gedacht, du würdest jetzt endlich zu unserer Beziehung stehen! Wir nehmen natürlich ein Doppelzimmer!"

Nukas übertrieben säuselnde Stimme und die starken Arme, die sich plötzlich um seinen Oberkörper schlangen, ließen ihn erstarren. Eiskalte Schauder liefen ihm den Rücken hinunter und bescherten ihm eine grauenvolle, kribbelnde Gänsehaut. Er bekam kein Wort heraus, auch wenn er damit vielleicht den Fehler hätte aufklären können, und musste in stiller Verzweiflung zusehen, wie Nuka sich von der erröteten Rezeptionsdame den Schlüssel für ein Einbettzimmer geben ließ und ihn samt Gepäck die schmale Treppe hinaufschleppte.

Wäre Andrew nicht so entsetzt gewesen, hätte er ihm wegen diesem Geschick applaudiert. Aber er fand sich im nächsten Moment in einem hübsch eingerichteten Zimmer -natürlich mit Ehebett- wieder. Und endlich löste sich seine Starre.

"Was in Gottes Namen sollte das?! Du hast mich vollkommen lächerlich gemacht! Was soll man jetzt von uns denken?!"

Nuka grinste ihn frech an.

"Ach, so schlimm war es doch gar nicht! Die Frau war eh zu verstört und schüchtern, als dass sie irgendjemandem davon erzählen würde! Hey! Verstehst du keinen Spaß?!"

Andrew stöhnte auf und ließ sich auf dem Bett nieder.

"Was für ein toller Scherz..."

Nuka trat an ihn heran und grinste mit schräg gelegten Kopf auf ihn herab.

"Ach, Andrew, ist doch nicht so schlimm. Außerdem", meinte der Russe und wurde übergangslos ernst, "wollte ich dir ein wenig näher kommen. Und das geht halt sehr gut in so einem Doppelbett."

Andrew schluckte nervös. Nuka war ihm zu nah! Er mochte keine Nähe! Nein! Das mochte er ganz und gar nicht!

Jedoch beugte sich Nuka noch zu ihm herunter.

/Was hat er jetzt wieder vor?! Lass mich in Ruhe!/

"Andrew?"

Er hörte die samtene Stimme des Russen an seinem Ohr flüstern. Er bekam Gänsehaut.

/Viel zu nah!/

"Darf ich dich...küssen?!"

Der Psychologe zuckte zusammen.

/Gott! Was hat er da gefragt?!/

Langsam realisierte er das Gesagte. Angst schwappte im nächsten Moment in großen Wellen über ihm zusammen. Diese Wortwahl kannte er. Das hatte er schon gehört.

Im nächsten Moment sprang er auf, murmelte eine flüchtige Entschuldigung und rannte in das kleine Bad, das sich neben dem Ausgang befand. Er drehte den Schlüssel hinter sich um und lehnte sich dann schwer atmend gegen das kühle Holz der Tür.

Und dann kamen die Erinnerungen wieder und drohten ihn wie die Angst vorhin zu überschwemmen.
 

Nuka war überrascht. So eine heftige Reaktion hatte er nicht erwartet.

/Dann mache ich das nächste Mal eben nicht so einen direkten Witz...Nachher verschrecke ich den Süßen noch ganz und dann kann ich meinen Plan vergessen!/

Der Plan...Wie sah der Plan aus? Natürlich ganz simpel.

/Wenn dieser Andrew ein guter Psychologe ist, dann durchschaut er den Plan sofort. Jedoch bezweifle ich, dass er ein guter ist...So nervös und unausgeglichen wie der ist...Aber verdammt putzig!/

Ein breites Grinsen legte sich auf seine Züge, während er auf dem Bett räkelnd darauf wartete, dass sich die Badezimmertür wieder öffnete. Jedoch tat diese ihm den Gefallen nicht.

Mit einem Seufzen blickte er auf seine Armbanduhr.

/Halb zwölf...Wenn der Psycho hinten lange braucht, könnte ich es wagen Jonas anzurufen...Die Nummer kenne ich ja.../

Er warf einen misstrauischen Blick zum Bad, sprang dann geschickt über das Bett und schnappte sich den Telefonhörer. Er strich den Ärmel seiner Jacke zur Seite und betrachtete die Zahlen, die er sich mit einem Filzstift auf den Unterarm geschrieben hatte. Schnell wählte er die Nummer und wartete darauf, dass jemand abnahm.

"Ja? Fisher hier."

Nukas Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. Es war jetzt fünf Jahre her, dass er die Stimme seines Freundes gehört hatte.

"Hallo, Jonas."

Ein Keuchen war am Ende der Leitung zu hören.

"Nuka! Scheiße! Was...warum rufst du mich an?! Du...du bist..."

"Eigentlich im Knast, Jonas. Stimmt schon...Aber auch nur eigentlich."

Er konnte sich ein fieses Lachen nicht verkneifen. Er konnte schon fast die Angst seines alten Freundes durch den Hörer riechen! Und das machte ihm Spaß. Unglaublich viel Spaß.

"Aber...du...Scheiße, Nuka! Bist du ausgebrochen?! Bist du dämlich! Wenn Todd herausfindet, dass du auf freiem Fuß bist, dann bringt er dich endgültig um! Dann reicht es ihm nicht, dich nur ins Gefängnis zu stecken!"

Nukas gute Laune verschwand von einer Sekunde auf die nächste. Mit einem Seufzen streckte er sich auf dem Bett aus und schloss die Augen.

"Verdammt...Ich weiß es doch...Ich nehme an, du hast von der ganzen beschissenen Geschichte gehört oder?!"

Das Seufzen am anderen Ende ließ ihn leicht lächeln.

"Klar, habe ich das. Boss hat das ja die ganze Zeit herumposaunt, dass er dich erst flachgelegt und dann mit diesem miesen Trick an die Bullen verkauft hat..."

Nuka lachte auf.

"Mit dem Flachgelegt stimmt nicht ganz...Eigentlich hat er mich bezahlt dafür, aber wenn's ihm Spaß macht das zu sagen...Viel schlimmer ist ja die Sache mit Catherine...Er..."

"Das war Catherine?! Aber...Gott, das...Er wusste das mit dir und Catherine, nicht wahr?! Und du hast sie..."

Nuka seufzte tief.

"Ja. Ich habe sie geliebt und jetzt liegt sie wegen diesem Arschloch, das nicht ertragen konnte, dass ich nur wegen Geld mit ihm schlafe, im Koma."

Jetzt richtete er sich entschlossen auf.

"Aber, Jonas, der Grund für meinen Anruf. Du musst mir verraten, wo Todd ist!"

Jonas keuchte wieder auf. Diesmal wirklich erschreckt.

"Spinnst du?! Ich habe dir doch gesagt, dass er dich umbringt, wenn er dich sieht! Du...Aber nein...Du willst ihn umbringen, habe ich Recht?"

Nukas Lippen verzogen sich zu einem gefährlichen Grinsen.

"Genau so scharfsinnig wie vor fünf Jahren, Jonas. Respekt..."

Geräusche aus dem Badezimmer ließen Nuka auffahren. Seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern.

"Sorry, Jonas. Ich muss auflegen. Mein Psychologe kommt aus dem Bad. Ich ruf dich wieder an."

"Was?! Dein Psycholo..."

Nuka hatte aufgelegt. Schnell legte er sich breit auf das Bett, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und grinste dem jungen Mann mit den süßen Rehaugen und dem braunen Wuschelkopf fröhlich an, der gerade wieder gefasst aus dem Bad kam und ihn direkt und entschlossen ansah.

"Und? Auf welcher Seite willst du schlafen, Andrew?", lächelte Nuka und klopfte auf das Bett.
 

Eigentlich hatte er vorgehabt Nuka zu sagen, dass er zur Rezeption gehen und zwei neue Zimmer holen würde. Aber die Idee fiel in kleine, kümmerliche Einzelteile zusammen, als er Nukas selbstsicheres Lächeln gesehen hatte. Und jetzt hatte er den Salat.

Er lag halbnackt -denn natürlich hatte er keinen vernünftigen Schlafanzug, sondern nur eine Schlafanzughose mitgenommen- in einem Ehebett mit einem ebenfalls halbnackten -bei dem er aber annahm, dass er das alles geplant hatte und dieser das Schlafanzugoberteil extra in der Tasche ließ- Sträfling, der therapiert wurde. Schöne Bescherung.

Vor allem, weil er nicht einschlafen konnte, weil sein Nebenmann ebenfalls nicht schlief. Es war viel zu ruhig dafür. Leute machten Geräusche im Schlaf. Lautes Atmen, Schnarchen, gemurmelte Worte, vielleicht auch ab und zu ein Grunzer. Jedoch hörte er nichts davon. Wirklich beunruhigend diese Stille. Schließlich hielt er es nicht mehr aus.

"Nuka? Schläfst du schon?"

Das war wohl die dümmste Frage seit Erfindung der Sprache. Andrew wurde rot.

Lachen antwortete ihm -Nuka fand dies wohl auch- und im nächsten Moment veranlasste ihn eine kurze Berührung mit einem warmen Bein seinen Fuß wegzuziehen.

"Nein, Andrew. Ich kann nicht schlafen. Und du? Es ist bereits 1 Uhr. Kleine, liebe Jungs wie du müssen um die Uhrzeit doch schon längst schlafen!"

"Mach dich nicht über mich lustig."

Andrews Erwiderung kam schnell. Er war verärgert. Er mochte es nicht, wenn man ihn nicht ernst nahm.

Nuka lachte wieder, diesmal jedoch leiser und versucht unterdrückt.

"Tut mir Leid! Du bist aber einfach zu süß! Da kann man nicht anders, als dich zu reizen!"

Andrew seufzte auf und schob seinen Wuschelkopf unter die Bettdecke. Nuka entzog ihm grinsend die Decke und strich ihm durch die Haare, machte sie noch mehr durcheinander. Mit Andrews Reaktion hatte er bestimmt nicht gerechnet.

Dieser fuhr herum und verpasste Nuka einen kräftigen Schlag ins Gesicht.

Einige Minuten lang starrten sie sich an.

Nuka war überrascht von der heftigen Reaktion und dem kurzen Schmerz in seinem Gesicht, seine Nase hatte es erwischt.

Andrew war fassungslos. Er konnte nicht glauben, was er da gerade getan hatte. Er hatte noch nie im Leben jemanden geschlagen!

"Entschuldige...Ich...weiß auch nicht, warum...Ich..."

Nuka schüttelte den Kopf und lächelte plötzlich.

Schnell packte er Andrew am Hinterkopf und zog ihn zu sich. Lippen pressten sich auf seine, nahmen seinen Mund gefangen.

Andrew schrie erschrocken in den Kuss hinein, erreichte damit jedoch nur, dass Nukas Zunge in seinen Mund drängen konnte. Entsetzt stemmte er seine Hände gegen Nukas breite Brust und versuchte ihn von sich zu schieben. Jedoch bewirkte das das genaue Gegenteil. Nuka rollte sich über ihn und nagelte ihn regelrecht auf die Matratze.

/Gott! Nein! Was soll das?! Er will...Nein!/

Andrews weit aufgerissene Augen kniffen zusammen, als Nukas andere Hand sich an seine Hüfte legte und ihn noch weiter an sich heran schob. Tränen liefen über Andrews Gesicht. Verschwammen seine Sicht.

/Warum?! Es lief doch alles so glatt! Warum ausgerechnet jetzt?!/

Niemand beantwortete seine Frage.

Nuka verließ seinen Mund und wanderte mit seinen Lippen über Andrews Gesicht, küsste die Tränen weg und lenkte seine Aufmerksamkeit dann auf Andrews Hals. Dieser brachte keinen Ton heraus und versuchte sich auf die Dunkelheit zu konzentrieren, die er wegen seiner geschlossenen Augen vor sich hatte.

/Kein Ton! Wer weiß, was er tut, wenn ich schreie...Ich...Was...Was tut er da?!/

Andrew biss sich auf die Lippen. Er spürte warme Küsse und eine feuchte Zunge auf seinem Hals.

/Warum...? Er...? Wie kann er das tun?! Normalerweise...Warum tut er das?! Gott...das ist...zu intensiv!/

Er wimmerte auf. Harte Zähne fuhren zart über empfindliche Haut, pressten aus ihm ein kaum hörbares Seufzen.

/Nein! Das...soll nicht noch einmal passieren! Nicht noch einmal! Nie!/
 

Nuka hielt inne. Hatte er da nicht etwas gehört?! Ein Wimmern. Natürlich. Und dann?! Was war das?! Ein Grinsen legte sich auf seine ebenen Züge.

/Oh...Es gefällt dem Kleinen?! Wie komme ich denn zu der Ehre?! Dabei hatte ich doch nur vor ihn zu ärgern! Na ja...wenn es ihm gefällt, dann werde ich auch nicht klagen!/

Neugierig hob er den Kopf und betrachtete das angespannte Gesicht seines Psychologen. Was er sah erstaunte ihn.

Er wusste ja, dass er gut war. Aber so gut?!

Andrew sah verwirrt aus. Sehr verwirrt.

/Vielleicht versteht er seine Reaktion selbst nicht?!/

Im nächsten Moment zuckte Nuka jedoch zusammen. Andrews Miene hatte sich verändert. Er wirkte jetzt entschlossen. Entschlossen und verdammt wütend.

"Geh sofort von mir runter."

Die Stimme war gefährlich leise und gepresst, als könnte sich Andrew nur schwer davon abhalten ihn anzuschreien. Langsam, vorsichtig verlagerte Nuka sein Gewicht nach hinten auf seine Knie und richtete sich auf. Ausdruckslos, im Inneren jedoch verdammt angespannt musterte er Andrew, der sich erhob und ans Fenster trat um aus ihm hinauszusehen. Alles ohne ein Wort. Nuka ließ ihn keine einzige Sekunde aus den Augen.

/Wie wird er reagieren?!/

Sie saßen so für einige Momente.

Doch dann tat Nuka etwas sehr dummes. Er provozierte seinen Psychologen.

"Bist jetzt wohl sauer auf mich, was?! Mir egal. Das einzige, was ich zu meiner Verteidigung zu sagen habe, ist, dass es dir gefallen hat."

Mit Andrews nächster Reaktion hätte wohl er niemand gerechnet.

Der Braunhaarige fuhr wütend herum.

"GEFALLEN?! GEFALLEN?! Du beschissener Bastard von einem Dreckskerl! Was soll mir daran schon gefallen haben?!"

Nuka erkannte Andrews Vorhaben erst, als es bereits zu spät war und er eine Glasvase samt Blumen genau auf seinen Kopf zu schießen sah. Keine Zeit mehr um auszuweichen. Das einzige, was er tun konnte, war die Arme vor sein Gesicht zu reißen.

Das Glas war dünn. Es zersplitterte an seinen Armen. Alles kam Nuka wie in Zeitlupe vor. Schmerz vom Aufprall der Vase und von Glassplittern, die sich in Sekundenschnelle in seine Haut bohrten. Ebenso in Zeitlupe realisierte er, dass einige Splitter zwischen seinem Schutz durchflogen. Genau auf sein Gesicht zu. Er war geistesgegenwärtig genug um seine Augen zuzukneifen. Es war ein erschreckendes Gefühl, als er spürte wie Splitter in seine Haut schnitten und augenblicklich von Blut, das aus den Verletzungen trat, daran gehindert wurden sich in der Haut festzusetzen. Ein Schrei entwich seiner Kehle. Im nächsten Moment fühlte er Schmerz in seiner Unterlippe.

Es war alles schnell passiert. Vollkommen ungläubig saß Nuka auf dem Bett und starrte die Scherben an, die zu seinen Beinen auf der Decke lagen. Immer noch fassungslos hob er seinen Blick und sah Andrew an. Dieser stand zur Salzsäule erstarrt vor dem Fenster und starrte mit dem gleichen Ausdruck von Schrecken ihm entgegen. Die Wut war verraucht.

"Das..."

Ein schiefes, fast schon zittriges Lächeln legte sich auf Nukas Lippen. Es tat weh, wenn er den Mund bewegte. Außerdem schmeckte er eine zarte Spur eines metallischen, ungewohnten Geschmacks im Mund. Blut.

"Schon gut, Andrew. Das hätte ich alles nicht tun dürfen...Die Art mag ich nicht an dir. Du kannst dann richtig Angst machen."

Nuka hatte das Gefühl sein Herz wäre eben stehen geblieben und setze nun heftig und schmerzhaft wieder ein.

Andrew war mit einem Satz bei ihm, sprang neben ihn und fuhr vorsichtig mit den Fingern über Nukas Wange.

"Es...Es ist nicht so schlimm. Nur kleine Splitter. Es blutet nicht sehr. Am Besten gehen wir ins Badezimmer."

Nuka nickte vorsichtig. Ein Splitter an seinem Hals.

Andrew schob die Decke mit den Scherben weg und zog ihn ins Badezimmer.

Nuka versuchte sein Gesicht so wenig wie möglich zu bewegen.

"Setz dich."

Andrew schob ihm einen kleinen, weißen Hocker zu, auf den sich Nuka vorsichtig niederließ.

Sofort kniete sich der Psychologe vor ihn und fuhr wieder kurz mit den Fingern über die an ein paar Stellen vom Blut rote Wange. Nuka zuckte ein wenig zurück.

"Das brennt...", knurrte er und ergriff Andrews Hand.

Das Gesicht, in das er sah, war schreckensbleich.

"Tut mir Leid, Nuka. Wir sollten das mit Wasser abwaschen. Aber es kann wehtun."

Nuka winkte ab und rutschte näher ans Waschbecken.

Es herrschte Stille, während Andrew ihm das wenige Blut von Gesicht und Armen wusch und nach Splittern untersuchte.

"Es ist nicht schlimm. Nichts passiert. Ich werde später schon merken, ob irgendwo noch ein Splitter ist, Andrew. Danke."

Andrew erhob sich und nickte sachte.

"Sieh es dir besser selbst an. Vielleicht entdeckst du noch einen."

Nuka stand auf und betrachtete sein Gesicht im Spiegel.

Es sah überhaupt nicht schlimm aus. Vielleicht so, als hätte er sich leicht beim Rasieren geschnitten. Es waren nur vier Schnitte. Einer auf der Unterlippe, einer auf seinem Kinn, zwei unter seinem Auge. Alle waren nicht größer als ein Zentimeter.

"Da habe ich wohl noch einmal Glück gehabt. Wäre ein Splitter auf mein Lid geflogen, wäre es wohl morgen angeschwollen. Ein Glück, dass ich die Augen überhaupt zugemacht habe. Das hätte wortwörtlich ins Auge gehen können. Hmm...Die Schnitte unter dem Auge sehen ja richtig verwegen aus!"

"Ich weiß...Tut..."

Nuka unterbrach ihn.

"Schon ok. Ist ja nichts passiert! Du hattest auch einen verdammt triftigen Grund! Mir tut es Leid! Ich wollte dich, glaube ich, irgendwie ärgern...Ach, vergessen wir das, ok?!"

Andrew blickte leicht auf. Tränen hingen in seinen Wimpern. Nuka seufzte auf und strich sie ihm vorsichtig weg. Mit einem kleinen Anflug von Freude bemerkte er, dass Andrew bei diesen leichten Berührungen nicht zurückzuckte.

/Wahrscheinlich hat er jetzt ein Trauma oder so...Ich und meine dämlichen Ideen!/

Nuka schüttelte seinen Kopf und schob Andrew zögernd aus dem Bad.

"Du hast sieben Stunden Fahrt und eine von meinen Spezialbehandlungen hinter dir. Am Besten gehen wir jetzt wirklich schlafen!"

Andrew nickte nur. Bevor Nuka sich jedoch aufs Bett werfen konnte, packte der Braunhaarige ihn am Arm und deutete auf die Scherben.

"Ich denke nicht, dass du dich noch weiter verletzen willst oder?! Ich bringe das weg."

Nuka willigte ein und sah ihm dabei zu, wie er die Scherben in die Decke wickelte und damit das Zimmer verließ.
 

Andrew war nicht auf direktem Wege zurückgekommen. Er hatte bei der Rezeption eine neue Decke bekommen und sich dann noch an die Hotelbar gesetzt. Er hatte etwas Alkoholisches gebraucht. Nur ein Gin später war er wieder zu seinem Zimmer gegangen. Er vertrug wirklich nicht viel und wollte sein Glück nicht noch mehr provozieren.

/Das habe ich heute schon genug getan! Es hätte ernsthaft etwas passieren können! Nuka hätte schwer verletzt werden können! Wenn nicht sogar ein Auge verloren! Ich.../

Er zwang sich zur Ruhe und kramte seinen Zimmerschlüssel aus seiner Tasche, den er sich bevor er gegangen war noch eingesteckt hatte. Gott sei Dank hatte seine Schlafanzughose Taschen.

Es war erstaunlich ruhig im Zimmer. Verblüfft und versucht leise trat er an das Bett heran. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, während er den Anblick, der sich ihm bot, in sich aufsog.

Nuka lag schlafend wie ein Baby im Bett und hatte seine Arme um sein Kissen geschlungen. Ein durch und durch friedlicher -und vor allem niedlicher(!)- Anblick.

Darum bemüht, keinen Laut zu verursachen, breitete er die Decke über seinen Patienten aus und legte sich neben ihn.

Die ganze Zeit über musterte er den Schlafenden. Verschiedene Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf, ließen ihn keinen Schlaf finden.

Der Schlaf übermannte ihn erst, als graues Licht der Dämmerung durch die Jalousien drang.

Und im Schlaf stellte sich ihm ständig eine Frage.

/Ist er nun ein mieser Typ oder nicht?!/

Mehr oder weniger übliche Reiseprobleme

Mehr oder weniger übliche Reiseprobleme
 

Als Nuka aufwachte, war es bereits acht Uhr. Er hatte leichte Kopfschmerzen und die Schnitte, die Andrew ihm zugefügt hatte, brannten unangenehm.

/Wenigstens hatte ich diese Nacht keinen Albtraum. Das hätte mir gerade noch gefehlt./

Er hörte ein Rauschen. Verwirrt hob er den Kopf und blickte sich in dem von der Sonne, die bereits durch die Jalousien drang, erhellten Zimmer um. Kein Andrew!

Ein Knurren entwich ihm und er rollte quer über das Bett. Er blieb auf dem Bauch liegen und stützte seinen Kopf auf seinen ineinander verschränkten Händen ab.

/Der Kleine ist also im Badezimmer...Wie es sich anhört, duscht er gerade...Hmm...man stelle sich den Süßen einmal nackt vor.../

Nuka seufzte schwer auf und vergrub sein Gesicht in der Decke.

"Nicht dran denken, Nuka. Das wirst du eh nie zu sehen kriegen...Der Psycho ist zu verklemmt...", sprach er leise mit sich selbst.

Dann stutzte er. Ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

/Aber man wird jawohl noch träumen dürfen!/

Er ergriff die Bettdecke und klammerte sich an sie wie an einen Menschen und drehte sich auf den Rücken. Mit geschlossenen Augen und einem leisen Seufzen malte er sich aus, wie Andrew wohl aussehen würde, in einem friedlichen Wäldchen, mitten auf einer Lichtung im Gras liegend, mit nichts weiter an als ein paar Ameisen und Sonnenkringel. Ein weiteres Seufzen entrang sich seiner Kehle.

/Das ist so gemein...Ich glaube, der Kerl kann mich gar nicht leiden...Und ich denke jetzt so einen Unsinn! Oh Mann...Ich armer, verliebter Tropf.../

Ein schiefes Grinsen legte sich auf seine Züge.

Verwundert sah Nuka auf. Das Rauschen der Dusche hatte aufgehört und er vernahm ein leises und nicht allzu schlimmes Fluchen aus dem Badezimmer. Er hob viel sagend eine Augenbraue.

/Haben die dem den Hahn zugedreht?! Na klar! Musste ja bestraft werden! So verboten gut wie der aussieht!/

Und wieder grinste er.

/Die Freiheit tut mir echt gut! Sollte solche Ausflüge öfters machen!/

Er vernahm einen weiteren gemurmelten Fluch aus dem Badezimmer. Langsam erhob er sich, trat an die Türe heran und runzelte die Stirn. Es war nichts zu hören.

/Was macht er denn da drin?! Vielleicht ist er ausgerutscht und hingefallen?! Sollte ich vielleicht.../

Nuka biss sich leicht auf die Unterlippe und überlegte fieberhaft.

Schließlich fasste er einen Entschluss.

Er klopfte an die Tür und öffnete sie dann sofort. Kein Gedanken verschwendete er daran, dass man zu erst auf das *Herein* warten sollte.
 

Es war klar, dass Andrew seine Waschutensilien in seinem Kulturbeutel vergessen musste. Natürlich war es das. Langsam gewöhnte er sich an den Gedanken vom Pech verfolgt zu werden.

Mit einem Seufzen stellte er das Wasser ab, das bis jetzt noch unglaublich sanft und warm über seinen Körper gestrichen war und trat vorsichtig aus der Dusche. Nach einem beunruhigten Blick zur Türe, entschied er, sich doch lieber ein Handtuch umzubinden. Man wusste ja nie, wer da hinter der Tür stand und nur darauf wartete herein zu kommen. Er war nicht besonders scharf darauf von dem Vergewaltiger nackt gesehen zu werden.

Er wäre beinahe ausgerutscht und konnte sich gerade noch am Waschbecken festhalten.

/Ich hätte das Wasser nicht so heiß stellen sollen.../, dachte er vor sich hinfluchend und ergriff seine gelbe, kleine Tasche. Das Duschgel und Shampoo mit dem Lavendelaroma hatte er schnell gefunden. Zufrieden ergriff er beides und wollte sich wieder der Dusche zu wenden. Jedoch rutschte ihm eine der Flaschen aus den Händen. Sie prallte auf dem Boden auf und verschüttete ein wenig des angenehm duftenden, violetten Gels. Der Verschluss hatte sich geöffnet.

"Mist, verdammter!", entwich es ihm.

Mit einem wehleidigen Seufzen ging er in die Hocke und hob die Flasche vorsichtig an. Jetzt war sie noch schwerer zu halten.

Im nächsten Moment riss jemand die Türe auf. Andrew zuckte entsetzt zusammen.

"Ähm...Entschuldige..."

Nuka war wohl ebenso überrascht wie er.

Langsam und zögerlich erhob sich Andrew und wandte sich zu ihm um. Nukas Augen blieben an seinem Rücken hängen. Andrew lächelte bitter.

/Tja. Mein Rücken war schon immer ein Blickfang...Mal sehen, ob er mir jetzt immer noch hinterherläuft./

"Was...was ist mit deinem Rücken passiert?"

"Nichts."

"Deshalb sieht das ja auch so nach ,nichts' aus! Sag schon! Wer hat das getan?!"

"Geht dich nichts an!"

Andrew hatte heftiger geantwortet, als er es eigentlich vorgehabt hatte.

Deshalb warf Nuka ihm auch einen schrägen Blick zu. Dann entwich dem Russen ein Seufzen.

"Tut mir Leid. Es geht mich wirklich nichts an."

Es folgte Stille.

Natürlich fielen Andrew Nukas interessierte Blicke auf, die ihn musterten.

"Was machst du eigentlich hier?!"

Nuka zuckte kaum merklich zusammen und lachte verlegen auf.

"Ich hab dich fluchen gehört und dann plötzlich nichts mehr! Ich hab gedacht, du hättest dich verletzt oder so etwas!"

Andrew verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte den Umstand zu ignorieren, dass er immer noch halbnackt war.

"Das glaube ich dir natürlich aufs Wort, Nuka."

Auf dem Gesicht seines Patienten machte sich ein verbissener Ausdruck breit.

"Aber das ist die Wahrheit! Ich hab mir halt Sorgen um dich gemacht! Glaubst du, ich bin ein Spanner?!"

Andrew dachte über diese Worte nach. Nuka schien wirklich die Wahrheit zu sagen.

"Ok. Schon gut. Aber ich wäre dir jetzt sehr verbunden, wenn du verschwinden könntest! Ich bin nämlich noch nicht fertig!"

Er hatte einen Fehler gemacht. Das war eindeutig die falsche Formulierung gewesen!

Ein breites, anzügliches Grinsen legte sich auf Nukas Lippen.

"Weißt du, Andrew?! Ich bin auch noch nicht fertig!"

Sofort wusste Andrew, was jetzt passieren würde. Und da hatte er jetzt ganz bestimmt keine Lust drauf!

Wieder ziemlich wütend und mit gerötetem Gesicht warf er die Flasche, die er gerade vom Boden aufgehoben hatte, nach seinem Patienten, der sich mit einem Lachen zur Seite ans Fenster in Sicherheit brachte.

"Du wirfst wohl gerne mit Sachen um dich, was?!", lachte Nuka und hielt sich am Fensterbrett fest.

Andrew schnaubte wütend auf und machte einen kleinen Schritt nach hinten.

Großer Fehler!

Er rutschte auf der kleinen Shampoopfütze aus. Erschrocken schrie er auf und kippte nach hinten.

Ein Arm packte ihn an der Schulter und riss ihn wieder nach oben. Durch den Schwung wurde er kräftig gegen einen warmen Körper gezogen. Erschrocken hielt er sich an dem Körper vor sich fest.

Verstört hob Andrew den Blick und sah geradewegs in Nukas grinsendes Gesicht. Jetzt bemerkte er auch, dass Nuka einen Arm um seine Schultern und einen um seine Taille geschlungen hatte, und dass er sehr nah an Nukas nacktem Oberkörper stand. So nah, dass er die warme Haut auf seiner eigenen, von der Dusche noch feuchten spüren konnte und Nukas Geruch einatmete. Ein ungewohnter Geruch. Leicht würzig und...einfach schwer zu beschreiben. Jedoch mehr als angenehm.

Ebenso wie der Geruch, veranlassten Nukas grüne, klare Augen ihn dazu, still stehen zu bleiben und in Nukas Gesicht zu starren.

/Er hat immer noch einen Dreitagebart.../

Er konnte jedes einzelne, hellblonde, fast rötliche Haar sehen. Es erinnerte ihn an diese alten, rauen Plüschsofas. Borstig aber zugleich auch unglaublich weich. Er widerstand gerade noch mit den Fingern durch die kleinen Haare zu fahren.

/Scheiße! Was mache ich hier?!/

Sein Verstand hatte ihn wieder.

Erschrocken stemmte er seine Hände auf Nukas muskulöser Brust -wobei er sich ernsthaft zwingen musste, die wundervoll geschwungenen Muskeln nicht mit den Fingern nachzufahren- und stieß Nuka nicht gerade sanft von sich. Der Russe sah wohl ein, dass es keinen Zweck hatte, ihn in seinen Armen festzuhalten und löste die ,Umarmung'.

"Danke."

Andrew schluckte leicht und fixierte einen Punkt hinter Nuka, blickte aus dem Fenster.

"Gern geschehen. Ich gehe dann mal. Bis gleich."

Er nickte und war leicht überrascht, dass sein Patient sofort aufgab.

/Vielleicht hat er es endlich verstanden?!/

Komisch. Irgendwie machte ihn dieser Gedanke nicht froh. Nuka war der erste Mensch außer seinem Bruder nach Jahren gewesen, der ihn berührte.

/Wahrscheinlich fand er meine Narben nur so ekelhaft, dass er nun wirklich das Interesse an mir verloren hat!/

Andrew verwarf diesen Gedanken. Er wollte nicht an diese Möglichkeit denken. Und er wollte auch nicht an seinen mit Narben übersäten Rücken denken. Der hatte ihm sowieso das ganze Leben zerstört.

/Nein, nicht mein Rücken hat das getan, sondern derjenige, der mir die ganzen Narben eingebracht hat.../

Andrew seufzte auf und fuhr sich über das Gesicht. Er wollte nicht mehr daran denken.

Deprimiert hob er die Shampooflasche wieder vom Boden auf, ließ die darunter erscheinende Pfütze, Pfütze sein und stellte sich wieder unter die Dusche. Er seifte sich ordentlich ein. Dann drehte er wieder das warme Wasser auf und spülte sich den Schaum aus dem Haar. Gleichzeitig wünschte er sich, dass er seine Vergangenheit, seine Ängste und Probleme einfach mit dem Schaum endgültig wegspülen konnte. Jedoch tat ihm der Schaum diesen Gefallen nicht.
 

Sie waren seit ungefähr 4 Stunden unterwegs gewesen und machten eine Pause an einer Tankstelle.

Nach dem Vorfall im Badezimmer herrschte zwischen ihnen verkrampfte Stille. Eine Stille, die Nuka überhaupt nicht leiden konnte.

"Andrew? Können wir vielleicht in das kleine Restaurant gehen da hinten? Ich habe Hunger."

Andrew blickte von der Karte auf, die er nun schon seit mehreren Minuten studierte. Nuka nahm an, er benutzte sie nur aus Vorwand um nicht mit ihm reden zu müssen. Er verstand das gut.

Andrew nickte.

"Ja...Wenn die nicht zu teuer sind. Hast du Geld für dich?"

Nuka schüttelte den Kopf.

"Wenn wir zu Hause angekommen sind, dann gehe ich sofort zur Bank und hebe Geld ab."

Andrew nickte und erhob sich von der Bank, auf die sie sich gesetzt hatten.

"Ich werde dir etwas leihen. Aber du musst es mir wieder geben. Ich bin selbst öfters knapp bei Kasse."

Nuka nickte und klopfte ihm auf den Rücken, wobei der Psychologe wieder zusammen zuckte.

"Danke, Andrew! Darf ich mich dafür mal revanchieren?!"

Nuka wusste selbst nicht, warum er dies jetzt sagte. Es war ihm einfach herausgerutscht.

Andrew seufzte auf und lächelte ihn schief an.

"Du gibst nie auf oder?!"

Nuka lächelte zurück und verwuschelte ihm die Haare.

"Natürlich nicht! Ich kann es nie lassen süßen Kerlen hinterher zu steigen!"

/Und bei so einem süßen Typen, wie du einer bist, kann ich noch weniger aufhören.../

Das sagte er jedoch nicht. Andrew hätte wahrscheinlich wieder empfindlich reagiert.

Wieder stumm betraten sie das Restaurant. Es war hübsch eingerichtet. Auf einem Plakat entdeckte Nuka einen Hamburger, den man bestellen konnte. Augenblicklich lief ihm das Wasser im Munde zusammen.

"Oh Gott...sag mir, dass das ein Traum ist! Ein Hamburger! Ich habe seit mindestens sieben Jahren keinen Hamburger mehr gegessen! Scheiße, sieht der gut aus!"

Andrew neben ihm lachte laut auf.

Verwundert wandte Nuka sich ihm zu und betrachtete ihn.

/Wie süß!/

Andrew hatte sich auf einen Schlag vollkommen verändert. Während er lachte, bildeten sich kleine Lachfältchen an seinen Augen, die Nase kräuselte sich ganz leicht und zwischen seinen Lippen blitzten weiße, gerade Zähne hervor. Außerdem erregten Nukas ein kleines, gerade erst entstandenes Grübchen auf der rechten Seite des Mundes seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Der Braunhaarige machte einen fröhlichen und völlig ausgelassenen Eindruck auf ihn. Und er wirkte verdammt jung.

"Andrew? Entschuldige, wenn ich frage, aber...wie alt bist du eigentlich?"

Andrew, der nach seinem Lachen versucht hatte mit einer Hand sein verdammt anziehendes Lächeln zu verbergen -, das er Nukas Meinung nach gar nicht hätte verstecken müssen- blickte ihn überrascht an.

"Ich bin 25. Warum willst du das wissen?!"

Nuka schüttelte den Kopf und schenkte ihm ein umwerfendes Lächeln.

"Ich bin nur neugierig auf dich...Du wirkst so jung, wenn du lachst, weißt du das?"

Andrews Lächeln verschwand. Ihm schien etwas eingefallen zu sein.

"Ich denke, das liegt wohl daran, dass ich, als ich jünger war, mehr gelacht habe..."

Andrews Stimme hörte sich an wie im Selbstgespräch.

Nuka war verwirrt.

"Wieso?"

Der Braunhaarige senkte den Blick und schüttelte den Kopf.

"Ist egal. Jetzt such dir was zu essen aus."

Nuka seufzte auf und griff sich die Speisekarte.

Bevor er den Kopf in die Karte steckte, lächelte er Andrew noch einmal an.

"Du solltest viel öfter lachen. Es steht dir unheimlich gut."

Andrew lächelte leicht traurig.

"Darum geht es doch gar nicht."

Nuka verstand diesen Satz nicht. Aber er wollte auch jetzt nicht nachfragen. Er hatte Hunger! Und jetzt ließ er sich auch nicht von Andrews Lachen aufhalten!
 

Nuka betrachtete Andrew amüsiert, der versuchte eine Karte mit der Rechten zu halten und zu lesen und gleichzeitig mit der Linken ein Fruchteis am Stil zu halten und Tropfen mit den Lippen auf zu fangen.

Nuka tat dies schon seit sie sich auf eine Bank vor dem Restaurant gesetzt hatten um ihr Eis zu essen, das Nuka stolz auf sich in der Tankstelle gekauft hatte. Gleich nachdem sie fertig gegessen hatten, wollten sie weiterfahren.

Wieder warf er Andrew zu seiner Linken einen belustigten Blick zu und diesmal konnte er nicht mehr die Klappe halten.

"Oh Mann...Wenn du nicht immer so gemein zu mir wärst, würde ich jetzt...Ach, vergiss es..."

Nuka lächelte und schüttelte den Kopf.

"Was hast du gesagt?"

Andrew hatte ihm nicht zugehört.

Nukas Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. Ein großer Tropfen Fruchtsaft, den Andrew wohl verloren hatte, war auf die Unterlippe getropft und perlte nun langsam über das schöne, geschwungene Kinn. Nuka nahm an, dass er auf Andrews helles Hemd fallen und dort einen kleinen, orangen Fleck hinterlassen würde, jedoch blieb es an der untersten Stelle des Kinns. Praktisch eine Einladung es wegzuwischen.

"Du hast da was...", murmelte Nuka und beugte sich zu Andrew.

Sachte legte er eine Hand in Andrews Nacken und zog ihn näher zu sich heran. Sanft berührte er mit den Fingern Andrews weiche Wangen. Langsam und nichts mehr außer diesen glitzernden Tropfen und das dazugehörige Gesicht bemerkend näherte er sich weiter.

Doch ein wenig zögerte er.

/Wird er wieder wütend?!/

Aber schließlich hielt er die Wärme des anderen Körpers nicht mehr aus. Vorsichtig und unglaublich langsam die Augen schließend strich er mit der Zunge über Andrews Kinn, verfolgte den Weg des Tropfens zurück. Er schmeckte fruchtige Süße und Andrews Haut. Leicht salzig und atemberaubend. Unter seinen Händen spürte er genau wie der Psychologe erstarrte. Jedoch scherte Nuka es dieses Mal einen Dreck!

Zärtlich fuhr er mit der Zunge über Andrews Haut, zeichnete eine feuchte Spur, die schließlich bis zum Startpunkt des Tropfens reichte. Der Mund.

Nuka küsste hauchzart den linken Mundwinkel, wanderte dann mit seinen Lippen auch zum anderen.

Seine rechte Hand -mit der Linken versuchte er Andrews Kopf festzuhalten- tastete nach unten und legte sich um Andrews kleinere, die die Karte krampfhaft festhielt, und drückte diese sanft. Es kam einem Versprechen gleich. Er wollte nichts Böses von Andrew.

Währenddessen presste Nuka seine Lippen ganz gegen Andrews, bewegte sie sanft gegen sie.

/So warm und weich...Ich glaube, das bleibt nicht bei kleinen Schwärmereien.../

Plötzlich erschien ein Bild vor Nukas innerem Auge. Rote, lange Haare, ein sommersprossiges Gesicht, blaue Augen, so strahlend wie der Himmel.

/Catherine!/

Verstört riss Nuka seinen Kopf zurück. Er blickte in vor Entsetzen weit aufgerissene Augen. Keine blauen Augen, sondern dunkelblaue mit kleinen braunen Strichen. Keine Sommersprossen, sondern helle, glatte Haut.

"Ich..."

Nuka stockte. Er fand kein Wort. Alles wie leergefegt.

Behutsam nahm er seine Hände zurück. Sein Eis. Wo war sein Eis?

Sein Fruchteis lag auf dem Boden im Gras. Er hatte überhaupt nicht bemerkt, dass er es fallengelassen hatte. Es schmolz bereits.

/Catherine...Warum denke ich in so einem Moment an Catherine?! Unmöglich! Das ist längst vorbei!/

Verwirrt erhob sich Nuka.

"Ich gehe zu den Toiletten. Muss mich abkühlen..."

Obwohl er leise gesprochen hatte, hatte Andrew ihn wohl verstanden, denn er nickte kaum merklich. Schnell drehte Nuka sich um und hastete regelrecht in Richtung Tankstelle und ließ einen sehr verwirrten Andrew zurück.
 

"Wo muss ich jetzt lang?!"

Nuka hielt sich die Karte vollkommen perplex vor Augen und fuhr mit Blicken ihren Weg entlang.

"Ähm...Ich weiß nicht genau...In Erdkunde war ich noch nie gut, weißt du?!"

Er lachte. Es hörte sich ziemlich aufgesetzt an. Ihm war nicht zu Mute nach lachen. Die Sache mit Catherine ging ihm seit Stunden nicht mehr aus dem Kopf.

"Nuka! Du hältst ja auch die Karte falsch herum!"

Andrews Lächeln ließ ihn seine Sorgen sofort vergessen.

/Oh du putziger, kleiner Kerl! Lass mich dich in Spitzenkleidchen stecken und dich im Puppenwagen spazieren fahren!/

Nuka musste überirdisch breit grinsen.

/So ein lächerlicher Gedanke! Aber Andrew in Spitzenunterwäsche?! Ein wahrer Traum.../

"Ich will gar nicht wissen, an was du gerade denkst, Nuka..."

Das Murren riss ihn aus seinen Gedanken.

Mit einem anzüglichen Grinsen und einem kecken Augenzwinkern blickte er den braunhaarigen Wuschelkopf an.

"Ich glaube, das solltest du am Besten auch gar nicht wissen!"

Andrew seufzte auf und fuhr langsamer.

"Wo müssen wir denn jetzt lang? Da hinten ist eine Kreuzung."

Nuka drehte die Karte in den Händen und nickte leicht.

"Ich denke, wir müssen nach rechts..."

Andrew seufzte hörbar auf und warf ihm ein Stirnrunzeln zu.

"Du denkst?!"

Nuka warf ihm ein aufmunterndes Lächeln zu.

"Ich weiß es. Fahr nach rechts."

Andrew nickte, schaltete in einen anderen Gang und bog nach rechts ab.

Hätte der Psychologe gewusst, dass sie sich danach vier Mal verfahren würden, wäre er nach links abgebogen.

Zu Hause...

Zu Hause...
 

Andrew atmete lächelnd ein. Nun gut. In San Francisco gab es nicht sehr reine Luft, aber es war ihm bekannte Luft. Hier war er zu Hause. Hier hatte er Frieden vor seiner Vergangenheit!

/Bis jetzt...Er weiß, wo ich arbeite.../

Er verscheuchte den Gedanken. Es brachte ihm nichts, dieses Thema immer wieder aufzugreifen.

Ebenso brachte es nichts wieder umzuziehen, wie er es bereits zwei Mal hatte tun müssen. Das verstand er jetzt. Er durfte nicht mehr davonlaufen.

/Aber wenn ich mich ihm stelle.../

Er seufzte tief und erinnerte sich noch gut an den Grund für seinen letzten Umzug. Das Mobiliar hatte man ganz wegschmeißen können, ebenso mussten die eingeschlagenen Fenster repariert werden. Natürlich war er, sobald er dies gesehen hatte, mit Rob in ein Hotel gezogen und hatte am gleichen Abend seine neue Wohnung gemietet.

/Er war schon immer gut im Einschüchtern...Ich bin gespannt, was er sich als nächstes ausdenkt...Vielleicht setzt er einen Killer auf mich an?! Das wäre ihm zuzutrauen.../

Er schnaubte verächtlich.

Nuka, der gerade aus dem Auto ausstieg, warf ihm einen verwirrten Blick zu. Andrew ignorierte dies. Er hatte jetzt keine Lust mit dem Sträfling darüber zu diskutieren, warum er sich so verhielt. Er hatte jetzt andere Sorgen.

/Ich habe gar nicht an Rob gedacht...Ich habe es ihm nicht erzählt, dass wir Besuch kriegen...Aber er hat es wahrscheinlich schon vom Vermieter gehört. Außerdem habe ich ja eigentlich nicht so viel mit Nuka zu tun...Er muss nur die eine Nacht bei uns schlafen, weil wir noch Möbel brauchen...Er schläft auf dem Sofa!...Und falls es Robbie stört, dann kann ich den Fall ja immer noch zurücknehmen.../

Ein leicht spöttisches Lächeln legte sich auf seine Lippen und verwandelte seine Gesichtszüge.

/Natürlich kann ich das! Ich brauche zwar das Geld und verliere deshalb dann wohlmöglich meinen Job, aber das ist doch alles kein Problem!/

Er schüttelte leicht den Kopf.

/Es geht aber nicht anders. Wenn es Rob nicht gefällt.../

"Hey, Andrew? Bist du Telepath?! Du siehst so aus, als würdest du mit jemanden reden!", grinste ihn Nuka an und klopfte ihn auf den Rücken. Ein Zusammenzucken folgte dem natürlich.

"Rede nicht so einen Unsinn, Nuka. Komm, holen wir die Koffer aus dem Auto."

Man sah Andrew nicht an, dass er gerade an genau dasselbe gedacht hatte.

/Vielleicht sollte _ich_ mal zum Psychologen gehen...gespaltene Persönlichkeit.../

Er schüttelte mit einem leisen Seufzen den Kopf und öffnete den Kofferraum. Ohne dass er irgendetwas gesagt hatte, nahm Nuka ihre Koffer heraus und trat wie selbstverständlich auf ihr Wohnhaus zu.

Andrew zuckte zusammen.

"Hey! Was machst du mit meinem Koffer?!"

Der Russe hielt verwundert inne und sah ihn an.

"Was soll ich schon damit machen?! Ich trage ihn!"

Andrew schüttelte den Kopf.

"Das musst du nicht tun. Das kann ich gut alleine."

Mit einem schnellen Schritt war er an seinen Patienten herangetreten und wollte ihm den Koffer aus den Händen nehmen. Jedoch drehte dieser sich so hin, dass er ihn nicht erreichen konnte.

"Na na na! Mein kleiner Schatz rührt jetzt nichts mehr an! Das mach jetzt alles ich für dich! Ich will ja nicht, dass du dir einen Fingernagel abbrichst!"

Nukas Stimme war verstellt hoch und gespielt tuntig. Für Andrew ein verwirrendes Verhalten.

/Warum zieht er so etwas ins Lächerliche?! Er ist doch selbst schwul! Dann darf er doch nicht solche Scherze machen?!/

Jedoch wurde ihm erst richtig klar, dass er seinen Koffer wirklich nicht bekommen würde, als Nuka bereits ein paar Schritte auf die Haustür zugegangen war.

"Nuka! Lass meinen Koffer los! Ich kann das wirklich alleine tragen! Und spare dir solche beleidigenden Bemerkungen, bitte!"

Ein Lachen antwortete ihm. Endgeistert betrachtete Andrew Nuka, der zur Haustüre ging und wahllos auf eine Klingel drückte.

"Nuka! Was tust du da?!"

Der Sträfling wandte sich grinsend zu ihm um.

"Da du da hinten ja anscheinend vorhast zu übernachten, muss ich mir irgendwie anders Einlass verschaffen. Wenn ich einmal im Haus bin...Nun ja, die Wohnungstür kriege ich bestimmt aufgeknackt. Nur das Schloss hier sieht stabil aus."

Andrew stöhnte auf und stellte sich neben ihn.

"Der Mann, dem die Wohnung gehört, wo du gerade geklingelt hast, ist im Krankenhaus. Da macht keiner auf. Geh zur Seite. Ich habe den Schlüssel."

Nuka seufzte auf und trat zurück. Andrew spürte seinen Blick auf sich ruhen, als er sich leichte vorbeugte um aufzuschließen. Komischerweise war es ihm nicht unangenehm. Es war ihm egal.

"So. Gib mir den Koffer und dann vier Treppen hoch."

"Nein."

Andrew sah verwirrt auf.

"Nein? Wieso?"

Nuka ergriff ihre beiden Koffer -er hatte sie kurz auf den Boden gestellt- und hielt Andrew seinen Koffer vor die Nase.

"Ich werde nicht zusehen, wie du dich abrackerst. Ich trage die Koffer."

"Aber..."

Das Lächeln, das Nuka ihm über die Schulter hinweg zuwarf, ließ Andrew stocken. Mit einem Mal vergaß er, was er sagen wollte. Was war noch mal der Grund für seinen Einwurf gewesen?! Keine Ahnung. Und es interessierte ihn auch nicht mehr. Das Einzige, das zählte, war Nukas unglaublich sanftes, warmes Lächeln, das seine Knie weich werden ließ. In seinem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander.

Und nach einigen Momenten stand er immer noch am selben Fleck und starrte mit leicht geöffnetem Mund auf die Stelle, an der eben noch Nuka gestanden hatte.

/Scheiße...Wie soll ich mich bei so einem Charisma auf seine Probleme konzentrieren?! Das wird niemals klappen.../

"Hey, Andrew! Wenn du dich nicht gleich bewegst, komme ich wieder herunter und trage dich! Und wenn du dich wehrst, dann...na, du weißt schon, was dir dann blüht!"

Ja. Andrew konnte es sich denken. Er fühlte bereits die sanften, zärtlichen Lippen auf seinen.

"Arrgh!", machte er leise und schüttelte wild den Kopf.

/Wo kommen jetzt diese verdammten Gedanken her?! Ich hab Gott weiß Wichtigeres zu tun! Ich muss nach Rob sehen, Nuka beim Einrichten helfen und dann noch Abendessen kochen. Außerdem werde ich mich bald auch mit weitaus schlimmeren Problemen herumschlagen müssen! Also! RAUS DAMIT!/

Mit einem erzwungenen Lächeln stapfte er die Treppen hoch, traf dort den breit grinsenden Nuka und schloss seine Wohnung auf.

"ANDREW!"
 

"ANDREW!"

Der Schrei hallte durch das gesamte Treppenhaus und ließ Nukas Ohren klingeln.

/Scheiße...Was war das für ein Irrer?! Der wird hier doch nicht noch einen Massenmörder untergebracht haben?! Vielleicht hat er mich angelogen und sich 'ne Sammlung angelegt?!/

Ein Grinsen huschte über seine Lippen.

/Oh ja...Das würde zu meinem Süßen passen.../

Im nächsten Moment hörte man schnelle Schritte, die sich nährten. Eine Person -Nuka konnte nicht viel erkennen, sie war einfach zu schnell- sprang regelrecht in den Raum und fiel Andrew um den Hals. Beide fielen vom Schwung hintenüber zu Boden. Lachen erscholl.

Nuka blieb vollkommen fassungslos stehen und starrte zu Boden.

Ein leichter Rotschimmer breitete sich auf seinen Wangen aus, wurde langsam immer röter, verteilte sich in seinem ganzen Gesicht und kroch regelrecht seinen Hals hinunter.

/Was soll das denn jetzt?! Darf der das überhaupt?! Andrew einfach so umzuwerfen! Das gibt's ja gar nicht!/

Seine Hände ballten sich kurz zu Fäusten und er musste sich beherrschen um der Wand neben sich keinen Tritt zu verpassen.

/Warum kann ich das nicht machen?!! Verdammte scheiße! Jetzt können die aber mal aufhören!/

Die zwei Personen lagen immer noch auf dem Boden. Der Störenfried -wie Nuka ihn betrachtete- lachte und vergrub sein Gesicht an Andrews Halsbeuge. Nuka verzog sein Gesicht.

/Was für ein Arschloch! Richtig unhöflich! Die turteln da herum und ich stehe immer noch hier! Geht's noch?!/

Schließlich lösten sich die zwei zu seinen Füßen und Andrew erhob sich. Er lächelte. Nuka riss die Augen auf. Ein fröhliches, zufriedenes Lächeln!

/Das war aber nicht mein Werk! Was ist das eigentlich für ein hirnloser Trottel, der Andrew einfach so zu Fall bringt?! Und dann auch noch zum Lächeln?! So ein Scheiß!/

Erst jetzt musterte er die Person, die immer noch kichernd auf dem Boden lag.

Ihm fielen fast die Augen heraus.

Vor seinen Füßen kniete ein Jugendlicher, mindestens über 14. Er trug eine weite Hose, ein sportliches T-shirt, hatte wild hoch gegelte, braune Haare mit blondierten Spitzen und trug Plüschpantoffel mit einem Kuhkopf!

/Oh Mann...wo bin ich hier gelandet?!/

Andrew lächelte ihn schief an und half dem Jungen auf.

"Nuka, darf ich vorstellen: mein Bruder Rob."

Nuka räusperte sich und nickte leicht.

"Nett."

Andrew wollte etwas erwidern, aber Rob kam ihm zuvor.

"Wer is'n das?! Kenn ich den?!"

Andrew wandte sich zu ihm um und schüttelte den Kopf.

"Er..."

"Ich bin euer neuer Zuhälter. Ich soll euch gleich mitnehmen. Es wartet bereits Arbeit auf euch."

Andrew zuckte zusammen und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

Nuka sah ihn leicht erschrocken an.

"Was denn?!"

Nuka sah wie Andrews Gesicht sich rot verfärbte, wie er Luft holte und dann...

"NUKA! So etwas will ich hier nicht hören! Wenn du noch einmal so etwas in der Art sagst, dann schmeiße ich dich hochkant wieder raus und du siehst deine Zelle schneller wieder, als du denkst! Verstanden?!"

Nuka sah ihn verblüfft an.

Während Rob ihn mit gerunzelter Stirn ansah und an Andrews kurzen Ärmel zupfte.

"Andrew! Nicht so brüllen. Das tut in den Ohren weh."

/Was habe ich denn gemacht?! So schlimm war das gar nicht! Außerdem habe ich niemanden beleidigt...Ich glaube, er sollte etwas gegen seine Wutausbrüche tun.../

Aber Nuka hielt den Mund und beobachtete doch wieder leicht amüsiert, wie die Röte, die sich auf Andrews Gesicht breit gemacht hatte, langsam und Stückchenweise verschwand.

/Süß...Er hat jetzt richtige Flecken im Gesicht!/

Ein Grinsen breitete sich wieder auf seinem Gesicht aus.

"Entschuldige, Fleckengesicht! Wo ist das Bad? Ich müsste mal kurz die Toilette benutzen."

Andrew wurde wieder durchgehend rot -diesmal jedoch vor Verlegenheit; er konnte sich bestimmt vorstellen, wie er jetzt aussah- und deutete hinter sich in einen Flur.

"Die hellblaue Tür am Ende des Ganges. Du kannst es nicht verfehlen. Ich bin in der Küche und mache uns Kaffee."

Nuka nickte, ließ ihre Koffer auf dem Boden stehen und ging den Flur entlang. Er warf neugierige Blicke in die wenigen Zimmer, bei denen die Türen offen waren. Alles war hell, luftig und gemütlich eingerichtet.

Er trat an einer offenen Tür vorbei, stockte trat wieder zurück und blickte in das Zimmer. Ein Grinsen legte sich auf sein Gesicht.

/Sieh an...Andrews Schlafzimmer...Ein großes, rotes Bett...Nein, wie nett!/

"Guck da nicht so rein, Zuhälter! Das ist unhöflich!"

Nuka zuckte zusammen und fuhr herum. Hinter ihm stand Rob mit Unschuldsmiene und grinste ihn an.

/Er sieht seinem Bruder gar nicht ähnlich...komisch.../

Die Haarfarbe war die gleiche -abgesehen von der Blondfärbung-, aber das Gesicht war anders. Breite Nase, kleine Augen, sogar ein wenig lang gezogen, wie bei einem Asiaten.

/Entweder ist er adoptiert oder Andrews Vater war ein ganz schlimmer!/

Nuka grinste mit einem Mal zurück.

"Sorry, Little. Ich konnte nicht anders."

Auf dem jungen Gesicht machte sich ein erstaunter Ausdruck breit.

"Du lügst mich nicht an?! Normalerweise behauptet man dann doch sofort, dass man das Badezimmer gesucht hat!"

Nuka legte den Kopf schief und wuschelte durch die steifen Haare. Sofort fuhr eine schnelle Hand wieder hindurch um die Haare wieder in Form zu bringen.

/Auf keinen Fall wie sein Bruder...Dem ist es egal, wie seine Haare aussehen.../

"Also, ich denke mal du bist so intelligent, dass du so eine dämliche Lüge durchschauen würdest. Deshalb spare ich mir das von Anfang an. Nur sag deinem Bruder nichts, sonst bekommt er wieder diese Flecken im Gesicht! Sieht ungesund aus!"

/Obwohl...wenn ich's mir recht überlege...Das war so süß, das will ich noch mal sehen!/

Das glockenhelle Lachen ließ ihn aufblicken.

/Gleiches Lachen...aber nicht mit so einer tollen Ausstrahlung!/

"Du bist ja cool! Bist du der komische Typ, von dem Andrew erzählt hat?! Sein neuer Patient?! Der Knacki?!"

Jetzt war Nuka es, der lachen musste.

"Jap! Der bin ich!"

Der Junge hielt den Kopf schief und musterte ihn eingehend.

"Stimmt...Siehst auch aus wie einer...Hast du auch Tatoos?! Knackis haben doch auch immer Tatoos oder?!"

Nuka grinste breit.

"Ja, ich habe ein Tatoo.", erwiderte er gedehnt und langsam.

Er wollte auf etwas ganz bestimmtes hinaus. Wenn Rob nicht schwer von Begriff war, würde er nicht weiter über das Thema Tatoo sprechen.

Leider war er schwer von Begriff.

"Ja?! Ist ja cool! Wo denn?! Zeig mal!"

Nuka begann laut zu lachen und schüttelte wild den Kopf.

"Das zeige ich dir nicht!"

Rob schmollte ihn natürlich sofort an.

/Ob Andrew auch so aussieht, wenn er schmollt?!/

"Warum nicht?! Ich will es aber sehen! Zeig es mir!!"

Nuka biss sich auf die Unterlippe und schüttelte weiter den Kopf.

"Ich werde es dir nicht zeigen, Rob."

"Wieso denn nicht?!"

Nuka versuchte sein Lachen zu unterdrücken.

"Weil es an einer Stelle ist, die man nicht zeigen sollte, deshalb!"

Rob wurde genauso schnell rot wie sein Bruder.

Laut lachend wandte sich Nuka um und wollte gerade ins Badezimmer gehen.

"Aber Andrew würdest du es sofort zeigen oder?!"

Nuka hielt inne. Verwundert drehte er sich um und sah in das frech grinsende Gesicht des Halbstarken.

/Der ist aber fix.../

"Wieso sollte ich das machen wollen?!"

/Lieber mal nachfragen.../

"Na ja...Drew sieht doch gut aus! Und du sahst eben so wütend aus, als ich ihn begrüßt hab! Es würde sogar der alten Kuh im Stock unter uns auffallen, dass du an meinem Drew interessiert bist, und die ist zu dumm um ner Bananenschale auszuweichen, die jemand ganz zufällig auf die Treppe gelegt hat!"

Nuka lachte leise, doch dann stockte er.

/Sieht man mir meine Schwärmereien so schnell an?! Vielleicht sollte ich das besser lassen...?/

"Sorry, Kumpel, aber ich muss jetzt wirklich Pinkeln gehen. Nachher mache ich mir noch ins Hemd."

Ein überlegenes Grinsen ließ ihn die Stirn runzeln.

"Na klar, Knacki. Lenk ruhig ab. Die Antwort auf meine Frage kriege ich schon noch!"

Nuka lachte leise auf, betrat das ordentliche, hellblaue Badezimmer und schloss die Tür hinter sich.

/Eindeutig ein verwöhnter, kleiner Scheißer...aber nett./
 

Nuka starrte geistesabwesend in seine Tasse Kaffe -ein wirklich guter Kaffe, wie er zugeben musste(!)- und strich bedächtig die weiße, einfache Tischdecke glatt. Er saß hier schon seit Minuten, wurde von Andrew angeschwiegen, der ebenfalls seit Minuten vor ihm saß und ebenfalls in seine eigene Tasse blickte.

Eine ziemlich unangenehme Stille.

/Was soll das hier jetzt eigentlich?! War der Scherz mit dem Zuhälter wirklich so schlimm...? Vielleicht sollte ich mich entschuldigen.../

Entschlossen sah er auf und versuchte durch einen durchdringenden Blick Aufmerksamkeit zu erhalten. Keine Chance. Andrew schwebte in fremden Sphären.

"Andrew."

Der braune Wuschelkopf hob sich leicht.

/Was mache ich hier eigentlich?! Ich muss mich nicht entschuldigen! Ich habe nichts getan! Außerdem sollte ich aufhören so nett zu ihm zu sein, sonst denkt er noch, es wäre mir wirklich ernst!/

"Was denn?"

Nuka seufzte kaum hörbar auf.

"Ein guter Kaffee, der beste, den ich je getrunken habe."

Ein verwirrter Blick traf ihn und ließ ihn sich auf die Unterlippe beißen.

/Oh Gott! Wie kann man nur so süß sein mit so einem zerstreuten Ausdruck im Gesicht?!/

Andrews Stimme ließ ihn aufblicken.

"Das wolltest du doch gar nicht sagen. Was ist los?"

Nuka verzog leicht den Mund zu einem misslungenen Grinsen; eine Mischung aus Spott und Wut darüber, dass man ihn durchschaut hatte.

"Nichts. Vergiss es einfach."

Andrew richtete sich auf seinem Stuhl auf.

"Ich werde es nicht vergessen. Nuka, ich schlage vor, dass wir jetzt schon einmal eine Therapiestunde machen könnten. Rob ist ja gerade weg, dann haben wir unsere Ruhe."

Nuka hob eine Augenbraue und grinste Andrew an.

"Du hast keine Ruhe, wenn der Kleine da ist?"

Der Psychologe schüttelte den Kopf.

"Nein. Und er ist nicht klein, er ist 16 und fast 1,76."

Nuka legte den Kopf schief.

"Aber er benimmt sich wie ein kleines Kind."

Ein schweres Seufzen antwortete ihm.

"Das liegt an einem traumatischen Vorfall in seiner Vergangenheit, nein, eigentlich waren es mehrere. Sein Vater hat ihn entweder ignoriert oder angeschrieen. Dadurch hat er sich angewöhnt sich wie ein Zurückgebliebener zu gebären um Aufmerksamkeit zu erlangen. Du wirst sehen. In der Schule oder bei seinen Freunden tut er dies nicht."

Nuka legte seine Stirn in tiefe Falten und verschränkte seine Finger ineinander.

"Er tut dies nur zu Hause?! Nur bei dir?! Warum? Hast du nicht genug Zeit für ihn?"

Andrew blickte kurz zur Seite. Nuka konnte sich denken, dass er sich eine Antwort zurechtlegte.

"Ich weiß auch nicht, warum er das hier tut. Ich bin fast den ganzen Tag zu Hause. Ich versuche ihm alles so angenehm wie möglich zu machen und habe extra nur wegen ihm Psychologie studiert! Ich will ihm wirklich helfen, aber es klappt nicht."

"Ich...könnte mal mit ihm reden...Vielleicht erzählt er mir Sachen, die er dir nicht erzählen kann."

Andrew hob den Kopf. Kurze Panik flackerte in seinem Blick auf. Jedoch sah Nuka es nicht lange genug, weil er den Kopf wieder leicht senkte.

"Nein...Ich denke nicht, dass das hilft. Soll ich dir jetzt deine Wohnung zeigen?"

Nuka warf ihm einen scharfen Blick zu.

"Lenke nicht vom Thema ab. Wir waren gerade bei deinem Bruder. Warum sollte es nichts helfen mit ihm zu reden?!"

Andrew, der sich schon halb erhoben hatte, glitt wieder zurück auf seinen Stuhl und sah ihn ernst an. So ernst, dass Nuka sich ein Stirnrunzeln nicht verkneifen konnte.

/Was hat er denn jetzt schon wieder?!/

"Du wirst nicht mit ihm reden. Es kann sein, dass manche Erinnerungen bereits tief in seinem Gedächtnis vergraben sind. Er hat sie verdrängt und will, dass sie verdrängt bleiben! Er würde zusammenbrechen, wenn er sich wieder an alles erinnern würde. Schlafende Hunde soll man nicht wecken!"

Nuka sah in stechende Augen, in denen wütende Funken sprühten.

/Irgendwie habe ich das Gefühl, er spricht gar nicht über seinen Bruder...Er nimmt das so ernst.../

Natürlich hatte Nuka eine Antwort parat.

"Aber ein Hund kann doch nicht ewig schlafen...Er muss aufwachen und Eindrücke verarbeiten; leben! Das ist so kein Leben!"

Andrew riss die Augen auf und starrte ihn verstört an. Nachdenklich stützte er den Kopf auf seiner Hand ab und starrte durch ihn hindurch ins Leere.

/Damit hat er wohl nicht gerechnet! Tja, Psycho! Man sollte die Sache auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten!/

So saßen sie da. Andrew vollkommen abwesend und Nuka, der ihn eingehend musterte und sich die einen oder anderen Gedanken über ihn machte. Doch dann wurde es Nuka zu bunt.

"Du wolltest mir doch meine Wohnung zeigen oder, Andrew?!"

Der braunhaarige, junge Mann zuckte merklich zusammen und sah ihn einen Moment ausdruckslos an, dann zeichnete sich ein feines Lächeln auf sein Gesicht -natürlich war es aufgesetzt- und nickte.

"Ja, dass wollte ich...Lass uns gehen, es ist nicht weit. Direkt eine Etage höher."

Nuka beobachtete seinen Psychologen genau, als dieser aufstand und mit ihm zusammen die Küche und dann die Wohnung verließ.

/Und zu mir sagt er, ich würde eine Fassade tragen! Pah!/
 

Nuka lag noch wach. Er dachte über seine jetzige Situation nach. Nun gut. Die jetzige Situation war recht einfach. Nuka lag in Andrews Wohnzimmer auf einer verdammt unbequemen Couch mit nur einer dünnen Decke zugedeckt. Es war kalt im Wohnzimmer. Andrew hatte ihm gesagt, dass die Heizung kaputt war. Aber natürlich konnte er in seiner Wohnung noch nicht schlafen.

Erstens, weil er noch keine Möbel hatte und zweitens, weil der Mieter in den letzten Tagen, Andrew und er heute die Wohnung gestrichen hatten. Es stank kotzerbärmlich nach Farbe.

Nur dachte er nicht allzu viel darüber nach.

Er dachte darüber nach, wie er Rache nehmen konnte, wie er Todd ausfindig machen könnte, ihn in eine dunkle Gasse zerren, ihn so lange verprügeln, bis der nicht mehr wusste, wie er hieß und ihn dann der Länge nach aufschlitzen würde. Obwohl Nuka sich das mit dem Aufschlitzen noch mal überlegen wollte. Er war schließlich kein Mörder.

/Aber nach der Meinung aller ein verfickter Vergewaltiger!/

Nuka drehte sich mit einem lauten Knurren herum und starrte auf das schwarze, blinde Bild des Fernsehers.

/Ist ja klar, dass Andrew mich nicht an sich heran lässt. Er glaubt diesen Arschlöchern vom Gericht ja auch alles! So ein Schwachsinn! Als hätte ich es nötig eine Frau zu vergewaltigen! Wir habe uns geliebt verdammte Scheiße!/

Seine Gedanken kehrten wieder zu Todd zurück.

/Vielleicht ist das mit dem Aufschlitzen wirklich nicht so eine gute Idee...Ich denke, ich werde ihn einfach so lange zusammenschlagen, bis er zugibt mir das alles angetan zu haben und das auch vor Gericht sagt...Das ist eine perfekte Lösung.../

Ein Knarren ließ ihn aufblicken. Da die Tür zum Flur nur angelehnt war, sah Nuka, dass das Licht im Flur anging.

Müde, schwere Schritte tapsten versucht leise über glatten Holzboden.

/Andrew ist noch wach?!/

Vorsichtig erhob er sich und ging auf den Flur, betrat zögernd die Küche. Und da stand er. Nuka lehnte sich breit grinsend an den Türrahmen und ließ seinen Blick über Andrews Oberkörper wandern.

Andrew stand am Tisch und war konzentriert damit beschäftig sich ein Glas Milch einzuschütten. Er war so erschöpft, dass er ihn wahrscheinlich gar nicht gehört hatte.

Nukas Grinsen wurde noch breiter. Er grinste nun schon bald im Kreis!

Andrew trug nämlich nur dunkelblaue Boxershorts. Ein hinreißender Anblick. Der Psychologe war unglaublich schlank und zierlich mit flachen Muskeln und blasser Haut. Ein wahrer Traum.

"Du solltest mehr essen, Drew. Man kann deine Rippen zählen."

Andrews Kopf schoss in die Höhe und er verschüttete ein wenig von der Milch.

"Nuka! Himmel Herr Gott! Hast du mich erschreckt!"

Der Russe runzelte leicht die Stirn. Langsam trat er an Andrew heran und fuhr ihm vorsichtig durch seine Haare. Vollkommen zerzaust. Doch das war nicht das, was ihm Sorgen bereitete.

Andrew war bleich. Er sah unausgeschlafen aus -kein Wunder bei der Uhrzeit- und irgendwie...krank und schwach. Nuka konnte sich denken, woher das kam. Er wusste, was so ein Aussehen zu bedeuten hatte.

"Hattest du einen Alptraum? Bist du deshalb so spät noch wach?"

Andrew sah verwirrt auf.

"Woher weißt du das?!"

Nuka lächelte ihn leicht an und zerwuschelte ihm zum hunderttausendsten Mal die Haare.

"Man kann es dir von der Nasenspitze ablesen. Ich weiß, wie man nach einer alptraumreichen Nacht aussieht, glaub mir."

Andrew senkte leicht den Kopf und seufzte.

"Wovon hast du geträumt?!"

"Das geht dich nichts an, Nuka..."

Nuka trat an ihn heran und strich ihm mit beiden Händen über das Gesicht, streichelte ganz zart die Wangen. Andrew fuhr nicht herum wie sonst.

"Tut mir Leid, Darling. Ich wollte nicht fragen."

Andrew verzog wütend seinen Mund und drehte sich diesmal von ihm weg.

"Nenn mich nicht Darling!"

Ein leises Lachen ging über Nukas Lippen, während er ganz nah an Andrew herantrat und die Arme locker um dessen Hüfte legte.

"Das bist du aber, Drew. Mein süßer Darling..."

Nuka spürte, wie Andrew erschauderte. Ob es ihm gefiel, seine Stimme so nah an seinem Ohr flüstern zu hören, oder, ob es ihm wieder Angst machte, das wusste er nicht. Er versuchte es auch zu ignorieren.

/Wahrscheinlich ist er nur zu müde um sich zu wehren...Armer, kleiner Psycho.../

"Du bist komisch, Nuka. Weißt du das?! Ich weiß nicht so ganz, wie ich mit all dem umgehen soll..."

Nuka legte sein Kinn auf Andrews Schulter und betrachtete die Zettel, die auf dem Kühlschrank klebten.

"Ich denke, du hast Angst...vor mir...oder?!"

Zu seiner Verwunderung schüttelte Andrew den Kopf.

"Nein, habe ich nicht...Ich weiß auch nicht..."

"Glaubst du, ich hätte die Frau damals wirklich vergewaltigt?"

Die Frage war ihm sehr wichtig. Er würde es sich noch einmal überlegen, ob er Todd angriff oder lieber seine nicht begangene Strafe absaß. Es hing alles von Andrews Antwort ab. Wenn selbst jemand wie Andrew so etwas von ihm dachte, dann hatte er kein Recht frei zu leben, egal ob die Verhaftung berechtigt war oder nicht.

"Nein. Das glaube ich nicht. Ich kann es mir nicht vorstellen. Du bist ein guter Mensch."

Nuka schluckte hart und hauchte dem Wuschelkopf einen sanften, einfachen Kuss auf den Nacken.

"Danke..."

Nuka merkte gar nicht, dass seine Stimme leise und sogar ein wenig brüchig war. Er war unglaublich froh das gehört zu haben.

"Schon gut, Nuka. Wir sollten jetzt schlafen gehen."

Nuka löste sich leicht von Andrew und trat zur Tür.

"Du gehst gleich auch wieder ins Bett oder?!"

Andrew warf ihm ein kleines, ehrliches Lächeln zu, eines, das Nukas Herz zum Rasen brachte.

"Ja. Ich trinke nur noch schnell meine Milch, dann gehe ich auch schlafen. Mach dir keine Sorgen."

Nuka nickte. Mit einem strahlenden Lächeln verließ er die Küche, lief leise durch den Flur ins Wohnzimmer und sprang mit einem gewaltigen Satz aufs Sofa, das daraufhin laut ächzte.

Wie ein Blöder grinsend kuschelte er sich in die Decke und schloss die Augen.

Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief er ein.

Jonas Fisher

Jonas Fisher
 

"Das ist unverschämt..."

Andrew blickte stirnrunzelnd auf seine Uhr.

"Wir warten hier jetzt schon eine Stunde auf unser Essen. Bei deinem Steak kann ich das ja noch verstehen, Nuka, aber was kann man an Nudeln mit Fleischbällchen so lange machen?!"

Nuka lächelte und tätschelte ihm kurz besänftigend die Hand.

"Reg dich nicht auf, Darling. Die müssen erst noch die gemeinen Hackfleischtierchen fangen. Das kann dauern. Ich habe mal in so einem Restaurant gearbeitet, ich weiß, wovon ich rede. Diese kleinen Biester beißen einen ins Bein!"

Andrew warf ihm ein Lächeln zu. Der Russe hatte es wenigstens versucht ihn aufzumuntern. Schon der Versuch allein hob seine Laune erheblich.

Mit einem ergebenen Seufzen stützte er sein Kinn auf seinen Händen ab und beobachtete Nuka, der sich langsam und bedächtig eine Zigarette drehte. Das tat er nur noch, seit er vor zwei Wochen über ihnen eingezogen war. Er hatte Andrew gesagt, die Zigaretten, die man fertig kaufen könnte, hätten nicht genug Tabak für seinen Geschmack. Andrew rauchte nicht und ihm war das alles eigentlich egal. Nur musste er selbst zugeben, dass die gedrehten Zigaretten besser rochen. Wahrscheinlich vermischte Nuka diese aber auch nur mit irgendeinem anderen Kraut um ein paar kleine *Nebenwirkungen* zu bekommen.

Andrew musste schmunzeln. Was er doch für einen bösen Patienten hatte.

/Solange es ihm Spaß macht, er keinen Ärger dafür bekommt und Rob nichts davon mitkriegt ist es mir wirklich egal. Aber ich will nicht dabei sein, wenn er irgendwann an Lungenkrebs stirbt./

Andrew seufzte leise.

"Also, Drew. Tut mir echt Leid, dass du jetzt so lange warten musst. Ich wollte dich ja nur einladen. Hätte ich gewusst, dass hier solche Holzköpfe arbeiten, dann wäre ich mit dir irgendwo anders hingegangen..."

Der Braunhaarige winkte ab.

"Ach was! Das macht nichts...Eigentlich ist das Warten nicht so schlimm...Außerdem muss ich mit dir reden."

Nuka hob den Blick und sah ihn erwartungsvoll an.

Andrew seufzte auf und fuhr sich durch die Haare.

"Ich muss den Preis für die Sprechstunden erhöhen. Langsam mache ich mir sorgen um mein Konto."

"Kannst du nicht noch jemanden therapieren? Ich habe das Geld leider auch nicht so locker sitzen, wie du weißt."

Andrew legte den Kopf schief.

"Ich weiß nicht...Kann ich Rob so lange allein lassen? Wenn derjenige weiter wegwohnt und ich zu ihm fahren muss, dann könnte das länger dauern...Vielleicht bin ich dann mindestens zwei Stunden unterwegs nur für eine halbe Stunde Therapie...Und dann auch noch eine halbe Stunde für dich. Ich..."

"Du solltest ihn nicht so verwöhnen, Andrew. Es ist klar, dass er sich immer noch so verhält, wenn du sein Verhalten auch noch unterstützt. Er fühlt sich bestätigt, indem du dich so sehr um ihn kümmerst. Er ist sehr unselbstständig."

Andrew verzog leicht das Gesicht und knurrte leise.

"Bist du der Psychologe oder ich?"

Nuka schüttelte den Kopf.

"Ich war auch einmal so, nur mit der Ausnahme, dass ich nur Unsinn getrieben habe. Ich wollte nur Aufmerksamkeit von meiner Mutter. Aber dann hat sie wieder geheiratet und mein Stiefvater hat mich extra ignoriert, wenn ich etwas anstellte. Er hat oft mit mir über mein Verhalten geredet, bis ich eingesehen habe, dass es keinen Sinn hat so weiter zu machen."

Andrew legte den Kopf schief.

"Ich wusste gar nicht, dass deine Mutter allein erziehend war und du einen Stiefvater hast."

Nuka winkte ab.

"Er war mein Stiefvater. Mutter und er sind beide bei einem Autounfall gestorben, als ich 19 war. Aber das hättest du nicht wissen können. Schließlich habe ich es dir nicht erzählt."

Andrew musterte ihn besorgt.

"Möchtest du darüber reden?"

Nuka lächelte und schüttelte den Kopf.

"Schon ok. Ich habe es inzwischen verarbeitet."

Andrew musterte ihn eingehend.

Nuka sah ihm offen lächelnd entgegen, ohne dass es so aussah, als würde er ihn anlügen.

"Gut..."

Nuka grinste ihn an. Dann glitt sein Blick hinter ihn, sog sich an etwas fest, dass am Fenster war. Der Russe zuckte zusammen und ballte ruckartig die Hände zu Fäusten.

Natürlich fiel Andrew sein Verhalten auf.

"Nuka...Was...?"

Er kam nicht dazu den Satz zu vervollständigen, denn Nuka sprang auf, warf dabei den Stuhl um und rannte zum Restaurantausgang und hinaus. Und das alles, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.

Überrascht erhob sich Andrew, trat auf die Straße hinaus und blickte sich um. Das einzige, was er noch von Nuka sah, waren seine blonden Haare, die jedoch kurz darauf, wie vom Erdboden verschluckt, verschwanden.

Fassungslos und wie ein begossener Pudel stand Andrew vor dem Restaurant und starrte auf den Punkt, an dem sein Gesprächspartner gerade eben verschwunden war.

/Das kann doch nicht wahr sein.../
 

/Wo ist er?! Verdammt! Ich hab ihn gesehen! Gerade!! Der Mistkerl ist am Restaurant vorbeigezogen! Wo ist er?!/

Verwirrt und verdammt wütend bog er nach rechts ab und stand am Eingang einer zwielichtigen, dreckigen Gasse. Mit einem Stirnrunzeln sah er sich um.

/Eigentlich kann er nur hier sein...oder...vielleicht doch nicht?! Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet?! Oder.../

Ein Seufzen ging über seine Lippen.

/Ich sollte wieder zurückgehen. Mein kleiner Drew macht sich bestimmt Sorgen.../

Plötzlich hörte er Schritte hinter sich.

"Sieh mal an...Wen haben wir denn da?! Bist wohl ausgebrochen, was, Nuka?!"

Die raue, heisere Stimme ließ ihn zusammenzucken. Vollkommen erstarrt blieb er stehen, grub seine Fingernägel in seine Hand.

"Du meinst wohl eher, dass er sich aus dem Knast gevögelt hat, Loyd?!"

Lachen erscholl. Lachen, das Nuka eine Gänsehaut bekommen ließ, teils vor Freude, teils aber auch vor Angst.

/Loyd und Thomas...Scheiße.../

Er drehte sich nicht um. Er wusste noch genau, wie Todds Lieblingsschläger aussahen.

Die Schritte näherten sich.

"Hatte ich wohl richtig gedacht, als wir dich da in dem Restaurant gesehen haben...Siehst gut aus! Richtig frisch! Nicht wie ein ehemaliger Knacki. Wer war denn der süße Braune an deinem Tisch? Dein neuer Freund, Nuka?!"

"Ach, Loyd! Immer liegst du falsch! Das war der Kerl, den er jeden Abend dazu zwingt mit ihm zu schlafen! Warte... wie hieß das noch mal, was er macht?!...vergewaltigen...oder?!"

Nuka presste seine Lippen zu einer dünnen Linie zusammen.

"Er ist mein Psychologe. Mehr nicht. Was tut ihr hier?!"

"Oh, der Romeo kann sprechen! Und ich dachte, man hätte dir die Zunge herausgeschnitten!"

"Ach, quatsch! Die braucht er doch noch für andere Dinge!"

Eine Hand legte sich auf seine Schulter und drückte so fest zu, dass Nuka die Zähne zusammenbiss. Jedoch regte er sich nicht. Angst zu zeigen, wäre jetzt das Dümmste, was er tun konnte.

Eine andere, deutlich kleinere legte sich auf seine andere Schulter. Und dann ging alles ganz schnell.

Nuka fuhr mit einem wütenden Schrei herum, verpasste dem Kleineren Thomas einen harten Schlag ins Gesicht und wich Loyds erstem Fausthieb aus.

Doch er war viel zu langsam. Denn Loyds andere Faust sauste sofort danach auf ihn zu. Das letzte, das er ohne Schmerzen mitbekam, war die geballte Faust, die auf sein Gesicht zusprang.
 

Andrew lief schweratmend um die Ecke. Kein Wunder, denn er lief nun schon bereits seit einigen Minuten gehetzt durch die Gegend. Besorgt blickte er sich um, bis sein Blick an einer Menschentraube an einer Gasse hängen blieb.

/Das muss Nuka sein! Er liebt großes Spektakel!/

So schnell er konnte überquerte er die Straße und versuchte sich durch die Menschenmenge zu drängeln.

Wäre er doch im Restaurant geblieben. Dann wäre ihm der Anblick, der sich ihm bot, erspart geblieben.

Nuka saß ihn schief angrinsend auf dem Boden, und lehnte an eine Hauswand. Er gab ein erschreckendes Bild ab.

Eine große Platzwunde prangte an seiner Stirn und dünne Rinnsale aus seiner Nase und aus seinem Mund malten Linien auf sein normal makelloses Gesicht. Blut und grober Dreck klebte in seinen Haaren und gaben ihm ein unglaublich heruntergekommenes Aussehen. Natürlich verlieh ihm sein typischer Dreitagebart einen leicht gefährlichen Touch.

Außerdem hing seine teure, neue Jeans in Fetzen und der Bluterguss an Nukas Bauch, den dieser sich gerade kritisch besah, ließ Andrew bleich werden.

"Nuka!", brachte er geschockt heraus und kämpfte sich zu ihm durch.

Natürlich half dem Russen niemand auf. Immer nur gaffen, sonst nichts. Es hätte ja schon längst jemand einen Krankenwagen rufen können. Oder wenigstens die Polizei, denn dies sah verdächtig nach Verletzungen einer Prügelei aus.

Besorgt beugte er sich über ihn und musterte ihn mit gerunzelter Stirn.

"Oh Mann...kaum bist du mal für fünf Minuten allein, machst du schon wieder Mist..."

Leises Lachen antwortete ihm, ging jedoch in unterdrücktem Husten unter.

"Reg dich nicht auf, Darling. Sind nur Kratzer. Mach keine Szene."

Andrew plusterte sich auf, holte Luft und wollte zum Angriff starten, als ihn eine laute Stimme überrascht aufblicken ließ.

"Nuka! Um Gottes Willen! Was ist mit dir passiert?!"

Nuka sah nicht auf, sondern grinste den dunkelblonden, schlanken, jungen Mann, der sich gerade zu ihnen herabkniete, nur schwach an.

"Ich habe gedacht, wir wollten uns um fünf Uhr treffen. Warum bist du schon hier?"

Der Mann antwortete nur mit einem abwinkenden Schnauben.

"Ich wollte vorher noch ein wenig einkaufen gehen. Aber...verdammt, wie ist das passiert?!"

Nuka richtete sich mit einem leisen Stöhnen etwas auf und schloss die Augen.

"Was glaubst du denn, wer das war, Jonas?! Todds Leute natürlich..."

Andrew runzelte die Stirn.

"Todd? Wer ist Todd, Nuka? Ich glaube, du solltest mir da noch so einiges erklären."

Nuka lachte leise, dann hob er den Blick und funkelte Andrew beinahe wütend an, so dass Andrew erschrocken zusammenzuckte.

"Ich glaube, Andrew, da gibt es rein gar nichts zu erklären."

Jonas seufzte auf und hob beschwichtigend die Hand.

"Beruhig dich, Nuka. Ich will hier erst einmal wissen, was jetzt genau passiert ist. Und vor allem will ich wissen, warum du mit Todds Leuten in Kontakt gekommen bist! Ich habe dich doch gewarnt!"

Andrew runzelte verstimmt die Stirn und taxierte den fremden Mann mit Blicken.

"Oh ja...Das würde mich aber auch interessieren. Wer sind Sie?!"

Jonas warf ihm einen kurzen Blick zu.

"Du hast nichts davon gesagt, dass du dich mit mir triffst? Ich hab gedacht, er wäre dein Psychologe?!"

Nuka knurrte leise auf und winkte ab.

"Ist doch scheißegal...Darf ich vorstellen, Andrew? Jonas Fisher, ein guter, alter Freund von mir. Und er studiert übrigens gerade ebenfalls Psychologie. Vielleicht versteht ihr beiden euch ja. Und, Jonas, ich habe dir ja schon von meinem kleinen, putzigen Psycho erzählt."

"Putzig?! Ich glaube, ich habe mich verhört, Nuka!"

Der lädierte Russe lachte laut auf und klopfte Andrew auf die Schulter.

"Beruhig dich, Drew. Könnte jetzt jemand die Gütigkeit besitzen mir aufzuhelfen?"

Andrew legte seine Hand um Nukas Oberarm und wollte ihm gerade aufhelfen, als er bemerkte, dass Jonas Nukas anderen Arm ergriffen hatte und wohl dasselbe vorhatte.

Andrew wusste nicht, warum, aber irgendwie ärgerte ihn das. Die beiden Männer sahen sich für Momente einfach nur an. Es schien, als würden sie sich gegenseitig mit Blick erdolchen wollen.

Wie gesagt, Andrew hatte keinen blassen Schimmer, warum sie das taten.

"Hallo?! Habt ihr's jetzt bald?! Ich habe keine Lust hier weiter im Dreck zu sitzen! Hallo?!"

Andrew zuckte leicht zusammen und lächelte zittrig.

"Entschuldige, Nuka."

Zu zweit stemmten sie den Russen hoch. Andrew musste zugeben, dass er wirklich schwer war. Kein Wunder bei der Statur. Wenn er so groß und muskulös wäre, würde er wohl das gleiche wiegen.

Er seufzte leise. Wenn er etwas größer gewesen wäre, dann wäre ihm alles vielleicht auch gar nicht passiert.

/Unsinn. Das wäre mir selbst dann passiert, wenn ich größer als mein Vater gewesen wäre! Das ist alles Wunschdenken, Andrew/

"Sollten wir nicht eine Anzeige bei der Polizei machen, Nuka?! Ich meine..."

"Bist du bescheuert, Jonas?! Soll ich mich Todd ans Messer liefern lassen?! Erst einmal findet er sofort heraus, wo ich bin, hat überall seine Finger im Spiel, das heißt sogar bei der Polizei, und kann jeden anwerben! Erinnerst du dich an den FBI-Agenten, den er einmal mitgebracht hatte?!"

Andrew runzelte die Stirn und ergriff Nukas Arm fester, damit dieser nicht zu Boden fiel. Er war wirklich schwer. Vor allem, weil er sich nicht einmal die Mühe machte, sich leichter zu machen.

"Nuka! Jetzt beweg endlich deine Beine!", knurrte er und stöhnte entnervt auf.

Im nächsten Moment zuckte er zusammen, als er warmen Atem an seinem Hals spürte.

"Wenn du noch einmal so stöhnst, dann bewege ich gerne auch noch etwas anderes, Drew..."

/Na toll...jetzt werde ich auch noch rot! Besser kann der Tag ja gar nicht mehr werden!/

Nuka lachte wegen seinem Erröten laut auf und schüttelte den Kopf.

"Süßer, kleiner Psycho..."

"Ach...halt den Mund, Nuka..."

Sie gingen vorsichtig von mehreren Blicken verfolgt die Straße entlang, wobei Nuka immer noch nicht aufhören konnte zu lachen.

Sie mussten wirklich ein amüsantes Bild abgeben.
 

"Eine schöne Wohnung hast du dir da eingerichtet, Nuka..."

Nuka blickte auf und lächelte Jonas, der sich neugierig in seiner Wohnung umsah an.

"Danke, Jonas. Ist aber alles noch lange nicht fertig. Du kennst ja mein Hobby. Ich habe vor die ganze Wand dort, hinter dem Fernseher und in der Küche zu bemalen. Ich weiß noch nicht genau, was ich da hinmalen soll, aber auf jeden Fall kann es so nicht bleiben. Viel zu langweilig."

Jonas nickte bedächtig und wollte wohl gerade etwas sagen, als Andrews Stimme aus der Küche erscholl.

"Nuka? Wo hast du denn jetzt den Erste-Hilfe-Kasten? Ich kann ihn nirgends finden."

Nuka lächelte warm.

"Hast du im Spinnt nachgesehen, Drew?"

Leises Poltern war zu hören.

"Ist ok, Nuka! Ich hab ihn!"

Nuka lachte leise.

"So ein kleiner Trottel..."

"Du hast ihn ja anscheinend sehr lieb gewonnen. Wird da was Ernstes draus oder habe ich nichts zu befürchten?"

Grinsend blickte er Jonas an.

"Keine Sorge, Jo, deine Position wird sich keineswegs verändern. Du bist und bleibst mein bester Kumpel."

Der dunkelblonde Mann verzog sein Gesicht.

"Du bist gemein, weißt du das?! Erst lachst du dir Catherine an, dann kommst du ins Gefängnis und kaum bist du wieder hier und scheinbar zum Greifen nah für mich, läufst du schon wieder jemand anderem hinterer! Ich kriege von dir wohl nie eine Chance, was?!"

Nuka lächelte und schüttelte den Kopf.

"Tut mir Leid, Jonas. Mehr als Freundschaft ist nicht drin."

Die Tür öffnete sich und Andrew trat ein. Er hatte Pflaster, Verbandszeug und einige Salben in den Händen.

Nuka musste sofort schmunzeln.

"Verarztet mich jetzt mein Onkeldoktor?!"

Jonas brach in lautes Gelächter aus, während Andrew nur einen kühlen Blick für ihn übrig hatte.

"Zieh dein T-shirt aus. Und jetzt bitte keine albernen Bemerkungen mehr, sonst werde ich wirklich sauer. Verstanden?!"

Nuka hob eine Augenbraue und taxierte seinen Psychologen mit undeutbaren Blicken.

"Also ich wusste gar nicht, dass du so bestimmend sein kannst, Andrew...Das macht einen ja richtig an..."

Diesmal hatte er, was er wollte. Andrew wurde rot.

Zufrieden zog er sich sein T-shirt aus, wobei ihm sein Grinsen im Hals stecken blieb. Die blauen Flecken überall auf seinem Körper taten ziemlich weh.

"Hast du Schmerzen? Soll ich dir helfen?"

Nuka schluckte die anzügliche Bemerkung auf Andrews besorgte Frage hinunter und schüttelte leicht den Kopf.

"Es geht schon, danke."

Der Braunhaarige nickte und breitete das Mitgebrachte auf dem Fußboden aus. Eine Rolle Verband, zwei Tuben mit irgendwelchen, wohl Schmerz stoppenden Flüssigkeiten und eine Spraydose mit ebenfalls so etwas in der Art, wie Nuka annahm. So viel Drama nur für ein paar Kratzer.

Aber Nuka hütete sich so etwas zu sagen. Andrew würde sich nur aufregen.

Wortlos kniete sich Andrew neben seinen Sessel und berührte vorsichtig einen der Blutergüsse. Nuka biss die Zähne zusammen.

"Wenn du noch fester auf dem Ding herumdrückst, packe ich deinen Kopf und hau ihn gegen die Sessellehne, Andrew...", knurrte er leise und ballte seine Hände zu Fäusten.

"Ach...", kam es schon fast abfällig von Jonas zurück, "ich habe gedacht, es wären nur Kleinigkeiten? Wieso tut es denn dann so weh?"

Jonas ließ sich auf der Couch nieder und grinste Nuka an.

"Ach halt deine Klappe, Jonas..."

"Halt still, Nuka..."

Seufzend lehnte er sich im Sessel zurück und schloss die Augen.

Etwas Gutes hatte das alles ja doch.

Andrew strich nun beinahe zärtlich mit den Fingerkuppen über eine leicht blutende Stelle auf seiner Brust, die er sich zugezogen hatte, als er gegen eine raue Wand gedrückt worden war. Es war trotz der kleinen Schmerzen ein sehr angenehmes Gefühl. Vor allem, weil Andrew kurz darauf eine kühle Salbe darauf verteilte, die ein leicht prickelndes Gefühl hinterließ.

"Hmm...Kannst du das weiter unten auch machen? Ich glaube, da habe ich mich auch verletzt."

Der leichte Schlag auf den Kopf ließ ihn breit grinsen.

"Das war dann jawohl ein Nein...Schade...Du bist normalerweise nie so sanft zu mir..."

"Jetzt sei doch mal endlich ruhig, Nuka! Wie soll ich mich denn da auf deine Verletzungen konzentrieren, wenn du die ganze Zeit redest?!"

"Gar nicht?"

Ein entnervtes Stöhnen antwortete ihm.

Grinsend schüttelte Nuka den Kopf und genoss Andrews weitere Verarztungen. Leider war Andrew schnell fertig.
 

"Und?! Fühlst du dich in deinem Bett jetzt besser, du Penntüte?"

"Klar! Danke für eure Hilfe."

Andrew winkte ab. Dabei war es eine ziemlich schwierige Angelegenheit gewesen Nuka, der vor einiger Zeit eine Schmerztablette genommen hatte, die eine irgendwie lähmende Wirkung auf ihn hatte, in sein Schlafzimmer und Bett zu verfrachten. Zumal dieser die Klappe nicht für eine Sekunde halten konnte.

Er seufzte leise und fuhr sich durchs Gesicht. Er hatte verdammten Hunger, da das Mittagessen ja ausgefallen war.

/Schöner Mist...Vielleicht hab ich jetzt gleich irgendwann endlich meine Ruhe?! Ich habe Rob heute Morgen doch versprochen ihm Schach beizubringen. Das kann ich wohl jetzt eher verschieben.../

Andrew musste lächeln, als er sich daran erinnerte, wie Rob am Vortag eine Schachmeisterschaft im Fernsehen verfolgt hatte und ganz wild darauf war, dies ebenfalls zu tun. Er war immer so schnell von einer Sache begeistert.

"Andrew?! Weilst du noch unter den Lebenden?"

Der Psychologe hob verstört den Blick und sah in Nukas grinsendes Gesicht.

"Drew? Holst du mir vielleicht ein Glas Wasser?"

"Natürlich. Warte einen Moment."

Andrew erhob sich von dem Stuhl, auf den er sich eben gesetzt hatte, und verließ den Raum. Mit einem leisen Seufzen durchquerte er das Wohnzimmer und betrat die große, geräumige Küche. Wider seiner Erwartungen war Nuka ziemlich ordentlich. Zwar noch lange nicht so ordentlich wie er, aber schon so ordentlich, dass er das Geschirr sofort nach Gebrauch spülte, den Müll oft hinausbrachte und den Tisch und den Herd immer sauber und abgewaschen hatte.

Mit gerunzelter Stirn öffnete er den Kühlschrank und suchte ihn nach einer Flasche Mineralwasser ab. Keine zu finden. Mit einem Stirnrunzeln schloss er den Kühlschrank wieder und lehnte sich nachdenklich an den Esstisch.

/Habe ich nicht eben noch, als ich das Verbandszeug gesucht habe Mineralwasser gesehen? Natürlich...im Spinnt..."

Er wandte sich um, öffnete den Spinnt und sah sofort einen Kasten mit Sprudel. Zufrieden lächelnd nahm er eine heraus, stellte sie auf den Tisch und holte ein Glas aus einem der dunkelblauen Schränke. Kurz darauf schüttete er das sprudelnde Wasser ins Glas ein und trat damit ins Wohnzimmer, durchquerte das Wohnzimmer und öffnete die Schlafzimmertür.

"Hier, Nuka, ich habe..."

Andrew unterbrach sich, als er sah, was sich in dem Zimmer nun genau vor seinen Augen abspielte.

Nuka und Jonas küssten sich. Und zwar nicht gerade freundschaftlich.

Andrews Hand schloss sich fester um das Glas. Er wusste selbst nicht, warum und was, aber irgendetwas löste dieses Bild in ihm aus.

Andrew musste relativ lange warten, bis die zwei jungen Männer ihn endlich bemerkten.

"Oi...Entschuldige, Andrew. Ich habe dich gar nicht gehört. Danke für das Wasser."

Andrew zwang sich zu einem Lächeln und gab Nuka das Glas. Er wusste, dass seine Gesichtszüge zitterten. Nur war es ihm in dem Moment vollkommen egal.

Jonas wich seinem Blick aus. Etwas, was ihm nicht besonders Kopfzerbrechen bereitete. Nur das kleine Glitzern in Nukas Augen irritierte ihn.

Nun. Es war egal.

Ein schneller Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass es bereits halb fünf war. Rob würde gleich zurück sein. Er war bei einem Schulfreund.

"Ich muss jetzt nach Hause. Rob kommt wieder zurück und ich wollte noch einmal mit ihm über seine Hausaufgaben reden. Er hat komischerweise immer so wenig auf, wenn ich ihn danach frage. Dann bis Morgen. Therapie Morgen wie immer, Nuka?"

Ein Nicken antwortete ihm.

"Gut...Dann tschüss. Man sieht sich, Jonas."

Andrew drehte sich um, verließ das Zimmer, verließ die Wohnung. Und musste sich im Treppenhaus erst einmal an die Wand lehnen.

/Gott...Was war das denn?! Das...Und ich...Was ist mit mir los? So aufgewühlt war ich ja noch nicht einmal, als Nuka mich geküsst hat...Er...er ist so ein Mistkerl.../

Andrew schüttelte den Kopf und atmete tief ein und aus.

/Es ist wohl besser, ich denke nicht mehr daran. Ich muss mich jetzt erst einmal um meinen Bruder kümmern und dann sollte ich meinen Arbeitgeber anrufen...Vielleicht hat er noch einen Patienten für mich...Genau...gar nicht daran denken.../

Noch ein wenig schwankend stieg er die Treppe hinunter und schloss seine Wohnung auf. Er setzte sich auf das Sofa im Wohnzimmer und wartete darauf, dass irgendetwas passierte. Keine zehn Minuten später klingelte Rob in guter Laune Sturm. Nun hatte er wieder etwas, worum er sich kümmern konnte, mit dem er einfach vergessen konnte.

Schreckenssekunden

Schreckenssekunden
 

"Glaubst du,...er hat es gesehen?"

Nuka stellte das Glas Wasser auf seinen Nachttisch, stützte sich auf seinen Ellbogen ab und seufzte leise.

"Natürlich hat er es gesehen, sonst wäre er ja nicht so schnell abgehauen."

Jonas fuhr sich mit der Hand über den Mund und setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Bett stand. Seine Miene wurde nachdenklich.

"Ich weiß nicht genau, ob das so gut war...Vielleicht zieht er sich nur noch mehr vor dir zurück...Vielleicht hilft es gar nicht...Ihr kennt euch immerhin erst wenige Wochen."

Als Nuka das hörte, ballte er seine Hände zu Fäusten. Augenblicklich versuchte er Jonas mit Blicken zu töten.

"Was soll das denn jetzt heißen?! Es war doch deine Idee! Hättest du das nicht schon vorher sagen können?! Was ist, wenn das jetzt wirklich das Gegenteil bewirkt?! Verdammt, du..."

"Du hast mich doch geküsst oder?!"

Darauf wusste Nuka nichts zu erwidern. Er sagte lieber nichts. Die Wut fing an in seinem Inneren zu brodeln.

Jonas zuckte die Schultern. Er ergriff das Glas Wasser und hielt es ihm mit einem mehr oder weniger aufmunternden Grinsen vor die Nase.

"Du hattest doch Durst oder? So eine kleine Abkühlung täte dir wirklich gut!"

Vor sich her knurrend entnahm Nuka seinem Freund das Glas und trank es mit großen Schlücken aus, wobei er den Blonden nicht aus den wütend blitzenden Augen ließ.

"Wenn das nicht funktioniert, dann bringe ich dich um, Jonas! Das verspreche ich dir!"

Ein amüsiertes Lachen antwortete ihm.
 

Andrew seufzte auf und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Nuka war mal wieder zu spät. Und zwar bereits sechs Minuten.

/Es war ja auch nichts anderes zu erwarten...Er ist schon vier Mal in dieser Woche zu spät gekommen...und dann immer diese unglaubwürdigen Ausflüchte...Er muss wirklich denken, ich bin dumm! Er muss denken, ich lasse mir alles von ihm gefallen! Dieser...dieser...Kerl!/

"Arrrgggh!"

Wütend -und er war nicht oft zornig- fuhr er sich mit der Hand durch die gerade eben erst gekämmten Haare, so dass diese jetzt wieder in alle Himmelsrichtungen abstanden und fröhlich frei herumwuschelten. Die Klingel ließ ihn aufblicken.

"Na endlich!"

Mit schnellen, forschen Schritten kam er an die Tür und öffnete.

Nuka stand mit einem freundlichen, entschuldigenden Lächeln vor ihm.

"Du bist recht spät, Nuka. Ich werde dir diese sechs Minuten abrechnen. Das ist dir doch klar oder?!"

Das Lächeln erfror unerwarteterweise und ein Seufzen erscholl.

"Es tut mir Leid, Andrew. Ich hatte Kopfschmerzen und habe erst einmal bei Mrs. Murphy nebenan nach Tabletten gefragt."

Andrew hob viel sagend eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine für ihn ziemlich untypische Pose. Aber er war in letzter Zeit eh nicht besonders er selbst.

/Und das alles, nachdem ich Nuka und...Ach, verdammt noch mal! Ich habe etwas Besseres zu tun um mich mit Nukas Liebeleien zu beschäftigen!/

Er presste die Lippen aufeinander und versuchte die Welle der Wut, die in ihm aufzusteigen drohte, wieder zurückzudrängen.

"Es lagen gestern noch genug Tabletten auf deinem Nachttisch. Du brauchst mir nichts mehr vorzulügen. Es bringt eh nichts, Nuka."

Der Russe schüttelte den Kopf, trat an ihm vorbei in die Wohnung.

"Die Packung war eben leer. Ich habe wohl alles verbraucht. Mrs. Murphy hatte auch keine. Kannst du mir welche geben? Bitte, Drew! Diese Kopfschmerzen bringen mich um!"

Andrew seufzte.

/Jetzt fängt dieses Genörgel und Gejammer über seine Schmerzen wieder an...Das geht jetzt schon seit drei Tagen so...Dabei hatte er wahrscheinlich nur eine leichte Gehirnerschütterung... Ich hab bald keine Schmerztabletten mehr.../

"Dann hättest du es dir vorher überlegen sollen, ob du dich auf belebter Straße verprügeln lässt oder nicht."

Das war Andrews einziger Kommentar dazu. Zugegeben, nicht sehr einfallsreich, aber ziemlich hilfreich, wenn es darum ging, Nuka zum Schweigen zu bringen.

Stumm gingen sie ins Wohnzimmer. Nuka sah mehr als nur ein wenig beleidigt aus. Aber das war Andrew egal. Irgendwie hatte sich in den letzten Tage eine immense Wut gegen Nuka aufgestaut. Er versuchte sie nun mit kleinen Gemeinheiten abzubauen. Leider waren diese Gemeinheiten immer noch zu klein. Seine Gereiztheit verschwand einfach nicht. Er hatte einmal sogar Rob wegen einem seiner kindischen, leider etwas häufigen Wutausbrüche angebrüllt. Etwas, das er nie tat. Sonst redete er immer solange auf seinen Bruder ein, bis dieser sich wieder beruhigte.

"Worüber denkst du nach?"

Andrew blickte auf und warf Nuka einen kurzen, gereizten Blick zu.

"Darüber, wie ich dich wieder loswerde, du Nervensäge."

Ein Schnauben antwortete ihm.

"Dein Humor ist wirklich super. Du solltest Eintritt verlangen für die Comedyshow, die du hier abziehst."

Andrew ignorierte die spöttische Bemerkung und strafte Nuka mit Schweigen.

Mindestens zwei Minuten schwiegen sie sich an. Sturheit lag in der Luft.

Bis Nuka endlich ergeben aufseufzte und den Kopf schüttelte.

"Wir sind albern...Wir sollten anfangen, bitte, Andrew."

Im ersten Moment stieg Trotz in Andrew hoch. Solche Bemerkungen wie eben musste er sich doch nicht gefallen lassen! Aber nun sah er ein, dass dies alles nur Zeit kostete. Zeit, die er nicht hatte. Er musste in zwei Stunden bereits bei einem neuen Patienten sein. Ein Mann im mittleren Alter, der vor zwei Jahren seine Frau bei einem Autounfall verloren hatte, und, dem er nun über seinen Schmerz hinweghelfen musste. Eine knifflige Aufgabe. Jedoch noch lange nicht so schwer wie Nukas Fall. Bei dem wusste er nämlich immer noch nicht, was überhaupt sein Problem war.

"Gut...Eigentlich hatte ich vor wie die Male davor mit dir über deine Gefängniszeit zu reden...aber weil ich glaube, dass wir damit nicht weiter kommen, finde ich, dass wir tiefer graben sollten...Bist du damit einverstanden?"

Andrew richtete seinen Blick auf seinen Patienten, versuchte jede Veränderung zu registrieren und zu analysieren. Die Körpersprache war sehr wichtig.

Nuka runzelte die Stirn. Er wirkte nachdenklich. Er saß locker in dem hellgrünen Wildledersessel -sein Lieblingsplatz in dieser Wohnung, wie Andrew erfahren hatte- und wirkte einfach nur nachdenklich. Er schien Andrews Vorschlag zu bedenken. Seine Hände lagen ruhig auf den Lehnen, Finger strichen von Zeit zu Zeit über die weiche Struktur des Leders.

/Gut...Er wägt die Möglichkeiten ab, wenn er nicht weiter will, dann machen wir da weiter, wo wir letzte Stunde angefangen hatten...Er soll wirklich wollen, dass ich seine Probleme ergründe.../

Nukas Kopf hob sich, legte sich auf die Seite.

"An was hattest du gedacht? Wie tief willst du graben?"

Andrew lehnte sich gegen die Polster des Sofas. Er überlegte kurz. Wählte die richtigen Worte.

"Ich weiß nicht, Nuka. Eigentlich würde ich gerne, direkt am Anfang beginnen. Wie bist du aufgewachsen?"

Der Russe runzelte kurz die Stirn. Er war überrascht wegen diesem Thema.

"Wie ich aufgewachsen bin? Nun ja...Ich wurde in Kasan, Russland am 21.11.1973 geboren. Meine Mutter war eine normale Hausfrau, mein Vater leider auch ein normaler, arbeitsloser Säufer. Ich glaube er schlug sogar meine Mutter. Jedenfalls ist mein Vater dann irgendwann gestorben. Ich weiß selbst nicht, woran. Habe nie gefragt, ich war damals ungefähr vier. Meine Mutter war schlau und hat die Chance genutzt, die sich ihr bot. Sie hat nicht wieder irgendeinen Versager geheiratet, sondern ist mit ein paar Verwandten nach Amerika gereist. Sie wollte unbedingt die Freiheitsstatue sehen...Schließlich blieb sie in New York."

Ein leichtes Grinsen legte sich auf Nukas Züge und er schnaubte halb spöttisch halb amüsiert.

"Der Anblick der Freiheit hat sie nicht mehr losgelassen."

Nuka machte eine kurze Pause und schüttete sich Mineralwasser in eines der Gläser, die Andrew, bevor er auf Nuka gewartet hatte, auf den Tisch gestellt hatte.

Der braunhaarige Psychologe verschränkte leicht die Arme vor der Brust und wartete geduldig darauf, dass Nuka seinen Durst gelöscht hatte. Er musste zugeben, dass er neugierig auf Nuka war. Es interessierte ihn, was den Russen so sehr geprägt hatte, seinen Charakter geformt hatte, die Person gebildet hatte, die Nuka jetzt war.

Nuka lehnte sich im Sessel zurück, strich wieder leicht mit den Fingerkuppen über das weiche Leder der Lehnen und lächelte leicht. Er war scheinbar in Erinnerungen versunken. Doch dann schien er sich zu besinnen und wandte ihm wieder seine Aufmerksamkeit zu.

"Meine Mutter fand keinen Platz für mich in einem Kindergarten, aber ich hatte viel mit anderen Kindern zu tun. Ich lebte in einem Viertel, in dem viele russische Familien lebten. Ich brauchte nur auf die Straße zu gehen und ein paar Gesprächen zu folgen und schon war ich in Russland. Natürlich bildeten die Jugendlichen Gangs. Ich wurde mit fünfzehn der Anführer von einer davon. Wir waren eine kleine Gruppe, auch mit etwas Jüngeren Mitgliedern. Eigentlich hielten wir uns aus den Streitereien mit den amerikanischen Gruppen heraus, aber...Nun ja...Wie schon vor ein paar Tagen gesagt, machte ich bald nur noch Unsinn."

Nuka seufzte schwer auf und fuhr sich kurz durch die Haare und rieb sich leicht über die Stirn. Er schien immer noch Kopfschmerzen zu haben.

"Du hast Unsinn gemacht? Was für Unsinn?!"

Ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen. Und plötzlich sah er aus wie ein kleiner, ungezogener Rotzbengel.

"Ich habe Leute angepöbelt, Sachen geklaut, Prügeleien angezettelt und auch den einen oder anderen Freund meiner Mutter aus dem Haus geekelt. Ich war wirklich gemein. Aber ich hielt nichts von den rassistischen Kleinkriegen der anderen Gangs. Ich war -finde ich- intelligent genug um zu erkennen, dass die Amerikaner deutlich in der Überzahl waren. Ein Freund von mir, er war schon etwas älter, war Mitglied einer größeren Gruppe. Die wollten nicht auf mich hören. Einmal waren meine Leute und ich zur falschen Zeit am falschen Ort. Eine amerikanische Gang kämpfte gegen die Gang meines Freundes. Ich war blind vor Wut und hab mitgekämpft, natürlich mit meiner Gang. Dumm gelaufen. Jemand hat mir ein Messer in den Bauch gerammt und einen halben Tag später fand ich mich mit meiner herumzeternden Mutter im Krankenhaus wieder. Keine schöne Erfahrung kann ich dir sagen."

Andrew nickte leicht.

/Das war ja jetzt alles schön und gut, aber nicht sehr informativ...Aber mal sehen, was er sonst noch erzählt.../

Nuka nahm wieder einen Schluck vom Wasser und legte seine Beine auf den Tisch, direkt neben seinem Glas. Dafür heimste er sofort einen bösen Blick von Andrew ein, der jedoch gekonnt ignoriert wurde.

"Wie ging es dann weiter? Deine Mutter hat dir sicher verboten noch einmal zu diesen Gangs zu gehen."

Nuka lachte leise und nickte.

"Oh ja! Sie hat mich total verprügelt! Ich sah nach ihrem Wutausbruch schlimmer aus als nach der kleinen Gangkabbelei! Ich glaube, sie hat sogar einen ihrer guten Kochlöffel an mir kaputt geschlagen."

Andrew schmunzelte, als er sich augenblicklich vorstellte, wie sich Nukas Mutter wohl über ihn hergemacht hatte, mit Kochutensilien bewaffnet.

"Jedenfalls..."

Nukas Stimme ließ ihn wieder aufblicken.

"Jedenfalls hat meine Mutter dann irgendwann einen recht wohlhabenden Amerikaner getroffen. Frag mich nicht, wie sie an ihn gekommen ist! Ich habe bis jetzt keine Ahnung! Nun gut...nicht, dass sie nichts für ihn gewesen wäre...Sie war hübsch und ganz schön keck in ihrer Art. Sie hatte ihn schneller mit ihrem persönlichen, frechen Charme um den Finger gewickelt, als er auch nur einen seiner Geldscheine herausziehen konnte, um sie um den Finger zu wickeln. Schließlich nach drei Wochen Heimlichtuerei brachte sie ihn mit nach Hause. Natürlich habe ich einen Tobsuchtanfall bekommen, als ich ihn gesehen habe. Wir sind zu ihm gezogen und nach einer Woche musste er neue Möbel kaufen. Ich hatte alles versaut, weil ich ihn so vergraulen wollte. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich das geschafft habe. Aber nach und nach verstanden wir uns. Wir haben manchmal sogar richtige Männergespräche geführt! Er war auch der Erste, dem ich sagte, dass ich auch an Männern interessiert wäre. Er hat mich ermuntert und mich zu seinem Bruder geschickt. Eine schreckliche Tunte, aber bei dem bemerkte ich auch schnell worauf es ankam, wenn man mit einem Mann eine Beziehung aufbauen wollte. Nichts Besonderes eigentlich. Nur dann, zwei Monate vor meinem zwanzigsten Geburtstag starben er und meine Mutter. Ich glaube, ich habe damals fast zwei Tage lang durchgeheult wie ein kleines Kind. Aber ich denke, wenn ich das nicht getan hätte, dann wäre ich wohl krank vor Kummer geworden."

Es folgte Stille. Nuka hatte die Augen geschlossen. Er wirkte leicht bedrückt, aber schien auch etwas erleichtert. Es hatte ihm wohl gut getan so viel auf einmal zu reden. Es brachte ein freies Gefühl, das wusste Andrew.

Schließlich wollte Andrew die Stille nicht unangenehm werden lassen. Mit einem Seufzen beugte er sich etwas vor.

"Manchmal ist es gut seine Trauer durch Tränen herauszulassen. Leider gibt es auch Menschen, die diese Trauer durch Aggressivität zu ventilieren versuchen. Es war klug von dir, so etwas nicht zu tun. Nach einer Weile hättest du Frust nur noch auf diese Weise ablassen können."

Nuka öffnete leicht seine Augen und lächelte ihn an.

"Das stimmt. Das habe ich damals auch gedacht, deshalb wollte ich nichts zurückhalten."

"Hast du noch Kontakt mit deinem Stiefonkel?"

"Mit dem Tuntigen?"

Andrew schmunzelte leicht.

Nuka schüttelte leicht den Kopf.

"Warum, Nuka? So wie ich das verstanden habe, hast du dich doch gut mit ihm verstanden."

Nuka seufzte leise und zuckte die Schultern.

"Ich weiß nicht...Ich glaube, ich war wütend auf ihn...Er war nicht bei der Beerdigung, obwohl er es mir versprochen hatte...Er hat danach ein paar Mal versucht mich zu erreichen, aber ich habe immer so getan, als wäre ich nicht da, als würde es mich nicht geben und, als wäre ich genauso gestorben wie meine Eltern..."

Wieder legte sich ein nachdenklicher Ausdruck auf Nukas Gesicht. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er Andrew an.

"Wahrscheinlich schlägst du jetzt vor, mich bei ihm zu melden, nicht wahr?"

Andrew nickte. Er beugte sich vor und goss sich Wasser in sein Glas. Während er daran nippte, dachte er kurz nach.

"Du solltest dich wirklich bei ihm melden. Lass die Vergangenheit ruhen. Alles hat einen Grund. Vielleicht war er einfach nur verhindert auf der Beerdigung oder er konnte es selbst nicht verkraften dorthin zu gehen. Ich hatte auch einmal eine Stiefmutter. Sie ist an Krebs gestorben und ich konnte ebenfalls nicht zum Trauern an ihr Grab. Ich kann es heute noch nicht. In manchen Momenten im Leben kann man seine Trauer nicht überwinden. Sie schließt einen ein und verhindert, dass wir nach Moral oder der Meinung anderer handeln. Wenn man trauert, ist es egal, wie sich andere Menschen fühlen, jedenfalls dann, wenn die Trauer für einen selber zu groß ist. Verstehst du?"

Nuka nickte langsam.

"Ja...Wahrscheinlich hast du Recht. Ich sollte mich bei ihm melden. Wenigstens sollte ich fragen, wie es ihm geht und mich mit ihm treffen...Er lebt zwar in Philadelphia und ich denke, dass es lange dauern wird, bis ich seine Telefonnummer wieder gefunden habe, aber ich werde mich bei ihm melden...Er hat ein schönes Ferienhaus in Florida, vielleicht könnten wir..."

"RING! RING!"

Sie zuckten beide zusammen. Das Telefon.

Andrew seufzte auf, warf Nuka einen entschuldigenden Blick zu und trat zu der kleinen Anrichte, auf dem das Telefon und ein paar Telefonbücher lagen.

"Bucker?!"

"Ähm...Mr. Bucker?! Also, hier ist Mrs. Morrison. Toms Mutter. Ich habe gerade ihren So...Ich meine, Bruder losgeschickt! Und dann..."

Andrew seufzte leise auf.

"Beruhigen Sie sich erst einmal, Mrs. Morrison. Atmen Sie tief durch und erklären Sie mir dann, was mein Bruder dieses Mal angestellt hat."

"Aber, Mr. Bucker! Er hat nichts angestellt!"

Andrew runzelte die Stirn.

"Was ist denn sonst passiert, dass Sie sich so aufregen?"

"Also ich hatte ihn gerade an die Tür gebracht und er ging schon aus dem Vorgarten an die Straße -ich hatte fast schon die Haustüre zugemacht!- da hörte ich Rob schreien! Da war ein Auto an den Bordstein gefahren und ein Mann hatte ihn gepackt und wollte ihn gerade ins Auto ziehen! Sie glauben gar nicht..."

Andrew fiel der Hörer aus der Hand. Eine schreckliche Ahnung ließ ihn erstarren. Er musste sich mit einer Hand an der Anrichte festhalten, damit er nicht das Gleichgewicht verlor. Er packte so fest zu, dass die Knöchel an seiner Hand weiß hervorstachen.

/Oh Gott...Wenn ihm etwas passiert ist...Er ist das Einzige, das ich noch habe...ich wäre ganz allein! Er war es...Er war es! Mit Sicherheit!!! Oh Gott, was soll ich nur tun?! Was tue ich jetzt ohne ihn?!/

"Andrew? Ist etwas nicht in Ordnung?"

Nuka trat neben ihn, hob den Hörer auf und hielt ihn ihm hin. Mit zitternden Fingern ergriff Andrew den Hörer und hielt ihn sich wieder an sein Ohr.

"Mr. Bucker? Sind Sie noch dran?"

"Ja..."

"Gut, denn Sie sollten Rob jetzt besser abholen! Mein Mann arbeitet noch und ich habe kein Auto. Ich lasse ihn jedenfalls nicht mehr allein auf die Straße!"

Andrew erstarrte ein zweites Mal.

"Er...Er ist doch noch da?"

"Ja! Das habe ich doch gerade gesagt! Er konnte sich losreißen und ehe ich das Auto erreichen konnte, sind diese Schufte schon weggebraust! So etwas! Am helllichten Tage! Und dann mit einem Kind! Also wirklich!!! Ich habe sofort die Polizei gerufen! Leider habe ich diese Schufte nicht erkennen können! Sie hatten Masken auf! So eine Frechheit! Jetzt muss man sogar noch Angst haben, seine Kinder auf die Straße zu schicken!"

Andrew kniff seine Augen kurz zusammen und öffnete sie dann wieder. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Ihm war schwindelig. Irgendwie hatte er das Gefühl, gleich zusammenzubrechen.

Ein Arm legte sich vorsichtig um seine Schultern und stützte ihn.

"Tief durchatmen, Andrew. Du siehst aus wie ein Toter. Was ist denn passiert?"

Andrew gab ihm mit einer lahmen, schwachen Geste zu verstehen ruhig zu sein und wandte sich wieder der aufgebrachten Mrs. Morrison zu.

"Mrs. Morrison. Ist Rob verletzt? Geht es ihm gut?"

Die Stille am Ende des Hörers dauerte beängstigend lange an. Jedenfalls kam es ihm beängstigend lange vor.

"Aber nein, Mr. Bucker! Er hat sich den Arm blutig geschrammt und einen kleinen Schock bekommen, aber sonst geht es ihm Gott sei dank gut! Da hätte ja sonst etwas passieren können! Und stellen Sie sich vor, es wäre..."

"Danke sehr, Mrs. Morrison. Ich fahre sofort zu Ihnen. Danke für Ihre Hilfe."

Andrew legte ohne ein weiteres Wort auf. Mit einem leisen Wimmern schlug er die Hände vors Gesicht und kniff die Augen zusammen. Er atmete zitternd ein und aus, versuchte alle Gedanken aus seinen ihm schwindelnden Kopf zu vertreiben und die Übelkeit wegzudrängen.

"Andrew?"

Ein weiterer Arm legte sich um ihn und er wurde an Nukas breite, warme Brust gezogen. In diesem Moment war ihm alles egal. Er nahm es noch nicht einmal richtig wahr!

"Was ist passiert? Ist etwas mit Rob? Ein Unfall? Sag es mir, Andrew."

Andrew schüttelte leicht den Kopf. Er nahm die Hände von seinem Gesicht und verkrallte sie in Nukas weißes, enges T-Shirt. Mit einem leisen, unterdrückten Aufschluchzen drückte er sein Kopf an Nukas Brust und versuchte an nichts zu denken. Es half. Das hatte es schon vorher immer getan. Das Schwindelgefühl verflüchtigte sich. Die Übelkeit blieb, aber sie flaute ab.

Und dann erzählte Andrew Nuka, weswegen Mrs. Morrison ihn angerufen hatte.

Dabei wurden seine Knie weich.

Nuka stützte ihn und setzte ihn erst einmal in den Sessel.

"Bleib hier ruhig sitzen. Ich hole einen Waschlappen aus dem Badezimmer. Du bist ganz verschwitzt."

Verwirrt fuhr sich Andrew mit den Fingern über das Gesicht. Es stimmte. Er musste wohl in kalten Schweiß ausgebrochen sein.

Immer noch zitternd lehnte er sich im Sessel zurück und ballte die Hände zu Fäusten. Er hatte Probleme zu atmen. Wieder tauchten schwarze Flecken vor ihm auf und diesmal wäre er fast in die Ohnmacht gestürzt, wenn Nuka nicht wiedergekommen und ihm einen kalt-feuchten Lappen an die Stirn gehalten hätte. Die Käte zog ihn wieder an die Oberfläche der Wahrnehmung zurück.

"Es ist doch gut, Andrew. Du hast es ja selbst gesagt, er ist nicht verletzt. Sollen wir ihn abholen oder willst du dich erst noch ein wenig beruhigen?"

Andrew winkte erschöpft ab und erhob sich mit wackeligen Beinen.

"Es ist egal. Ich kann mich auch beim fahren erholen."

"Du fährst mir in diesem Zustand nicht! Ich werde fahren. Dann kannst du dich auch besser auf dich konzentrieren. Oh Mann, du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt! Ich dachte, du fällst jeden Moment tot um, so bleich warst du! Komm, gehen wir nach draußen zum Wagen, an die frische Luft."
 

Nuka war sehr besorgt.

Andrew benahm sich ziemlich ungewohnt. Normalerweise war er die Ruhe selbst, doch nach diesem Vorfall war er vollkommen aufgelöst und hysterisch. Er hatte sich noch nicht einmal ohne Hilfe die Schuhe anziehen können, weil ihm seine Hände so sehr gezittert hatten. Nuka war verwirrt.

/So schlimm war das mit Rob auch nicht...Dieses Verhalten hätte ich höchstens nur dann erwartet, wenn wirklich etwas passiert wäre. Aber das ist es nicht...Vielleicht hat er einen Schock?! Er ist so verdammt blass.../

Er warf einen besorgten Blick zur Seite, musste dann jedoch wieder seine Aufmerksamkeit auf die Fahrbahn vor sich lenken. Er musste fahren. Andrew wäre nicht in der Lage dazu. Sie wären bestimmt im Graben gelandet.

Andrew neben ihm gab ein leises fast verängstigtes Wimmern von sich.

Verwirrt sah Nuka ihn an.

Der Psychologe hatte die Finger in seine Haare verkrallt und die Augen fest zusammen gepresst. Seine Lippen glichen einem blutleeren Strich. Er strahlte vollkommene Angespanntheit aus.

"Was ist...?!"

Andrew öffnete blinzelnd die Augen und warf ihm einen hektischen Blick zu. Das verstörte Nuka noch mehr. Was sollte dieses Verhalten?!

Obwohl Nuka nicht mit einer Antwort gerechnet hatte, bekam er im nächsten Moment eine zu hören.

"Das verstehst du nicht!"

"Und was verstehe ich nicht?!"

Andrew schüttelte den Kopf und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht.

"Er...Er will, dass ich wiederkomme...Aber...egal, was er tut...ich werde das nicht tun...ich will nicht mehr..."

Nuka runzelte die Stirn und bog nach links ab. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken rechts heranzufahren, damit er sich besser auf Andrew konzentrieren konnte, aber dann verwarf er dies wieder. Andrew würde bestimmt nicht weiterreden.

"Wer...wer ist *er*, Andrew?"

Der Psychologe schüttelte ein paar Mal hintereinander heftig den Kopf und sagte kein Wort. Nuka hob eine Augenbraue und musterte Andrew verwundert.

/Er führt sich auf wie ein Irrer...Einmal ruhig den Kopf schütteln hätte vollkommen gereicht...Verdammt, was geht nur in ihm vor?! Was soll das alles?! Wer ist *er*?!/

Es folgte eine Weile Stille. Nuka versuchte sich gleichzeitig aufs Fahren und auf Andrew zu konzentrieren. Nur gab es da nichts, worauf man sich hätte konzentrieren können. Andrew bewegte sich nämlich kein Stück. Es war, als wäre er erstarrt. Sogar seine Miene war völlig bewegungslos.

/Wer trägt denn hier jetzt eine Fassade...? Gott, Junge! Das wird dich umbringen! So etwas kann man doch nicht aushalten! Wie kommst du nur auf die verfickte Idee, dass es helfen würde, wenn du deine Gefühle vollkommen in dir verschließt?!/

"Da hinten. Das weiße Haus. Da wohnen die Morrisons...Lass mich bitte dahinten raus..."

Andrews Stimme war natürlich völlig ruhig.

Nuka nickte leicht und hielt zögernd vor dem schönen, etwas kleinen Einfamilienhaus mit dem hübsch gepflegten Vorgarten und dem weißen Holzzaun darum herum. Ein wirklich schönes Haus. Mit einer guten Nachbarschaft.

/Na ja...gute Nachbarschaft auch nicht unbedingt...Wenn man sich das gerade eben passierte mal vor Augen hält.../

Andrew schnallte sich ab und stieg aus. Als Nuka sah, wie sehr der junge Mann zitterte, wollte er sich schon abschnallen und ebenfalls aussteigen, jedoch ließ er es, nachdem er Andrews Blick gesehen hatte. Es kam einer Warnung gleich. Er wollte nicht, dass er mitkam.

/Nun gut...Wenn er es so will.../
 

Auf der Rückfahrt waren sie alle drei still. Nuka warf oft Blicke zu den beiden Brüdern. Beide waren erschrocken und zittrig. Jedoch Andrew noch mehr als sein kleiner Bruder.

/Komisch...eigentlich müsste das doch andersherum sein...Ich verstehe die zwei einfach nicht...Oh Mann, muss die Familie kompliziert sein!/

"Andrew...Ich muss dir was sagen..."

Nuka hob leicht den Blick und sah Rob durch den Rückspiegel an. Andrew nickte nur leicht, wandte sich jedoch nicht um.

Rob kaute auf seine Unterlippe. Er sah angespannt und blass aus. Und immer noch ein wenig entsetzt über das Geschehene.

"Also...Es waren nicht alle mit Masken...die Männer meine ich...Da saß noch einer auf dem Rücksitz ohne Maske...und...Andrew..."

Nun drehte sich der Psychologe doch um und ergriff Robs Hand.

"Und, Rob? Was willst du mir sagen?"

Rob sah ein wenig irritiert aus, er schien zu versuchen sich an jede Einzelheit zu erinnern.

"Weißt du...ich glaube, der Mann auf der Rückbank war Dad...Ich habe es nicht richtig gesehen, weil die Scheiben getönt waren, aber...er...die Gestik...die Statur...Ich glaube, ich habe sogar seine Stimme gehört! Und..."

Plötzlich schlug Rob die Hände vor sein Gesicht. Lautes Schluchzen zerriss förmlich die Angespanntheit im Auto. Nuka entspannte sich leicht.

/Wenigstens kann sein Bruder Gefühle herauslassen...Das sollte er lieber auch tun...Er hat es viel nötiger als Rob. Wer weiß, wie lange Andrew jetzt schon seine Probleme in sich hineinfrisst...Ich will für ihn da sein, wenn er alles herauslässt...Ich will ihn trösten.../

Im nächsten Moment horchte Nuka auf.

"Andrew! Ich will nicht mehr zurück! Ich will, dass er aufhört! Ich will, dass er dich in Ruhe lässt! Und ich will nicht zurück! Lass nicht zu, dass er uns auseinander reißt! Bitte, lass das nicht zu!"

/Ist das nicht in etwa genau das Gleiche, dass Andrew eben gesagt hat?! Also hat er seinen Vater gemeint.../

"Sschh...Das lasse ich nicht zu, Rob. Keine Sorge...Das wird nicht passieren...Das schwöre ich dir...Er wird uns nicht kriegen..."

Nuka biss sich auf die Unterlippe.

In seinem Kopf schwirrten die wildesten Theorien. Er glaubte auch, er wäre dem Grund für Andrews abnormes Verhalten etwas näher gekommen...

Eifersüchtig?!

Eifersüchtig?!
 

Schmerz zog sich durch ihren Körper und setzte sich in ihrem Kopf fest. Leise wimmerte sie auf. Das Geräusch ging unter in dem Piepen, das durch das kleine, weiß gestrichene Zimmer schallte.

Ihre Sicht war verschwommen, ihre Gedanken noch vom Schlaf und von Medikamenten vernebelt.

/Wo bin ich...? So verwirrend...alles ist so verwirrend...Was soll das alles?/

Ein pochender Kopfschmerz ließ sie wieder aufwimmern. Sie versuchte den Dunst, der vor ihrem Gesicht zu hängen schien, mit den Augen zu durchdringen. Und es klappte. Langsam verfestigten sich die Schemen zu einzelnen Möbeln, Geräten und auch zu einer Person.

Diese Person stand vor ihrem Bett und bewegte sich schnell und forsch. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet. Eine Putzfrau, die den Boden wischte.

Sie versuchte sich irgendwie bemerkbar zu machen, die Hand zu heben. Sie schaffte es nach ein paar Versuchen und zuckte zusammen, als sie einen Tropf sah, der in ihrer Hand steckte.

Verstört ließ sie ihren Kopf wieder in die Kissen sinken. Weiße, saubere Kissen.

Erst jetzt fiel ihr der Geruch auf, der regelrecht im Zimmer hing.

Krankenhausgeruch.

Sie war im Krankenhaus.

Warum war sie im Krankenhaus?!

Hatte sie einen Unfall gehabt?!

Was war das letzte, was sie gesehen hatte?!

Das letzte, an das sie sich erinnern konnte?!

Sie durchwühlte ihr Gedächtnis und wurde fündig.

Tränen stiegen in ihre Augen, als ihr alles wieder in den Sinn kam. Die schrecklichen Bilder. Die schrecklichen Geräusche. Die schrecklichen Gefühle...

Sie erinnerte sich daran, dass sie in ihrer Wohnung gewesen war. Sie hatte gerade eben einen Freund angerufen. Sie wollten über etwas Wichtiges reden. Etwas über sie beide. Über die Beziehung, die sie geführt hatten, und die, die sie nun führten. Es war ihr wichtig gewesen mit ihrem Freund über diese Sache zu reden, wusste sie doch, dass er nicht mit dieser Veränderung, ihrer Veränderung, zurecht kam.

Schließlich war er gekommen. Sie hatte ihm die Türe geöffnet und ihn eingelassen. Bevor sie jedoch die Tür hatte schließen können, hatte sich jemand davor geschoben. Man hatte sie ergriffen und von der Türe gedrängt. Weitere Personen hatten ihre Wohnung betreten. Es war ihr unangenehm. Sie mochte keine fremden Leute. Als nächstes hatte sie zusehen müssen, wie ihr Freund festgehalten und geschlagen wurde. Sie wusste noch genau, wie sie bei jedem Schlag zusammen gezuckt war. Und dann...

Sie konnte sich wieder an alles erinnern. Sie musste das Geschehene nicht noch einmal erleben. Immer noch hörte sie die Schreie ihres Freundes, der darum bat, aufzuhören, sie endlich loszulassen...

Sie schüttelte leicht den Kopf.

Tränen stiegen in ihre Augen.

/Was ist mit ihm danach geschehen...? Diese Männer...Was haben sie mit ihm getan...?!/

Eine große Welle Sorge schwappte über ihren Geist zusammen und schien ihre leichten Schmerzen und jedes andere Gefühl zu ertränken. Ihre ganzen Gedanken und Hoffnungen waren auf die Person gerichtet, die versucht hatte, sie noch bis zum Schluss zu verteidigen. Wie immer, wenn sie in Schwierigkeiten war.

Ihre Wangen wurden feucht. Sie verkrallte ihre Finger in der weißen, einfachen Bettdecke und presste ihre Augen zusammen. Sofort erschien ein bekanntes Gesicht vor ihrem inneren Auge.

Blonde, lange Haare, liebevolle Augen, ein fröhliches, ehrliches, ausgelassenes Lachen auf den Lippen.

Ein leises Schluchzen entrang sich ihrer Kehle.

"Nuka..."

Schnelle Schritte, die sich ihr näherten. Jemand schien sich über sie zu beugen.

"Hach! Ich wusste doch, dass ich etwas gehört habe! Warten sie, Miss! Ich hole schnell den Arzt!"

Die helle, älter klingende Stimme ließ ihren Kopfschmerz wieder in den Vordergrund treten.

Die Schritte waren wieder da. Bewegten sich von ihr weg.

Nur einige Momente später war sie von zwei oder sogar drei Ärzten und mehreren Krankenschwestern umringt, die sich scheinbar von ihrem Zustand fasziniert nach ihrem Wohlbefinden erkundigten.

Doch sie hatte keine Zeit für solchen Unsinn. Sie musste Nuka finden!

Es sah jedoch nicht danach aus, dass man sie so einfach gehen lassen würde.
 

Nuka lag quer auf dem Bett. Am rechten Ohr hielt er sein schnurloses Telefon und vor sein Gesicht ein Bild. Es zeigte einen Mann im mittleren Alter mit bunter, fröhlicher Kleidung und langen Haaren. Sein Stiefonkel. Wie immer fröhlich tuntig.

Neben dem Mann stand ein ungefähr 18 jähriger Kerl mit blonden, ebenfalls langen Haaren, der frech in die Kamera grinste. Das war er selbst.

Damals hatte er noch lange Haare gehabt. Er hatte sie im Gefängnis abschneiden lassen, weil man ihm immer an den Haaren gezogen hatte. Sehr unangenehm.

Sein Blick huschte über das breite Grinsen auf den Lippen von John Thompson, seinem Stiefonkel. Sie hatten sich nach einiger Gewöhnungszeit wie bei seinem Stiefvater gut verstanden.

/Eigentlich ja noch mehr als nur gut verstanden...hatte meine ersten Lektionen bei ihm.../

Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht.

/Hätte ich vielleicht nicht tun sollen...Manchmal muss ich *dabei* immer noch an sein hohes Quietschen denken, dass er immer von sich gegeben hat.../

Er lachte leise und drehte sich auf den Bauch. Schmunzelnd aber nachdenklich wendete er das Bild und betrachtete die Rückseite.

Da stand Johns Telefonnummer. Jedenfalls hoffte Nuka, dass es immer noch seine Telefonnummer war.

/Wenn er umgezogen ist, bring ich die Tunte um.../

Im nächsten Moment biss er sich auf die Unterlippe. Sollte er da jetzt wirklich anrufen?!

/Vielleicht sollte ich Andrew fragen, ob er heraufkommt...? Er könnte mir bestimmt helfen...Ich.../

Es klingelte an der Tür.

Verwundert hob Nuka den Kopf.

/Jo! Kann der jetzt Gedanken lesen oder was?!/

Mit einem Satz sprang er aus dem Bett und lief geradezu zur Tür. Er freute sich irgendwie darauf Andrew wieder zusehen.

Nuka hatte die heutige Therapiestunde ausfallen lassen, weil es seinem kleinen, süßen Psycho nervlich immer noch nicht so gut zu gehen schien. Der braune Wuschelkopf zuckte bei jedem lauten Geräusch zusammen und ihm glitten seit gestern öfters Gegenstände ohne ersichtlichen Grund aus den zitternden Händen. Kurz gesagt: Andrew war ein totales Nervenbündel.

/Vielleicht will er sich ja von mir trösten lassen? Er sucht bestimmt ein ruhiges Plätzchen.../

Schnell verwarf er dieses Wunschdenken wieder und öffnete die Tür.

Es war nur Jonas.

"Hi, du Babypups. Was machst du denn schon wieder hier?"

Nuka seufzte leicht enttäuscht und trat zur Seite um den wegen seiner zugegen nicht gerade netten Begrüßung beleidigt dreinblickenden Jonas einzulassen.

"Was soll das denn jetzt heißen?! Ich dachte, wir wären *zusammen*. Wolltest du diese Show nicht abziehen?"

Nuka seufzte entnervt auf und schloss die Tür. Mit einem Knurren lehnte er sich gegen sie und betrachtete Jonas, der sich regelrecht vor ihm aufbaute.

"Ja, verdammt. Reg dich mal ab...Ich habe in den letzten Tagen etwas nachgedacht und...Eigentlich war es wirklich eine beschissene Idee...Wir kommen eh nicht oft in Berührung...nur bei der Therapie...Ich meine, wann ist er denn da, wenn du da bist?!"

Jonas fuhr sich durch die Haare und ging ins Wohnzimmer, in das Nuka ihm folgte. Ohne gefragt zu haben ließ er sich in einem der Sessel sinken. Der Russe grinste ein wenig verunglückt auf ihn hinunter.

"Na...Wir könnten doch jetzt einfach mal zu ihm gehen! So einen kleinen Freundschaftsbesuch machen."

Nuka verwarf den Vorschlag mit einem Kopfschütteln.

"Keine gute Idee. Ihm geht es nicht gut. Das ist auch der Grund, warum ich gerade nicht in der Therapie bin. Ich mache mir zugegebener Maßen ein wenig Sorgen um seine Psyche..."

Jonas hielt sich die Hand vor den Mund und lachte unterdrückt leise. Er schien nicht glauben zu können, was er gerade gehört hatte.

Nuka stöhnte entnervt auf und verdrehte die Augen.

/Kann der sich das nicht denken?! Warum benimmt er sich jetzt schon wieder so dämlich?! Das ist eine ernste Angelegenheit, verdammt!/

"Sorgen um seine Psyche?! Jo, Mann! Der ist Psychologe! Der kann sich selbst therapieren!"

Nuka seufzte, zuckte die Schultern und setzte sich auf sein kleines, leider schon etwas durchgesessenes Sofa.

"Kann schon sein...wahrscheinlich übertreibe ich auch, aber...na ja...Wie gesagt, ich mache mir halt Sorgen..."

Im nächsten Moment konnte Jonas es scheinbar nicht mehr zurückhalten und brach in lautes Gelächter aus. Nuka betrachtete ihn missbilligend, bis dieser sich wieder einigermaßen beruhigt hatte.

"Du...du machst dir ehrlich Sorgen?! EHRLICH?! Sag mal, was ist mit dir passiert?! Hat man dir im Knast endlich Sozialverhalten beigebracht oder liegt das an etwas anderem?! Du hast dich früher nie um etwas gesorgt!"

Nuka zuckte wieder die Achseln und verschränkte gereizt die Arme vor der Brust. Die Reaktion seines Freundes ging ihm gewaltig gegen den Strich.

"Ach, halt die Klappe...Nach der Sache mit Catherine habe ich keine Lust mehr jemanden zu verlieren, nur weil ich mich nicht genug um Probleme gekümmert habe...Außerdem mache ich mir Sorgen um ihn, weil er mir ziemlich wichtig ist! Um dich würde ich mir keine Sorgen machen!"

Jonas verstummte sofort. Er verzog leicht den Mund und blickte auf den Wohnzimmertisch. Nuka seufzte auf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

/Jetzt hab ich ihn verletzt...Ich weiß doch, wie verdammt noch mal er auf mich steht...So eine Scheiße...Da sieht man mal wieder, wie ich es immer wieder schaffen andere Leute zu verletzen...Vielleicht wäre ich im Gefängnis wirklich besser aufgehoben?!/

"Ich gehe jetzt. Ich habe noch viel zu tun. Wir schreiben bald eine Menge wichtiger Prüfungen. Dafür muss ich noch lernen."

Jonas erhob sich sofort.

Nuka schloss die Augen und nickte leicht.

/Verdammt.../

Einen Moment lang spürte er noch Jonas Blick auf sich, dann hörte er wie Jonas an ihm vorbeiging und das Wohnzimmer verließ.

Er seufzte leise.

/Warum ist immer alles so schwer...? Warum konnte ich mich nicht in Jonas verlieben?! Jonas ist einfach perfekt! So ein Scheiß.../

"Scheiße..."

Mit einem Satz sprang Nuka aus seinem Sessel und lief Jonas hinterher. Er stand bereits an der Tür und hatte sie geöffnet. Ein verwirrter Blick traf den Russen, als er Jonas am Arm packte.

Nuka war alles egal. Er wollte nicht, dass sein Freund jetzt ging und dann vielleicht nie wieder kam. Er wollte Andrew nicht lieben! Er wollte, dass Jonas derjenige war, der mit ihm den Rest seines Lebens verbrachte, wie Catherine es nicht geschafft hatte. Er wollte, dass diese Liebe wirklich war! Bei Andrew konnte er nicht sicher sein. Er kannte ihn nicht gut genug. Er könnte sich verstellen. Und das würde er tun, weil Nuka wusste, dass er rein gar nichts für seinen Patienten empfand.

"Nuka?! Was ist..."

Nuka schüttelte den Kopf und zog Jonas in eine enge Umarmung.

"Warum ist immer alles so ungerecht...?"

Jonas schien die Situation nicht richtig zu verstehen, doch er lehnte sich an Nuka und legte seinen Kopf auf dessen Schulter.

"Was ist ungerecht?"

Der Russe schüttelte den Kopf und vergrub seinen Kopf in Jonas Haaren, atmete den angenehmen Duft ein, den dieser verströmte.

"Alles ist ungerecht, Jonas. Ich will dich lieben können, Jonas, aber ich kann nicht...Und verdammt du bist mir wichtig! Sehr wichtig sogar...Ich kann nur nicht..."

Ein Finger legte sich auf seine Lippen. Nuka seufzte wieder und schüttelte den Kopf. Er tat dies ganz leicht, wollte die Berührung nicht unterbrechen. Es war ein zu angenehmes Gefühl neben dem Verstreuten, Verstörten in ihm, das ihn fast in den Wahnsinn trieb.

"Es ist in Ordnung, Nuka. Ich verstehe dich gut. Ich will dich auch nicht lieben, aber ich tue es. Ich..."

Nuka unterbrach ihn ebenfalls. Er beugte sich vor und presste seine Lippen einfach auf Jonas'.

Verwirrt sah Jonas ihn an, erwiderte jedoch den Kuss. Er erschauerte wegen den sanften Berührungen dieser weichen, festen Lippen, nach denen er sich schon so lange verzehrt hatte.

Nuka unterbrach leicht keuchend den Kuss, als er gegen die Wand gedrückt wurde und sich zwei Hände regelrecht in sein Hemd krallten.

"Jonas...Du weißt, ich...nur dieses..."

"Nur dieses eine Mal...Ich weiß...nur dieses eine Mal in einer Wunschwelt leben...nur dieses eine Mal und dann nie wieder...eine einmalige Sache...Ich weiß..."

Nuka presste mit einem Mal die Augen zusammen. Er spürte, wie Tränen in ihm aufstiegen.

"Gott...und ich weiß, was ich dir damit antun könnte...Verdammt! Ist dir klar, wie du dich danach fühlen wirst?! Ich meine...Ich..."

Jonas' Gesicht kam seinem nahe. Braune Augen blickten ihn warm an und trieben ihm noch mehr Tränen in die Augen.

"Ja, ich weiß wie ich mich fühlen könnte! Aber das ist egal...Mir ist jetzt alles egal..."

Nuka nickte langsam. Dann fühlte er wieder Jonas' Lippen auf seinen und er versuchte so viel Leidenschaft wie möglich in ihren Kuss fließen zu lassen. Sanft spielte er mit Jonas' Zunge, strich über sie und erkundete zärtlich seine Mundhöhle.

Nuka zuckte kurz zusammen, als Jonas' Hände über seine Brust fuhren und schließlich sein Hemd öffneten. Sein Atem wurde schneller, während Jonas langsam mit zarten Händen über seinen Oberkörper fuhr, die Muskeln dabei umspielte und ihm das Hemd von den Schultern strich.

/Verdammt...Das ist so lange her...Ich werde mich nicht lange unter Kontrolle halten können.../

Jonas' Mund löste sich von ihm und im nächsten Moment küssten sie eine seiner Brustwarzen.

Nuka entwich ein leises Seufzen und er vergrub seine Finger in den blonden Haaren seines Gegenübers um ihn sanft näher zu ziehen.

Ein Geräusch ließ beide erschrocken aufblicken. Ein Klopfen auf Holz.

Dann hallte ein Keuchen durch den Raum. Nukas Kopf schoss regelrecht zur Seite und er musste sich an Jonas fest hallten, damit ihm nicht die Beine einknickten.

An der Haustüre nur ein paar Meter von ihnen entfernt stand Andrew und starrte sie erschrocken an.

"An...Andrew...Was...Wie bist du hier hereingekommen?!"

Sehr einfallsreiche Frage. Das musste sich Nuka eingestehen.

"Ich...Die Tür...Die Tür stand offen. Ich wusste nicht, dass...Wenn ich gewusst hätte, dass ihr da...Entschuldigung..."

Andrew wollte sich herumdrehen und wieder verschwinden, doch Nuka löste sich augenblicklich aus Jonas Armen und legte eine Hand auf die Schulter des Psychologen.

Mit einem Anflug von Trauer registrierte er, dass Andrew wieder zusammenzuckte.

"Nein, es tut mir leid...Ich hätte darauf achten sollen, dass die Tür zu ist."

Ein genervtes Stöhnen ließ die beiden jungen Männer sich zu Jonas umdrehen.

"Seid ihr jetzt fertig mit dem Entschuldigen?!"

Nuka seufzte auf und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.

"Ja, Jonas, ich denke, dass sind wir..."

"Gut...Wie gesagt, Nuka, ich habe noch einiges zu tun...Ich sollte jetzt besser gehen. Das hatte ich ja sowieso vor...Bis dann!"

Ohne ein weiteres Wort zu sagen zog der Blonde mit schnellen Schritten an ihnen vorbei und schmetterte regelrecht die Tür hinter sich zu.

Nuka stöhnte entnervt auf und lehnte sich gegen die Wand.

"Er war ziemlich sauer...Ich habe da doch etwa nichts kaputtgemacht oder?!"

Nuka schüttelte den Kopf und sah auf. Sofort betrachtete er den Psychologen und schmunzelte leicht. So ein süßer Kerl.

Andrew trug eine dunkle Hose und ein dunkelblaues Hemd, dass -wohl eher unbeabsichtigt- seine wundervolle Figur betonte und die berauschende Bleichheit seiner Haut noch mehr zur Geltung brachte. Außerdem hatte er wieder so eine wirre Frisur. Ponyfransen hingen ihm in die Augen und die Haare glänzten gesund. Nuka hatte sogleich das Bedürfnis mit den Fingern durch diese Weichheit zu fahren und an diesen wundervollen Haaren zu riechen. Sie mussten einfach wunderbaren duften!

Nuka musste grinsen, als er bemerkte, dass Andrew rot angelaufen war. Dieses Grinsen wurde noch breiter, als er sah, dass der Psychologe sein Grinsen gesehen hatte.

"Musst du immer so grinsen?!"

Nuka zog eine bereits von ihm gedrehte Zigarette aus seiner Tasche und zuckte lässig die Schultern. Ihm lag bereits ein kesser Spruch auf den Lippen.

"Musst du immer so verdammt süß aussehen?!"

Ein gereiztes Schnauben antwortete ihm.

"Hast du etwa noch nicht genug?! Musst du mich jetzt auch noch angraben?! Jonas hat dich wohl nicht gut genug bedient!"

Nuka schaute von der Zigarette auf, mit der er gespielt hatte. Andrews Gesicht war rot vor Zorn.

/Habe ich das gerade richtig gehört?! Habe ich das richtig...verstanden?! Ist er wirklich eifersüchtig?! Das ging aber schnell.../

Er ließ seine Zigarette, Zigarette sein -das heißt, er ließ sie einfach zu Boden fallen- und trat mit einem schon fast lauernden Grinsen ganz nah an Andrew heran, blickte auf ihn hinab.

"Eifersüchtig, Darling?!"
 

"Eifersüchtig, Darling?!"

Andrew runzelte verärgert die Stirn.

"Auf wen sollte ich denn bitte schön eifersüchtig sein?!"

Nuka hob eine Hand und strich ihm einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Andrew hielt sich gerade noch zurück, nicht zurückzuweichen. Diesmal würde er seinen Ängsten nicht diesen Gefallen tun.

Außerdem wollte er seine Antwort haben.

"Na ja..."

Nukas Stimme ließ ihn eine Augenbraue hochziehen.

/Was soll dieser Ton jetzt schon wieder bedeuten?!/

"Vielleicht auf Jonas?!"

Andrew winkte ab. Er war doch nicht eifersüchtig auf Jonas! Warum sollte er?! Doch dann...

/Benehme ich mich wirklich eifersüchtig?!/

Fassungslos riss er seine Augen auf. Ja.

Ja, er benahm sich eifersüchtig.

Aber was noch deutlicher als diese zornige Bemerkung von eben war, war, dass er im Laufe der letzten Tage eine regelrechte Abneigung gegen den Psychologiestudenten entwickelt hatte, die ihm jeden Gedanken an die beiden Blondschöpfe verbot. Und er hatte sich schon verteufelt oft gewünscht, dass es Jonas nicht gäbe.

"Und? Was meinst du?! Bist du eifersüchtig?! Sei ehrlich zu dir selbst!"

Andrew senkte seinen Blick und schloss die Augen.

Wirre Gedanken schwirrten durch seinen Kopf. Er bekam Kopfschmerzen. Sollte er es nun wirklich sagen?! Sollte er es zu geben?! Nuka gegenüber?!

"Ja. Ich bin eifersüchtig."

Als Andrew aufsah, konnte er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Nuka sah ihn nämlich einfach nur selten dämlich an.

Nach einigen Momenten schien Nuka sich jedoch wieder gefangen zu haben.

"Du bist wirklich eifersüchtig?! Das heißt...du empfindest etwas für mich?"

Andrew verdrehte die Augen, versuchte seine Verlegenheit mit Gereiztheit zu überspielen.

"Nein. Das heißt gar nichts."

Nuka grinste wieder sein breites Grinsen und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

"Natürlich heißt es nichts."

Stumm standen sie sich gegenüber. Ganz nah. Jedoch ohne sich zu berühren.

Andrew fand dies eigentlich schade. Wenn er sich jetzt Nukas weiche, gebräunte Haut betrachtete, die wegen dem geöffneten Hemd aufblitzte...

/Arrgh! Weg damit!/

"Darf ich dich küssen?"

Andrew riss die Augen auf. Diese Frage brachte ihn vollkommen aus dem Konzept!

/Warum...?/

"Warum?"

Nuka lächelte leicht. Kein Grinsen wie die vielen Male davor. Nein. Ein Lächeln.

"Weil ich dich gerne küsse."

Andrew seufzte leise.

/Was soll ich jetzt sagen? Ich weiß doch gar nicht, was ich will! Einmal will ich, dass er gar nicht existieren würde und dann bin ich eifersüchtig auf seinen Freund! Das ist doch Wahnsinn!/

Er schob diese Gedanken zur Seite.

/Ein schlafender Hund muss auch endlich einmal aufwachen.../

Er seufzte abermals und nickte schließlich leicht.

Natürlich nahm Nuka das nicht einfach so hin.

"War das gerade ein Nicken?! Mach das noch einmal! Das habe ich nicht genau gesehen! Oder besser, du sagst mir gleich, was du möchtest."

Andrew verdrehte zum wiederholten Male die Augen und nickte dann wieder. Diesmal ließ er noch ein leises ,Ja' verlauten.

"Mensch, Andrew! Ich will kein zaghaftes Nicken oder unverständliches Gemurmel! Ich will laut und deutlich hören, dass du willst, dass ich dich küsse! Nun mach schon!"

Der Psychologe verzog seinen Mund.

/Das ist wieder typisch Nuka...Er will unbedingt seinen Willen haben! Alles läuft nach seinem Kommando! Bloß nicht widersprechen, dann verdreht er einem das Wort im Munde, so dass man nur noch ,Ja' sagen muss! Hach! Verdammt!/

Andrew verzog wütend seinen Mund, doch als er Nuka gerade gewaltig die Meinung blasen wollte, sah er in dessen Augen. Diese rein grünen Augen, die versuchten ihn in die richtige Richtung zu schieben, die versuchten ihn dazu zu bringen sich in ihnen zu verlieren.

Er riss sich von dem unwiderstehlichen Anblick los und starrte zu Boden. Seine Wut war verraucht. Er war hin und her gerissen.

Doch seine Gedanken wandelten sich wieder.

Entschlossen sah er auf und abermals in Nukas Augen. Diesmal jedoch hielt er den Blick aus.

"Ja, Nuka. Ich will, dass du mich küsst."

Tränen als Vorspeise

Tränen als Vorspeise
 

"Ja, Nuka. Ich will, dass du mich küsst."

Andrew wurde übel.

Hatte er das gerade wirklich gesagt?!

War er das gewesen?!

Ja! Er hatte es Nuka ins Gesicht gesagt! Diese fiese Lüge!

Und nun ließ es sich nicht mehr rückgängig machen! Nie mehr!

Die Worte hingen im Raum, ließen den Psychologen schwindeln.

Warum tat er dies?!

Warum log er immer?!

Warum belog er Nuka?!

Warum belog er sich selbst?!

/Verdammt...Was soll ich jetzt tun?! Was denkt Nuka jetzt?! Er wird es tun! Natürlich wird er es tun!/

Doch Andrew irrte.

Nuka betrachtete ihn nur eingehend. Und Andrew wusste, dass sein Patient um seine Lüge wusste. Es war deutlich aus seiner Miene abzulesen. Wahrscheinlich genauso wie aus seiner.

Sie standen sich gegenüber. Sahen sich an.

Bis Nuka das Schweigen brach und laut aufseufzte. Es hörte sich in Andrews Ohren an, als würde er sich über ein ungezogenes Kind aufregen.

Wahrscheinlich benahm er sich auch wie eins. Nein, nicht nur wahrscheinlich, er tat es wirklich!

"Du suchst dir wohl immer den einfachsten Weg aus, nicht wahr, Andrew?! Wenn du ,Nein' gesagt hättest, hättest du auf meine Frage antworten müssen, warum und so weiter und so fort...Aber jetzt hättest du dich einfach nur von mir küssen lassen müssen...Du machst es dir wirklich einfach...Sei das nächste Mal bitte ehrlich zu mir."

Andrew atmete leicht auf.

Seine Lüge hatte an Bedeutung verloren.

Jedoch blieben die Worte in seinem Kopf hängen.

"Tut mir Leid. Ich kann nicht anders."

Nuka nickte und lächelte ihn fast ausdruckslos an.

"Ich auch nicht."

Verwundert runzelte Andrew die Stirn.

/Was heißt das denn jetzt?! Oh, das ist alles so verwirrend! Da hilft mir auch kein Psychologiestudium!/

"Das verstehst du nicht oder?!"

Nuka lachte leise und legte ihm zögernd eine Hand auf seine Schulter.

"Tja, Darling, ich auch nicht. Und damit müssen wir wohl leben."

Andrew nickte langsam. Er warf einen kurzen Blick auf Nukas Hand auf seiner Schulter, dann trat er ein wenig zurück, so dass diese hinunter glitt.

Ihm war die Berührung unangenehm. Er war empfindlich an Schulter und Rücken. Es lag nicht an Nuka.

Bevor sich ungemütliche Stille zwischen ihnen ausbreiten konnte, erinnerte sich Andrew an den eigentlichen Grund seines Auftauchens.

"Da ist ein Brief für dich angekommen. Eigentlich schon heute Morgen, aber irgendwie muss er zwischen meine Post geraten sein. Ich habe mir die Post eben erst durchgelesen. Jedenfalls scheint er wichtig zu sein."

Nuka runzelte die Stirn und nahm den weißen Brief entgegen, den Andrew übergangslos aus seiner Jackentasche genommen hatte.

Nuka las den Absender und öffnete dann den Brief.

Andrew gab es nicht gerne zu, aber er war schon neugierig, worum es sich da handelte. Er hatte den Absender nicht gelesen und Nuka verriet es ihm auch nicht. Weder durch Körpersprache noch durch Worte.

Er blieb stumm mit ausdruckslosem Gesicht. Lediglich seine Handknöchel traten weiß hervor, weil er das Blatt fester ergriff.

"Was ist..."

"Nichts."

Andrew sah überrascht auf.

Dieser forsche Ton...

/Was ist nur passiert?! Das muss ja wirklich sehr unangenehm sein, wenn sich seine Laune so schlagartig verändert hat! Vielleicht sollte ich ihn besser in Ruhe lassen ...Er sieht wirklich böse aus.../

"Gut, Nuka. Dann gehe ich jetzt. Falls du mich brauchst, ich bin unten in meinem Appartement."

Nuka nickte nur.

Keine Antwort, kein letztes Lächeln wie sonst immer.

Nur ein Nicken, das Andrew fast um den Verstand brachte.

Schließlich wandte sich Andrew um und verließ die Wohnung. Es hatte keinen Zweck jetzt mit Nuka in dieser Stimmung irgendetwas an zu fangen.

Ein wenig besorgt schloss er seine Wohnung auf und setzte sich ins Wohnzimmer.

/Was hatte er wohl? Was stand in dem Brief, dass er so...?/

Er seufzte auf und schüttelte bestimmt den Kopf.

/Nicht an ihn denken!/

Er verbot sich jeden weiteren Gedanken an den Russen und wandte sich den Notizen zu, die er von seinem anderen Patienten gemacht hatte.
 

Nuka lehnte an der Wand. Seine Augen waren auf den Brief gerichtet. Auf die Sätze. Auf die Worte. Auf die Buchstaben.

Es war bereits einige Minuten her, seitdem er ihn das erste Mal gelesen hatte. Danach hatte er ihn sich immer wieder durchgelesen. Als könnte er dadurch den Inhalt verändern. Doch das konnte jetzt wohl niemand mehr.

Sie war aufgewacht. Catherine war wieder aufgewacht. Man hatte sie wohl befragt. Sie hatte die Wahrheit gesagt. Er wurde vorgeladen.

Und er musste seinen Psychologen mitbringen!

Das hatte ihm gerade noch gefehlt.

/Das wird ein vollkommenes Desaster...Erst sehe ich sie wieder und muss in ihre traurigen, blauen Augen sehen und dann muss ich auch noch den Psycho mitbringen!/

Nuka lehnte seinen Kopf gegen die Wand und lachte laut.

/Na toll...Jetzt werde ich auch noch hysterisch! Wieso soll ich Andrew mitbringen?! Soll er dem Richter erzählen, dass ich wirklich nicht ganz dicht bin?! Das wäre wahrscheinlich die beste Lösung! Dann könnte ich so tun, als würde ich Catherine ignorieren, nicht kennen, sonst was./

Aufgesetzt breit grinsend fuhr er sich durch die Haare. Dabei war niemand da, dem er etwas hätte vorspielen müssen.

/Wie kann ich Andrew mitnehmen, ohne ihm davon zu erzählen?! Er darf nichts über diese alte Geschichte wissen, verdammt! Er soll nicht wissen, dass ich versagt habe! Er soll nicht wissen, dass mir das bei ihm genauso passieren könnte!/

"Scheiße!"

Nuka schlug seinen Hinterkopf gegen die Wand. Die Sorgen wurden vom Schmerz verdrängt. Während er versuchte die Tränen zu ignorieren, die seine Wangen hinab rannen, verbannte er die vielen Gedanken aus seinem Kopf.

Das war seine Art mit Problemen umzugehen. Danach sah er immer alles ein wenig kühler. Und es half immer. Auch heute.

/Vielleicht reicht auch ein Bericht über meinen Geisteszustand...?/

Er seufzte auf und schüttelte den Kopf.

/So oder so...Ich komme nicht daran vorbei.../

Mit einem müden Seufzen erhob er sich und trottete in die Küche. Während er im Kühlschrank etwas Essbares suchte überlegte er, wann er Andrew alles erklären -oder im Notfall auch vorlügen- könnte.

Mit einem mitleidigen Blick zu seinem Spiegelbild auf der glatten Oberfläche des Herdes biss er in einen Apfel.

/Hoffentlich schlage ich Todd nicht zusammen...Falls er überhaupt auch vorgeladen ist.../
 

Andrew rubbelte mit dem Handtuch durch seine nassen Haare. Mit einem kleinen, zufriedenen Lächeln ließ er sich im Sessel nieder. Er hatte gerade geduscht. Es hatte ihn entspannt. Ihm seine Sorgen genommen und weggespült. Wenigstens für einige Zeit, wie er hoffte.

Der weiche Frotteestoff seines Bademantels bewegte sich leicht, als er sich streckte, und schmiegte sich an seine noch etwas feuchte Haut.

/Und jetzt eine Tasse heißer Schokolade mit Marshmallows und ein gutes Buch.../

Andrew lehnte sich zurück -das Handtuch sank zu Boden- und schloss die Augen, genoss die Ruhe. Rob übernachtete bei einem Freund. Er hatte den Psychologen überreden können.

Es klingelte an der Wohnungstür. Ein schrilles, lautes Klingeln. Ekelhaft und nervtötend.

/Ich sollte die Klingel wechseln.../

Enttäuscht aufseufzend erhob er sich und ging zur Tür.

Nuka grinste ihm -es regnete draußen wie aus Eimern- triefendnass entgegen.

Andrew runzelte die Stirn und ließ seinen Patienten ein.

/Was will der denn hier? Therapie war doch erst vor ein paar Stunden!/

Erst jetzt fielen dem Psychologen die zwei Plastiktüten auf, die der Russe trug. Zutaten für ein Abendessen?!

"Ich dachte mir, dass du dich vielleicht etwas einsam fühlst? Hab gesehen, dass Rob nicht da ist. Hättest du vielleicht Lust auf ein russisches Abendessen?!"

Andrew lächelte leicht und nickte.

"Wenn du dir die Mühe machen willst. Ich kann dir ja auch dabei helfen."

Nuka grinste ihn an. Von der gestrigen miesen Laune war nichts mehr zu bemerken. Das war ihm auch in der Therapie aufgefallen, die sie endlich wieder hatten.

"Du?! Mir beim Kochen helfen?! Und auch noch im Bademantel?! Wundervolle Vorstellung!"

Andrew lief rot an. Ewas, das Nuka ein spitzbübisches Grinsen entlockte.

/Der Bademantel...Gott, das habe ich vollkommen vergessen!/

Sofort zog Andrew den Bademantel ein wenig zusammen. Er war sich sicher, dass Nuka eben einen hervorragenden Blick auf seine halbnackte Brust gehabt hatte.

"Ich...Ich sollte mich für das Kochen wahrscheinlich etwas anderes anziehen...Ich..."

Nuka lachte leise. Mit einem Kopfschütteln verwuschelte er ihm die immer noch feuchten Haare.

"Ist schon ok. Darf ich mal kurz bei dir duschen?! Ich bin vollkommen durchnässt! In der Zeit kannst du dir ja etwas anderes anziehen. Oder willst du mitduschen?!"

Das Augenzwinkern ließ Andrew kurz auflächeln.

/Wieder der alte.../

"Nein, danke, Nuka. Wie du unschwer erkennen kannst, habe ich bereits eben geduscht."

Der Russe grinste und nickte.

"Na gut, dann nicht! Wo kann ich denn jetzt die Einkaufstüten abladen?"
 

Andrew nahm einen Schluck aus seiner Tasse und freute sich über den leckeren Geschmack des russischen Tees. Nuka hatte ihn mitgebracht, weil er wohl wusste, wie gerne Andrew Tee trank.

"Der Tee ist wundervoll. Danke, Nuka."

Ihm traf ein warmer Blick von Nuka, der gerade den dunkelblauen Stoff des großen T-Shirts glatt strich, das er sich von Andrew geliehen hatte, weil seine eigenen Sachen noch vom Regen nass waren. Die Bluejeans, die Andrew noch aus seinem Schrank hatte kramen können, war Nuka zwar etwas zu klein, aber es schien ihm zu genügen.

"Danke für die Klamotten. Ich würde mich wohl erkälten, wenn du mir nichts geliehen hättest. Du hast schließlich nicht mehrere von diesen tollen, freizügigen Bademänteln."

Der Psychologe lächelte und winkte ab. Er ließ sich auf dem Sofa nieder.

"Nicht der Rede wert..."

Eigentlich war es der Rede wert. Denn Nuka trug da gerade sein LieblingsT-Shirt -sein einziges T-Shirt wohlgemerkt- und er gab es normalerweise nie her! Sogar Rob bekam es nicht oft, auch wenn er lange darum bat. Andrew wusste selbst nicht, was ihn dazu gebracht hatte, es Nuka zum Anziehen zu geben.

"Es ist der Rede wert! Es ist ein ausgesprochen hübsches T-Shirt! Und richtig weich! Wo hast du das her?! Ich will auch so eins haben!"

/Es ist so weich, weil ich es nur mit Hand wasche...Gott, bin ich kompliziert!/

"Mein Bruder hat es mir aus Schottland mitgebracht."

Andrew schlug sich in Gedanken vor die Stirn.

/Nicht mit dem Thema anfangen! Das wird nur schmerzhaft!/

Nuka runzelte die Stirn und sah ihn ein wenig ungläubig an.

"Dein Bruder?! Rob?! Rob war in Schottland?! Wann war das denn?!"

Trotz seiner Sorgen, die er versuchte zurückzudrängen, musste Andrew lachen.

"Oh nein! Nicht Rob! Mein anderer Bruder!"

/Oh, er ist so naiv! Hat er wirklich gedacht, Rob wäre in Schottland gewesen?!/

"Du hast noch einen Bruder? Du hast mir nie von ihm erzählt!"

Der kleine Schmollmund, den Nuka ansatzweise aufgesetzt hatte, ließ Andrew ganz kurz auflächeln. Doch dann legte er sich die Worte für seine Antwort zurecht.

"Er ist ja auch tot. Im Ausland gestorben...Ich weiß gar nicht, woran genau...An irgendeiner Krankheit, glaube ich..."

Nuka sah ihn ernst an. Er setzte sich neben ihn und strich ihm tröstend eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Andrew zuckte nicht wie sonst zurück. Er war es langsam müde zurückzuweichen.

"Das tut mir Leid...Wo ist er begraben? Vielleicht könnte ich ihn mit dir besuchen gehen. Das hilft oft."

/Warum ist er nur so nett zu mir...?/

Der Psychologe verstand Nukas Verhalten nicht ganz. Diese Anteilnahme.

Andrew seufzte auf und schüttelte den Kopf.

"Das geht nicht. Er wurde eingeäschert. Die Urne habe ich nicht."

Die nächste Frage kam plötzlich, völlig unerwartet und lähmend. Wie Gift.

"Ist die Urne bei deinem Vater?"

Andrew zuckte zusammen und nahm dann einen schnellen Schluck aus seiner Teetasse um sein Erschrecken zu überspielen. Er war entsetzt über diese Frage. Nuka wühlte alles in ihm auf, brachte ihm alles, was er verdrängt oder geordnet hatte, wieder in den Sinn oder die Unordnung.

"Ich...Ja, sie ist bei meinem Vater..."

Ein Moment der Stille trat ein. Ihm kam es wie eine Schweigeminute für Ron, seinen älteren Bruder, vor. Kein großer Trost.

Ein Zittern durchlief seinen Körper und er sah das Gesicht seines Bruders vor sich. Und wie er doch das Strahlen dieser Augen vermisste! Fast jede Nacht, wenn er einen Albtraum hatte, sah er Rons Augen. Doch diese waren leer, vollkommen Puppillen- und Glanzlos. Nur noch die langsam verwesenden Züge ließen erahnen, dass der tote Mann einmal attraktiv und jung gewesen war. Und sein wundervoller Bruder.

Andrew presste kurz die Augen zusammen. Eine leichte Welle der Übelkeit ließ ihn ein wenig schwindeln. Er hasste es, an diese Träume erinnert zu werden! Er hasste es, diese Träume zu haben!

"Willst du gar nicht wissen, warum ich das alles wissen will?"

Andrew sah Nuka verwirrt an -er hatte ihn unerwartet aus seinen Gedanken gerissen- und ließ zu, dass dieser eine Hand an seine Wange legte.

Er brauchte lange für seine Antwort. Seine Stimme war brüchig und heiser. Er wusste nicht, warum.

"Nein...Um ehrlich zu sein, will ich es nicht wissen...Ich will überhaupt nichts mehr wissen...seit vielen Jahren schon..."

Andrew schloss langsam die Augen. Seine Gedanken fühlten sich plötzlich so an, als wäre er in Watte gepackt. Er fühlte sich ganz benommen!

Doch das Gefühl hielt nicht lange an. Es wurde von unglaublicher Trauer aufgerissen und verscheucht. Etwas schien sich regelrecht in ihm zu krümmen, seine Wunden, die er in all den Jahren versucht hatte zu schließen, rissen mit einem Mal wieder auf.

Ein Arm legte sich um seine Schultern und zog ihn an eine breite, warme Brust, die ihm den Eindruck gewinnen ließ ihm Schutz zu bieten. Ihm wurde die Tasse, dessen Henkel er krampfhaft umklammerte, aus der Hand genommen und er wurde in eine tröstende Umarmung geschlossen.

"Es ist gut, Andrew...Weine dich ruhig aus..."

"Was...?! Ich..."

Der Psychologe, vollkommen verwirrt, begriff gar nicht, was mit ihm gerade geschah. Bis er etwas feucht-warmes an seiner Wange herunter laufen spürte und einen salzigen Geschmack auf seinen Lippen schmeckte.

Er weinte.

/Aber...warum weine ich? Es ist gar kein Grund dafür vorhanden! Ich...Warum?!/

Ein Schluchzen brach aus ihm heraus. Er wusste nicht, woher das alles auf einmal kam, aber es passierte einfach. Diese unbändigen Gefühle drangen in ihn ein und schienen sein Inneres nach außen zu kehren.

Es war so lange her, dass er geweint hatte. Vor jemandem, den er vertrauen konnte und der ihn tröstete, wie Nuka es gerade tat.

Ja. Nuka tröstete ihn.

Er fasste ihn an!

Am Rücken!

Er strich immer wieder über Andrews bebenden Rücken.

Und das Schlimmste war: Es machte dem scheuen Psychologen nichts aus!

Alles war vollkommen verrückt heute!

1. Nuka war zu ihrer Therapiestunde pünktlich gekommen. 2. Der Russe war ein paar Stunden später wiedergekommen um mit ihm ein gemeinsames Abendessen zu kochen und zu essen; mit beidem hatten sie noch nicht begonnen. 3. Fing er ohne ersichtlichen Grund an zu heulen!

Andrew war total verstört. Und gerade das ließ ihn noch lauter Schluchzen. Warum lief es nicht einmal nach seinen Plänen?! Nur ein einziges Mal! Nur einen einzigen Tag lang wollte er ohne Sorgen leben können! Ohne verdammte Zwischenfälle!

Seine Verzweiflung veranlasste ihn dazu seine Finger in das T-Shirt, das Nuka trug, zu graben und sich an den Russen zu lehnen.

Erinnerungen, Bilder und Wortfetzen schwirrten durch seinen Kopf, brachten ihm Kopfschmerzen.

Nuka legte sein Kinn auf Andrews Kopf und zog ihn näher an sich heran. Der Psychologe war froh über diesen Trost. Er war sonst immer allein gewesen, wenn er getrauert hatte.

Dieser Gedanke half ihm sehr.

Er war nicht mehr allein. Nuka war bei ihm.

Ein leichtes Lächeln legte sich auf Andrews Gesicht -ein ziemlicher Kontrast zu den Tränen, die ihm über das Gesicht liefen- und Hoffnung schimmerte in seinen Augen auf. Vielleicht war doch noch nicht alles in seinem Leben verloren? Vielleicht war nicht nur Rob der einzige Mensch, dem er noch vertrauen konnte.
 

Nuka atmete leicht auf, als er hörte, dass das Weinen leiser wurde. Das Beben blieb zwar, aber Andrew schien sich wieder einigermaßen gefangen zu haben, denn er lag nun ruhig -ein wenig zu ruhig für seinen Geschmack- in seinen Armen.

Der Russe war geschockt über Andrews Verhalten. Noch nie war er so emotionsvoll gewesen! Jedenfalls nicht in seiner Gegenwart.

Natürlich war er froh darüber, dass er Andrew wohl ein wenig trösten konnte und dieser sich so vertrauensvoll an ihn lehnte. Doch es hatte ihn vollkommen aus der Fassung gebracht.

Er hatte nicht genau gewusst -wusste es jetzt immer noch nicht richtig-, was er tun sollte. Andrew war ja einfach in Tränen ausgebrochen. Ganz plötzlich. Er war eigentlich noch nie gut im Trösten gewesen, aber nun schien er Andrew geholfen zu haben.

Nuka blickte besorgt in Andrews Gesicht. Vielleicht hatte es ja doch nichts gebracht?!

Andrew hatte die schon leicht geröteten Augen geschlossen -und zu Nukas Verwunderung ein Lächeln auf den Lippen!

/Gut...Dann hat mein Tröstversuch ja geholfen!/

Zögernd streichelte Nuka mit einer Hand über Andrews Kopf und entdeckte, dass die braunen, immer noch leicht feuchten Haare -sie schienen nicht schnell zu trocknen- wirklich so weich waren, wie er es sich immer ausgemalt hatte.

Andrew rührte sich nicht.

"Ähm...Andrew...? Schläfst du?"

Der braune Wuschelkopf wurde leicht geschüttelt.

Jedoch bekam Nuka keine Antwort.

Der Russe runzelte die Stirn, fuhr aber weiter mit den Fingern durch Andrews Haare. Wenn es diesem reichte, würde er sich schon beschweren.

"Was soll das denn?! Ich habe gedacht, du magst meine Nähe nicht..."

Nuka sah wie das Lächeln breiter wurde.

"Das hast du gesagt...Ich will nur noch ein wenig so sitzen bleiben. Bitte, Nuka."

Der Russe seufzte leise und bettete seinen Kopf wieder auf Andrews *Matte*.

"Wenn du mich schon darum bittest...Aber ich würde gleich gerne das Essen machen, ja?!"

Ein Murmeln wurde ihm als Antwort gegeben.

Nuka schüttelte den Kopf und lächelte.

Er wusste nicht, woher Andrews plötzlicher Stimmungswechsel kam, aber eigentlich war es ihm piepegal. Er durfte im Moment nah neben dem Psychologen sitzen und die Finger bei diesem lassen. Also war ihm wohl wirklich alles egal.

Selig lächelnd schlang Nuka die Arme um den deutlich schmaleren Körper und drückte ihn noch etwas näher an sich heran. Er konnte die Wärme, die von dem anderen Körper ausging spüren, und als er einatmete, stieg ihm ein Geruch in die Nase, der es zu versuchen schien ihn schier wahnsinnig zu machen.

Der Geruch von Andrews Duschgel, Andrews Waschmittel und Andrews eigenem Geruch. Eine wundervolle Mischung. Es roch nach Melone, Zitrone -nach Früchten im allgemeinen, aber nach diesen am meisten- und nach etwas Würzigen, dass ihn dazu zwang sein Gesicht augenblicklich in Andrews Haaren zu vergraben und somit noch mehr von diesem Geruch genießen zu können. Einfach unglaublich.

"Nuka...Du zerdrückst mich..."

Leicht lachend schob Andrew ihn von sich und lächelte ihm ins leicht errötete Gesicht.

"Entschuldigung...Das wollte ich nicht!"

Andrew winkte ab und fuhr sich dann seufzend mit einer Hand durch sein Gesicht.

"Gott...Solche Heulerei schlaucht ganz schön..."

Nuka grinste leicht und fuhr mit einer Hand wie so oft durch Andrews Haare, so dass diese in alle Richtungen abstanden und erhob sich dann.

"Keine Sorge, Andrew! Ich mache dir jetzt etwas Leckeres und du kannst dich in der Zeit hier ausruhen."

Andrew wollte auffahren.

"Ab..."

Nuka legte blitzschnell einen Finger auf Andrews Lippen, hinderte ihn dabei beim Sprechen.

"Ah ah ah! Du machst das, was ich dir sage! Ich bin hier schließlich der Chefkoch! Also, du bleibst hier und genießt deinen Tee und ich bin in der Küche und zaubere uns was Feines. Verstanden?!"

Andrew schob seinen Finger zur Seite und nickte mit einem Lächeln.

"Na gut...Aber sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst!"

Nuka nickte und grinste dann breit.

"Ich brauch eh keine Hilfe! Du kannst dich also entspannt zurücklehnen! Ich mach das schon!"

Andrew schüttelte den Kopf und schaltete den Fernseher ein, während Nuka mit einem selbstsicheren Grinsen in Richtung Küche ging. Als er vor den Töpfen stand gefror dies.

/Verdammt! Er hat noch einen Gasherd! Mist! Das dauert Jahre!/

Der Brief und dessen Auswirkungen

Der Brief und dessen Auswirkungen
 

Nuka saß mit einem vollkommen ausdruckslosen Gesicht in einem Sessel und musterte Andrew, der konzentriert auf ein Blatt Papier starrte. Die Vorladung. Der Brief.

Weil Nuka ziemlich angespannt war, nahm er nur am Rande wahr, dass Andrew mit der Lesebrille, die er sich eben aufgesetzt hatte, unglaublich süß aussah. Solche Gedanken gehörten jetzt nicht dorthin.

Sie hatten seit ungefähr einer halben Stunde ihr Abendessen beendet. Es hatte Soljanka zur Vorspeise, Schaschlik als Hauptgang und zum Nachtisch russische Apfeltorte -wobei sie von dem Kuchen jeweils nur ein Stück gegessen hatten, damit sie für den nächsten Tag noch etwas für das Mittagessen hatten- gegeben. Sie hatten zusammen den Abwasch gemacht und sich um ein wenig zu Reden ins Wohnzimmer gesetzt.

Dann hatte Nuka seinem Psychologen wortlos den Brief gegeben. Auch jetzt sagten sie kein Wort. Andrew schien über den Brief nachzudenken. Er las nicht mehr; seine Augen bewegten sich nicht.

"Du erwartest, dass ich mit dir da hinfahre? Das ist in Colorado?"

Nuka lehnte sich leicht zurück.

"Nein. Das erwarte ich nicht, ich erwarte, dass du einen Bericht über meinen Geisteszustand schreibst, den ich vorlegen kann. Das dürfte genügen."

Andrew hob den Blick.

"Glaubst du, dass das reicht?"

Nuka nickte.

"Es ist nur der Form halber. Ich denke, das ist nicht sehr wichtig."

Ein ungläubiges Schnauben war Andrews Reaktion.

"Nicht sehr wichtig?! Natürlich ist das wichtig! Das könnte erreichen, dass man dich endgültig entlässt! So etwas ist verdammt wichtig!"

Nuka seufzte auf und schüttelte den Kopf.

"Es geht auch ohne deine Hilfe, glaube mir. Es gibt Beweise, die mich entlasten!"

"Beweise, die vor fünf Jahren noch nicht da waren?!"

Nuka erhob sich und ging leicht aufgebracht durchs Wohnzimmer.

"Ja! Ein Zeuge ist aufgetaucht, der mich entlasten wird! Glaube mir, es ist nicht nötig, dass du dir so einen Aufwand machst! Verstehe mich bitte, ich will nicht, dass du mitkommst. Du solltest dich um Rob und um deinen anderen Patienten kümmern. Bitte, Andrew. Verstehe das."

Ein Seufzen, das ihn erleichtert aufatmen ließ, kam als Antwort.

"Ich weiß zwar nicht, warum du das nicht willst, aber wenn es unbedingt sein muss..."

Nuka nickte und lächelte dankbar.

"Danke sehr, Drew. Das ist mir alles sehr wichtig."

Der Psychologe winkte ab und lehnte sich im Sessel zurück.

"Du musst am 17. da sein...das ist in fünf Tagen. Wann fährst du los?"

"Morgen."

"Du hast schon gepackt?"

"Ja..."

"Und du willst wirklich alleine fahren?!"

"Jonas kommt mit. Ich habe ihn bereits gefragt."

Ein kalter Blick traf ihn.

"Gut, dann ist das geklärt."

Nuka nickte leicht.

"Ja...das ist es dann wohl..."
 

Andrew fühlte sich mies.

Er hatte die halbe Nacht nicht geschlafen, war am Morgen wegen einem Albtraum früh aufgewacht und hatte starke Kopfschmerzen.

Außerdem fuhr Nuka nach Colorado. Und es war noch abzuwarten, ob er wirklich wiederkam. Wenn er keine Beweise dagegen fand...Dann würde der positive Bericht über seine Psyche noch mehr Probleme verursachen. Dann müsste er seine Strafe wirklich im Gefängnis absitzen.

"Bläst du immer noch Trübsal?"

Andrew sah auf und warf Rob einen etwas gereizten Blick zu.

"Ich blase keinen Trübsal. Ich habe Kopfschmerzen."

"Natürlich."

Andrew schnaubte auf und nahm einen Schluck Orangensaft.

Er war angespannt. Und das schlug sofort auf seine Laune.

Nuka würde gleich vorbeikommen und sich verabschieden.

Andrew hatte Angst vor diesen Moment.

Dann wäre er wieder allein.

Allein mit Rob, allein mit seinen Geldproblemen, allein mit der drohenden Gefahr seines Vaters und allein mit sich selbst. Und das war am schlimmsten. Er wollte nicht allein sein. Er wollte nicht nachdenken müssen!

Er wollte tot sein, wenn er allein war. Denn das war nichts anderes für ihn. Dann würde er sich wenigstens nicht immer wegen allem Sorgen machen müssen.

Andrew stöhnte leise auf und fuhr sich mit den Händen durch die Haare.

/Warum kann das alles nicht endlich ein Ende haben?! Ich bin es Leid, immer wieder vom Leben enttäuscht zu werden.../

Es klingelte an der Tür.

"Das ist bestimmt Nuka..."

Andrew stand auf und öffnete die Tür. Nuka sah ihm ungewohnt ernst entgegen.

"Es tut mir Leid."

Andrew runzelte die Stirn.

"Was tut dir Leid?"

"Das, was ich dir angetan habe. Die Küsse und all das...Es tut mir Leid, dass du dich darüber aufregst. Aber ich kann nicht anders."

Andrew verstand. Doch er sagte nichts. Er nickte nur kurz.

"Nuka! Bring mir was aus dem Gericht mit! Einen von den Hämmern, die die Richter immer haben! Klau einen für mich!"

Ein Lächeln legte sich auf die Züge des Russen und er grinste, als er Rob, der aus der Küche gerufen hatte, antwortete.

"Klar, Little! Das mache ich glatt für meinen Lieblingshosenscheißer!"

Lachen erscholl aus der Küche.

Der Psychologe fand es nicht komisch.

Nuka war so vertraut. Er war in sein Leben gebrochen und gehörte nun bereits dazu! Wie ein Parasit, der sich in einen fremden Organismus eingräbt und ihn langsam übernimmt.

Genauso fühlte sich Andrew.

Übernommen.

Gefangen.

Krank.

Vollkommen bewegungsunfähig.

Er war sich sicher, dass sein Leben nie wieder so sein würde wie vorher, auch wenn Nuka nicht mehr wiederkommen würde.

Der Russe hatte ihn geprägt.

Und Andrew gestand sich ein, dass er mehr für Nuka empfand, als er für den Patienten empfinden sollte.

Der Russe würde ihn nie wieder loslassen. Andrew wäre von den Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit gefangen.

"Was denkst du?"

Nukas tiefe, wohltuende Stimme ließ ihn aufblicken.

"Wie das Leben ohne dich wohl aussehen würde."

"Und? Ist es schön ohne mich?"

Andrew schüttelte den Kopf und schlug die Augen nieder.

"Nein...Es ist traurig und einsam. Trostlos und grau..."

Nuka trat an ihn heran und legte seine Stirn an Andrews.

"Übertreibe nicht, du kleiner Poet...So schlimm wird es nicht sein."

"So schlimm würde es nicht sein! Du hast selbst gesagt, dass du eine große Chance hast, freigesprochen zu werden!"

"Ja, du hast Recht, aber es könnte ja sein..."

Andrew schüttelte abermals den Kopf und unterbrach ihn somit.

"Reden wir nicht darüber. Ok? Du rufst mich an, wenn es irgendwelche Neuigkeiten gibt. Einverstanden?"

Nuka nickte leicht und schenkte ihm ein warmes Lächeln.

"Du bist wundervoll, Andrew."

Er spürte, wie sein Gesicht langsam warm wurde. Da lief er doch tatsächlich rot an!

Verlegen senkte er seinen Blick und starrte auf seine bestrumpften Füße.

Nukas sympathisches Lachen ließ ihn wieder aufblicken.

"Du hast schon wieder diese süßen Flecken im Gesicht!"

Andrew fiel in das Lachen mit ein. Er wusste selbst nicht, warum. Wahrscheinlich nur um des Lachens Wille. Aber es löste die Spannung.

Andrew seufzte ein wenig erleichtert auf und schloss kurz die Augen.

Er wurde plötzlich ganz ruhig. Ihm wurde etwas klar.

Und wenn Nuka wegfuhr, dann war er wieder allein.

"Fahr nicht weg, Nuka, bitte."

Ein Seufzen antwortete ihm.

"Ich muss, Darling, ich muss."

"Aber...Dann nimm mich mit!"

"Andrew, hör mir zu. Es ist ziemlich viel passiert damals, ziemlich miese Dinger wurden gedreht. Ich war nie beteiligt, aber ich hatte viel mit den Leuten zu tun, die so etwas getan haben. Das meiste ist nicht gut ausgegangen. Und wenn die wissen, dass du zu mir gehörst, dann könnten die dir die Hölle heiß machen! Andrew, ich will meine Zukunft nicht mit meiner Vergangenheit zusammenbringen! Verstehst du?!"

"Aber du nimmst Jonas mit!"

"Ja...Aber Jonas ist mir auch nicht so verdammt wichtig, wie du es bist..."

Stille breitete sich zwischen ihnen aus.

"Nuka?"

Der Russe sah auf. Andrew senkte sofort wieder seinen Blick und schüttelte leicht den Kopf. Er konnte es nicht ertragen in diese schönen, grünen Augen zu sehen.

"Nein...vergiss es..."

Eine warme Hand legte sich auf seine Wange.

"Nein, sag es ruhig."

Andrew presste seine Augen zusammen. Er spürte, wie ihm die Tränen aufstiegen, doch er schaffte es sich zurückzuhalten und seine Sorgen in den Hintergrund zu drängen.

Er trat an Nuka heran und krallte sich an sein Hemd. Zwei Arme legten sich sanft um ihn und ließen ihn spüren, wie warm eine Umarmung sein konnte.

"Wenn du wiederkommst...und ich bin nicht mehr da, dann...dann kümmere dich um Rob. Bitte."

Nuka schob ihn verwirrt von sich und sah ihm verwundert ins Gesicht.

"Warum solltest du nicht mehr da sein?! Wo solltest du denn sein?!"

Andrew seufzte auf.

/Natürlich versteht er nicht...Wie könnte er auch wissen, dass ich wohlmöglich bald wieder bei ihm bin oder tot oder noch Schlimmeres...Ach, das ist alles so verfahren!/

"Vergiss es...Es ist nichts...Nur falls mir etwas passiert, ein Unfall mit dem Auto oder so etwas...Fünfzig Prozent der Toten in Kalifornien starben bei einem Autounfall und..."

"Schon gut, Andrew. Ich werde mich um Rob kümmern. Du brauchst dich nicht herauszureden. Komm her..."

Andrew lehnte sich dankbar an Nukas Brust und atmete den angenehmen, warmen Duft ein.

/Wie kann ein Mann nur so gut riechen?! Ich dachte immer nur Frauen riechen gut...Ich hab wohl verloren.../

"Hmm...heute so zutraulich, Darling?!"

Nukas Stimme an seinem Ohr ließ Andrew leicht erschauern.

/Er ist so nah...Das gefällt mir nicht so richtig...Vielleicht wäre es besser wieder etwas Abstand zu gewinnen.../

Andrew räusperte sich leicht und versuchte sich von dem Russen zu lösen, was jedoch mit einem Lachen und einer kleinen Kitzelattacke vereitelt wurde.

Schließlich resignierte Andrew.

Mit einem Seufzen vergrub er sein Gesicht in Nukas Halsbeuge und genoss die leicht streichelnden Hände auf seinem Rücken. Er konnte ihn ja eh nicht aufhalten. Doch irgendwie ging ihm der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass er ihn auch gar nicht mehr aufhalten wollte.

"Lässt du das auch zu, wenn ich wieder da bin oder muss ich dir dafür erst noch zwei Jahre den Hof machen?"

Andrew zuckte leicht die Schultern.

"Ich weiß nicht...Ich denke, die Zeit ist gut um nachzudenken...vielleicht für uns beide...was du an mir findest...was...ich an dir finde..."

Nuka löste sich von ihm und sah ihn lächelnd an. Dann nickte er und verwuschelte ihm wieder die Haare.

"Du hast Recht...Wir sollten einen klareren Kopf bekommen, damit wir uns wie erwachsene Menschen unsere Kriegspläne ausdenken können."

Nuka grinste ihn an und zwinkerte.

Andrew lächelte warm zurück.

"Du bist lieb, Nuka."

"Ja, und ich bin verdammt spät dran...Jonas sitzt wahrscheinlich unten und wartet...Ich sollte mich beeilen."

Andrew stockte.

Langsam runzelte er die Stirn.

"Was...empfindest du eigentlich für Jonas...was empfindest du für mich?"

Nuka seufzte leise und schloss seine Augen.

"Das sage ich dir, wenn ich wieder da bin und wir beide über unsere...Gefühle im Klaren sind..."

Andrew nickte, dann lächelte er wieder.

"Pass auf dich auf, ja, Nuka?!"

"Natürlich, Darling. Das werde ich. Pass du auch auf dich auf! Und wenn du irgendwelche Probleme hast, egal welcher Art, dann ruf mich an! Du hast meine Handynummer? Gut! Also denk daran, ich bin für dich da, wenn du Sorgen hast. Oder ruf mich an, wenn du nur reden willst! Deshalb werde ich dich wohl auch noch öfters anrufen. Ok?"

Andrew nickte.

Sie umarmten sich noch einmal, dann hetzte Nuka jedoch regelrecht die Treppen hinunter.

Andrew hörte noch wie die Haustür vier Stöcke unter ihm ins Schloss fiel, dann schien sich alles im Nebel aufzulösen.

Mit einem Mal fühlte er sich so einsam wie noch nie zuvor.
 

Nuka hatte gewusst, dass es hart werden würde.

Er musste sich alles noch einmal vor Augen führen und im Gerichtssaal erzählen. Alles.

Die ganze Geschichte.

Die ganze Vorgeschichte.

Und das beinhaltete viel von seiner Privatsphäre. Eigentlich zu viel für seinen Geschmack. Aber es musste sein.

Todd war Gott sei dank nicht da.

Catherine hatte direkt nach ihm selbst ausgesagt. Wahrscheinlich um die Feinheiten haarklein zu überprüfen. Ob ihre Geschichte zusammenpasste.

Nuka hatte während Catherines Aussage die ganze Zeit über den Kopf gesenkt.

Er konnte ihr nicht in die Augen sehen.

In die wundervollen, hellblauen Augen.

Nach dem ersten Gerichtstermin musste er auf die Toilette gehen und sich zweimal übergeben.

Und das nur, weil er kurz ihr rotes Haar gesehen hatte.

Er wollte nicht mehr.

Er starb vor Angst und Selbstmitleid, wenn er sie ansah.

Alles tauchte wieder vor ihm auf!

Wie er entsetzt und mit gebrochenen Rippen in ihrer Wohnung gestanden hatte, wie er wie wild um sich geschlagen und geschrieen hatte, als sie sie vergewaltigten.

Vor allem wie Todd ihn danach vergewaltigte.

Alles kam wieder hoch. In jedem Augenblick, in dem er ein kleines Stück von ihr auch nur einen Millimeter sah, spürte er die Sorge, die Angst die Schmerzen und die verdammten Demütigungen wieder. Und das alles in einer Sekunde. Alles auf einmal. Ohne Vorwarnung.

Nuka wimmerte leise auf. Er lag auf dem Bett seines kleinen, etwas unordentlichen Hotelzimmers. Jonas hatte eben an der Tür geklopft, sich erkundigt, ob er etwas brauche.

Er hatte nicht geantwortet und so getan, als wäre er nicht da.

Dabei wusste er doch, dass es Mord war, wenn er dies alleine durchzustehen versuchte. Aber er wollte nicht Jonas.

Er wollte Andrew.

Seinen Darling.

Sein süßes Fleckengesicht.

Zitternd stieß er den Atem aus. Es schien ihm, als liege ein Lastwagen auf seiner Brust und schnüre ihm die Luft ab, breche ihm alle Knochen im Leib und zerriss ihm die Seele.

Tränen liefen über sein bleiches, besorgniserregend krank aussehendes Gesicht und nahmen ihm die Sicht.

Als ob er irgendetwas sehen würde außer die schrecklichen Bilder, die er versucht hatte zu verdrängen, die ihn nur in den Träumen heimsuchten und ihn nun auch hier erreichten.

/Ich schaffe das nicht! Ich schaffe es nicht ohne ihn! Ich werde ihn anrufen...Ich werde ihn bitten zu mir zu kommen! Er wird mir helfen das durchzustehen!/

Seine Hände zitterten heftig, als er das Telefon vom Nachttisch nahm und eine ihm sehr bekannte Nummer wählte.

Doch kurz bevor er die letzte Taste drückte, schüttelte er den Kopf.

Er löschte die Nummer wieder und tippte stattdessen eine andere ein.

/Bitte! Heb ab! Heb ab! Sei wieder für mich da! Oh Gott, bitte!/

Ein Klacken ließ ihn zusammenzucken.

Es wurde abgenommen.

"Thompson?!"
 

Andrew wetzte mit vor Angst weit aufgerissenen Augen durch eine dunkle Gasse.

/Verdammt! Warum muss ausgerechnet heute mein Auto nicht richtig anspringen! Warum muss ich es ausgerechnet heute in die Werkstatt bringen! Und warum kann ich mir ausgerechnet heute kein Taxi leisten?! So ein Mist!/

Er war gerade bei seinem Patienten gewesen.

Nun war es später Abend.

Er hatte beschlossen, nachdem man sein Auto abgeschleppt hatte, zu Fuß nach Hause zu gehen.

Ein dummer Entschluss. Die Gegend war nicht gerade sicher.

Doch das, war nicht das, was ihn solche angst einflößte.

Jemand verfolgte ihn.

Er warf einen verängstigten Blick nach hinten. Die Person war näher gekommen, jedoch konnte Andrew nichts erkennen. Es war nur eine Gestalt. Ein Schatten. Doch er kam immer näher.

Andrew beschleunigte seine Schritte, fiel dann in einen Trab. Panik stieg in ihm auf und ließ ihn immer wieder Blicke über die Schulter werfen.

Laute Schritte, die plötzlich ganz nah hinter ihm waren, veranlassten, dass er noch schneller lief, nun schon rannte.

Er rannte um sein Leben.

Bilder tauchten vor ihm auf, wie er als kleiner Junge durch kalte, unpersönlich eingerichtete Flure lief, weinend, mit zerrissener Kleidung.

Er verscheuchte die Gedanken daran.

Ein lautes, schadenfrohes Lachen erscholl hinter ihm.

Andrew stoppte erschrocken.

Vor ihm war eine Mauer. Dicker Backstein. Keine Möglichkeit das Hindernis zu umgehen oder zu überwinden. Er war eingesperrt. In die Falle getappt.

/Verdammt! Was mache ich jetzt?!/

Mit einem Wimmern drehte Andrew sich um und sah die Gestalt an. Eigentlich war der Mann schon so nah, dass er etwas hätte erkennen sollen, doch so war es nicht. Andrew konnte die Dunkelheit, die die Person zu umgeben schien, nicht durchdringen.

"Wer...Wer bist du?! Was soll das hier alles?!"

Ein Lachen als Antwort. Ein Lachen, das ihm durch Mark und Bein ging. Ein Lachen, das er kannte!

Im nächsten Moment wurde er gegen eine kalte Wand gedrückt. Die Gestalt drehte ihn um und hauchte ihren heißen Atem, der ihm vor Angst erschauern ließ, in seinen Nacken. Hände legten sich an seine Hose und versuchten sie hinunterzuziehen.

Andrew presste seine Augen zu.

Er schrie auf, versuchte sich zu wehren. Doch seine Hände wurden einfach nur verdreht und über seinem Kopf gegen die kalte Wand gedrückt. Ganz einfach, wie Spielzeug.

"Nein...hör auf! Was tust du?! Hör auf damit!"

Lachen erscholl wieder, doch dann kam eine Antwort.

"Etwas, das ich schon immer tun wollte..."

Andrew erstarrte. Eine eiskalte Hand legte sich um sein Herz und presste es zusammen.

Dieser Satz. Er kannte ihn, hatte ihn selbst gehört. Diese Stimme...

Langsam drehte er den Kopf, versuchte das Gesicht des Mannes zu sehen. Nun erkannte er alles. Entsetzen lähmte ihn.

Braune, unordentliche Haare, ein schmales Gesicht mit großen, dunkel blauen Augen, eine kleine Stupsnase, ein kleiner Mund. Sein Gesicht!

Andrew schrie entsetzt auf.
 

Andrew schrie entsetzt auf und fuhr im Bett hoch.

Er schlang seine Arme um seinen Oberkörper und wimmerte gepeinigt. Seine Augen starrten starr nach vorne an die Wand. Seine Haut war von einer Gänsehaut überzogen.

/Nicht schon wieder! Immer dieser Traum! Nein!/

Andrew musste würgen. So schnell er konnte sprang er aus dem Bett und rannte zur Tür. Er prallte schmerzhaft mit der Schulter und dem Fuß gegen den Türrahmen, hinkte durch den Flur ins Badezimmer.

Er übergab sich im Klo, schmeckte bittere Galle in seinem Mund.

Bebend und mit gebeugtem Kopf blieb er vor dem Klo hocken.

"Drew...? Was ist denn los?"

Andrews Körper bebte ein wenig. Robs leise, zaghafte Stimme riss ihn aus seiner Starre.

Er wischte sich flüchtig mit der Hand über den Mund und wandte sich zu seinem kleinen Bruder um.

"Es ist nichts, Robbie. Geh...geh wieder schlafen...Mir geht es gut...Es ist nichts..."

Rob kniete sich neben ihn und musterte ihn mit gerunzelter Stirn.

"Du hast doch was..."

Andrew schüttelte entschieden den Kopf.

"Es ist nichts. Geh wieder schlafen."

Er versuchte aufzustehen. Jedoch wankte er so sehr, dass Rob ihn stützen musste.

"Natürlich geht es dir nicht gut! Du bist ganz heiß! Verdammt, du hast Fieber!"

Andrew schüttelte den Kopf. Er hatte Kopfschmerzen, sah verschwommen.

"Mir geht es gleich wieder gut, das ist nichts. Mach dir keine Sorgen."

Rob ignorierte ihn einfach. Er schleppte ihn in sein Zimmer ins Bett und deckte ihn zu.

"Ich hole das Fieberthermometer. Bleib liegen."

Andrew blieb wirklich liegen.

Er starrte fast apathisch an die Decke, war völlig in Gedanken versunken.

/Es ist so lange her, dass ich so einen Traum hatte! Schon so lang her! Seit ich Nuka besser kenne, ist das alles weg! Gott...er soll wiederkommen! Ich brauche ihn! Ich bin vollkommen allein ohne ihn! Vollkommen einsam und schutzlos!/

In dieser Nacht fand er keinen Schlaf.
 

Nuka lehnte leicht zitternd an der Wand. Er hatte den Kopf gesenkt und wollte partout nicht aufblicken, nicht in Catherines Gesicht sehen, die ihn nach dem Gerichtstermin abgefangen hatte.

"Nuka...Alles in Ordnung?"

Nuka nickte leicht. Seine Lippen pressten sich zusammen.

Er wollte nichts sagen, nicht reden. Er wollte ihr nicht in die Augen sehen. Wollte nicht alles noch einmal erleben. Er wollte einfach nicht!!

"Nuka, du musst nicht mit mir reden. Wirklich nicht...Lass mich einfach nur reden. Ok?"

Nuka gab ihr keine Antwort. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Sein ganzer Körper spannte sich an.

/Sie wird mir die Schuld geben. Sie weiß, warum Todd das getan hat. Wegen mir. Ganz allein wegen mir...Gott, das werde ich nicht aushalten können!/

"Ich...weiß, dass hört sich jetzt komisch an, aber...sobald ich aufgewacht war, da galt mein erster Gedanke dir. Ich...Ich habe mir unglaubliche Sorgen um dich gemacht...Du hast gesagt, dass er...Todd...Ich will das nicht glauben! Er hat dir so vieles angetan! Und...Wir haben viel gemeinsam, was?!"

Nuka hob den Kopf.

Tränen liefen seine Wange hinab. Langsam realisierte er, was sie gesagt hatte. Sie hasste ihn nicht. Sie machte sich Sorgen um ihn.

Er drängte die Bilder zurück und sah sie an.

Ihr Lächeln ließ ihn alles um sich herum vergessen. Er sah sie wieder lächeln!

"Nuka, du musst mir erzählen, wie es dir geht! Ich will wissen, wie es dir ergangen ist, was mit dir passiert ist...Vor allem, wer es geschafft hat dich davon zu überzeugen, dass deine Langhaarfrisur grauenhaft aussah."

Ihr warmes Lachen ließ ihn aufatmen. Seine Muskeln entspannten sich wieder.

Sie gab ihm keine Schuld.

"Das war meine eigene Entscheidung. Die langen Haare wurden langsam unpraktisch..."

Seine Stimme war rau. Ihm steckte ein Klos im Hals.

Sie nickte und lächelte wieder.

"Wo lebst du jetzt?"

"In San Francisco, in einer Wohnung. Eigentlich müsste ich...im Gefängnis sein, aber da ich...sagen wir es mal so, ich habe einen Weg gefunden die Zellen ein wenig zu umgehen..."

Catherine nickte. Ihre roten Locken wippten mit.

Nuka wollte etwas sagen, er wusste selbst nicht genau, was. Etwas was seine Gefühle ausdrückte, dass er das alles nicht gewollt hatte, aber er brachte nichts heraus. Er konnte es nicht. Es hätte alles wieder aufgewühlt.

"Catherine! Catherine kommen Sie! Ich bringe Sie wieder in ihr Hotel!"

Ihr Anwalt hetzte auf sie zu und ergriff sie am Arm.

"Noch einen Moment bitte. Sie sehen doch, dass ich mich hier gerade unterhalte!"

Der ungeduldige Blick des Anwalts ließ Nuka aufseufzen.

"Es ist in Ordnung, Catherine. Geh ruhig."

Catherine lächelte ihm zu, doch dann begann sie in ihrer Tasche zu wühlen. Auf einem Zettel schrieb sie eine Telefonnummer auf. Ihre Telefonnummer.

"Hier. Du kannst mich zu Hause anrufen. Ich bin umgezogen. Gib mir deine auch. Dann können wir uns gegenseitig anrufen."

Nuka nickte und nannte ihr seine Nummer. Sie verabschiedete sich mit einem letzten warmen Lächeln.

Dann war sie weg.

Nuka seufzte auf und fuhr sich durch die Haare.

"Jetzt brauche ich erst einmal meinen Andrew..."

Er ging in sein Hotel, aß etwas mit Jonas und rief dann bei Andrew an. Doch niemand hob ab.

/Nun ja, vielleicht sind die beiden ja unterwegs! Dann versuche ich es morgen wieder!/
 

Nuka lächelte in die Sonne.

Er war frei.

Frei wie ein Vogel!

Man hatte die Anklage gegen ihn fallen gelassen!

Und ihm seine Zeit im Gefängnis ersetzt. Er hatte Schmerzensgeld bekommen.

Sein Lächeln wandelte sich zu einem breiten Grinsen. Mit dem Geld würde er Andrew schick zum Essen ausführen! Das hatte er sich fest vorgenommen.

Traum und Realität

Traum und Realität
 

Andrew war krank. Er hatte hohes Fieber und Husten. Rob meinte, er hätte sich eine Erkältung geholt, als er auf dem Weg zum Einkaufen in einen Regen geraten wäre. Jedoch sah der Psychologe so krank aus, dass Nuka kurz davor war einen Arzt zu rufen.

Rob hatte ihm das ausgeredet. Andrew hasste Ärzte wohl. Warum auch immer.

"Schöne Bescherung...Jetzt habe ich mich so darauf gefreut dich wieder zu küssen und was machst du?! Liegst schlafend und krank im Bett und hast noch nicht einmal mitgekriegt, dass ich dich als freien Mann begrüßt habe!"

Er seufzte auf, setzte sich neben Andrew auf die Bettkante. Zögernd strich er dem Schlafenden ein paar Strähnen aus dem Gesicht.

/Gott...Wie habe ich ihn vermisst...Er kann doch jetzt nicht einfach schlafen!/

"Kann er wohl...Ich habe ja hier den Beweis..."

Mit einem Seufzen betrachtete er Andrew. Ein warmes Lächeln legte sich auf seine Lippen.

"Wie kann man nur so süß aussehen?!"

Nuka sah auf seine Armbanduhr. 16:32 Uhr.

"Nuka?! Ich wollte zu einem Freund gehen. Darf ich?"

Rob stand in der Tür und hatte einen bettelnden Hundeblick aufgesetzt.

Nuka runzelte die Stirn.

"Warum fragst du mich das?! Ich kann dir nichts verbieten."

Rob zuckte die Schultern.

"Na ja, Andrew hat gesagt, wenn er grad nicht da ist, soll ich auf dich hören. Und weil ich ihn extra deswegen nicht aufwecken will, musst du es mir erlauben."

Nuka nickte.

"Na, dann verzieh dich, Hosenscheißer. Ich kümmere mich um deinen Bruder."

Das hätte er nicht sagen sollen.

"Oh ho! Du kümmerst dich um meinen Bruder?! Ui! Na dann kann ich ja erwarten, dass es ihm bald wieder besser geht! Ich hoffe ihr seid nicht zu laut, sonst kriegen wir Ärger vom Vermieter."

Nuka warf ein Kissen nach dem 16jährigen, der sich daraufhin lachend verzog.

Nuka schüttelte grinsend den Kopf.

"Der muss wirklich aus einer gestörten Familie kommen..."

Ein leises Murmeln ließ ihn zur Seite blicken.

Andrew drehte sich auf die andere Seite und zeigte ihm seinen Nacken. Grinsend beugte sich Nuka vor und küsste vorsichtig den Haaransatz. Sofort bildete sich eine Gänsehaut und ein unwilliges Knurren erscholl.

Nuka lachte auf.

/Er ist wirklich süß!/

Mit einem Mal hatte Nuka das unglaublich große Bedürfnis Andrew in den Arm zu nehmen, ihn an sich zu drücken und ihm so etwas von seiner Kraft zu geben.

"Du musst schnell wieder gesund werden, hast du gehört?"

Lächelnd zog er sein T-Shirt aus und schlüpfte zu Andrew unter die Decke. Vorsichtig, weil er den Schlafenden nicht wecken wollte, legte er einen Arm um Andrews Taille und schmiegte sich an seinen Rücken.

Er verzog besorgt das Gesicht. Durch den Stoff konnte er die Narben und die Wärme des Fiebers spüren.

/Soll ich...?/

Nuka runzelte die Stirn und überlegte. Er war neugierig auf Andrews Rücken. Die Narben hatte er erst einmal gesehen, jetzt wollte er sie genau betrachten. Er wollte wissen, wie sie entstanden waren.

/Aber Andrew wird bestimmt sauer sein...Er hat gesagt, dass es mich nichts anginge...Das sollte ich respektieren!/

Jedoch hielt die Vernunft nicht lange an.

/Das sollte ich respektieren! Tu ich aber nicht!/

Zögernd legte er eine Hand auf Andrews Rücken. Er schob vorsichtig den Stoff des Schlafanzugoberteils nach oben und legte immer mehr der blassen Haut frei. Sanft fuhr er mit den Fingerkuppen über die unregelmäßigen Erhebungen. Sie waren etwa zwei Finger breit und sahen sehr tief aus. Es musste geblutet haben. Alle waren senkrecht auf Andrews Rücken angeordnet. Nur wenige waren an den Seiten seines Bauches waagerecht. Die Narben reichten bis unter den Bund der Schlafanzughose.

/Da muss jemand mit ziemlicher Gewalt und Kraft zugeschlagen haben...Was das wohl war...? Vielleicht ein Gürtel?!/

Nuka verzog das Gesicht und schüttelte wild den Kopf.

/So etwas unmenschliches!/

Mit einem Seufzen schmiegte er sich an Andrews Rücken und hauchte dem schlafenden Psychologen abermals einen Kuss auf den Nacken.

"Schlaf schön, mein Darling...Wenn es dir Morgen nicht besser geht, dann hole ich einen Arzt. Dir wird es bald schon wieder besser gehen. Dafür sorge ich schon..."
 

Andrew rannte durch kalte Flure.

Seine nackten Füße führten ihn nur schwankend über den glatten, weißen Marmor, den es überall im Haus gab. Er hinterließ kleine, schon fast verblasste, blutrote Fußspuren.

Die Putzfrau würde am Morgen wohl einen arbeitsreichen Tag haben. Er war schon durch das halbe Haus gelaufen.

Doch das war ihm egal.

Das einzige, was er wollte, war endlich wegzukommen. Er würde es nicht ein weiteres Mal aushalten. Schon zu lange hatte er es ertragen müssen. Schon 22 Jahre, die einfach zu lang für ihn waren.

Er zitterte. Doch das kam nicht nur von der Kälte.

/Ich habe einen Schock. Eigentlich ungewöhnlich, wo ich das doch gewohnt bin. Heute ist es anders./

Ja. Heute war es anders. Er hatte einen Entschluss gefasst. Von einem Moment auf den anderen.

Er würde fliehen.

Schon so lange hatte er mit diesem Gedanken gespielt. Doch nie hatte er es auch nur im Entferntesten versucht.

Er war ein Nichts.

Ohne seinen Vater war er ein Nichts.

Sein Vater hatte das Haus, die Geschwister, das Geld.

Ohne ihn schaffte er sein Studium nicht.

Ohne ihn konnte er eine Arbeit vergessen.

Andrew bezweifelte, dass Leben ohne ihn überhaupt möglich war.

Trotzdem floh er gerade.

Trotzdem war er von dem Teppich mit den Blutflecken aufgestanden und durch das Haus gewankt, bis seine Schritte etwas sicherer geworden waren und er rennen konnte.

Er war auf dem Weg zu seinem Bruder Rob. Andrew wollte ihn mitnehmen. Er wollte ihn befreien. Vermeiden, dass Rob das Gleiche geschah, was ihm geschehen war. Denn sein Vater würde es mit Rob ebenfalls tun. Bestimmt, irgendwann, wenn er weg war.

Und da gab es kein Entrinnen. Andrew würde nämlich bald endgültig weg sein! Er würde sich sein Leben wieder aufbauen! Mit Rob!

Ohne Rob ging es nicht. Er hätte zwar eine größere Chance zu entkommen ohne seinen 13 jährigen Bruder, aber ohne Rob ging es einfach nicht. Rob war seine Verbindung zur Vergangenheit. Seine Erinnerung. Seine Warnung nie mehr zurückzukehren. Denn das wäre Andrews Todesurteil.

George W. Bucker hatte ihn schon einmal so sehr gefoltert, mit seinem Gürtel auf ihn eingeschlagen, dass tiefe Narben am Rücken und auf dem Gesäß zurückgeblieben waren. Wenn man ihn erwischte, würde er ihn wohl tot prügeln.

Ebenso wie das Bild seiner toten Schwester, das er in der Brusttasche seines Hemdes hatte, würde Rob ihn immer daran erinnern, dass es gleich war, ob er bei seinem Vater oder tot war. Er war immer allein mit seinen Schmerzen. Allein mit dem Wahnsinn seines Vaters.

Lediglich sein großer Bruder Ron hätte ihm in seiner Not helfen können.

/Aber der ist ja ins Ausland abgehauen, hat mich allein gelassen und Vaters Interesse somit noch mehr auf mich gelenkt.../

Keuchend lehnte er sich gegen die Wand. Er musste eine Pause machen.

/Habe ich überhaupt eine Chance?!/

Verzweiflung brach über ihm zusammen. Er spürte einen Klos im Hals. Wenn er nicht aufpasste, würde er anfangen zu weinen.

/Reiß dich zusammen! Er hasst es, wenn du weinst! Hör auf!/

Andrew schüttelte seinen Kopf.

/Er ist doch gar nicht da! Ich kann ruhig weinen! Es wird mir helfen!/

Seine Atmung hatte sich wieder beruhigt und er lief weiter. Es waren nur noch wenige Meter bis zu Robs Zimmer.

/Du kannst nicht weinen! Er wird dich hören! Er hört alles! Er ist überall!/

Andrew stolperte und prallte hart gegen Robs Zimmertür. Schwer atmend sank er zu Boden. Ein heiseres Schluchzen entkam seiner Kehle, doch er schluckte die restlichen Geräusche einfach hinunter.

Er würde nicht weinen!

Die Tür wurde aufgemacht und er fiel zu Boden. Rob sah erschrocken zu ihm hinunter.

Er hatte ihn noch nie so gesehen. Andrew hatte vermieden ihm in so einem Zustand unter die Augen zu treten. Er wollte ihm keine Angst machen.

Vater wollte eh, dass das Haus sauber blieb.

Plötzlich verschwamm alles. Robs Gesicht vermischte sich mit dem warmen Licht, das aus seinem Zimmer auf den kalten Flur drang, und verlief zu einer verrückten, chaotischen Masse.
 

Andrews Augen öffneten sich einen Spalt. Warmes Licht ließ ihn leicht lächeln.

Jemand hatte seine Nachttischlampe angemacht.

Hinter ihm lag ein warmer Körper, der sich an seinen Rücken geschmiegt hatte und seinen warmen Atem auf seine Haut hauchte.

Schöne Erinnerungen vermischt mit der Hoffnung auf die Zukunft ließen ihn lächeln.

"Ron...", murmelte er und wandte sich zu der anderen Person um, um sich an sie zu kuscheln. Kurz darauf war er wieder eingeschlafen.

Andrew hatte immer noch Fieber.
 

Andrews Blick verfestigte sich.

Er rannte.

Er wusste nicht, wohin oder warum, aber er rannte.

Vor ihm war Rob, der einen Rucksack trug und ebenfalls die Beine in die Hand genommen hatte. Andrew trug ebenfalls einen Rucksack. Er war voll bepackt.

Sie rannten über Kies. Andrew verzog schmerzhaft das Gesicht. Er war immer noch barfuss. Vor ihnen war ein Tor. Das Ende des Geländes seines Vaters. Da hinter wartete das Taxi, dass Andrew bestellt hatte. Sie hatten eine große Chance zu entkommen.

Hinter ihnen wurden Schreie laut.

Der Strahl einer Taschenlampe streifte ihn.

Entsetzen packte Andrew und ließ ihn schneller rennen.

"Lauf, Rob!"

Sein Bruder beschleunigte seine Schritte, erreichte das Tor. Er warf seinen Rucksack über das Eisengitter und kletterte behände darüber.

Andrew war ein wenig zurückgefallen. Seine Füße taten so weh.

Schließlich erreichte er keuchend das Tor. Er tat es seinem Bruder mit dem Rucksack nach und ergriff dann fest die Gitter.

Sein Bruder schien Übung darin zu haben, Absperrungen zu überwinden. Er rutschte immer wieder zu Boden.

Schritte und Hundebellen, Geräusche, die sich verdammt nah anhörten, ließen seine Geschicklichkeit ins Nirwana verschwinden.

/Ich schaffe es nicht! Ich schaffe es nicht! Nein!/

Ein Knurren ertönte.

Einer von den Hunden seines Vaters.

Erschrocken blickte Andrew nach unten. Da war einer von diesen Biestern.

Spitze Zähne gruben sich in sein rechtes Bein.

Andrew schrie vor Schmerz laut und schrill auf.

Er trat zu. Der Hund löste sich nicht. Er trat wieder zu. Nichts geschah. Der Druck und die Schmerzen schienen sich nur noch mehr zu steigern.

Immer wieder trat er zu.
 

"Andrew! Hör sofort auf damit!"
 

Laut keuchend schlug Andrew die Augen auf.

Panisch fuhr sein Blick umher. Er versuchte die Situation zu verstehen.

"Wo..."

Eine Hand legte sich an seine Wange und Nuka sah ihm besorgt ins Gesicht.

"Du hast geträumt. Es ist nichts passiert."

Andrew seufzte auf. Er richtete sich leicht auf und blickte sich um.

Nuka saß neben ihm auf dem Boden.

"Du hast geschrieen und wie wild um dich getreten. Du hast mich voll im Bauch erwischt und mich vom Bett gekickt."

Andrew sah ihn entschuldigend an. Den Traum verdrängte er.

"Das wollte ich nicht. Tut mir Leid, Nuka."

"Das sollte es auch! Niemand zuvor hat mich je von der Bettkante gestoßen! Findest du mich so hässlich?!"

Andrew lächelte leicht und schüttelte den Kopf.

"Nein...Tut mir Leid. Ich habe nur schlecht geschlafen."

Nuka erhob sich und verwuschelte ihm die Haare.

"Ach, ist egal. Wie geht es dir? Fühlst du dich wieder etwas besser?"

Andrew sah ihn verwirrt an.

"Ich...weiß nicht..."

Nuka lächelte und setzte sich neben ihn.

"Lass mich mal Fieber messen, Darling."

Andrew seufzte und ließ geduldig zu, dass Nuka ein Fieberthermometer unter seine Zunge schob.

"Hmm...Es ist wirklich schade, dass die Menschheit schon so fortschrittlich ist..."

Andrew runzelte die Stirn. Er war verwirrt. Wie kam Nuka nur auf dieses Thema?!

Nukas Grinsen ließ ihn wieder Schlimmes ahnen.

"Verstehst du nicht, was?! Na, weil ich dann ein altes Thermometer hätte."

Jetzt war Andrew noch verwirrter. Er sah Nuka fragend an.

Der Russe grinste ihn anzüglich an.

"Denk mal nach...Wo wurde das Thermometer früher benutzt, um die Temperatur zu messen? Ich gebe dir einen Tipp: Es war nicht unterm Arm!"

Andrew ging ein Licht auf. Er wurde natürlich sofort rot.

Als das Thermometer piepste, lachte Nuka immer noch.

Andrew schüttelte noch mit hochrotem Gesicht den Kopf und besah sich das Thermometer.

"37,5"

"Super! Das Fieber ist gesunken!"

Andrew seufzte auf und ließ sich nach hinten auf das Bett fallen. Er bemerkte, wie die Matratze sich bewegte, als Nuka sich neben ihn legte.

"Du bist noch müde oder?"

Andrew nickte leicht. Er wollte den Kopf nicht unnötig bewegen. Jetzt, wo er nur lag, fühlte er ein leichtes Schwindelgefühl. Er hätte sich nicht so sehr bewegen sollen.

Langsam drehte er seinen Kopf zur Seite und betrachtete Nuka, der mit entspannter Miene zur Decke sah.

Er sah überhaupt lockerer und nicht so leicht angespannt wie sonst aus. Auch ausgeruht war er. Die Augenringe, die er ab und zu noch gehabt hatte, waren ganz verschwunden.

/Warum ist das so...? Da war doch was...Irgendetwas, was ich vergessen habe...Irgendetwas wichtiges.../

Im nächsten Moment fuhr Andrew auf. Ihm fiel alles wieder ein.

"Du Trottel! Warum hast du mir nicht gesagt, dass du freigesprochen wurdest?!"

Nuka begann laut zu lachen.

"Das ist dir jetzt erst aufgefallen?! Himmel, bist du süß!"

Abermals lief Andrew rot an. Er war aber auch seltendämlich. Er seufzte auf und kuschelte sich wieder in seine Kissen.

Es roch angenehm würzig und ganz leicht nach Tabak. Außerdem war da noch etwas, er konnte es nicht erkennen. Jedenfalls liebte er diesen Geruch. Und irgendwie hatte er das Gefühl, dass er ihn von irgendwoher kannte...

Mit einem Seufzen vergrub er seine Nase im Kissen und atmete den Duft tief ein. Angenehm.

"Soll ich dich schlafen lassen, Drew?"

Andrew wandte den Blick vom Kissen ab und lächelte Nuka warm an.

"Also du musst nicht hier herumsitzen und dich um mich kümmern. Ich komme auch alleine klar, aber...Ich denke, ich kann nicht mehr schlafen..."

"Der Albtraum hat dich ziemlich aufgewühlt oder?"

Verwundert sah Andrew auf.

/Der Albtraum...? Ach ja, der.../

Er schüttelte den Kopf.

"Ich habe das schon so oft erlebt, fast jede Nacht, an schlimmen Tagen sogar mehrmals hintereinander...Es macht mir nichts mehr aus...Ich bin es langsam gewohnt..."

"Wie lange geht das schon so?"

Andrew schloss seine Augen und zog die Decke über seine Schultern.

"Ich weiß nicht...vielleicht 3 Jahre..."

Nuka keuchte auf.

"3 Jahre?! Gott!"

Andrew runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts. Nuka dramatisierte alles.

"Andrew! Spare dir diesen Blick! Ich übertreibe nicht! Du musst etwas dagegen machen! Verdammt, ich hatte ein paar Monate Albträume und fand das schon grauenvoll! Seit dem ich bei dir in Therapie bin ist es besser geworden!"

/Jetzt reicht es.../

"Hör auf zu lügen! Du hattest doch überhaupt keine Albträume! Du hast nur nach einem Grund gesucht, aus dem Gefängnis zu kommen! Das war doch alles gelogen!"

"Ach, glaubst du das?! Und was war mit dem Ritzen?! Denkst du, ich ritze mir einfach so aus Spaß den Arm auf oder was?!"

Andrew richtete sich auf und schnaubte abfällig.

"Das hast du doch extra gemacht! So sehr tut das nicht weh! Ich könnte mir genauso gut den Arm ritzen, du Lügner!"

Nuka sprang vom Bett. Er sah sehr aufgebracht aus. Andrew hatte ihn wohl durchschaut.

"Woher willst du das wissen?! Vielleicht bist du nur zu dumm um meine Probleme zu erkennen!"

Andrew erhob sich und funkelte Nuka über das Bett hinweg an.

"Jemand, der wirklich wegen Probleme ritzt, der hätte das Ritzen gar nicht erwähnt! Du Trottel!"

"Ach! Da spricht mal wieder der tolle Psychologe aus dir, was?! Du kannst deine Psychologie mal selbst an dir ausprobieren! Obwohl ich bezweifle, dass das bei so einem verstockten, scheuen und verklemmten Selbstanlüger, wie du einer bist, noch irgendetwas nützt! Steck dir den Scheiß doch sonst wohin! Vielleicht merkst du ja dann, dass man nicht immer ohne Gefühle und Berührungen leben kann! Hör auf in einer Traumwelt zu leben! Damit würdest du nicht nur dir oder mir einen Gefallen tun!"

Andrew stockte der Atem.

"Wie...Wie hast du mich genannt...?! Ein verstockter, scheuer, ver...verklemmter...Selbstanlüger...?!"

/Hat er das gerade wirklich gesagt...Er hat ja Recht...Verdammt...Mein ganzes Leben ist beschissen...Scheiße.../

Andrew kniff seine Augen zusammen. Bilder zogen in seinem Kopf umher und brachten ihm seine vertrauten, gehassten und geliebten Kopfschmerzen.

Er wankte etwas nach vorne, hielt sich im letzten Moment. Alles schwirrte um ihn herum. Die Formen verschwammen. Die Gestalt von Nuka schwankte hin und her. Er spürte wie seine Beine einknickten. Alles verschwamm im Nebel.

/Nicht vor ihm!/

Andrew riss sich zusammen.

Er fuhr herum, rannte aus dem Zimmer und in den Flur.

/Der Flur! Ich hasse Flure!/

Mit einem Satz war er im Badezimmer und schmetterte die Tür hinter sich zu.

Dann brach er in die Knie.

Seine Hände fuhren durch seine Haare und verkrallten sich in ihnen.

Ein Keuchen entkam ihm und erfüllte das Badezimmer, hallte von den weißen Kacheln wieder.

/Wieso wiederholt sich immer alles...Alles...wie in einer Schleife...ein Kreis...Wo ist endlich das Ende?!/

Andrew fuhr mit seinen Händen über seinen Hinterkopf und verschränkte am Nacken seine Finger ineinander.

Die Kopfschmerzen brachten ihn um den Verstand.

/Ohne Gefühle hat er gesagt! Hast du gehört?! Ohne Gefühle! Du bist wie er! Genauso gefühllos! Genauso kaltblütig! Genauso dumm! Du nimmst keine Hilfe an! Genauso wenig wie er! Genauso wenig! Du bist kein Vaterersatz für Rob! Du bist ein schlechter Vater! Genau wie er! Irgendwann flippst du auch aus! Wie er! Genau wie er! Weißt du noch, warum dein Bruder dich verlassen hat?! Weißt du noch, was er gesagt hat?!/

Andrew wimmerte auf.

"Ja...Ich weiß es noch..."

/Was hat er gesagt?! Erinnere dich! Sag es!/

Andrew heulte auf wie ein getretenes Tier. Er wollte das nicht. Er wollte allein sein! Er wollte nicht, die Stimme, die Stimme seines Vaters, die ihn manipulierte. Immer noch manipulierte. Seit 3 Jahren. Immer noch!

/Ich bin immer noch da! Du weißt, dass ich da bin! Du wirst mich nie wieder los! Du gehörst mir!/

Andrew kniff seine Augen zusammen.

Das war sein Vater.

Sein Vater war in seinem Kopf.

Er hatte sich in ihn eingegraben und würde ihn nie wieder loslassen.

"Hör auf..."

/Erst sagst du, was Ron dir als Grund für sein Verschwinden gegeben hat.../

Seine Fingernägel bohrten sich in die Haut an seinem Nacken, drangen so tief, dass es blutete.

"Er hat gesagt, er hat Angst vor mir! Er hat gesagt, ich bin dir zu ähnlich! Dabei...Ich habe Angst! Er hätte mich beschützt! Das hätte er getan! Er brauchte keine Angst vor mir zu haben!"

/Bist du dir sicher...?/

Es klopfte an der Badezimmertür.

"Andrew...Ich...es tut mir Leid..."

Ein hysterisches Lachen brach aus Andrew heraus. Es war leise, gedämpft, weil er sich auf die Finger biss. Er wollte kein Geräusch machen.

"Andrew...? Ich...Ich komme jetzt rein, ok?!"

/Nein! Lass ihn nicht herein!/

Andrew sagte nichts.

Er schmeckte Blut. So fest hatte er auf seine Hände gebissen.

Ihm lief ein eisiger Schauer über den Rücken, als die Tür mit einem leisen Quietschen geöffnet wurde. Er mochte keine Türen. Wie oft, war es dieser leise Klang der Türe gewesen, der ihn nachts aus seinen Albträumen gerissen hatte, nur um ihn dann in einen nächsten zu begleiten.

Er hasste Türen!

"Andrew, du blutest ja!"
 

Nuka war entsetzt.

Andrew kauerte auf dem Boden. Er hatte sich ganz klein gemacht, saß tief gebeugt.

Und er blutete.

An seinem Hals waren Kratzspuren, als hätte er versucht sich die Kehle mit seinen Fingernägeln aufzureißen. Und seine Hände zierten Bissspuren, die nicht aufhören wollten zu bluten.

Aber, was ihn noch mehr erschreckte, war, dass Andrew kein Ton sagte.

Selbst, als Nuka ihn hochhob und in sein Bett trug. Auch, als er dessen Verletzungen versorgte.

Die Augen waren geschlossen.

Es sah fast so aus, als würde er schlafen.

Doch Nuka wusste, dass er das nicht tat. Der Psychologe war zu verkrampft.

"Andrew...Was soll das...? Was geht nur in dir vor?! Rede mit mir!"

Nuka wollte nicht laut werden, aber er konnte einfach nicht anders. Er war zu besorgt. Außerdem bekam er das Gefühl nicht los, dass er an Andrews Zustand Schuld war.

"Andrew! Hör auf mit dem Mist und rede mit mir!"
 

Andrew zuckte zusammen.

Ein leises Wimmern ging ihm über die Lippen.

"Hör auf...Bitte...Ich habe nichts getan! Hör auf!"
 

Er war gefangen. Bilder und Wortfetzen waren in seinem Kopf vollkommen durcheinander. Er wusste nicht, wo er hingehörte, was er tun sollte, in welcher Situation er sich befand.

Ein wütender Schrei hallte zu ihm.

Diese tiefe Stimme.

Sie konnte nur einem gehören.

/Ich will nicht schon wieder! Nicht diese Nacht! Nein!/

Doch niemand tat ihm weh. Lediglich eine warme, sanfte Hand, die sich an seine Wange legte, ließ ihn wissen, dass er nicht allein war.

Jemand sagte seinen Namen.

War es überhaupt sein Name?! Oder nur ein Name aus seiner Vergangenheit?!

Seine Augen klärten sich. Die Bilder fuhren zurück, ließen ihm Schmerzen, die ihm halfen in die Wirklichkeit zurückzukehren.

Er sah ein Gesicht über sich.

"Nuka..."

Wieder ein Name.

Er wusste abermals nicht, woher er ihn wusste, oder ob das überhaupt der richtige Name war.

"Ja, Andrew...Ich bin hier. Geht es dir wieder gut?"

"Mir ist kalt..."

Eine warme Decke legte sich um ihn und zwei Arme zogen ihn an eine breite Brust.

Erschöpft lehnte Andrew seinen Kopf an die Brust.

/Hier ist es auszuhalten.../

Es dauerte nicht lange, da war er auch eingeschlafen.

Abendessen Nummer 2

Abendessen Nummer 2
 

Sonnenschein weckte Andrew auf.

Er seufzte auf und lächelte leicht. Es war so schön warm um ihn herum. Und es roch so gut. Würzig, nach Tabak und nach... Er gab es auf herauszufinden, was da noch war. Jedenfalls war es irgendwie...süßlich.

Etwas Warmes kitzelte sein Gesicht. Ein Lufthauch.

Blinzelnd öffnete er die Augen.

Der Schock.

Nukas Gesicht war direkt vor seinem.

/Gott! Habe ich mich erschreckt! Warum...?/

Ihm fiel es wie Schuppen von den Augen.

Alles fiel ihm wieder ein. Sein Fieber. Der Streit. Sein Nervenzusammenbruch. Wie er zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart nicht mehr unterscheiden konnte.

/Es ist noch früh...Ich sollte Nuka nicht aufwecken.../

Andrew blieb liegen.

Er dachte nach.

Nuka hatte einen großen Einfluss auf ihn. Das merkte er jeden Tag. Ob dieser Einfluss positiv oder negativ war; das konnte er nicht feststellen. Fest stand, dass Nuka ihn aufwühlte und durcheinander brachte, mit seiner Art, seinem Handeln und seiner bloßen Anwesenheit.

/Vielleicht ist es ganz gut, dass er da ist und die Vergangenheit wieder ausgräbt...Wie war das mit dem schlafenden Hund, der aufwachen und leben sollte?!/

Andrew schüttelte den Kopf.

/Am Besten schlafe ich noch etwas...Dann wecke ich Nuka auch nicht auf.../

Doch Andrew konnte nicht mehr schlafen. Er hatte 2 Tage durchgeschlafen. Sein Fieber war ganz verschwunden und er fühlte sich ausgeruht und einigermaßen gesund.

/Dann stehe ich eben auf und mache mir einen Kaffee...Ich kann jetzt eh nicht frühstücken.../

Vorsichtig löste er sich aus Nukas Umarmung und wand sich aus der Decke, in die er eingehüllt war. Nuka hatte mit freiem Oberkörper geschlafen und vollkommen ohne Decke. Er hatte sich bestimmt einen Zug geholt.

/Das gibt Verspannungen.../

Die Decke breitete er fürsorglich über den selig Schlafenden aus. Er schlich leise auf den Flur. Robs Zimmertür war nur angelehnt. Ein blasser Lichtschein fiel durch den Spalt auf den Teppich.

/Ist er noch wach?! Wir müssten ungefähr schon 7 Uhr morgens haben!/

Mit einer strengen Miene schob er die Tür auf. Er wollte gerade etwas Belehrendes sagen, als er sah, dass Rob doch schlief. Er war über einem Buch eingeschlafen. Natürlich hatte er das Licht angelassen.

/Er ist so lieb...Ich habe ihn gar nicht verdient.../

Andrews Blick verdunkelte sich.

/Vielleicht war es nicht gut, dass ich ihn von Vater, aus seiner gewohnten Umgebung, seinem Zuhause, weggerissen habe...Da hätte er wenigstens eine gute, abgesicherte Schulausbildung. Es ist fraglich, ob ich später das Geld zusammenkriegen werde, damit er studieren gehen kann.../

Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Andrew zuckte zusammen und fuhr ein wenig zur Seite.

/Gott! Hab ich mich erschreckt!/

Nuka sah ihn besorgt und verdammt verschlafen mit unordentlichen, verwuschelten Haaren an.

"Warum bist du aufgewacht? Ich war doch ganz leise..."

"Ich habe deine Wärme nicht mehr gespürt...Hattest du wieder einen Albtraum?"

Andrew schüttelte den Kopf. Er war dankbar für seine Sorge. Es tat gut, wenn man wusste, dass sich jemand um einen sorgte.

"Ich bin nur nicht mehr müde..."

Sie schwiegen sich an.

Andrew betrachtete weiter Rob, versuchte seinen Patienten zu ignorieren. Dies gelang ihm nur schwer, da Nuka nämlich beruhigend über seinen Rücken strich.

"Was ist los, Andrew? Du siehst so bedrückt aus..."

Der Psychologe schüttelte nur den Kopf.

"Es ist nichts...nur..."

Andrew seufzte auf und lehnte sich gegen Nuka, der ihn verwundert von der Seite anblickte.

Andrew schloss seine Augen. Sollte er es sagen?

Nukas Worte bei ihrem Streit drängten sich in seinen Kopf.

"Ich..."

/Ich will nicht mehr scheu sein! Mach schon!/

"Ich denke, ich bin ein schlechter Vaterersatz und Rob wäre in einer Pflegefamilie oder beim Jugendamt besser aufgehoben."

"Du spinnst! Das stimmt nicht. Du bist ein guter Vaterersatz!"

Andrew schüttelte den Kopf.

"Nein. Ich...Du hattest Recht damit, dass ich nicht nur uns beiden vieles erleichtern würde, wenn ich nicht so gefühllos wäre...Ich habe langsam das Gefühl, dass ich meinem Vater immer ähnlicher werde...Er war auch immer kalt und ohne Emotionen..."

"Quatsch!"

Nuka winkte ab und schob ihn weiter in die Küche auf einen der Stühle.

"Komm, jetzt frühstücken wir erst einmal ganz in Ruhe!"

Andrew seufzte auf und ließ zu, dass Nuka ihm eine Tasse Kaffee vor die Nase stellte.

"Du solltest nicht so hart zu dir sein! Das, was ich dir gesagt habe...Das war alles nicht so gemeint..."

Andrew schüttelte den Kopf und unterbrach Nuka.

"Nein, du hattest Recht. Ich bin wirklich ein Selbstanlüger und scheu und all das..."

Nuka wollte etwas sagen, doch Andrew schüttelte den Kopf.

Wieder herrschte Stille zwischen ihnen.

"Ich mache das Frühstück, Andrew..."
 

Nuka sah sich lächelnd in seiner Wohnung um. Vor zwei Tagen war er wieder aus Colorado von dem Gerichtstermin zurückgekommen. Und nun, wo er wusste, dass er von jetzt an, so lange er wollte, in dieser Wohnung bleiben konnte, ohne irgendwann wieder im Gefängnis zu landen, hatte er es endlich geschafft etwas Farbe in die Wohnung zu bringen.

An die Wand, an der normalerweise sein altes Sofa stand, hatte er einen Hai mit einem weit aufgerissenen Maul gemalt. Das gleich Motiv wie seine Tätowierung, die er sich mit 17 hatte machen lassen. Jetzt musste nur noch die Farbe trocknen, dann konnte das Sofa wieder an seinen alten Platz geschoben werden.

Das Schrillen der Klingel ließ ihn entnervt aufseufzen.

/Wer ist das denn jetzt schon wieder?!/

Er trat an die Tür und blickte durch den Spion. Ein erfreutes Lächeln legte sich auf seine Züge.

/Andrew!/

Der Russe riss regelrecht die Tür auf.

"Hi, Darling! Was machst du denn hier?!"

Andrew lächelte leicht und hob eine Einkaufstüte hoch.

"Weil du mir ja voriges Mal so etwas Leckeres gekocht hast, dachte ich, ich könnte dir auch etwas kochen."

Nuka durchschaute ihn. Er grinste breit.

"Rob ist nicht da oder?!" Andrew entgleisten die Gesichtszüge. Für einen Moment sah er vollkommen ertappt aus. Doch er fing sich wieder und rettete sich mit einem verlegenen Lächeln.

"Ich...Nun es stimmt, Rob ist nicht da. Und deshalb habe ich ja Zeit zu kommen. Normalerweise..."

Nuka seufzte, drehte sich einfach um und ging ins Wohnzimmer. Andrew verstummte augenblicklich.

Er hörte wie die Wohnungstür ins Schloss fiel und Andrews Schritte, die zu erst in die Küche gingen -vermutlich um die Einkäufe wegzustellen- und ihm dann folgten.

"Du immer mit deinen Ausreden. Warum sagst du nicht einfach direkt, dass du unten in deiner großen Wohnung einsam warst?! Ich reiße dir deshalb schon nicht den Kopf ab." Andrew zuckte die Schultern und betrachtete seine Schuhe.

"Ich weiß nicht. Das ist so eine Angewohnheit. Bei meinem Vater wurde ich nie gefragt, warum ich mich gerade so verhalte oder, ob es mir gut geht. Ich bin das einfach nicht gewohnt, das zu sagen, was ich denke."

"Schon ok...Ich ärgere mich da nur oft drüber. Ich bin es auch nicht gewohnt. Ich kann da nicht so richtig mit umgehen."

Andrew nickte und blieb mitten im Wohnzimmer stehen. Er sah ein wenig verloren aus.

"Bleib mal genau so stehen, bitte."

Andrew runzelte die Stirn und sah Nuka verwirrt an.

"Wieso?"

Der Russe drehte sich um und bückte sich. Ein Fotoapparat lag auf dem Boden. So dass Andrew nichts erkennen konnte, erhob sich Nuka.

Im nächsten Moment fuhr er herum, visierte Andrew an und betätigte den Auslöser.

"Boah, Nuka! Was soll das?! Darauf war ich gar nicht vorbereitet! Das nächste Mal warnst du mich vor!"

"Ok! Jetzt!"

Nuka drückte wieder auf den Knopf.

Andrew blickte überrascht.

Nuka beobachtete mit einem breiten, mit sich zufriedenen Grinsen wie Andrews Gesichtsfarbe von einem normalen zu einem fleckigen und dann zu einem durchgehend roten Ton wechselte.

"Verdammt, Nuka! Was habe ich denn gerade gesagt?!"

Nuka ließ sich prustend aufs Sofa fallen.

Er brauchte lange, bis er sich wieder beruhigt hatte.

Andrew jedoch sah ihn immer noch wütend an.

Nuka kicherte leise und schüttelte seinen Kopf.

"Diese Flecken! Du hast schon wieder diese Flecken! Du solltest dich nicht so aufregen! Ich habe dich doch vorgewarnt!"

Andrew verzog ein wenig genervt den Mund.

"Das war gar nicht richtig! Du meinst doch nicht, dass mich das in irgendeiner Weise vorbereitet hat! Ich habe bestimmt geblinzelt!"

Nuka grinste. Ihm fiel natürlich sofort eine freche Antwort ein.

"Keine Angst, Darling, das nächste Mal bereitete ich dich ganz gründlich und zärtlich vor!"

Er hatte erreicht, was er erreichen wollte. Andrew wurde rot wie eine Tomate.

Natürlich brach der Russe in Gelächter aus.

Andrew blieb stumm und setzte sich neben den kichernden Kerl.

"Du bist albern."

Das war sein einziger Kommentar.

Nuka grinste daraufhin nur als Antwort.

Sie saßen mal wieder stumm nebeneinander.

"Warum hast du eigentlich einen Fotoapparat hier?"

Andrew hatte sich wieder gefangen.

Nuka zeigte hinter sich auf das Bild auf der Wand.

"Ich hatte vor, das zu fotografieren und zu einer Firma zu schicken, vielleicht stellen sie mich ja ein."

"Das habe ich ja noch gar nicht gesehen! Das hast du gemalt?!"

Nuka begann wieder zu lachen.

"Tja, du hattest nur Augen für mich, stimmt's?!"

Andrew lief abermals rot an.

"Da! Schon wieder!"

Nuka hielt sich den Bauch vor Lachen.

"Diese Flecken sind einfach zu knuffig!"

"Ach, halt den Mund!"

Nukas Grinsen wurde zu einem Strahlen. Andrew lächelte ihn verlegen an. Vielleicht fand er Nukas Witze ja doch gut?! Im nächsten Moment schien Andrew etwas einzufallen.

Er nahm Nuka die Kamera aus der Hand und besah sie sich.

"Was suchst du?"

"Den Selbstauslöser. Mir ist gerade aufgefallen, dass wir noch gar kein Bild von uns haben...Ähm..."

Auf Nukas Gesicht breitete sich ein Grinsen aus, als sich wieder eine ziemliche Röte auf Andrews Gesicht schlich. Der Russe sah genau, wie sein Psychologe verzweifelt nach einer Ausrede suchte, die seinen *Versprecher* hätte erklären können.

"Also ich habe ein Photoalbum für meine Patienten...und..."

Nuka grinste ihn an. Ihm war schon wieder eine neue *Gemeinheit* in den Sinn gekommen. Wahrscheinlich konnte man ihm das auch ansehen.

"Na gut! Warte einen Moment!"

Er stellte den Photoapparat so auf den gegenüberliegenden Sessel, dass sie beide auf dem Sofa sitzend gut zu sehen waren. Er drückte den Selbstauslöser, den Andrew nicht gefunden hatte.

"Der macht 3 Bilder im Abstand von einer Minute."

Nuka ließ sich unverzüglich neben Andrew aufs Sofa fallen und legte ihm noch nur den Arm um die Schultern.

Noch nur den Arm.

Es blitzte. Das 1. Photo.

Nuka grinste plötzlich breit. Jetzt würde er seine Idee *verwirklichen*.

Er nahm Andrews Gesicht in seine Hände und presste seine Lippen auf die des anderen.

Der Russe spürte sofort wie Andrew sich verspannte und seine Hände zur Abwehr gegen seine Brust stemmte. Doch das ließ ihn nur gegen die anderen Lippen grinsen.

/Wart's ab, Darling! Dich krieg ich noch!/

Nukas Hände fuhren zum Nacken, damit Andrew so verharrte. Seine Linke strich über den schlanken, -durch den Stoff fühlbar- vernarbten Rücken und schoben Nukas *Opfer* noch näher an ihn heran.

Dann ein Gedanke, der ihn wieder grinsen ließ. Er beließ es nicht bei dem einfachen Kuss. Diesmal nicht.

Vorsichtig stupste er mit seiner Zungenspitze gegen Andrews Lippen und bat um Einlass.

Zu seiner großen Verwunderung bekam er ihn sogar.

Er konnte sich ein Seufzen nicht verkneifen, als er in die Mundhöhle eindrang und Andrew endlich richtig schmecken konnte.

Er schmeckte leicht nach Kaffee.

/Endlich.../

Nuka zuckte verwundert zusammen, als er feststellte, dass sich der Psychologe in seinen Armen entspannte.

Die schmalen Hände krallten sich in sein T-Shirt.

Nuka lockerte den Griff um Andrews Nacken und fuhr mit seiner Hand zu dessen Taille um ihn noch etwas näher zu ziehen. Ihre Oberkörper berührten sich.

Nuka war wie überfahren, als sich Andrews Zunge regte und sanft über seine strich. Eine Einladung! Das war eine Einladung!

/Gott...Ich glaube, ich habe Halluzinationen! Und dabei habe ich heute noch keinen Tropfen Alkohol angerührt! Scheiße! Woher kommt das auf einmal?!/

Jedoch konnte Nuka die Einladung nicht annehmen. Ihm ging die Luft aus. Lächelnd löste Nuka sich von Andrew, hauchte einen kleinen Kuss auf die Lippen des anderen.

/So weich.../

Andrew war rot angelaufen. Doch er lächelte dabei sogar leicht.

Wieder blitzte die Kamera.

"Woher kommt denn dieser Gedankenumschwung?"

Andrew seufzte und schlug die Augen nieder.

"Ich hab auch keine Ahnung...Ich..."

Im nächsten Moment sprang er auf. Er sah verdammt verwirrt und erschrocken aus.

"Ich sollte gehen!"
 

Andrew war schon halb aus der Tür.

Er wusste selbst nicht, warum er das nun tat, warum er das eben getan hatte...Eigentlich hatte er doch nur vorgehabt mit Nuka einen angenehmen, ruhigen Abend zu verbringen! Er sollte nicht hier sein. Es war ihm nicht vergönnt sich in Nukas Anwesenheit gut zu fühlen. Irgendwie fühlte er sich schuldig, weil er Nukas Kuss erwidert hatte. Wem genau er etwas schuldete, wusste er selbst nicht. Vielleicht Ron...?

Nuka erreichte ihn und zog ihn an seine Brust. So wie er es immer tat.

Irgendwie beschlich Andrew das Gefühl, dass Nuka nicht gerne, während sie redeten, in sein Gesicht sah.

/Vielleicht verunsichert ihn das...?/

"Du kannst nicht einfach gehen! Wer kocht mir denn dann mein wohlverdientes Abendessen?!"

Andrew konnte sein Lächeln nicht unterdrücken. Typisch Nuka.

Er gab auf. Es würde schon nicht so schlimm werden.

Er würde seine Angst und das Unwohlsein unter Kontrolle halten können.

"Ok..."

Nuka drehte ihn in seinen Armen um und lehnte seine Stirn an Andrews. Sanft wurde der Psychologe aus grünen, schönen Augen angeblickt.

"Du bist ein süßer, kleiner Fratz, weißt du das?!"

Andrew musste grinsen. Es war das erste Mal, dass er richtig grinste.

Doch dann erinnerte er sich an den eigentlichen Grund für sein Kommen.

"Ich sollte Essen machen."

Nuka schüttelte seinen Kopf.

"Essen machen wir gleich zusammen. Wir setzen uns noch etwas aufs Sofa."

Nuka ging rückwärts, zog Andrew dabei mit sich und setzte sich hin.

Der Psychologe blieb einen Moment unschlüssig vor Nuka stehen.

/Was soll's.../

Mit einem sachten Lächeln ließ er sich nah neben Nuka nieder und ließ sogar zu, dass der Russe ihn an seine Schulter zog.

Er konnte sogar seinen Kopf an Nukas Schulter lehnen, ohne dass ihn die Angst überkam.

"Du bist so zutraulich heute...Woran liegt das?"

Andrew schloss seine Augen und genoss das vorsichtige Streicheln von Nukas Hand, die sich auf seine Schulter gelegt hatte.

Ein angenehmes Gefühl. Ein Gefühl, nach dem er sich schon lange gesehnt hatte. Ein Gefühl der Geborgenheit.

Andrew seufzte auf und öffnete seine Augen wieder. Das Gefühl vermittelte ihm Vertrauen. Vertrauen, das er gut gebrauchen konnte.

Andrew wollte Klarheit. Er musste sich mit Nuka unterhalten.

"Ich habe über deine Worte nachgedacht..."

"Dass du scheu und verklemmt bist?! Vergiss das...Ich denke, ich war nur sauer, dass ich dich nicht rumkriegen konnte oder so etwas..."

Andrew schüttelte den Kopf.

"Nein...das mit dem Selbstanlüger. Du hattest Recht und...ich will nicht mehr lügen..."

Andrew starrte den schwarzen, toten Fernseher an.

Er wusste genau, dass Nuka ihn beobachtete. Es machte ihn nervös. Er fühlte sich regelrecht durchlöchert, nackt und bloß gestellt.

"Du hast dich also die ganze Zeit lang, in der du etwas mit mir zu tun hattest, angelogen?"

Andrew seufzte und blickte den Russen an. Ein warmer, leicht besorgter Blick antwortete ihm, gab ihm Sicherheit. Solche Blicke hatte er schon lange vermisst.

"So könnte man das sagen...ja..."

"Dann hast du dir jetzt endlich eingestanden, dass du...?"

Andrew schüttelte leicht lächelnd den Kopf.

/Ich habe mir noch gar nichts eingestanden...Ich bin immer noch total verwirrt.../

Er war verwirrt. Er kannte Nuka erst seit ein paar Monaten. Langsam aber sicher wusste sie nicht mehr, was sie denken sollte. Nukas ständige Annäherungen und Bedrängungen machten sie nervös und verstörten sie. Niemand hatte ihr bis jetzt so ,den Hof gemacht'. Sie wusste doch überhaupt nicht, worauf es in einer Beziehung ankam und es stand fest, dass Nuka eine Beziehung wollte. Wenn er nur das eine von ihr wollte, könnte er sich auch jemand anderen nehmen. Andrew war sich sicher, dass er keine Probleme bei seiner Suche hätte.

/Aber die Sache mit meinem Bruder...das war doch eine Beziehung oder nicht...? Aber er hat mich mit Vater alleingelassen...Dabei wusste er, was mit mir geschehen würde.../

Andrew schüttelte den Gedanken ab. Sie hatte jetzt keinen Nerv über Rons Verrat nachzudenken.

/Nuka...Was empfinde ich für ihn?/

Andrew seufzte und schüttelte den Kopf. Darauf hatte er noch keine Antwort. Aber er würde nach einer suchen.

"Ich weiß noch nicht, was ich mir eingestehen soll..."

Nukas Streicheln auf seiner Schulter hielt inne.

"Ist schon ok...Wahrscheinlich ist das noch ein wenig viel verlangt...Ich sollte geduldig sein..."

Andrew nickte und lächelte leicht. Nuka war so verständnisvoll.

/Er ist jetzt vielleicht enttäuscht...meint er es etwa wirklich ernst? Was war eigentlich mit Jonas? Sie haben sich geküsst.../

"Nuka...Ich muss etwas wissen..."

"Was denn?"

"Die Sache mit Jonas..."

Nukas Lachen unterbrach ihn.

"Das war nicht ernst gemeint. Das habe ich nur gemacht, um..."

Der Russe stockte.

"Um was?"

Andrew sah seinen Patienten mit gerunzelter Stirn an.

Ein Lächeln breitete sich auf Nukas Gesicht aus.

"Na ja...Um dich eifersüchtig zu machen...Und das ist mir ja gelungen oder, Darling?! Es tut mir Leid, dass ich diesen miesen Trick angewendet habe, aber...mir fiel nichts anderes mehr ein..."

Andrew wurde wieder leicht rot. Er konnte sich noch daran erinnern, wie er sich aufgeführt hatte, als er Jonas und Nuka das zweite Mal beim Küssen erwischt hatte. Kein angenehmes Gefühl. Er hatte das Bild noch lange vor Augen gehabt. Doch das hatte er sich damals nicht eingestehen können.

Jetzt schon.

Jedoch gab es da noch etwas.

"Ich...Was findest du an mir?"

"Was findet wohl ein manipulierender, böser Bastard wie ich an so einem süßen, unschuldigen Engel, wie du einer bist?!"

Andrew presste seine Lippen zu einer dünnen Linie zusammen und erhob sich. Irgendwie reizte ihn Nukas Art. Seine unbekümmerte Art. Er war immer so ungezwungen. Andrew im Gegenteil war verkrampft und ernst in allem, was er tat. Das brachte ihn unglaublich auf.

"Ich merke schon, dass man mit dir nicht darüber reden kann. Am Besten mache ich jetzt wirklich das Abendessen."

Nuka sagte nichts. Er stand nur auch auf und folgte ihm, blieb im Türrahmen zur Küche stehen.

Andrew fühlte sich mehr als nur ein bisschen beobachtet.

/Egal...Was brauche ich...?/

Er stellte die Einkaufstüte auf den Küchentisch und packte das aus, was er eingekauft hatte. Er wollte Steak mir Kartoffeln, Gemüse und Salat machen. Andrews heimliches Leibgericht.

Er überprüfte gerade, ob der Salat frisch war, da trat Nuka ganz nah hinter ihn und legt die Arme um seine Taille. Andrew spürte seinen warmen Atem in seinem Nacken.

"Ich mag es, dass du so widersprüchlich bist...Freundlich und böse, ruhig und temperamentvoll, fürsorglich und gedankenlos, ziellos und strikt... einfach...du halt...einfach Andrew...Das Einzige, das mich an dir stört ist das Ängstliche..."

Andrew hatte seine Augen geschlossen. Er hatte ihm aufmerksam zugehört.

Und war jetzt wirklich sprachlos.

/Ich bin...widersprüchlich?!/

Nuka drehte ihn in seinen Armen um. Andrew behielt die Augen geschlossen. Deshalb überraschte es ihn auch ein wenig, als er warme, samtweiche Lippen auf seinen spürte, die sich sanft auf ihn drückten. Nukas Hände strichen von seiner Hüfte bis zu seinen Schultern hinauf und streichelten dann seinen Nacken.

Andrew seufzte auf und erwiderte den zarten Kuss, bewegte seine Lippen gegen Nukas. Seine Arme legten sich um den Hals seines Patienten und zogen ihn näher.

Nuka vertiefte den Kuss und tauchte mit seiner Zunge in seinen Mund ein.

Irgendwo im Wohnhaus fiel eine Tür mit einem durchdringenden, lauten Knallen zu. Es hörte sich an, als wäre es in ihrer Etage.

Das brachte Andrew wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Verschreckt vergrub er seinen Kopf in Nukas Halsbeuge und presste seine geschlossenen Augen gegen die weiche Haut an Nukas Hals.

/Was habe ich gemacht?! Ich habe ihn geküsst und...es war schön...?/

Ein angenehmer, fast betörender Duft stieg ihm in die Nase. Ein Duft, den er schon kannte. Er ging eindeutig von Nuka aus.

Tabak, ein leichter Geruch von würzigen Kräutern und...dieses andere...Andrew erkannte es mit einem Mal. Es war Zimt. Ganz eindeutig Zimt.

"Andrew...?"

Andrew löste sich leicht von der warmen Brust des anderen.

/Es ist alles.../

"...so kompliziert..."

"Ich weiß..."

Andrew seufzte schwer auf.

Er hatte keine Kraft mehr.

Keine Kraft mehr, um sich um alles zu kümmern.

Keine Kraft mehr, um über diese ganze dumme Liebesgeschichte nachzudenken.

Keine Kraft mehr, um auf Nukas Anwesenheit misstrauisch oder ablehnend zu reagieren.

/...nachdenken.../

Andrew wand sich völlig aus Nukas sanftem Griff.

"Ich mache das Essen. Du könntest ja vielleicht schon den Tisch decken...vielleicht...Ich muss einfach ein bisschen arbeiten und...alleine sein...Ok?"

Nuka lächelte ihn zärtlich und warm an.

"Tu, was immer uns weiterbringt. Ich will nicht, dass du dich jetzt für irgendetwas entscheidest oder dass du dich festlegst...aber ich...ich will endlich Gewissheit...und...ach, vergiss das...bis gleich..."

Nuka gab ihm einen kurzen, aber sanften Kuss auf den Mund, versorgte sich mit Geschirr und trag alles ins Wohnzimmer, in dem etwas abseits der Esstisch stand, den er decken wollte.

Jetzt war Andrew allein.

Allein und ziemlich einsam.

Nur seine von Nukas Kuss angenehm brennenden und prickelnden Lippen, die ihm fremdartig und doch vertraut erschienen, lenkten ihn ein wenig davon ab.

Ironie des Schicksals

Ironie des schicksals
 

/Was er wohl denkt? Seine Miene ist so ausdruckslos und undurchsichtig.../

Er schob sich ein Stück Steak in den Mund und kaute genüsslich und langsam. Das Fleisch war saftig und besaß einen wirklich einmaligen Geschmack. Er hatte lange nicht mehr ein so leckeres Steak gegessen.

/Ein Kompliment an den Koch...Nein, lieber doch nicht...sonst wird er wieder rot und ärgert sich dann über mich.../

Andrew ihm gegenüber fuhr sich mit der Serviette über den Mund. Er war schon fertig. Das Einzige, was er übrig gelassen hatte, war ein wenig vom Salat.

/Jo! Hat der aber zugeschlagen!/

Normalerweise war Nuka immer schneller fertig als sein Psychologe, doch der hatte wohl alles in sich hineingestopft, was er -der Salat stand in einem Schüsselchen neben seinem Glas- auf dem Teller hatte.

"Entweder du hast in den letzten Tagen nichts gegessen oder du bist verrückt nach Steak."

Andrew sah von den Resten seines Salats, in denen er gerade mit seiner Gabel herumstocherte, auf und lächelte. Nuka biss sich auf die Lippen.

/Wie süß!/

"Um ehrlich zu sein liebe ich Steak..."

"Das hat man gemerkt...Du scheinst es mit viel Liebe zubereitet zu haben."

Andrew wurde wie erwartet leicht rot. Jedoch wurde er nicht wütend. Er blieb einfach ruhig sitzen und schien darauf zu warten, dass seine Röte verschwand.

Nuka beobachtete das grinsend.

/Er ist einfach wundervoll...Arrrgh! Ich sollte damit aufhören, ehe ich mich noch im Wald der Schwärmereien verlaufe!/

"Wir sollten vielleicht...mal reden...findest du nicht?"

"Therapie war doch erst heute Mittag?!"

Andrew seufzte und schüttelte den Kopf.

"Genau darüber wollte ich mit dir reden...Du brauchst keine Therapie."

"Aber die Albträume! Die waren echt! Die sind nur wegen deiner Therapie weg! Vielleicht kommen die wieder, wenn wir aufhören! Ich..."

Andrew schüttelte wieder bestimmt den Kopf.

"Das war wegen dem ganzen Druck, der auf dir lastete. Du hast selbst gesagt, die fingen erst an, als dieser Kerl aus deiner Vergangenheit in deine Zelle verlegt wurde und die Erinnerungen an deine Vergangenheit wieder aufwühlte. Durch diesen ganzen Stress hat sich ein Druck aufgebaut, der mit der Zeit immer schlimmer geworden ist. Kann es sein, dass das erst richtig aufgehört hat, nachdem alles im Gericht geklärt war?"

Nuka wollte auffahren, etwas einwerfen, stockte aber. Schließlich nickte er. Was Andrew da sagte, war die Wahrheit. Eigentlich glaubte er selbst nicht daran, dass diese schlimmen Träume wiederkommen würden. Aber...

"Ja...du hast Recht...Aber das lag auch an dir...Ich meine...Du hast so eine...beruhigende Art. Wenn ich verwirrt oder...verstört bin, muss ich nur dich ansehen und meine Gedanken ordnen sich wieder und..."

Panik stieg über Nuka zusammen. Nukas Selbstbewusstsein war dahin.

/Das kann er doch nicht machen! Er will mich loswerden! Er will nichts mehr mit mir zu tun haben! Die Sache ist aufgeklärt und alles ist für ihn erledigt! Ich bin nur ein Patient für ihn.../

Andrew schien seine Unruhe zu bemerken.

"Nuka beruhige dich. Das ist doch nicht schlimm, wenn du dich schlecht fühlst, dann kannst du jeder Zeit zu mir kommen! Außerdem sehen wir uns jeden Tag! Wir sind sozusagen Nachbarn!"

"Das ist nicht das Selbe! Du hast gar keine Ahnung! Was soll ich denn machen?! Einmal kurz auf dem Flur sehen reicht mir nicht! Ich will dich jeden Tag, den ganzen Tag lang sehen! Mit dir reden!"

Andrew ergriff Nukas Hand über den Tisch hinweg.

"Das wirst du, Nuka! Wir könnten Essen gehen! Wir könnten zusammen Ausflüge machen! Das ist alles kein Problem!"

Nuka schloss seine Finger um Andrews und schloss die Augen.

Er versuchte sich zu beruhigen und zwang ein Lächeln auf seine Lippen. Es herrschte Chaos in seinem Kopf.

"Wie meinst du das mit dem Essen gehen...als...Date...?"

Andrew schien zu überlegen.

Nuka war verstört. Warum wollte Andrew nur ihre gemeinsame Zeit wegschmeißen?

Vor allem: Warum brauchte er so lange für eine Antwort auf seine Frage?!

"Ok, Nuka. Wird werden Essen gehen...als Date...Das mit den Stunden...Du willst also reden? Bisher hattest du 5 Mal Therapie pro Woche...Lass es uns auf 1 Mal die Woche reduzieren. Das ist halt ein großes Problem mit dem Geld...Du bezahlst mich gut, aber ich will kein Geld von jemandem, dem es eigentlich relativ gut geht und bei dem ich eh nichts ausrichte. Weißt du, ich würde lieber mehr Zeit in einen anderen Patienten investieren, in einen, der es wirklich nötig hat und mich für richtige Fortschritte bezahlt."

Nuka hatte Andrew ruhig zugehört. Er verstand.

"Natürlich...das ist ganz gut...1 Mal pro Woche ist gut..."

Andrew lächelte und zog seine Hand wieder zurück.

"Du solltest vielleicht aufessen. Es wäre schade um das gute Steak."
 

Es herrschte Stille zwischen ihnen, während sie Geschirr spülten. Nuka hatte keine Spülmaschine, aber das machte nichts.

Nuka spülte und Andrew trocknete mit einem Küchentuch ab.

Es dauerte nicht lange. Es war schließlich nicht viel.

"Sollen wir gleich noch etwas Fernsehen gucken?"

Nuka blickte überrascht auf, als Andrew so unerwartet die Stille durchbrach.

"Wenn du möchtest. Wann kommt den Rob wieder?"

Er wusste doch, dass Andrew sofort zu Rob gehen würde, wenn dieser wiederkam. So war es immer.

Andrew seufzte auf und lehnte sich mit dem Rücken an den Kühlschrank.

"Heute gar nicht mehr. Er übernachtet mal wieder bei einem Freund. Hab ich das nicht erwähnt?"

Nuka schüttelte den Kopf.

Er reichte Andrew den letzten Teller und entließ das Wasser.

"Dann könntest du ja bei mir übernachten. Man kann das Wohnzimmersofa ausziehen. Ist zwar nicht besonders bequem, aber für mich reicht es."

Andrew schüttelte den Kopf.

"Du kannst ruhig in deinem Bett schlafen."

Nukas Grinsen kehrte zurück.

"Wir könnten ja beide im Bett schlafen. Das wäre nicht das erste Mal!"

Andrew zuckte die Schultern. Der Russe bemerkte sofort, wie sich dieser bemühte gleichgültig zu wirken.

/Pech gehabt! Hab's gemerkt!/

"Sehen wir ja gleich, Nuka. Ist doch jetzt unwichtig."

/Das war vielleicht ein Ja...Aber bestimmt hat er das nur gesagt, weil er ein schlechtes Gewissen hat...Das würde ihm ähnlich sehen.../

Er verscheuchte die schlechten Gedanken.

Andrew stellte den Teller, an dem er jetzt schon seit einigen Momenten abtrocknete, in den Schrank und folgte dann seinem Patienten ins Wohnzimmer.
 

Nuka betrachtete mit kleinen, müden Augen, wie langsam der Abspann des Filmes lief. Die weiße Schrift auf dem schwarzen Hintergrund wurde für einen Moment zu dicken und dünnen, flockigen Wolken. Er gähnte herzhaft.

"Eindeutig zu spät..."

/Der Film war echt gut.../

Er blickte neben sich und grinste.

Nuka hatte Andrew im Laufe des Films immer näher gezogen, bis dieser schließlich resignierte und seinen Kopf an seine Schultern legte.

Er musste, während Nuka gebannt den Psychothriller verfolgt hatte, wohl an seiner Seite eingeschlafen sein.

/Das heißt doch, dass er mir vertraut oder?...Wenn man neben einer Person einschläft, dann vertraut man dieser! Ganz genau!/

"Also ich würde mir vertrauen...", sprach er leise mit sich selbst, konnte aber ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

/Was mache ich denn jetzt? Ich will schlafen gehen, aber ich kann ihn doch nicht einfach hier liegen lassen! Das ist viel zu unbequem...Vielleicht...Soll ich ihn wecken? Er soll nicht wütend auf mich sein...oder.../

Nuka seufzte und hielt Andrew fest, so dass er in seiner ursprünglichen Position blieb. Vorsichtig und leise erhob er sich.

/Wir schlafen einfach zusammen in einem Bett!/

Nuka hob seinen Psychologen auf seine Arme und trug ihn durch den Flur ins Schlafzimmer.

/Gott, ist der schwer!/
 

Andrews Augen öffneten sich einen spaltbreit.

Alles, was er spürte war Wärme, Schutz, Geborgenheit.

Er wusste nicht, wo er war. Aber zum ersten Mal seit langem war es ihm völlig egal. Er verspürte keinerlei Angst. Die Panikattacke, die er immer unterdrücken musste, blieb aus.

Es gab nur die Wärme für ihn.

Und der angenehme, ihm schon so vertraute Geruch.

Etwas Würziges. Eindeutig männlich. Mit einem undeutbaren, süßlichen und unglaublich starken Geruch, der ihn irgendwie an Apfelkuchen erinnerte. Irgendetwas mit Apfelkuchen. Was tat man manchmal zu Apfelkuchen dazu? Zimt?! Ja...das war es.

Jedenfalls war ihm eins klar. Er war vollkommen verrückt nach diesem Geruch! Und er wollte ihn und diese wohltuende Wärme niemals missen.
 

Nachdenklich betrachte Nuka den selig in seinem Bett Schlafende.

Er trug nur noch seine Hose.

Wenn er sich jetzt bis auf die Boxershorts auszog und sich neben Andrew zum Schlafen -und wirklich nur zum Schlafen!- legte, war er dann pervers?!

/Natürlich nicht! Ich bin nicht so ein Kerl! Andere Männer hätten die Situation schon längst schamlos ausgenutzt und Andrew ausgezogen oder sonst irgendetwas mit ihm getan! Da ist nichts dabei!/

Nuka schüttelte den Kopf und öffnete den Knopf seiner Blue Jeans.

Doch dann ließ er die Hände wieder sinken und biss sich auf die Lippe.

/Das kann ich doch nicht machen! Das Bett ist eh nur für eine Person! Wir würden uns nur in die Quere kommen!/

Der Russe fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und kniff die Augen zusammen.

/Aber ich lag ja schon 2 Mal halb nackt mit ihm in einem Bett! Dann ist es doch nicht schlimm, wenn ich es noch einmal tue!/

Nuka knurrte und zog entschlossen seinen Reißverschluss hinunter.

/Nein!/

Er fuhr regelrecht herum und stürmte aus dem Raum. Im Wohnzimmer kramte er aus einem Schrank ein Kissen und eine Decke heraus.

Mit gereizter Miene wandte er sich dem Sofa zu und versuchte es regelrecht mit Blicken aufzuspießen.

"Gut, Sofa! Dann verbringen wir eben die Nacht zusammen! Ich hoffe, du schnarchst nicht!"
 

Andrew wachte langsam auf. Die Umgebung wurde klarer wahrgenommen.

Die Wärme von Sonnenstrahlen, die auf sein Gesicht fielen und ihn somit wahrscheinlich auch geweckt hatten.

Und da war er wieder. Dieser angenehme Geruch. Zwar war er nicht so intensiv wie direkt auf Nukas Haut, aber trotzdem wundervoll.

Andrew vergrub sein Gesicht in ein Kissen und sog den Duft tief ein.

Lächelnd und mit geschlossenen Augen fuhr sie mit den Händen über weiche Bettwäsche.

/Bettwäsche...? Wo bin ich eigentlich?!/

Er schlug die Augen auf und sah sich beunruhigt um.

/Das ist nicht mein Zimmer...Das ist Nukas Zimmer.../

Verwirrt schlug der Psychologe die Decke zurück.

Kein Nuka.

/Wo ist er nur?!/

Verwirrt stand er auf und tappte durchs Zimmer. Er hatte in seinen Klamotten geschlafen. Sie waren zerknittert und er fühlte sich ein wenig verschwitzt.

/Gott sei dank hat er mich nicht ausgezogen...Ich sollte ihm wirklich dankbar sein...Aber wo ist er?! Hat er etwa wirklich im Wohnzimmer geschlafen?/

Leise trat er durch die offene Schlafzimmertür in den Flur. Sofort drehte er sich in Richtung Wohnzimmer, aber das Plätschern von Wasser veranlasste ihn dazu sich zum Badezimmer umzuwenden.

Ohne Nachzudenken klopfte er an die dünne Holztür.

"Nuka? Bist du da drin?"

Ein leises Klatschen, als würde etwas auf Wasser fallen, ließ ihn die Stirn runzeln.

"Ja, Andrew! Einen Moment..."

Verwirrt senkte Andrew den Blick zu Boden zu seinen bestrumpften Füßen.

/Was um Gotteswillen tut er da drin?!/

"Ok! Kannst reinkommen!"

Vorsichtig öffnete der Psychologe die Tür und schlüpfte ins Bad.

Was er sah, trieb ihm augenblicklich die Schamesröte ins Gesicht. Er senkte sofort den Blick.

"Was denn? Du kannst froh sein, dass ich den Vorhang etwas zugezogen habe! Sonst würdest du alles sehen!"

Andrews rotes Gesicht wurde dunkelrot, während Nuka mit nassen Haaren und einem breiten Grinsen splitterfasernackt in der Badewanne lag und das warme Wasser um ihn herum zu genießen schien. Und der Russe hatte Recht. Hätte er den Duschvorhang -die Badewanne war auch gleichzeitig eine Dusche- nicht ein wenig zugezogen, wäre er wohl einer ziemlichen Blöße ausgesetzt. Man konnte nämlich immer noch genug unter der Wasseroberfläche erkennen.

"Wa...Warum..."

Andrew räusperte sich und drehte sich langsam und bedächtig zur Tür um.

"Warum hast du mir nicht gesagt, dass du badest?!"

"Ach! Du guckst mir schon nichts weg! Du brauchst dich nicht umzudrehen, Himmel Herr Gott noch mal! Außerdem bin ich eh gleich fertig!"

Andrew seufzte hörbar auf, nahm sich all seinen Mut zusammen und drehte sich wieder herum. Nuka belohnte ihn dafür mit einem strahlenden, unwahrscheinlich lieben Lächeln.

"Na siehst du! War doch gar nicht so schlimm!"

Andrew grinste verlegen. Darauf fiel ihm keine Antwort ein.

Nuka jedenfalls tauchte mit dem Kopf unter und hielt sich am Wannenrand fest. Er blieb so lange im Wasser, bis Andrew schon fast Sorge überkam, er wäre ertrunken. Irgendwie, irgendwo hängen geblieben -mit was auch immer- und lag nun tot in der Badewanne.

Der Psychologe schluckte hart, schalt sich einen Trottel und verwarf den Gedanken. So lange war der Russe nun auch wieder nicht unter Wasser.

Schließlich -endlich- tauchte Nuka prustend wieder auf. Zufrieden lächelnd fuhr er sich mit den Händen durch die pitschnassen Haare und blitzte Andrew an, der sich nicht von dem Anblick, der sich ihm bot, losreißen konnte. Unzählige Wassertropfen perlten über Nukas Gesicht, seine Stirn, seine Wange, seine Nase, seine Lippen...

/Ruhig Blut, Andrew...Einfach den Blick von seinen unheimlich erotischen Lippen nehmen, das ist ein wahres Kinderspiel!/

Andrew schaffte es wirklich. Jedoch brachte ihm das ziemlich wenig, weil er das Bild eh danach noch die ganze Zeit vor Augen hatte. Er war ganz in seine Erinnerungen versunken, als Nuka ihn aus ihnen herausriss.

"Gibst du mir mal das Handtuch, das da auf dem Regal liegt?!"

Andrew reichte das flauschige Frotteetuch dem Russen, der daraufhin den Vorhang ganz zu zog. Lautes Plätschern und Tropfen war zu hören. Im nächsten Moment schob Nuka den Duschvorhang wieder zur Seite und kletterte -nur mit dem Handtuch um die Hüften- aus der Wanne.

Der Psychologe wurde bis zum Haaransatz tiefrot. Seine Augen lagen gebannt auf dem nackten, durchtrainierten Oberkörper seines Gegenübers. Seine Blicke folgten schillernden Wassertröpfchen, die sich ihren Weg über die glatte, braungebrannte, verdammt zart aussehende Haut nach unten bahnten, über die breite, einladende Brust, die Bauchmuskeln, bis sie unter dem Handtuch verschwanden und Andrews Aufmerksamkeit somit auf Nukas Unterkörper lenkte.

Er traute sich gar nicht sich auszumachen, wie der Weg des Wassertropfens verlaufen wäre, wenn das Handtuch nicht da gewesen wäre...

"Wenn ich du wäre, würde ich diesen Blick lassen. Das macht mich nämlich geil. Glaube mir, es ist bestimmt nicht gut für dich, wenn ich meine Beherrschung verliere."

Andrew schluckte und nickte zaghaft, heftete den Blick auf die Ablage über dem Waschbecken. Nuka hatte sich wirklich ein wenig verbissen angehört.

Er versuchte sich damit abzulenken, Nukas Kamm genau unter die Lupe zu nehmen. Schuppenfrei, aber ein wenig ,plastiklich'. Der Blick ging rüber zum Zahnbecher. Quietschgelb. Eindeutig zu fröhlich für ihn und diese peinliche Situation. Die Zahnbürste. Ein wenig zu halsstarrig. Seine Augen blieben an einem Aftershavefläschchen hängen. Es war tiefbraun mit roten, sandigen Streifen und auf dem Glas stand in goldener, schon etwas abgeblätterter Schrift: Cinnaman. (Cinnamon = Zimt)

Andrew schmunzelte und nahm die Flasche von der Ablage. Er zog den Deckel ab und roch an der Öffnung. Ein würziger und unglaublich zimtiger Duft stieg ihm in die Nase. Nukas Duft.

"Ach, das Aftershave benutzt du..."

Nuka lächelte und nahm ihm das Fläschchen aus der Hand. Grinsend betrachtete er es.

"Ja, ich habe es hier in einem Geschäft bemerkt. Ich liebe diesen Duft."

"Ich auch."

Nukas Blick fuhr zu ihm auf, fassten ihn scharf in die blitzenden Augen.

"Wirklich?"

Andrew biss sich auf die Unterlippe und beobachtete Nuka, wie er sich von dem Parfum an den Hals sprühte.

"Und wie riecht es an mir? Probier mal. Ich will deine ehrliche Meinung haben."

Andrew blinzelte den Russen verwirrt an, beugte sich dann aber vor und schnüffelte an Nukas Haut.

"Riecht normal. Du bist schließlich grad aus der Badewanne gestiegen. Wie sollst du dann anders riechen als nach dem Aftershave und Sauberkeit?!"

Er wollte sich gerade wieder zurückbeugen, als Nuka ihn am Rücken packte und ihn an seine nackte Brust presste.

"Wenn du näher dran gehst, riechst du auch besser."

Nukas Stimme war ganz nah an seinem Ohr.

Andrew zuckte wegen der plötzlichen Nähe und den Händen auf seinem vernarbten Rücken zusammen und wand sich aus dem Griff. Stirnrunzelnd beäugte er den halbnackten Kerl.

"Du bist unmöglich..."

Ein Grinsen antwortete ihm.

"Ja, das stimmt. Und du bist wieder rot."

Andrew seufzte und schüttelte seinen Kopf.

"Wir sollten mit diesen dämlichen Spielchen aufhören und..."

"Klartext reden?!"

Nuka unterbrach ihn. Seine Stimme war plötzlich ernst.

Andrew stockte und sah ihn an.

/Will er wirklich die Wahrheit wissen?! Jetzt schon?!/

"Ähm...das habe ich nicht gemeint...Ich meinte..."

"Aber ich meinte das."

Schon wieder fiel er ihm dreist ins Wort.

"Ich habe keine Lust mehr auf diesen Eiertanz. Ich will wissen, was du von mir hältst. Ich will endlich die Wahrheit hören."

Nukas energische Stimme und sein ernster Blick ließen Andrew ein wenig zurückweichen. Er mochte solche Situationen nicht. Situation, in denen er sich entscheiden musste, für was auch immer. Das konnte er einfach nicht.

"Ich...Eiertanz?! Was für ein Eiertanz? Ich verstehe nicht..."

Nuka stöhnte entnervt auf und fuhr sich mit den Händen ziemlich unsanft durch die nassen Haare.

"Hör auf mir auszuweichen! Du weißt ganz genau, worum es geht! Verdammt, Andrew! Weißt du überhaupt, worauf du dich da engelassen hast?!"

Andrews Blick verdunkelte sich. Er konnte also nicht mehr ausweichen?!

Gegenangriff.

"Ich weiß wirklich nicht, worauf ich mich da eingelassen habe, weil ich mich nämlich auf NICHTS eingelassen habe! Ich habe überhaupt nichts getan! Ich habe nie auch nur irgendetwas dazu gesagt, dass du diese Annäherungen machst und dich mir an den Hals schmeißt! Ich habe nie gesagt, dass ich das will oder dass mir das gefällt!"

"Ja, verdammt! Du hast aber auch noch nie gesagt, dass dir das nicht gefällt!"

"Ach, nein?!"

Andrew wurde langsam richtig wütend. Hatte der Kerl etwa alles vergessen?!

"Natürlich, habe ich nie etwas gesagt! Was soll ich auch schon sagen?! Nachdem du meine Abweisungen am Anfang einfach ignoriert hast! Was war das mit der Blumenvase, hä?! Was meinst du?! Eine Einladung, mich weiter zu befummeln?! Ich denke nicht! Und ich denke auch nicht, dass selbst du so dumm bist, um da keinen Korb zu sehen! Auch wenn du in deinem Leben in dem Bereich immer gut abgeschnitten hast mit deinem Aussehen und deiner Art, bei mir hat dir das nichts genützt! Und das scheinst du nicht richtig gemerkt zu haben!"

Andrew fuhr wütend herum, er riss die Tür auf und schlug sie danach wieder hinter sich zu. Er würde jetzt wieder hinunter in seine Wohnung gehen. Wahrscheinlich würde Rob auch bald wiederkommen. Dann würde er sich erstmal wieder von seinen Gedanken ablenken lassen können. Rob würde ihn ablenken. Er würde ihm davon erzählen, was sein Freund und er alles gemacht hatten, welchen Horrorfilm sie diesmal gesehen hätten, welche älteren Damen sie geärgert hätten.
 

Nuka zuckte zusammen, als er die Hintertür mit einem gedämpften und ruhigen Rumps zu fallen hörte. Andrew hatte diese Tür weitaus beruhigter geschlossen, als die Badezimmertür. Er musste sich auf dem kurzen Stück wieder etwas beruhigt haben.

/Ist ja auch einfach...Ihm geht das ja auch gar nicht nahe...Ihm bin ich ja vollkommen egal...Nur ein Patient.../

Nuka schwindelte es. Er verlor das Gleichgewicht, fing sich aber wieder. Mit einem Seufzen ließ er sich zu Boden sinken und lehnte sich an die kalte, gekachelte Wand.

Tränen traten ihm in die Augen. Sie rollten langsam über seine Wange und fielen auf seine eben erst getrocknete, bloße Brust.

"Und das alles jetzt, jetzt, wo ich frei bin, wo ich dachte, ich könnte alles erreichen...Was für eine grausame Ironie des Schicksals..."

Nuka vergrub sein Gesicht in den Händen und im nächsten Moment brachen laute Schluchzer aus ihm heraus, schienen ihn zu zerreißen.

Genauso fühlte er sich. Von innen zerrissen. Regelrecht so, als hätte man ihn mit einem Dolch durch die Brust an die Wand genagelt und je weiter er nach unten rutschte, um so näher kam die Klinge seinem Herzen. Schmerzen.

"Und das alles wegen ihm!"

Photos und Geständnisse

Photos und Geständnisse
 

"Nuka ist mir gerade auf dem Flur entgegen gekommen."

Rob hängte seine Jacke auf und schlüpfte aus seinen Schuhen.

"Aha..."

Er ließ sich Andrew am Esstisch gegenüber auf einem der Stühle fallen und betrachtete seinen großen Bruder, der sich über einer Zeitung beugte und zu lesen schien.

"Er sah irgendwie ziemlich krank aus. Ich hab ihn gefragt, was er hat, warum er sich in den letzten Tagen gar nicht gemeldet hat, aber er meinte nur, er hätte sich irgendetwas eingefangen und wollte uns nicht anstecken."

"Hm..."

"Komisch, nicht? Er ruft uns nicht an, ist aber auf dem Weg zu uns, will uns aber nicht anstecken. Hast du schon mal gehört, dass man sich übers Telefon anstecken kann?!"

"Hmm..."

"Jedenfalls sah er so aus, als hätte er ein paar Tage nicht richtig etwas zu Essen herunterbekommen. Außerdem war er ziemlich blass. Er hat mir erzählt, er hätte einen Film entwickeln lassen und er fände es nett, wenn wir ihn abholen könnten. Ihm wäre etwas dazwischen gekommen, hat er gesagt. Wolltest du nicht gleich einkaufen fahren? Könntest du doch machen oder?"

"Hm..."

"Hörst du mir überhaupt zu?"

"Ja, Rob, ich höre dir zu. Ich werde dir den Film abholen."

Rob öffnete den Mund und wollte etwas sagen, überlegte es sich jedoch wieder anders.

"Danke, das wäre echt nett von dir."

Andrew nickte lediglich und nahm den Zettel, auf dem die Adresse des Photoladens stand.
 

Andrew stieg wieder ins Auto. Er hatte extrem schlechte Laune. Diese dumme Frau aus dem Photoladen.

Anstatt ihm ein paar Namen auf zu zählen, die etwas mit Bucker zu tun hatten, hatte er Namen aufsagen müssen! Unverschämtheit. Schließlich hatte sie einen Film, auf dem *Andrew Bucker* stand.

Warum Rob den Film nicht auf seinen eigenen Namen in Auftrag gegeben hatte, war ihm schleierhaft.

Andrew seufzte auf und betrachtete die Papiertüte, die er auf den Beifahrersitz gelegt hatte.

Andrew war ein wenig neugierig. Er erinnerte sich daran, dass Rob bei einem Ausflug im Zoo, der schon mehrere Monate her war, Bilder gemacht und den Film doch für lange Zeit nicht voll bekommen hatte. Andrew hatte gar nicht mitgekriegt, dass er das letztendlich doch noch hinbekommen und den Film zum Photogeschäft gebracht hatte.

Er zuckte die Schultern und öffnete die Tüte. Er war nicht allzu neugierig darauf, was Rob für Bilder gemacht hatte, aber wollte gerne die Photos vom Zoobesuch sehen. Er wollte sehen, wie sie glücklich waren. Als Nuka gekommen war, waren sie...auch noch glücklich, ja, aber auf eine andere Art. Sie waren zu dritt glücklich. Und langsam sehnte sich Andrew wieder zurück zu ihrer Zweisamkeit. Ohne Nuka war alles so einfach, so unkompliziert. Er musste nicht darauf achten, was er sagte, musste nicht darauf achten, dass er Fehler machte. Er musste sich nicht beschützen...

/Vor was eigentlich beschützen?! Vor Nuka? Warum?/

Andrew schob die Gedanken weg. Das interessierte ihn jetzt nicht. Er wollte nicht darüber nachdenken.

Er verspürte Vorfreude, als er die Bilder herauszog. Doch sein Lächeln erstarb. Das erste Bild zeigte nicht den Zoo, sondern Jonas, der fröhlich in die Kamera grinste.

/Wie kann das denn sein? Warum photographiert mein Bruder Jonas?!/

Mit einem Mal entwich ihm ein Stöhnen.

"Das sind Nukas Bilder..."

Und er hatte gedacht, es wären Robs Photos!

Nachdem Rob angefangen hatte, von Nuka zu reden, hatte Andrew abgeschaltet. Er wollte nichts hören. Er hatte nur das mit den Bilder abholen verstanden, hatte sich kurz über den Themenwechsel gewundert. Er hatte angenommen, Rob wollte, dass Andrew seine Bilder abholte, nicht Nukas.

Im ersten Moment wollte er die Bilder wieder zurücklegen. Es ging ihn ja wohl wirklich nichts an, was Nuka für Bilder machte, aber irgendwie reizte Jonas' Bild ihn.

Hatte Nuka vielleicht noch mehr Bilder von dem Blondhaarigen gemacht?

Er besah sich das nächste Photo. Es zeigte ein großes, altes Gebäude. Ein Gericht.

/Na klar, das sind die Bilder von seinem Gerichtstermin.../

Das nächste Bild ließ ihn verwundert blinzeln. Diese Frau kannte er nicht.

Sie lehnte an einer Wand und grinste frech in die Kamera. Rote, lockige und ziemlich lange Haare umwehten ihr leicht sommersprossiges Gesicht. Blaue, durchdringende Augen strahlten ihn regelrecht an. Oh nein, diese Frau kannte er wirklich nicht!

/Wer ist das verdammt?! Und woher kennt sie Nuka?!/

Nach noch mehr Bildern, bei denen auch ab und zu Nuka zu sehen war, kamen Bilder von dem Haibild auf Nukas Wohnzimmerwand. Und noch ehe Andrew einfallen konnte, was als nächstes kam, hatte er drei Bilder in der Hand. Die letzten drei Bilder.

Er schluckte.

Nuka und er saßen nah nebeneinander auf dem Sofa und lächelten in die Kamera. Es war ein süßes Bild. Irgendwie hatte dieses Bild etwas beruhigendes auf ihn. Sie passten zusammen. Es sah richtig aus.

Mit einem Seufzen schüttelte Andrew den Kopf. Er sollte die rosarote Brille endlich abnehmen. Das funktionierte nicht.

Er zog das Bild weg und stockte in der Bewegung.

Darunter war ein weiteres Bild von ihnen hervorgekommen.

Nuka und er küssten sich! Nuka hatte sanft die Arme um ihn geschlungen, eine Hand lag an seiner Taille, die andere in kraulend in seinem Nacken. Sie waren sich ganz nah und Andrew sah, dass er den Kuss sogar erwiderte.

Andrew presste seine Augen zusammen.

/NEIN!/

Er hatte Nuka geküsst. Er hatte ihn zweimal hintereinander geküsst. Und ihm hatte es verdammt noch mal sehr gefallen! Er hatte mehr gewollt! Ja! Er wollte es sich nicht eingestehen, aber tief in sich drin, hatte er mehr gewollt als diese Küsse. Mehr Umarmungen, mehr Haut, die von Händen verwöhnt wurde, von Nukas Händen.

/NEIN! NEIN!/

Er durfte es nicht wieder tun. Er durfte einfach nicht! Nicht schon wieder! Nicht schon wieder blind ins Unheil rennen! Nicht schon wieder nach gespielt schöner Zeit, geliehene Zeit, wieder verlassen werden! Ganz allein, nur mit den Teufeln seiner Vergangenheit und Gegenwart.

/NEIN! NEIN! NEIN!/

Nuka holte heftig Luft.

Er hatte gar nicht mitbekommen, wie er den Atem angehalten hatte.

Er packte die Bilder versucht ruhig wieder in die Tüte, lehnte den Kopf zurück und atmete tief ein und aus.

/Weißt du, was du da gerade gedacht hast?/

Rons ruhige Stimme in seinem Kopf.

/Du wirst wirklich immer mutiger./

"Nicht den Satz!"

Andrew schüttelte den Kopf.

Warum, verdammt, sprach Ron mit ihm?! Ron war weg, für ihn gestorben! Und warum, verdammt noch mal, verwendete er einen Satz, den er in einer ihrer seltenen, gemeinsamen Nächte schon einmal gebraucht hatte?! Ein Satz, der sich angenehm in Andrews Gedächtnis gebrannt hatte. DAS ALLES WAR EINFACH NICHT FAIR!

Andrew schüttelte hektisch den Kopf, wollte Ron aus seinen Gedanken aussperren.

Er ließ den Motor an und fuhr viel zu schnell los. Das parkende Auto vor ihm raste auf ihn zu.
 

"Er hat wirklich einen Unfall gebaut?"

Rob sah grinsend zu Nuka hoch, der ihn zweifelnd ansah.

"Ja. Aber echt nur einen kleinen. Ist zu schnell aus der Parklücke heraus und dem Auto, das vor ihm am Bürgersteig stand, an eine Ecke angefahren. Ich denke Mal, das ist ein ziemlicher Kofferraum- und Rückblinkerschaden."

"Hmm..."

Nuka sah auf und versuchte einen Blick auf die angelehnte Schlafzimmertür zu erhaschen, hinter der Andrew gerade leise mit dem Polizeibeamten sprach, der ihn vor ungefähr fünf Minuten nach einem Zwischenstopp im Krankenhaus zu seiner Wohnung gebracht hatte.

"Wie geht's ihm denn? Ist er verletzt?"

"Keine Ahnung. So weit ich das gesehen habe, hatte er eine Platzwunde an der Schläfe und sah ziemlich zittrig aus. Er hat mir gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen und ist dann mit dem Polizisten sofort ins Schlafzimmer."

Nukas Augenbraue ruckte nach oben.

"Sofort ins Schlafzimmer?!"

"Jo. Wahrscheinlich wollte, er dass ich nicht zuhöre. Das macht er öfters. Er gibt mir, glaube ich, nicht gerne Befehle, deshalb lädt er die Leute, mit denen er allein reden will, immer in sein eigenes Zimmer. Um ehrlich zu sein, finde ich das beschissen. Obwohl...wenn die sich hier ins Wohnzimmer gesetzt hätten, dann hätte er bemerkt, dass ich dich angerufen habe, also...Was tust du jetzt?"

Nuka biss sich auf die Unterlippe.

"Ich werde den Polizisten aus seinem Schlafzimmer rausschmeißen, was dachtest du denn?!"

Rob grinste breit.

"Nichts anderes. Ich habe mir schon gedacht, dass dich das eifersüchtig macht!"

Der Russe fuhr auf.

"Ich bin nicht...!"

Im nächsten Moment unterbrach er sich selbst, seufzte und schüttelte den Kopf.

"Scheiße..."

Rob lachte leise und ließ sich auf das Sofa fallen. Mit einem wirklich unverschämt breiten, dreisten Grinsen schaltete er den Fernseher ein und zappte durch die Kanäle.

Nuka ging natürlich sofort in Bewegung und trat den Flur entlang.

Leicht und zögernd klopfte er an die angelehnte Tür und wartete auf das folgende *Herein*.

Der Polizist war jung und lächelte ihn leicht an. Nettes, sympathisches Gesicht.

/Arschloch./

Andrew saß auf dem Bett und hielt sich leicht den Kopf, versuchte das große Pflaster, das seine Stirn zierte, so gut es ging zu verstecken.

"Darling...ich muss mit dir reden."

Nuka sah ganz genau, wie der Polizist eine Augenbraue hob, ignorierte das jedoch.

Andrew sah ihn für einen Moment verwirrt an, dann nickte er.

"Ja..."

Seine Stimme war leise, etwas brüchig und rau. Es überraschte Nuka ihn so zu hören. Er schien noch einen Schock zu haben.

"Darf ich vorstellen? Mr. Lavender, das ist mein Freund Nuka Sanatchev. Nuka - Mr. Lavender."

Nuka schüttelte die freundlich hingestreckte Hand, erwiderte den Händedruck kräftig, nicht zu kräftig.

Irgendwie war Nuka ein wenig gereizt.

/Freund?! Ich bin sein Freund?! Wow! Gut, dass ich das auch endlich erfahre!/

Lavenders ruhige, tiefe Stimme ließ ihn überrascht den Blick heben.

"Freund? Das heißt also Sie sind zusammen? Dann will ich natürlich nicht länger stören."

/Ja! Stör nicht länger!/

"Äh...nun..."

Nuka blickte Andrew an, erwiderte hart seinen bei ihm Hilfe suchenden Blick. Andrew würde keine Hilfe von ihm bekommen! Oh nein! Das sollte er jetzt schön alleine entscheiden!

"Ich...um ganz ehrlich zu sein, wissen wir das noch nicht genau..."

Ein verlegenes Räuspern folgte dem.

"Nun gut...Dann hoffe ich für Sie, dass Sie das schnell herausfinden und...Ich hoffe, Sie werden sich an die Ratschläge des Arztes halten...Soll ich Ihnen meine Telefonnummer da lassen?"

Nuka runzelte die Stirn und fasste den schwarzhaarigen, wirklich verdammt unsicher und verlegen wirkenden Polizisten scharf ins Auge.

/WAS will er da?!/

Andrew nickte leicht.

"Das wäre nett...Vielleicht rufe ich Sie ja mal an, man könnte ja einmal ein Treffen vereinbaren oder so etwas in der Art..."

"Ähm...ja...Das wäre nett...Dann mal noch einen schönen Tag."

Mr. Lavender nickte beiden lächelnd zu, schob sich etwas neben Nuka aus der Tür und schlich regelrecht den Flur entlang. Nukas böser Blick folgte ihm.

"Wieso Telefonnummer?! Treffen?! Hast du dich mit dem angebandelt?"

Andrew stöhnte leise auf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Vorsichtig -so sah es für Nuka aus- tastete er über das Pflaster an seinem Kopf.

"Er war wirklich nett. Wir haben uns während der Fahrt zum Krankenhaus und nach hier sehr gut unterhalten. Du musst wissen, er ist auch schwul und musste vorige Woche von New York nach hier zu seinem Lebenspartner ziehen. Kannst du dir das vorstellen?! So viele Kilometer?!"

Nuka hatte sich entspannt, als das Wort Lebenspartner fiel.

"Also besteht da keine Gefahr, dass er dich mir wegnehmen könnte, ja?!"

Andrew hob verwundert den Blick.

"Wieso wegnehmen...?"

Nuka schwieg nur, sah ihn stumm und durchdringend an. Er nahm Andrews Gesicht vollkommen in sich auf. Er versuchte sich die zarten, weichen Gesichtszüge einzuprägen, die süße, kleine Nase, die großen, grünblauen Augen, die weichen Lippen, die selbst jetzt nach einem Kuss von ihm zu schreien schienen.

Schließlich wandte er seinen Blick ab und brach das Schweigen.

"Unser Streit...Ich..."

Ein Seufzen entwich seinen Lippen. Ratlosigkeit breitete sich auf seinen Zügen aus und setzte sich in seinen Gedanken fest.

/Was soll ich sagen? Soll ich mich entschuldigen? Wofür?/

"Es tut mir Leid."

Nuka erstarrte. Fassungslos sah er seinen Gegenüber an, der auf dem Bett saß und seinen Blick ruhig erwiderte.

"Aber du..."

Der Psychologe schüttelte den Kopf und unterbrach Nukas Einwände.

"Du brauchst nichts zu sagen. Ich bin ohne Grund wütend geworden. Wir haben uns angeschrieen, das hätte nicht passieren dürfen. Ich denke, ich bin dir einige Erklärungen schuldig..."

Nuka verstand kein einziges Wort.

"Du bist mir gar nichts schuldig, Andrew, rein gar nichts. Ich verstehe nicht."

Andrew schüttelte abermals den Kopf. Dann zog er sich die Schuhe aus und legte sich aufs Bett, rutschte nach hinten, so dass er das Kopfende erreichte. Nuka beobachtete ihn, wie er gegen die weiße Decke starrte und wie eine kleine, undeutbare Regung durch seine Miene zog, sofort wieder verschwand.

"Leg dich neben mich, Nuka...Das macht es mir einfacher mit dir zu reden...Ich fühle mich sicherer, wenn ich in dein Gesicht sehen kann..."

Der Russe runzelte die Stirn, schlüpfte aus seinen Schuhen und stellte sich zögerlich neben Andrew ans Bett und blickte auf den Psychologen herab. Dann sah er es verräterisch in Andrews Augen blitzen. Tränen, die sich in dessen Augenwinkeln sammelten.

"Andrew! Was ist los?"

Sanft und tröstend strich er über Andrews Wangen, verfolgte mit gestocktem Atem, wie die Tränen trotz seinem bemüht Trost spendenden Streicheln über die Haut rann.

Andrew presste seine Augen aufeinander, rückte dann ein Stück zur Seite und zog ihn neben sich.

Nuka hatte gar nicht gemerkt, dass er sich bereits auf die Bettkante gesetzt hatte.

"Was ist denn los...?"

Andrew schüttelte nur stumm den Kopf, sah ihn mit den tränenden Augen ins Gesicht.

"Ich bin ein Lügner..."

Nuka runzelte die Stirn.

"Was..."

Andrew ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.

"Ich bin ein Lügner, Nuka! Immer wenn ich in irgendeiner ungewohnten Situation bin, lüge ich! Immer! Du weißt gar nicht, wie...Verdammt! Ich habe schon so viele Menschen angelogen und...verraten...Ich weiß gar nicht, was du von mir willst! Ich bin nicht gut für dich! Ich..."

Nuka verschloss Andrews Mund mit seinem.

/Er redet wirres Zeug...Vielleicht liegt das am Unfall.../

Nuka löste sich vorsichtig und sah den Psychologen sanft an.

"Du solltest dich beruhigen, Darling, das ist nicht gut für dich, wenn du dich aufregst."

Andrew sah ihn an. Sein verzweifelter Blick brach ihm regelrecht das Herz.

"Du verstehst nicht! Ich habe schon so viele Menschen angelogen! Ich habe Rob angelogen, Ron, mich und sogar dich! Ich...Du verstehst mich einfach nicht!"

Nuka schüttelte den Kopf.

"Und du verstehst nicht, dass mir das scheißegal ist, Andrew. Von mir aus kannst du mich tausendmal anlügen. Das juckt mich kein Stück."

Andrew schüttelte wild den Kopf und drehte sich auf die andere Seite, wandte ihm den Rücken zu.

Nuka beobachtete, wie Andrews ganzer Körper unter seinen versucht unterdrückten Schluchzern erbebte und seine Muskeln vollkommen angespannt waren.

/Was hat er nur, dass er so verzweifelt ist?/

Mit einem Seufzen zog Nuka seinen Psychologen an sich heran. Er schmiegte sich an seinen Rücken und legte ihm sanft einen Arm um den Bauch. Mit der anderen Hand strich er durch Andrews Haar.

"Du brauchst nicht zu weinen. Erzähl mir einfach, was los ist, aber so dass ich es verstehe, Andrew."

Andrew schüttelte den Kopf.

"Du würdest es falsch verstehen."

"Dann kannst du mich danach wieder aufklären. Ich werde ruhig bleiben, ich verspreche es dir."

Der braune Wuschelkopf vor ihm bewegte sich leicht.

"Du versprichst es?"

/Gott, was ist mit ihm los?!/

"Ja, ich verspreche es."

Andrews plötzlich vollkommen hilflose Art nagte an Nukas Selbstbeherrschung. Ihm ging das alles auf einmal verdammt auf die Nerven. Er mochte es nicht, wenn Andrew unsicher war, wenn er nicht er selbst war.

"Gut...ich...Ich habe mich auch die ganze Zeit über angelogen...Seit ich mit Rob von zu Hause abgehauen bin...Ich...Ich habe mir eingeredet, dass alles prima wäre, alles gut gehen würde. Das Gleiche habe ich Rob erzählt...Er hat es nich geglaubt, das weiß ich jetzt, aber er hat mir geholfen und eigentlich...eigentlich ist jetzt fast alles perfekt...nur...Nuka, ich habe Angst..."

Nuka runzelte abermals die Stirn.

"Wovor?"

Andrew drehte sich um. Die Tränen liefen immer noch und er hatte schon ganz rote Augen. Trotzdem konnte Nuka den Blick nicht von ihm nehmen. Er machte sich Sorgen um ihn.

"Ich weiß es selbst nicht...Ich...Ich habe dich auch belogen! Ich habe...habe dir das Gefühl gegeben, dass ich dich nicht mag und...dass du mir egal bist...das stimmt aber nicht...Ich habe mir selbst nicht eingestanden, dass ich etwas für dich empfinde. Verstehe das nicht falsch, es kann keine Liebe sein, dafür kennen wir uns nicht lange genug...Ich...Ich weiß nicht, was es ist! Ich weiß nur, dass ich dir weiß machen wollte, dass ich deine Annäherungen, deine Küsse nicht will! Aber ich will sie! Diese Küsse! Ich will dich! Aber ich..."

Nuka legte zwei Finger auf Andrews Mund. Er schüttelte den Kopf.

"Ich will nicht alles wissen, Andrew. Du kannst mich ruhig belügen, wenn es darum geht. Du kannst mir das alles verschweigen. Du hättest mir das nicht sagen müssen. Ich muss es nicht hören."

Andrews Blick war unverständlich.

"Aber du wolltest doch, dass..."

Nuka nickte leicht.

"Ja...Und ich weiß jetzt erst, dass ich dir damit deine Freiheit nehmen wollte. Ich habe dich dazu gezwungen, dich zu entscheiden, mir dein Herz auszuschütten. Und das war nicht fair von mir."

Andrew schien zu verstehen. Er nickte leicht und lächelte zaghaft.

Nuka lächelte zurück und hauchte ihm einen Kuss auf den Mund.

"Was haben die im Krankenhaus eigentlich gesagt?"

Andrew blinzelte wegen dem Themenwechsel, ging aber darauf ein.

"Nun ja, sie konnten nicht viel sagen. Sie haben die Platzwunde versorgt. Wenn mir bald schwindelig und übel wird und ich Kopfschmerzen bekomme, habe ich entweder eine Gehirnerschütterung oder ein Schleudertrauma und soll zum Arzt gehen. Aber bis jetzt geht es mir ganz gut. Also nehme ich an, dass es nichts ist."

Nuka seufzte auf und schüttelte den Kopf.

"Was machst du auch immer für Sachen."

"Ich weiß auch nicht."

Nuka grinste.

"Du kleiner Rowdy! Ich hätte nie gedacht, dass du mal einen Unfall baust! Wie ist das eigentlich passiert?"

Andrew zuckte die Schultern.

"Irgendwie hab ich die Distanz zum nächsten Auto nicht richtig eingeschätzt und bin drauf gefahren. Es war aber nur eine Ecke. Gott sei dank saß keiner drin. Der hätte bestimmt einen ziemlichen Schrecken bekommen."

Nuka grinste und strich Andrew eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er fuhr zärtlich mit der Hand über dessen Gesicht, fühlte die warme, weiche Haut unter seinen Fingern und schloss genießerisch die Augen. Das Einzige, worauf er sich in den nächsten Momenten konzentrieren wollte, war Andrew. Das Gefühl, wie der lebendige Körper, die aufregende, zarte Haut unter seinen Fingerspitzen erzitterte.

Seine Hand strich über das dünne Hemd, das Andrews Oberkörper verhüllte, fuhr den Arm hinunter, zu Andrews Hüfte. Langsam, fast gemächlich zupfte er den Stoff aus der Hose.

Andrew zuckte deutlich zusammen, als Nukas kühle Hand über die warme, fast heiße Haut streichelte und über den leicht zitternden Bauch.

Nuka öffnete die Augen, wollte eigentlich weiter diese warme Dunkelheit genießen, sich von nichts Optischem ablenken lassen. Aber er wollte Andrew auch küssen. So gerne. Und er merkte, dass jetzt ein unglaublich guter Zeitpunkt dafür war. Andrew würde erwidern, er wusste es.

Und so war es auch.

Nachdem Nuka sich etwas vorgeschoben und seine Lippen weich an Andrews gelegt hatte, ließ der Psychologe ein ganz leises, etwas verzweifelt klingendes Seufzen verlauten und vergrub eine Hand in Nukas blonden Haaren.

Dieser Moment war alles für Nuka. Alles, wofür er lebte. Für solche Momente.

Er lächelte in den Kuss hinein, nahm die Liebkosungen seiner Hand auf Andrews Körper -er hatte die Streicheleinheiten, ohne dass er es bemerkt hatte, gestoppt- wieder auf und versuchte Andrew mit seinen Lippen in den Wahnsinn zu treiben.

Immer wieder strich er mit der Zungenspitze über Andrews Lippen, forderte um Einlass, tauchte aber nicht richtig ein, immer nur ein ganz kleines Stück. Er wollte Andrew aus der Reserve locken, ihn dazu zwingen auf sein ungezwungenes Spiel einzugehen.

Oh ja, er war verspielt. Nuka war verdammt verspielt. Nur hatte er diese Seite noch nicht zeigen können. Zu groß war der Druck gewesen.

Der Russe hob seine linke Hand zu Andrews Hemdkragen und öffnete langsam aber sicher die Knöpfe. Er wollte Andrew nicht verschrecken. Er wollte nicht mit ihm schlafen. Nicht jetzt. Dafür war es selbst für ihn zu früh. Er wollte lediglich die warme Haut an seiner spüren. Und er wollte herausfinden, wie weit Andrews Vertrauen ging.

Knopf für Knopf wurde geöffnet. Seine Hand strich die freigelegte Haut entlang. Dann streifte er eine von Andrews Brustwarzen.

Seine Zunge tauchte nun ganz in der Mundhöhle des Psychologen ein, verführte ihn zu einem tiefen, doch etwas zu leidenschaftlichen Kuss. Damit wollte er ihn davon abhalten auch nur einen Ton zu sagen.

Nukas Finger umrundeten sanft Andrews Brustwarze, reizte sie ganz leicht, fühlte mit stummer Überraschung, dass sie doch schnell hart wurde. Jedoch blieben seine Streicheleinheiten, was sie waren. Streicheleinheiten, ohne jegliche Spur davon, dass er mehr wollte. Es war nichts Forderndes dabei. Er wollte nur seine Grenzen austesten.

Seine andere Hand, die bis jetzt beruhigend über Andrews Bauch gestreichelt hatte, tastete sich nun weiter nach hinten. Andrew war ihm zu weit weg, er wollte ihn näher ziehen. Seine Finger strichen über die Haut, fühlten die sich leicht aufgestellten, kleinen Härchen. Dann zuckten seine Finger ein wenig zurück.

Die Narben. Er hatte Andrews Narben vergessen. Trotzdem glitt seine Hand wieder weiter, über die unebene Haut, die sich ungewohnt unter seinen Fingern anfühlte. Seine Fingerspitzen berührten Andrews Wirbelsäule und im nächsten Moment fuhr der Psychologe heftig zusammen. Selbst Nuka erschreckte sich. Andrew sprang zurück, stemmte seine Hände gegen Nukas Brust, um ihn von sich fernzuhalten und starrte den Russen aus entsetzt weit aufgerissenen Augen an.

"Nicht...nicht, die Narben..."

Nuka brachte nichts über die Lippen. Er öffnete und schloss den Mund einige Male. Ohne auch nut einen einzigen Ton über die Lippen zu bringen.

Schließlich seufzte er und legte vorsichtig eine Hand an Andrews Gesicht.

"Tut mir Leid...Ich wusste nicht, dass ich dich dort nicht berühren darf. Entschuldige."

Andrew biss sich auf die Unterlippe. Nuka sah förmlich, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Schließlich nickte er leicht.

Ein wenig umständlich richtete sich der Psychologe auf und schien verwirrt in seinem Zimmer umherzublicken.

"Wie...Wie viel Uhr ist es?"

"Ich weiß nicht, als ich gekommen bin, war es viertel nach Vier. Um ehrlich zu sein, habe ich jegliches Zeitgefühl verloren."

Andrew biss sich weiter auf die Unterlippe.

"Ich muss um sechs bei meinem Patienten sein...Ich...Ich weiß aber nicht, ob ich mit dem Auto fahren sollte. Mr. Lavender hat mir geraten, das Auto zur Werkstatt zu bringen, falls doch etwas Wichtiges beschädigt wurde. Die Ärzte meinten, ich solle mich ausruhen. Und..."

"Gib mir die Nummer deines Patienten, damit ich anrufen und absagen kann."

Andrew sah ihn zweifelnd an, nannte ihm jedoch nach einem warnenden Blick von Nuka die Nummer.

"Mach dich Bettfertig. Ich glaube, du solltest ein wenig schlafen. Ich bin gleich wieder da und sehe nach dir."

Andrew nickte nur.

Nuka spürte seinen Blick in seinem Rücken, als er aus dem Schlafzimmer trat.
 

Leise betrat er Andrews Schlafzimmer. Er hatte alles geregelt und sich noch kurz mit Rob über seinen Bruder unterhalten.

Von ihm hatte er auch erfahren, dass Andrew schon in wenigen Tagen Geburtstag hatte. Er wurde 26. Das hatte ihn ganz schön aus der Bahn geworfen. Es hatte ihm gezeigt, wie wenig er doch in Wirklichkeit von dem süßen, unschuldigen Kerl wusste.

Nuka musste lächeln. Der süße, unschuldige Kerl lag schlafend im Bett. Er hatte sich tief in die Kissen gekuschelt. Das Gesicht in ein Kissen vergraben. Lautes, fast schon ein wenig schnarchendes Atmen drang an sein Ohr.

/Er hört sich an wie ein schlafender Hamster! Wie süß!/

Mit einem leisen Seufzen setzte sich Nuka neben den Schlafenden auf die Bettkante und betrachtete den Anderen eingehend.

/Nur, was schenkt man einem Hamster?/

!!Happy Birthday!!

!!Happy Birthday!!
 

Andrew blickte mit leeren, müden Augen in seine Kaffeetasse. Heute war der 1.9. Sein Geburtstag. Eigentlich sollte er froh sein. Rob hatte sich daran erinnert. Er hatte ihm gratuliert. Nuka hatte ihn sogar angerufen und ihm gesagt, dass sie später zusammen feiern würden. Er solle sich schon mal freuen.

Andrew schnaubte leise.

Wie sollte er sich freuen?! An diesem Tag?! An dem Tag vor mehreren Jahren, an dem er alt genug für seinen Vater wurde?!

Wieder schnaubte er auf.

Dieser Tag. Jedes Jahr. Immer wieder dachte er an den einen Tag, an sein Leben, die Fehler die er begangen hatte, Erinnerungen, die er verdrängt hatte. Und er sorgte sich, was in den nächsten Jahren passieren würde. Würde er nächstes Jahr wieder hier sitzen und Trübsal blasen? Oder wäre er dann schon tot?!

Seiner Kehle entkam ein verzweifeltes Stöhnen.

Er hasste solche Momente. Solche Momente voller Unsicherheit und Angst.

Normalerweise verdrängte er alle Sorgen, versuchte sie durch Arbeit und Betüddelung von Rob aus seinem Schädel zu drängen. Nur an diesem Tag funktionierte das nicht. Jedes Jahr am 1. September.

Hinter sich hörte er leise Schritte.

"Andrew? Bist du wieder traurig?"

Rob.

Andrew schloss die Augen. Bei der sanften Stimme musste er an Ron denken. Ron hatte sich auch immer darum bemüht ihn an seinem Geburtstag aufzumuntern. Mit dieser wundervollen, zärtlichen Stimme.

"Andrew, Bruder. Kannst du nicht endlich loslassen? Es ändert sich nichts, wenn du deinen Geburtstag mit Traurigkeit verbringst und dir tausende und abertausende Gedanken machst."

Rob legte eine Hand auf seinen Kopf und setzte sich neben ihn an den Esstisch.

"Ich kann auch nichts dafür...Es...es überfällt mich einfach...Tut mir Leid..."

Andrew merkte, dass er die Beherrschung verlor. Noch ehe er die Hände vor das Gesicht schlagen konnte, liefen die Tränen über seine Wange.

Wie lange war es her, dass er an seinem Geburtstag geweint hatte? Bis jetzt hatte er die bösen Gedanken immer nur so über sich ergehen lassen. Woher kam nur jetzt der Wille zu weinen und sich von Rob trösten zu lassen?!

"Was ist denn los?"

Andrew zuckte zusammen, als er hinter sich Nukas besorgte Stimme hörte.

"Äh...Das hat er immer an seinem Geburtstag..."

Da hatte Andrew seine Antwort.

Nuka.

Nuka hatte ihn so sehr verändert, dass er aus sich herausging und offen weinen konnte. Ob Andrew ihm jetzt dafür dankbar sein musste, wusste er nicht.

Andrew wischte sich leicht über die Augen und ignorierte Robs sanfte, streichelnde Hand auf seinen Kopf.

Vorsichtig wandte sich Andrew ein wenig um, warf dem Russen einen flehenden Blick zu und wies dann mit den Augen auf Rob.

Er wollte sich nicht trösten lassen. Jedenfalls nicht von seinem kleinen Bruder.

/Von meinem großen Bruder aber vielleicht?!/

Andrew presste seine Augen und verwarf den bösen Gedanken. Ron war nicht da, würde nie wieder kommen. Und wenn doch, dann würde ihn Andrew einfach rausschmeißen.

Der Gedanke brannte sich erstaunlich klar in seinem Kopf fest und überraschte ihn vollkommen.

Er hatte sich entschieden. Er hatte Ron nie verstanden und ihm schließlich doch nicht verziehen, dass er ihn mit seinem vergewaltigenden Vater allein gelassen hatte. Eigentlich hatte er immer gedacht, er würde Ron mit offenen Armen empfangen, wenn er wieder zu ihm zurück kam und ihn in den Arm nahm, ihn liebkoste.

Andrew zuckte zusammen, als er warme, kräftige Arme um sich spürte. Nukas Arme. Sofort entspannte er sich und lehnte sich an Nukas Brust.

Rob war nicht mehr da. Nuka musste ihn aus dem Zimmer geschickt haben. Andrew hatte es gar nicht mitgekriegt.

"Willst du reden? Oder lieber nur hier sitzen und dich trösten lassen?"

"Nur sitzen..."

Nuka setzte sich auf den Stuhl neben ihn und zog ihn einfach ohne zu fragen auf seinen Schoß. Andrew vergrub sofort seinen Kopf in seiner Halsbeuge und atmete den unglaublich angenehmen Duft ein, der mal wieder von dem Russen ausging. Gott, dieser Duft.

Es war ungewohnt. Nuka war ihm ganz nah, überall um ihn herum. Unter Andrew waren seine Beine, vor ihm war Nukas Brust, hinter ihm Nukas tröstende Arme und über ihm lehnte Nukas Kinn auf seinem Kopf.

"Du bist ja ganz zittrig..."

Andrew ignorierte diese Erkenntnis.

Natürlich war er zittrig. Er hatte schließlich gerade geheult wie ein Schlosshund!

Aber er hielt den Mund.

Er wusste, dass die Aggressivität, die Gereiztheit, die ihn ergriffen hatte, nicht lange anhielt. Gleich würde er still und abwesend sein. Den ganzen Tag lang. Bis er am nächsten Morgen mit einem müden Lächeln wieder aufstehen würde. Weiter durch die einsame, kalte Hölle.

Doch heute schien es anders zu sein.

Seine schlechte Laune verging wirklich schnell, aber anstatt unter den bekannten Depressionen leiden zu müssen, fühlte er sich geborgen und sogar ein wenig fröhlich.

Andrew löste sich leicht von dem blonden Kerl, auf dessen Schoß er immer noch saß, und blickte in zwei grüne Augen, in denen ein leichtes, besorgtes Lächeln leuchtete.

"Wieder gut?"

Andrew lächelte zurück. Doch anstatt zu antworten, beugte er sich leicht vor und berührte kurz sanft Nukas Mund mit seinem.

Ein überraschter Blick traf ihn. Jedoch ignorierte Andrew ihn wieder.

Er wollte von nichts wissen, was ihn jetzt von seiner guten Laune abhalten könnte.

"Ja...wieder gut...Wolltest du nicht feiern?"

Ein Lächeln breitete sich auf Nukas Gesicht aus.

"Ja...Ich habe ein paar Leute eingeladen, das macht dir doch nichts aus oder? Keine Sorge, du kennst sie alle."

"Ich kenne aber nicht viele Leute. Wen hast du denn alles eingeladen? Wie viele sind es?"

Nuka zuckte die Schultern und grinste ihn an.

"Das wird eine Überraschung, aber du musst dir keine Sorge um die Verpflegung machen, ich habe vor Pizza zu bestellen und habe Getränke schon eingekauft."

Andrew nickte.

"Sag mal, Rob hatte mir erzählt, dass du meine Photos abgeholt hast. Wo hast du sie?"

Andrew sah ein wenig überrascht auf.

"Die Bilder? Warte...In meinem Zimmer. Ich hole sie kurz."

Andrew erhob sich vorsichtig. Seine Beine trugen ihn jedoch -er hatte gedacht, sie würden zittern- und er beschleunigte seine Schritte, trat in sein Zimmer.

Die Bilder lagen auf einem Stuhl. Er wusste selbst nicht mehr genau, wie sie dahin gekommen waren, aber er hatte am vorigen Tag eine ganze Weile da auf diesem Stuhl gesessen und sich die Bilder eins nach dem anderen angesehen. Und immer wieder war er am vorletzten Bild gestoppt. Ein leises Seufzen ging über seine Lippen. Was löste dieses Bild in ihm aus?!

Andrew hatte keine Ahnung. Nur war da dieses Gefühl, fast wie ein Ziehen, ein Flehen in ihm. Sehnsucht. Wenn er das Bild ansah, wie sie sich zärtlich küssten, voller Liebe -nein! Keine Liebe!...nun gut, vielleicht ein wenig voller Liebe-, dann tauchte in ihm dieses Gefühl auf, dass er auf dem Photo genau das Richtige tat, dass er das öfter tun sollte! Und das war einfach grauenvoll. Weil er Nuka nicht küssen durfte.

/Aber wer hindert mich eigentlich daran?! Rob?! Ganz bestimmt nicht! Er unterstützt es! Vielleicht Ron?! Vergiss ihn, Andrew! Der Kerl ist ein Arschloch! Mein Vater...?!...Vielleicht...Diese Hemmungen.../

Natürlich war es ein vollkommen anderes Gefühl, wenn Nuka ihn berührte, als wenn sein Vater das tat, wie früher immer. Aber es bestanden Parallelen.

Berühren war Berühren. Egal mit welcher Hand oder mit welcher Absicht.

/Verdammt...So komme ich nicht weiter.../

Andrew zog den Packen Bilder wieder aus der Tüte.

Er suchte ihr Bild heraus. Ihr Bild. Das Bild von ihm und Nuka. Ihnen beiden.

Wieder seufzte er.

Er betrachtete die Aufnahme eingehend.

/Ich will es ihm nicht geben. Ich will es behalten. Jeden Abend vorm Einschlafen ansehen. Jeden Abend mir wünschen, dass ich ihn küssen könnte, in diesem Moment, ohne mir Gedanken zu machen!/

Was hinderte ihn eigentlich daran?!

Es würde nicht auffallen, wenn ein Bild fehlen würde.

/Er merkt es sicher nicht. Der Film war ja von Anfang an nur für die Bilder mit dem Haibild gedacht, die er für seine Bewerbung gemacht hat. Na komm schon!! Er braucht das Bild nicht! Ich brauche es viel mehr!/

Andrew runzelte die Stirn und ließ sich mit dem Bild in der Hand auf das Bett fallen.

/Wofür denn, verdammt noch mal?! Wofür brauche ich es?!/

Darauf bekam er keine Antwort. Und er wusste, für die Antwort, die er in sich hätte finden können, war er noch nicht bereit.

"Andrew?! Was brauchst du denn so lange? Soll ich dir beim Suchen helfen?"

Er lächelte, als er Nukas Stimme hörte.

"Nein, schon gut, Nuka. Ich habe sie schon."

Ohne weiter darüber nachzudenken -das verbot er sich- schob Andrew das Photo von ihnen unter seine Bettdecke und legte die Bilder wieder in ihre Tüte.

Er seufzte leise und durchquerte wieder seine Wohnung.

Nuka saß immer noch auf dem Stuhl am Esstisch und lächelte ihm entgegen. Andrew verspürte einen kleinen Stich. Vielleicht hätte er das Photo doch nicht an sich nehmen dürfen?! Das war ja schließlich Diebstahl oder?!

/Ach, quatsch!/

"Ich mache Kaffee. Willst du auch einen?"

Andrew sah Nuka fragend an. Der Russe nickte darauf und grinste ihn an.

"Klar, will ich etwas von deinem wundervollen Kaffe! Aber leider muss ich noch etwas besorgen! So ein paar Luftschlangen und Knabberzeug! Magst du Chips? Die sollten bei keiner Feier fehlen! Genauso wenig wie Erdnüsse! Sehr wichtig!"

Andrew konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Er schob die Gedanken an seinen Diebstahl zur Seite.

"Ok...Ich kann dir ja gleich, wenn du wieder da bist, eine Tasse machen."

Nuka erhob sich, nahm ihm die Tüte mit den Photos ab und küsste ihn auf die Wange.

"Das wäre sehr nett, Darling. Ich bin in zirka einer Stunde wieder zurück. Die Gäste kommen erst um fünf, deshalb brauchst du nicht in Panik zu verfallen. Aufräumen brauchst du auch nicht, es sieht alles prima aus wie immer! Ich fahre mit deinem Auto, ok?"

Andrew lächelte und sah hinter dem Russen her, der grinsend die Wohnung verließ.

/Er kauft für mich ein...Wie lieb von ihm.../

Mit einem Seufzen wandte er sich zum Wohnzimmer und betrachtete es.

Nuka hatte Recht, es war ordentlich, aber sie würden Platz brauchen.

Vielleicht konnte er den Couchtisch an die Wand schieben und für die Schüsseln mit dem Knabberzeug -wie Nuka es genannt hatte- umfunktionieren. Das wäre eine gute Idee, sagte er sich.
 

Nuka verstaute die Plastiktüte mit den Einkäufen im Kofferraum und stieg dann ein. Ihm fiel sofort die Tüte mit den Bildern ins Auge. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch Zeit hatte, also holte er die Photos aus der Tüte und sah sie sich nacheinander an. Die letzten beiden Bilder fand er besonders amüsant. Bis ihm etwas auffiel. Da fehlte ein Photo.

Er konnte sich noch genau daran erinnern, dass sie drei Photos von Andrew und ihm gemacht hatten. Doch da waren nur zwei. Das zweite Bild fehlte. Verwirrt sah er sich die Bildübersicht an und musste grinsen. Er sah welches fehlte. Und langsam hatte er eine Ahnung, wo ihr Bild hingekommen war.

/Warum wohl hat Andrew so lange gebraucht um meine Bilder zu finden?! Noch ein Grund zum Feiern!/

Sein Blick fiel aus dem Fenster. Auf der anderen Straßenseite war ein kleiner Laden, in dem man alles Mögliche kaufen konnte. Sein Grinsen wurde breiter, als er sah, was im Schaufenster stand.

Na, da hatte er ja noch ein Geschenk!
 

Andrew sah sich lächelnd um. Das sah ja alles relativ *feierlich* aus.

Die Luftschlangen waren wild verteilt worden und die Lichterkette aus Robs Zimmer hing jetzt an der Decke und beleuchtete den Raum bunt. Es sah richtig süß aus!

Nuka umarmte ihn von hinten mit einer Hand -in der anderen hielt er den Kaffee und legte sein Kinn auf seine Schulter.

"Na? Bist du schon in Partystimmung?"

Andrew lächelte und nickte leicht.

"Willst du tanzen?"

Andrew sah den Russen wegen dieser plötzlichen Frage verwirrt an.

"Wieso das denn? Du trinkst doch gerade Kaffe!"

Nuka winkte ab und stelle die Tasse auf den aus dem Weg geräumten Tisch.

"Jetzt nicht mehr! Komm schon, Drew! Sei mal etwas spontaner!"

Nuka zwinkerte ihm zu, ergriff seine Hand und drehte ihn ein wenig herum, brachte ihn dadurch mehr in die Mitte des Raumes.

Er selbst ging dann zur Musikanlage und legte eine von ihm bereits mitgebrachte CD ein.

Eine schnelle, rhythmische Melodie erklang. Ein Swing oder so etwas. Andrew hatte keine Ahnung wie man so etwas nannte. Aber diese Musik ging sofort in die Beine.

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er wippte mit den Füßen mit. Nuka kam grinsend auf ihn zu, ergriff seine Hände und schon tanzten sie ein wenig.

Jedenfalls versuchte es Andrew. Er war kein besonders guter Tänzer.

Er hatte es natürlich einmal lernen müssen. Sein Vater gab oft Spendenbälle oder so etwas in der Art. Einmal hatte er sogar so etwas für vergewaltigte Kinder organisiert. Welch lachhafte Ironie.

Nuka drückte seine Hände fester und Andrew grinste verbissen. Er versuchte sich mehr aufs Tanzen zu konzentrieren und wurde wirklich besser. Jetzt musste er nicht mehr darauf achten, Nuka nicht auf die Füße zu treten.

"Hey! Das sieht gut aus!"

Nuka wirbelte Andrew herum, so dass dieser Rob ansehen konnte, der sie frech angrinste.

Andrew lächelte zurück.

Im nächsten Moment klingelte es. Rob sprang in den Flur zur Tür.

Sie hörten auf zu Tanzen und Andrew blickte erwartungsvoll in die Richtung in Richtung Tür.

Er hörte eine junge, helle Frauenstimme, die sich nach etwas erkundigte. Rob antwortete.

/Komisch...Ich kenne nur eine Frau, meine Arbeitskollegin Susan und die hat eine viel tiefere Stimme. Wer ist das denn?/

Er sah Nuka fragend an, der ihm ein geradezu strahlendes Lächeln schenkte. Andrew schwante böses.

"Hast du...wirklich nur Leute eingeladen, die ich kenne?"

Nukas Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen.

/Scheiße!/

"Keine Sorge! Du wirst sie mögen!"

Die Tür wurde wieder geschlossen.

"Nuka! Du hast uns ja total verarscht!"

Rob lief lachend ins Wohnzimmer, sprang Nuka von hinten an und zerwuschelte ihm wüst das Haar. Nuka lachte auf und versuchte sich aus dem Klammergriff zu befreien.

"Hey! Ist ja schon gut! Das ist Catherine! Eine sehr gute Freundin von mir! Die ist echt in Ordnung, glaub mir! Die beißt nicht!"

In dem Moment tauchte ein roter Wuschelkopf in der Tür auf. Andrew erkannte die Frau wieder. Sie war die Unbekannte von den Photos.

"Cath! Komm rein!"

Zögernd trat die Frau ganz in den Raum und sah sich unsicher lächelnd um.

"Andrew, darf ich vorstellen? Das hier ist Catherine Foster! Eine gute Freundin von mir!"

Catherine trat auf ihn zu und sie schüttelten sich die Hände. Andrew musste lächeln, als er in ihre strahlendblauen Augen sah.

"Sie sind also Andrew! Also, es tut mir Leid, dass ich sie so überfahre! Ich dachte, Nuka hätte Ihnen gesagt, dass ich komme! Ich wollte mir für ein paar Tage Urlaub nehmen und da hat mir Nuka vorgeschlagen einfach zu Ihrer Geburtstagsfeier zu kommen. Hätte ich gewusst, dass Sie rein gar nichts davon wissen, dann..."

"Ach, das ist schon in Ordnung! Ein Gast mehr oder weniger ist egal."

Catherine lächelte ihn an und er konnte sein eigenes Lächeln nicht aufhalten. Diese Person war ihm so sympathisch! Sie schien zwar genau so ein großes Energiebündel wie Nuka zu sein, aber diese Fröhlichkeit, die sie ausstrahlte, färbte ungemein auf ihn ab.

Als nächstes klingelte es schon wieder. Rob stürmte schnell wieder in den Flur.

Nuka zog den Psychologen ein wenig zur Seite, ignorierte Catherine. Er legte sanft die Arme um seine Hüften und blickte ihn fragend an. Seine Stimme war ein wenig leise, wahrscheinlich, damit die Rothaarige ihr Gespräch nicht hörte.

"Bist du jetzt sauer auf mich? Ich dachte mir nur, es wäre vielleicht eine kleine Überraschung! Ich meine..."

Andrew schüttelte den Kopf und lächelte ihn leicht an.

"Nein, das ist wirklich ok. Solange du genug zu Essen eingekauft hast und..."

"Ein Geschenk mehr oder weniger ist auch nicht schlimm, nicht wahr?!"

Nuka zwinkerte ihn an.

Andrew lachte leise und schüttelte den Kopf.

"Du änderst dich nie, Nuka..."

"Warum sollte ich auch?"

Nukas Flüstern jagte eine leichte Gänsehaut über seinen Körper. Was machte da plötzlich dieser laszive Unterton?! Das war er von dem Russen gar nicht gewohnt!

Aber er fand es irgendwie aufregend und ziemlich angenehm. Er genoss den Umstand, dass Nuka nur ihn in diesem Ton ansprach.

Jonas' Stimme im Flur, holte ihn aus den Gedanken.

Andrew rückte sofort ein wenig von Nuka fort, als ihm wieder bewusst wurde, wo sie sich gerade befanden. Catherine stand immer noch im Mantel im Wohnzimmer. Sie sah etwas verloren aus und errötet war sie auch noch. Vielleicht hätte Nuka ihn besser in die Küche verfrachtet.

"Oh, tut mir Leid, Mrs. Foster! Das habe ich total vergessen! Geben Sie mir doch Ihren Mantel!"

Andrew löste sich aus Nukas Griff und trat schnell und mit hochrotem Kopf auf die Frau zu.

Nuka lachte und schüttelte den Kopf.

"Ich wusste, es war ein Fehler, dass ich dir ihren Nachnamen gesagt habe! Sie hasst es so angesprochen zu werden!"

Andrew stockte und blickte die Rothaarige fragend an.

"Nennen Sie mich ruhig Catherine!"

"Natürlich! Dann nennen Sie mich Andrew, bitte. Ihr Mantel?"

Catherine zog ihren Mantel aus und er ging in den Flur. Rob und Jonas standen dort an der Haustür und unterhielten sich im Flüsterton.

Andrew hob eine Augenbraue.

"Was macht ihr denn da?"

Beide grinsten ihn an.

Man sah deutlich, dass sie etwas ausgeheckt hatten.

"Nichts, nichts!"

Andrew lächelte und nickte.

An einem normalen Tag hätte er sofort nachgehakt, aber heute...Er wusste auch nicht, was mit ihm los war heute. Vielleicht war er...glücklich?

Er hing Catherines Mantel auf und zog Rob dann wieder ins Wohnzimmer. Jonas musste ihnen einfach folgen.

"Catherine!"

Jonas trat sofort auf die junge Frau zu und umarmte sie stürmisch. Andrew lächelte zufrieden. Das sah richtig süß aus!

Er wollte gerade etwas sagen, als es wieder an der Tür klingelte.

Bevor Rob wieder verschwinden konnte, trat Andrew in den Flur und öffnete den neuen Gästen.

Vollkommen verblüfft blickte er die zwei Personen an, die ihn unsicher anlächelten.

"Mr. Lavender...Was...Hat Nuka Sie etwa auch eingeladen?"

"Ähm...Ja, meinen Freund und mich...Ich dachte, es wäre Ihre Idee?! War es nicht?!"

Andrew lachte auf und trat zur Seite.

"Kommen Sie herein. Anscheinend hatte Nuka vor, mich an meinem Geburtstag mit mehreren Überraschungen...na ja...zu überraschen!"

Der Polizist lächelte und trat in den Flur hinter ihm erschien ein breit grinsender, etwas jünger aussehender Schwarzhaariger, der ihm freundlich die Hand schüttelte.

"Julian Lavender. Sehr erfreut!"

Im nächsten Moment stockte Andrew.

"Wie...Auch Lavender?"

Der andere Polizist-Lavender lachte leise. So weit sich Andrew erinnern konnte, hieß er Matt.

"Wir sind voriges Jahr extra nach Deutschland geflogen, haben dort Urlaub gemacht und geheiratet...Er hat es sich so angewöhnt sich Julian Lavender zu nennen."

Andrew blickte die beiden vollkommen überrascht an.

"Geheiratet?! Sie waren in Deutschland?! Oh! Ich war noch nie in meinem ganzen Leben in Europa!"

/Warum wohl?! Ich hatte Angst, ich könnte im Ausland IHM über den Weg laufen! Sehr realistisch! Dummer Trottel!/

Er verdrängte den Gedanken, nahm den beiden Männern die Jacken ab und hängte sie auf.

Besorgt musterte er die kleine Garderobe. Wie viele Leute würden denn noch kommen?! Die nächsten Jacken würde er wohl in der Küche auf einen der Stühle hängen müssen.

Er führte die beiden neuen Gäste in das Wohnzimmer und stellte die beiden vor. Dann klingelte es wieder, diesmal ging Nuka zur Tür. Er hechtete an ihm vorbei, küsste ihn im Vorbeigehen auf die Wange, was einigen der Anwesenden natürlich auffiel und Andrew natürlich, natürlich tief erröten ließ.

Dieser...dieser...Nuka! Aarrgh!

Aus dem Flur war Lachen zu hören. Wieder die Stimme einer Frau, nein, sogar zwei! Die eine gehörte Susan, die andere kannte er nicht, aber er nahm an sie gehörte Mikes Frau. Mike, sein Arbeitskollege, den er ab und zu sah, konnte er nämlich auch zwischen dem fröhlichen Geplapper heraushören. Dieser ältere Psychologe war auch so eine ruhige Seele wie er. Jetzt würde er sich wenigstens nicht ganz so allein in diesem Chaos fühlen.

Andrew hörte Susan bereits schnattern. Er lächelte. Das würde ein lauter Abend werden.
 

Rob hatte sich schon um sieben Uhr verabschiedet und war zu seinem Freund getürmt um bei ihm zu übernachten. Andrew verstand ihn nicht. Er amüsierte sich prächtig! Er unterhielt sich jetzt schon seit einer vollen Stunde angeregt mit Catherine, die wirklich einen fantastischen Humor hatte, trank Wein und ließ sich ab und zu, wenn er glaubte, niemand würde sie beachten, von Nuka küssen.

Um ehrlich zu sein fiel ihm erst jetzt auf, dass Matt und Julian sich in eine Ecke des Sofas verzogen hatten und sich zärtlich küssten.

Es sah süß aus. Sie passten wundervoll zusammen. Es ähnelte...

/Nuka und mir auf dem Bild.../

Er verscheuchte den Gedanken wieder.

Nuka kam grinsend in den Raum, er hatte eine Sektflasche in der Hand.

"Andrew, solltest du nicht langsam die Geschenke auspacken?"

/Geschenke? Das habe ich ja vollkommen vergessen!/

"Ja, gerne!"

"Ok! Alle setzen sich in einen Kreis auf den Boden! Matt, Julian! Kommt schon! Das könnt ihr gleich zu Hause machen!"

Andrew lachte leise.

Ja, mittlerweile duzten sich hier alle Anwesenden. Das lag wahrscheinlich am Alkohol. Aber was soll's.

Es dauerte zwei Minuten, bis sich alle auf den Boden bequemt hatten. Andrew konnte sich ein vorfreudiges Lächeln nicht verkneifen. Diese Geburtstagsfeier war einfach wundervoll! Die beste seines Lebens! Wenn Rob da wäre, dann wäre es perfekt!

Nuka setzte sich neben ihn und legte einen Arm um seine Schultern. Ein Küsschen wurde auf seine Wange gehaucht. Andrew wurde wieder rot und versuchte den Russen einfach zu ignorieren. Und das war fast unmöglich, weil dessen verführerischer Duft ihn fast umbrachte!

Mike und dessen Frau schoben ihm zuerst ihr Paket rüber.

Andrew packte es vorsichtig aus, löste jeden Klebestreifen einzeln. Er war sehr ordentlich und steigerte somit auch seine Vorfreude.

Aus dem Papierhaufen kam eine DVD. Mona Lisas Lächeln. Er bedankte sich freudig bei den zwei Verheirateten.

Den Film hatte er im Kino gesehen und er fand ihn wirklich außerordentlich gut.

Als Nächstes kamen Matt und Julian dran. Auch sie hatten natürlich ein Geschenk zusammen gekauft.

Ein Psychothriller kam unter dem blau glänzenden Papier zum Vorschein. Andrew bedankte sich grinsend. Er mochte Psychothriller!

Catherine schenkte ihm zwei Karten für ein Theater von einer Stiftung von Jugendlichen, das sehr gut sein sollte. Eine für ihn und eine für Nuka. Aber nicht Andrew, sondern Nuka fiel der jungen Frau um den Hals.

"Danke! Jetzt habe ich einen Grund um ihn zu zwingen mit mir auszugehen! Oh, ich liebe dich!"

Andrew brach in lautes Gelächter aus, brachte die anderen ebenfalls zum Lachen.

Es dauerte lange, bis sie sich alle wieder beruhigt hatten.

Susan schenkte ihm ein Aftershave. Es roch nach Zitrone und irgendwie...sportlich. Er konnte es nicht so richtig beschreiben, aber er mochte diesen Duft. Eigentlich hatte er noch sein Lavendelparfum, aber das trug er sowieso, seit er Nuka kennengelernt hatte, nicht mehr. Es war einfach Zeit für etwas Neues.

Er bedankte sich artig und Jonas tippte ihn dann an die Schulter.

"Also ich habe ein Geschenk mit Rob zusammen für dich. Du kriegst es aber erst morgen! Also kannst du dich schon mal darauf freuen!"

Andrew lächelte den Studenten an.

"Das ist super! Dann habe ich wirklich etwas, worauf ich mich nach dem Aufräumen und dem Kater freuen kann."

Leises Lachen erklang.

Und Andrew konnte es nicht glauben. Er hatte gerade einen Witz gemacht! Und man hatte sogar darüber gelacht! Wow!

Seine gute Laune steigerte sich ins Unermessliche. Das er das noch mal erleben durfte!

Und dann wandte er sich zu Nuka um. Der grinste ihn an.

"Ich habe sogar zwei Geschenke für dich."

Andrew hob eine Augenbraue. Er hoffte inständig, es wäre nichts peinliches!

"Also...Du wirst in einer Woche mit zwei anderen Personen -vielleicht mit Rob und mir?- in den Herbstferien nach England fliegen und dort zwei Wochen verbringen. Was hältst du davon?"

Andrew, der gerade ein wenig Sekt getrunken hatte, musste aufpassen um die prickelnde Flüssigkeit auch wirklich bei sich zu behalten.

"Wwww...WAS?!"

Lautes Gelächter brach aus.

Andrew wischte sich Andrew-untypisch mit dem Hemdärmel über den Mund und starrte sein Gegenüber an.

"Du...Das hast du für mich arrangiert?! Das...Gott! Ich glaube, mein Herz setzt aus!"

Nuka grinste ihn an.

"Schön, dass ich dein Herz bewege!"

Andrew verstand den Satz nicht. Sollte wohl nur ein dummer Spruch sein. Aber das störte Andrew nicht.

Er fiel Nuka um den Hals und drückte den überrumpelten Russen an sich.

"Verdammt...So etwas hat mir noch nie jemals jemand geschenkt! Oh, du weißt gar nicht, wie ich mich darüber freue! Ich sehe endlich mal Europa!"

/Und ich komme raus hier! Weg von ihm! Auch wenn es nur zwei Wochen sind.../

Nuka lachte und erwiderte schließlich die Umarmung.

"Rob wird sich freuen! Er wollte schon immer mal England sehen!"

"Na, Nuka?! Ich habe doch gesagt, er wird sich darüber freuen!"

Das war Jonas' Idee?!

Andrew wandte sich um und grinste den Blondschopf so offen und freundlich entgegen wie noch nie.

Gott, er freute sich ja so sehr! Endlich richtige Abwechslung!

"So, jetzt aber das nächste Geschenk! Das ist mir aufgefallen, als ich heute beim Einkaufen war."

Nuka hielt ihm ein Geschenk hin und der Psychologe löste lächelnd das Papier.

Was er sah war ein schöner, blauer Bilderrahmen.

"Der ist aber schön! Danke, Nuka!"

Nuka grinste ihn an, nahm sein Gesicht in die Hände und küsste ihn sanft. Dann legte er die Arme um ihn und zog ihn halb auf seinen Schoß.

"Ich habe auch schon eine Idee, welches Bild du hineintun könntest."

Nukas Stimme senkte sich zu einem Flüstern und Andrew erschauerte, als er dessen warmen Atem in seinem Nacken spürte. Schon wieder dieser laszive Ton...

"Wie wäre es mit dem Photo, das du stibitzt hast? Das würde da doch perfekt hineinpassen, findest du nicht?!"

Andrew wurde mit einem Mal bis zum Haaransatz rot, als er Nukas gewisperte Worte realisierte.

"Welches Photo meinst du...?"

Nuka lachte und vergrub sein Gesicht in seiner Halsbeuge. Er antwortete nicht.

/Er sagt nichts dagegen...Er ist mir wohl nicht böse./

Andrew lächelte und lehnte sich an den Russen, machte es sich jetzt völlig auf dessen Schoß bequem.

Ja. Er würde das Photo mit Sicherheit in diesen Bilderrahmen stellen.

Und das kam dann auf seinen Nachttisch neben dem Bett. Das nahm er sich fest vor!
 

Rob seufzte auf und drehte den Wohnungsschlüssel im Schloss um. Wenn Andrew wüsste, dass er um 4 Uhr nachts nach Hause kam, obwohl er eigentlich bei seinem Freund hätte übernachten sollen, dann...

/Hoffentlich schläft er schon.../

Aber es war ja auch nicht seine Schuld gewesen! Hätte er sich mit seinem Freund nicht gestritten, dann läge er jetzt bei dem auf dem ausklappbaren Sofa in dessen Zimmer und würde sich eine Komödie nach der nächsten reinziehen! Aber nein! Der Herr Freund musste sich ja über seinen schwulen Bruder totlachen!

Grrr!

Wie Rob das doch hasste! Da sagte man doch immer, Amerika wäre ein freies Land. Aber in diesem verdammten *freien Land* durfte man als Mann keinen Mann lieben?! Also...Rob blieb immer die Spucke weg, wenn er so etwas hörte!

Er sollte am Besten gar nicht erst anfangen sich darüber zu ärgern. Sein Freund hatte es ja nicht ernst gemeint, das wusste er. Aber langsam ging es ihm gewaltig gegen den Strich, dass, sobald Rob auf Andrew zu Sprechen kam, der Witze über dessen Homosexualität riss. Und zwar Witze der übelsten Sorte!

Da war es doch klar, dass Rob abhaute! Brüder mussten zusammenhalten!

Rob schüttelte seinen Kopf und schloss die Tür hinter sich.

Ein Glück, dass zu der Zeit keiner mehr auf dem Hausflur war. Derjenige hätte sich nämlich bestimmt totgelacht, dass er Stunden wegen seinen Gedankengängen in der geöffneten Tür stand.

Er seufzte leise auf, doch das Geräusch ging in einem Stöhnen unter.

Rob riss verdutzt die Augen auf.

Was war denn jetzt kaputt?!

Wieder ertönte ein Geräusch. Es hörte sich an wie ein gedämpfter Schrei.

Ein..._eindeutiger_ Schrei...

Rob schluckte.

Sein Blick glitt zur Garderobe. Und er sah, dass die Möglichkeit bestand, dass seine Ahnung wahrscheinlich wirklich möglich war.

Die einzigen Jacken, die dort hingen, waren von Andrew und Nuka.

Also war Nuka noch da.

Bis jetzt allein mit Andrew.

Ein weiteres lautes, eindeutig lüsternes Stöhnen drang an sein Ohr.

Rob lief tiefrot an.

/Himmel...und ich dachte, Nuka bräuchte noch ein ganzes Jahr, bis.../

Er verbot jeglichen Gedanken daran, hängte seine Jacke auf, schlüpfte aus seinen Schuhen und schlich durch die Wohnung.

Im Wohnzimmer wäre er fast über zwei Flaschen Sekt und ein T-shirt gestolpert, das genau das T-shirt war, das Nuka am heutigen Abend getragen hatte. Das erkannte er an dem Spruch, der quer über die Brust gedruckt war.

*Ich gehöre zu den Typen vor denen unsere Eltern uns immer gewarnt haben*

Rob konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Solche T-shirts konnte auch nur dieser Psychopath anziehen! Und das bei Andrews Geburtstagsfeier.

Ein leises Rumpeln und dann ein Kichern ließ ihn neugierig aufblicken.

Was trieben die Beiden da nur?!

Er errötete. Nun, er konnte sich schon vorstellen, WAS sie da taten, aber er war verwundert, dass sie dabei Geräusche machten, die an einen Elefanten erinnerten, der Kichererbsen gefressen hatte.

Rob fing an nach ihnen zu suchen.

Also im Wohnzimmer waren sie schon mal nicht.

Seine Schritte hielten kurz vor der Küche.

Nein, auf dem Küchentisch würde Andrew bestimmt nicht...

Ein heftiges Kopfschütteln hielt ihn davon ab die Bilder, die sich langsam in seinem Hirn formten, genau zu mustern. Das war grotesk! Nicht, dass er es schlimm finden würde, Andrew nackt zu sehen. Er hatte Andrew ein paar Mal schon so gesehen. Sie waren schließlich Brüder und wohnten in einer Wohnung mit nur einem Badezimmer! Er würde sich wahrscheinlich nur schämen Nuka so zu sehen.

Falls sie schon angefangen hatten. Vielleicht konnte er die zwei ja noch davon abhalten etwas verdammt dummes zu tun?!

Leisen Fußes schlich er durch den Flur. Andrews Schlafzimmertür war nicht zu, sie stand halb offen. Und gab einen perfekten Blick auf zwei junge Männer frei, die Rob nur allzu gut kannte. Andrew und Nuka lagen immer noch kichernd neben dem Bett auf dem Boden und fummelten fröhlich frei aneinander herum.

Rob wurde rot.

Andrew trug nur noch Boxershorts. Nuka, der bereits vollkommen splitterfasernackt auf ihm lag, hatte anscheinend verdammt gute Arbeit geleistet. Rob hatte noch nie gesehen, dass Andrew sich vor jemandem ausgezogen hatte.

Rob presste seine Augen aufeinander und schüttelte den Kopf.

Er erinnerte sich an die Geräusche und kam zu dem Schluss, dass die beiden bei ihrer Tändelei wohl aus dem Bett gefallen waren.

"Aua...Der Boden is hart..."

Rob sah wieder auf.

Andrew schob Nuka von sich und erhob sich, wobei er leicht schwankte.

/Natürlich...er ist besoffen. Jetzt weiß ich den Grund, warum er das tut...soll ich...ne...einen kleinen Schubs in die richtige Richtung können die schon vertragen! Auch wenn ich mir morgen ihr Gezanke anhören muss.../

Nuka zog sich genau so heftig schwankend am Bettgeländer hoch und grinste Andrew an.

Robs Blick aus seinen aufgerissenen Augen blieb zwischen seinen Beinen hängen.

Nicht nur, dass der Russe...nun ja...ziemlich erregt war. Nein. Jetzt wusste Rob auch, warum der Kerl ihm damals nicht seine Tätowierung zeigen wollte.

Mit einem Schlucken wandte er sich um und verzog sich schnell und leise in seinem Zimmer. Er zog sich um und ließ sich dann mit einem ungläubigen Schnauben in sein Bett fallen. Eigentlich war er hundemüde.

Doch er konnte nicht schlafen.

Erstens bekam er diese verdammten Bilder nicht mehr aus dem Kopf.

Und zweitens hörten die zwei im gegenüberliegenden Zimmer auf zu kichern, begannen dafür wieder mit farbenfroheren Geräuschen.

Rob presste sich sein Kissen auf den Kopf.

"Scheiß Mist!"

Irgendwie fühlte er sich jetzt, als hätte er zufällig seine Eltern beim Sex erwischt...

Schopping

Schopping
 

Nuka regte sich vorsichtig. Ein Knurren kam ihm über die Lippen.

/Wo bin ich, verdammte Hacke?! Was sind das für verfickte Kopfschmerzen?!/

Er tastete mit einer Hand über seinen Kopf und stellte fest, dass er doch nicht so aufgequollen und ballonförmig war, wie er sich anfühlte.

Er wollte sich mit beiden Händen durch die Haare fahren, aber er bekam seinen rechten Arm nicht frei. Außerdem lag etwas auf seiner Brust. Verwirrt öffnete er die Augen.

Und presste sie im nächsten Moment wieder zu.

"Scheiß Licht...Fuck!"

Langsam öffnete er seine Augen, jedoch nur einen Spalt breit. Und nach einigen Momenten hatte er sich an das stechend helle Licht gewöhnt.

Vorsichtig drehte er seinen Kopf.

Fassungslos riss er seine Augen auf.

Andrew lag nackt und halb auf ihm. Sein Kopf und Oberkörper lagen auf Nukas Brust, der Arm des Russen war förmlich unter dem warmen Körper begraben, irgendwo unter dessen Bauch.

Nuka war sprachlos.

Was sollte er davon jetzt halten?!

Er sah an sich selbst hinunter.

Das Gleiche. Er war auch nackt.

/Also, Zusammenfassung...Ich habe einen Kater, wache neben Andrew auf und wir sind beide nackt. Haben wir...?/

Er war nicht im Stande eine Antwort darauf zu finden.

Das konnte immerhin alles Mögliche bedeuten! Sie mussten es ja nicht unbedingt getan haben...

/Aber alle anderen Dinge, die man nackt tun kann, haben etwas DAMIT zu tun!/

Andrew auf ihm seufzte auf, fuhr kurz mit seinen Fingern über seine Haut, so dass Nuka leicht erschauerte, und rutschte dann von ihm hinunter, wickelte sich regelrecht in die Decke ein.

Ein Lächeln huschte über Nukas Züge.

/Wie süß.../

Er seufzte, erhob sich und suchte im Zimmer nach seinen Boxershorts. Er fand sie schließlich auf der Deckenlampe. Wie die da wohl hingekommen war?!

Halbnackt huschte er aus dem Zimmer ins Badezimmer.

Ein wenig verwirrt blinzelte er sich im Spiegel an.

/Wie hab ich das nur hingekriegt?! Hab ich ihn abgefüllt?! Oder wollte er es nachher doch...? Ach, Mist.../

Er schöpfte sich etwas Wasser ins Gesicht und musste sich leicht am Waschbecken festhalten.

Natürlich. Jetzt kamen die Erinnerungen. Er stöhnte genervt auf. Das hatte er immer, nachdem er sich betrunken und dann einen Blackout hatte. Seine Sünden fielen ihm erst nach ein paar Minuten ein.

Und das, was er in Gedanken vor sich sah, konnte man durchaus ,Sünde' nennen.

/Oder auch einfach nur Oralsex.../

Ein Fluch entwich ihm.

Wie würde wohl Andrew reagieren?! Am Besten verzog er sich in seine Wohnung, damit dieser nicht über ihn herfiel und ihn tot prügelte, wenn er wieder aufgewacht war.

/Vielleicht sollte ich ihn fesseln, bevor er wieder unter die Lebenden zurück kommt?!/

Grinsend schüttelte er den Kopf. Er wollte gerade die Tür, die er nur angelehnt schließen, damit er die Toilette benutzen konnte, als er Andrew seinen Namen rufen hörte.

Der Russe runzelte die Stirn.

Zögernd verließ er das Bad und trat unsicher in den Türrahmen des Schlafzimmers.

Andrew sah ihn verstört und ungläubig zugleich an.

"Was...Was haben wir gemacht?!"

"Ähm...Petting?!"

Nuka schlug sich in Gedanken vor die Stirn. Eine sanftere Antwort hatte er nicht parat?! Idiot!

Andrew stöhnte auf und ließ sich nach hinten in die Kissen fallen. Er schlug die Hände vor die Augen und schüttelte mehrmals hintereinander den Kopf.

"Das...Ich glaube, ich war betrunken! Ich..."

"Ich weiß. Ich war auch mehr als nur ein wenig angeheitert...Es tut mir Leid, wenn ich das ausgenutzt haben sollte...Ich...Ich zieh mich nur kurz an und gehe dann..."

Nuka hob seine Jeans auf und schlüpfte hinein. Danach suchte er seine Socken, fand sie schließlich unter dem Bett.

Das T-Shirt hatte er schon im Wohnzimmer abgelegt. Das wusste er.

Schnell und ohne auch nur noch einmal zurückzublicken trat er aus der Tür und schlich über den Flur.

Andrew hielt ihn nicht auf.

Rob kam ihm im Wohnzimmer entgegen.

Er sah so aus, als wüsste er alles.

Nuka biss sich auf die Unterlippe. Wenn er nicht aufpasste, würde er anfangen zu heulen. Er merkte schon, wie es begann in ihm zu brodeln.

Warum hatte er sich auch alles verbauen müssen?! Sie hatten sich doch gerade erst wieder vertragen!

"Ich habe euch gar nicht streiten gehört..."

Rob trat ihm in den Weg und reichte ihm sein T-Shirt.

Nuka wich seinem besorgten Blick aus. Warum wusste der Kerl nur wieder alles über sie?!

"Wir haben uns nicht gestritten, weil ich es nicht dazu habe kommen lassen. Lass mich bitte durch, Rob."

"Nein, lass ihn nicht durch."

Nuka zuckte zusammen, wandte sich halb um und erblickte Andrew, der nur in seine Decke gehüllt im Flur stand und ihn durchdringend, aber mit einem für ihn verwirrenden Blick ansah. Nuka verstand nicht, warum der Psychologe ihm gefolgt war. Warum war der Kerl nur so streitsüchtig?! Er versuchte hier einer Auseinandersetzung auszuweichen!

"Andrew. Ich sollte wirklich nicht bleiben. Es tut mir Leid, was passiert ist und...Ich will nicht, dass..."

"Ich will auch nicht, Nuka. Geh wieder ins Schlafzimmer. Bitte."

Nuka schüttelte den Kopf.

"Nein, ich gehe jetzt."

Andrews bis jetzt ausdrucksloser Blick veränderte sich und zeigte nun Verzweiflung.

"Verdammt! Warum machst du es so schwer! Jetzt lass uns erst einmal darüber reden, bevor du abrauchst, bevor du dir überhaupt angehört hast, was ich dazu zu sagen habe! Tu mir den Gefallen!"

Nuka senkte seinen Blick und stellte mit einem Blick fest, dass er seine Socken vollkommen verdreht angezogen hatte.

/Was soll ich jetzt tun?! Ich will mir nicht schon wieder Vorwürfe von ihm anhören müssen! Wahrscheinlich fang ich dann sofort an zu heulen! Ich kann es ja jetzt schon fast gar nicht mehr zurückhalten! Den Anblick wollte ich ihm doch immer ersparen.../

"Nuka. Bitte."

Nuka zuckte zusammen, als zwei Hände seine Oberarme berührten.

Andrew war an ihn herangetreten.

"Ich will nur mit dir darüber reden. Ich werde nicht mit dir streiten. Aber wenn du dich jetzt in deiner Wohnung versteckst, dann werde ich nicht daran vorbei können dich dann anzuschreien. Und zwar damit du wieder herauskommst. Und ich will dich nicht anschreien. Na komm, Nuka."

Der Russe seufzte auf und nickte leicht. Ohne Andrew anzusehen, durchquerte er wieder die Wohnung und ließ sich in Andrews Zimmer in den Stuhl fallen, der am Fenster stand.

Im Notfall würde er sich bequem und ohne viel Anstrengung nach draußen stürzen können.
 

Andrew setzte sich unsicher auf die Bettkante. Er schlang sich die Decke enger um und sah auf seine Hände, die mit dem Stoff der Bettdecke spielten.

"Ich kann verstehen, warum du abhauen wolltest...Ich reagiere immer so schnell über und...Ich will mich nicht mit dir streiten. Ich bin selbst schuld, dass das passiert ist."

Andrew schaute doch ein wenig unsicher hoch und sah, dass Nuka ihn überrascht ansah, deutlich freudig überrascht.

"Ich dachte wirklich, wir würden uns wieder streiten! Ich...Weißt du noch, warum...das passiert ist? Ich kann mich nicht an alles erinnern. Nur an den Schluss...Ich hätte wirklich nicht so viel trinken sollen."

Andrew lächelte leicht.

"Na ja...So richtig kann ich das auch nicht sagen...Ich glaube, als wir allein waren, haben wir uns geküsst und uns so in die Sache hineingesteigert...na ja...An den Schluss kann ich mich nicht mehr erinnern. Weißt du, wie weit...na, wie weit wir...gekommen sind?"

Natürlich wurde er rot.

Andrew spürte regelrecht wie die Wärme in seinen Kopf stieg und er sich ein wenig duckte. Er wusste nicht mehr, wohin mit seinen Händen.

Gott, das war aber auch wirklich peinlich! Aber die Frage musste sein.

"Also wir haben nicht miteinander geschlafen...Irgendwie habe ich überhaupt nicht an die Möglichkeit gedacht, das zu tun...na ja, du auch nicht...keine Ahnung..."

Andrew unterbrach Nukas Gestammel mit einem Nicken.

Es war beruhigend zu merken, dass nicht nur ihm die Situation unangenehm war. Sonst stand er immer alleine da mit seiner Unsicherheit.

"Und ich will nicht, dass du denkst, du hättest meine Trunkenheit ausgenutzt, Nuka, so betrunken war ich nicht. Ich denke, dass ich es ehrlich zugelassen habe...Vielleicht hätte ich es ja auch mitgemacht, wenn ich nicht so viel getrunken hätte...Ich weiß nicht..."

Der Psychologe seufzte, löste seine Hände von der Decke und fuhr sich durch die Haare.

Er fühlte sich etwas unwohl. Nuka hatte ihm in der Nacht im Alkoholrausch ziemlich viele Sachen zugeflüstert. Er hatte nichts erwidern können. Er befürchtete, dass Nuka jetzt noch etwas von ihm erwartete.

"Dann...bist du mir nicht böse?! Du...bereust es nicht?!"

Andrew runzelte die Stirn und sah ihn an. Nukas Ton war so voller Emotionen?! Er hatte wirklich sehr verzweifelt sein müssen.

"Ich...Ich bin dir nicht böse. Dir kann man nicht böse sein. Aber das mit dem Bereuen...Ich weiß nicht...Jetzt bereue ich es noch nicht, aber das könnte noch kommen..."

Nuka musterte ihn. Andrew erwiderte unsicher seinen Blick.

Er hatte ihn damit bestimmt verletzt.

Doch plötzlich lächelte Nuka.

/Was soll das jetzt?! Was hat er?! Gott, diese Situation ist so verdammt verfahren!/

"Du bist ehrlich. Das ist schön...Siehst du, Andrew? Die Wahrheit zu sagen ist doch ganz gut oder?!"

Andrew musste lachen. Er hielt sich die Hand vor den Mund und lachte frei heraus.

Irgendwie fiel die Spannung von ihm ab, die Atmosphäre wurde gleich lockerer, nicht so verspannt. Und ihm fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen.

Er hätte es nicht ertragen, wenn Nuka nicht mehr mit ihm geredet hätte, nur weil er nicht sagte, dass er ihn liebte oder so etwas. Wenn er könnte, würde er es, aber er konnte in der Richtung nichts sagen. Manchmal glaubte er sogar, er könne niemanden mehr lieben. Aber da war noch etwas, mit dem er dem Russen eine kleine Freude machen konnte.

"Ich will nicht, dass du dir Illusionen bildest, aber ich will, dass du weißt, dass du mir sehr wichtig bist und mir viel bedeutest. Du gehörst zur Familie, weißt du das?! Rob, du und ich sind irgendwie zu einer Familie herangewachsen..."

Andrew musste breit lächeln, als er Nukas Strahlen sah.

Er hatte die richtigen Worte gewählt!

"Und das meinst du ernst?!"

Andrew nickte und lächelte wieder. Er mochte es, wenn Nuka so glücklich wirkte, so ausgelassen.

/Ich sollte ihm öfter sagen, dass ich ihn mag...Vielleicht meint er es ja wirklich ernst mit mir.../

"Eigentlich hättest du das schon längst von selbst bemerken müssen. Rob mag dich wirklich. Und ich würde den Ausflug nach England, wenn du mitkommst, dann auch als Familientrip bezeichnen."

Nuka lachte auf, erhob sich und ließ sich dann neben ihm aufs Bett nieder.

"Dann hast du mich wohl adoptiert, was?!"

Schon wieder dieser laszive Unterton. Andrew schmunzelte und warf Nuka einen schnellen Blick zu.

Jetzt wusste er wieder, wie der Russe ihn ins Bett gekriegt hatte. Mit diesem verdammt anziehenden Ton in der Stimme, der ihn ständig erschauern ließ!

"Ja, das habe ich wohl..."

Nuka grinste ihn wie immer breit an und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

"Tja, dann musst du dich um mich kümmern! Füttern, baden und lieb haben! Das volle Programm!"

Andrew brach in lautes Gelächter aus und fiel kichernd nach hinten in die Matratze.

"Du und deine Witze, du Baby!"

Nuka beugte sich über ihn und gab ihm einen zarten Kuss auf die Lippen.

"Nicht einfach nur *Baby*, DEIN Baby..."

Andrew hatte keine Ahnung, was er darauf wohl für ein Gesicht gemacht hatte. Wahrscheinlich hatte er nur ein glücklich dümmliches Grinsen zu Stande gebracht. Aber es war ein schönes Gefühl, gemocht zu werden.

Aber Nuka schien seine dämliche Visage nicht zu stören -oder auch er bemerkte sie nicht-, denn er vergrub seine Finger in seinen braunen Haaren und küsste ihn ganz vorsichtig.

/Davon wird man wirklich süchtig.../

Andrew ließ sich von Anfang an voll und ganz auf den Kuss ein, erwiderte ihn, ließ Nukas tastende Zunge in seine Mundhöhle hinein, spürte ein Kribbeln, das sich in seinem ganzen Körper ausbreitete. Er hatte wirklich Lust, das, was sie in der Nacht gemacht hatten, jetzt noch einmal zu wiederholen.

/Halt dich zurück, Andrew, du notgeiler Kerl! Genieße den einen einfachen Kuss./

Nuka ließ sich halb auf ihn sinken, stützte sich mit einem Arm neben ihn ab und verwickelte ihn in ein sanftes Zungenspiel.

Andrew genoss schließlich wirklich, ließ zu, dass Nuka mit einer Hand über seinen Oberarm fuhr.

Es klopfte an der Tür.

Andrew zuckte sofort zusammen, versuchte sich wieder von Nuka zu lösen. Doch der strich ihm nur beruhigend durchs Haar und versuchte ihn durch seine geschickte, lockende Zunge von dem Störenfried abzulenken.

Er erschauerte, als Nuka mit einer Hand über seine nackte Brust strich, wie zufällig seine linke Brustwarze streifte. Aber bei Nuka war in der Beziehung nichts zufällig. Alles war genau geplant und vollkommen beabsichtigt. Dem entsprechend gut war die Nacht gewesen. So sanft aber bestimmt.

Der Psychologe seufzte in den Kuss hinein, legte seine Arme um den Russen und drückte dessen noch immer nackte Brust an seine, genoss das Gefühl von warmer Haut auf warmer Haut.

Zögernd führte er seine Hände über Nukas muskulösen Rücken mit der zarten Haut, den starken Schulterblättern und den flachen, sanft ineinander fließenden Muskeln. Zart fuhr er die Wirbelsäule mit einem Finger nach und spürte, wie Nukas Haut von einer Gänsehaut überzogen wurde.

Das Quietschen einer Tür ließ Andrew erstarren.

"Oh Mann! Das hätte ich wissen müssen! Wenn ihr euch nicht streitet, knutscht ihr herum! Himmel!"

Nuka unterbrach den Kuss, fuhr hoch und schickte Rob, der sie angrinste, mit einer einzelnen herrischen Handbewegung aus dem Raum.

Rob verzog sich wirklich, aber rief ihnen noch zu, dass es Frühstück gab.

Eine verlegene Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Andrew war es sehr unangenehm. Rob hatte gesehen, wie...

Nein. Der Gedanke war zu schrecklich.

/Was denkt er nur jetzt von mir?! Ob er damit umgehen kann?! Vielleicht belastet ihn das ja?! Er wusste es zwar schon vorher von Ron, aber es ist doch etwas anderes, wenn er es genau vor sich sieht! Das war das erste Mal, dass er gesehen hat, wie ich einen Mann küsse! Oh Gott...Aber vielleicht.../

"Tut mir Leid. Das hätte er nicht sehen sollen."

Andrew schüttelte den Kopf und bedachte Nuka mit einem sanften Lächeln.

"Nein, ist schon gut. Ich werde wohl später mit ihm darüber reden...Aber...vielleicht...bereitet ihm das doch nicht so viele Probleme...Er ist ja trotz...trotz allem sehr robust in dieser Hinsicht..."

"Ich könnte ja auch mit ihm reden. So von Familienmitglied zu Familienmitglied?"

"Nein, das möchte ich nicht. Verstehe das bitte."

Nuka nickte und strich ihm mit einer Hand über die Wange. Sofort breitete sich ein Lächeln auf Andrews Zügen aus. Er lehnte sich gegen die Hand und schloss die Augen.

Es war ein recht ungewohntes, aber schönes Gefühl, sich einmal so fallen zu lassen. Normal schloss er nie die Augen in Anwesenheit eines ,Fremden'.

/Aber Nuka ist mir nicht mehr fremd. Er ist jetzt mein Vertrauter...mit dem ich mich geküsst habe...mit dem ich die Nacht verbracht habe.../

"Worüber grübelst du nach? Wie es weitergehen soll?"

"Nein, was für eine Beziehung zwischen uns beiden besteht."

"Ich hoffe eine gute!"

Nuka grinste ihn zwinkernd an und Andrew musste lächeln.

"Ja, eine gute ganz bestimmt...Vor allem haben wir eine vertraute Beziehung, eine angenehme...Jedoch weiß ich nicht, was..."

"Du musst nichts für mich empfinden. Ich weiß, dass sich so etwas langsam aufbaut. Du musst dir alles klar machen, lass dir Zeit und genieße diese."

Andrew nickte und lehnte sich leicht gegen Nukas Schulter.

"Drew! Nuka! Kommt jetzt essen!"

Nuka lachte leise. Er erhob sich, zog Andrew auf die Beine und küsste ihn wieder sanft und kurz.

"Ich glaube dein ,Sohn' hat das Frühstück fertig und verlangt Huldigung dafür!"

Andrew lächelte über Nukas Bezeichnung. Es war erstaunlich. Nuka schien zu wissen, was Andrew in seinem Bruder sah.

Zusammen -Andrew behielt einfach die Decke um sich- verließen sie das Schlafzimmer und setzten sich an den gedeckten Tisch.
 

Andrew trommelte nervös mit den Fingern auf seinen Schenkeln. Die Augenbinde, die ihm Rob umgebunden hatte, beunruhigte ihn ein wenig.

"Wie lange dauert es noch?"

Jonas neben ihm lachte auf.

"Du kannst es ja kaum noch erwarten!"

"Ähm...ja..."

"Du kannst auch die Augenbinde abnehmen, wenn du willst, Drew...Ich weiß ja nicht..."

"Was erzählst du für einen Unsinn?! Wenn er alles sieht, dann ist die Überraschung ja vollkommen kaputt! Du lässt das Tuch drauf, Andrew!"

Andrew schluckte. Rob wusste, dass er sich mit zu gezwungenen Augen unwohl fühlte. Er war ihm dankbar für den Versuch, aber er wollte die Überraschung auch nicht verderben. Weder sich, noch Rob oder Jonas.

Er begann sich aber auch langsam immer unwohler zu fühlen. Er war schon einmal mit Augenbinde und ohne zu wissen, wohin es ging, mit dem Auto gefahren. Er hoffte niemand würde das Wort ,Entführung' in den Mund nehmen, selbst wenn es nur im Scherz war. Es würde das Fass der Erinnerungen zum Überlaufen bringen. Dann müsste er wohl eine Panikattacke zurückdrängen.

/Vergiss das. Dein Bruder würde dich doch nicht entführen! Was soll ihm das bringen?! Außerdem ist Nuka dabei!/

Der Psychologe stockte. Seine Hände legten sich ruhig um seine Knie.

/Außerdem ist Nuka dabei?! Mir kann nichts passieren, weil Nuka dabei ist?! Er sitzt hinter mir...ab und zu streicht er mir unauffällig mit den Finger über meinen Nacken...angenehmes Gefühl...da! Schon wieder...Hmm.../

Andrew lehnte sich zurück und genoss die kraulenden Finger, die durch seine Nackenhaare fuhren.

Das Auto wurde fühlbar langsamer, hielt ruckelnd an.

"Wir sind da!"

"Warte, Andrew! Ich helfe dir beim Aussteigen!"

Er hörte, wie Nuka hinter ihm ausstieg, die Tür hinter sich zu schlug und seine öffnete. Eine warme Hand legte sich auf seinen Oberarm.

"Füße raus!"

Andrew hob die Beine an und stellte sie auf den Bürgersteig, dann beugte er sich vor und erhob sich langsam. Die Hand zog ihn noch gleichzeitig hoch, stoppte ihn, als er richtig stand.

"War doch gar nicht so schwer! Jetzt führe ich dich rein!"

"Hey! Das wollte ich doch machen! Mensch, Nuka! Du hast dein eigenes Geschenk!"

Nuka lachte nur, ignorierte wohl Robs Genörgel.

Andrew konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Es war sicher, dass Nuka auf ihn achten würde. Er hatte nichts zu befürchten.

"Ist doch egal! Lass ihn doch!"

/Das war Jonas...und ich dachte immer, er wäre eifersüchtig auf mich...und jetzt unterstützt er, dass Nuka sich um mich kümmert?! Komisch...Vielleicht hab ich ihn ja doch auch nur falsch eingeschätzt...?!/

Nuka führte ihn ein Stück, hielt eine Hand auf seiner Schulter. Ein angenehme Wärme ging von der Hand aus und er merkte jetzt erst, dass es heute kühl war. Er hätte sich vielleicht eine Jacke mitnehmen sollen. Wer weiß, wie lange sie an diesem Ort bleiben würden.

"Vorsicht! Stufe!"

Andrew reagierte zu langsam. Er stieß mit dem Fuß gegen etwas Hartes, stolperte und verlor das Gleichgewicht. Er fiel vorne über und diesmal fing Nuka ihn nicht auf, wie er es schon einmal getan hatte.

Verdutzt lag er da. Er war nicht so hart gefallen. Seine Finger fuhren über flauschigen Stoff. Ein Teppich hatte seinen Sturz gedämpft.

Leises Lachen erscholl und er musste feststellen, dass die anderen ihn auslachten.

Aber er konnte ihnen nicht böse sein. Er musste sogar selbst schmunzeln. Er wollte gar nicht wissen, wie dumm er jetzt aussah!

"Komm, du Tölpel! Ich helfe dir hoch!"

Jemand zog ihn an den Armen wieder hoch und ergriff ihn an der Taille, damit er nicht noch einmal umfiel.

Die Finger schoben sich sofort unter den Stoff seines Pullovers und ließen ihn sacht lächeln. Nuka. Ganz eindeutig.

"Wie weit müssen wir rein, Rob?! Ich hoffe ich muss ihn nicht auch noch eine Treppe hochführen?"

"Wir müssen noch ein wenig gehen, aber keine Sorge, keine Treppen. Vorsicht, Drew! Eine Tür!"

Andrew runzelte die Stirn und ließ sich langsam durch die Tür führen.

Die Geräusche, die ihm dann entgegen kamen, waren überraschend. Ein lautes Murmeln und Geschnatter umgab ihn. Gespräche und Schritte. Leise Musik im Hintergrund. Das Rascheln von Stoff und das Klimpern von Metall auf Metall.

"Ähm...Das...das ist...ein Kaufhaus?!"

"Mensch, Drew! Du hast die ganze Überraschung kaputtgemacht!"

Andrew lächelte nur, schüttelte den Kopf.

"Ist doch egal...Ich weiß ja trotzdem nicht, was ihr hier mit mir wollt."

Jemand ergriff seine linke Hand. Das war Rob, das spürte er.

"Na, dann ist ja gut! Komm weiter!"

Er wurde wieder weiter gezogen.

Ein Seufzen entkam seinen Lippen und ein leichtes Lächeln legte sich auf sein Gesicht.

"Kommt weiter! Wir sollten nicht unnötig Zeit verschwenden. Vergiss nicht, Rob! Wir haben noch einen wichtigen Termin!"

Andrew wurde augenblicklich weiter gezogen.

Nach einigen Minuten voller Stolperfallen blieben sie endlich stehen und Rob fummelte an dem Knoten der Augenbinde herum. Langsam wurde Andrew nervös.

/Was ist, wenn er sie nicht mehr runterkriegt?! Ich mag diese Dunkelheit nicht!!! Ganz und gar nicht!! Rob! Mach schon!/

Ein entnervtes Stöhnen hinter ihm ließ ihn leicht zusammen zucken. Rob bekam das Tuch wirklich nicht mehr gelöst!! Panik breitete sich in ihm aus. Er wusste selbst nicht, woher sie kam. Aber plötzlich schwappte sie über ihm zusammen. Das geblümte Muster, dass er bis jetzt vor seinen Augen gehabt hatte, verschwamm und flackerte abwechselnd vor seinen Augen. Sein Atem beschleunigte sich und er krampfte seine Hände zu Fäusten zusammen, spürte sofort den Angstschweiß, der seine Handflächen feucht und glitschig werden ließ. Mit einem Mal schien er keine Luft mehr zu bekommen. Er schnappte erschrocken nach Luft, benahm sich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Er fühlte sogar schon, wie ihn das Zittern überkam, dass ihn immer auf seine Ohnmacht vorbereitete.

/Nein! Nicht hier!! Nicht vor Nuka!! Nicht, wo all die vielen Leute da sind!!! Keine Gaffer!!/

"Mensch, Rob! Was machst du denn da für ein Stuss? Du ziehst es ja noch mehr zu als, dass du die Binde aufmachst! Komm her, du Trottelchen! Lass den Meister der Fesselspiele dran."

Nukas Gesprochene sickerte durch seinen Kopf, füllte ihn aus.

Er verstand trotzdem kein Wort.

Jemand strich durch seine Haare und ein kurzes Ziehen an dem Tuch, holte ihn wieder halbwegs in die Wirklichkeit zurück. Das Tuch lockerte sich.

"So! Da ist deine Überraschung!"

Das Tuch glitt herunter. Andrew atmete erleichtert und schnell ein, versuchte die Panik wieder unter Kontrolle zu bringen.

Als er die Augen öffnete, musste er sich erst einmal verwirrt umsehen.

/Wo...Wo bin ich denn jetzt hier gelandet?!/

Rob sah ihn grinsend von der Seite an.

"Na? Überrascht?!"

Das Lächeln erlosch, machte Sorge platz.

"Du bist so blass. Was ist los? Fühlst du dich nicht gut?"

"N...Nein, nein! Schon gut. Die Augenbinde war nur so eng, muss mir wohl das Blut aus dem Kopf getrieben haben."

Rob runzelte leicht die Stirn, schien etwas fragen zu wollen, verstand dann aber anscheinend. Er wusste genau, dass Andrew eine Panikattacke hatte.

"Ach so...Na dann!"

Jonas klopfte ihn auf den Rücken -das ließ ihn zusammenzucken- und trat an seine andere Seite.

"Was sagst du denn jetzt?!"

Andrew wollte gerade fragen, worauf er etwas sagen sollte, als er sah, dass vor ihm Kleiderständer mit Bügeln standen und Poster an den Wänden hingen, Kleidung auf Regalen lag.

Die Abteilung für Männerbekleidung in ihrem Lieblingskaufhaus.

"Aber...Was soll das denn?! Ich brauche keine neuen Sachen!"

Jonas schüttelte grinsend den Kopf.

"Doch, brauchst du! Diese ganzen Hemden und langweiligen Anzughosen sind einfach nicht mehr ertragbar! Himmel! Du bist 27! Zieh dich auch mal so an!"

Unsicher sah er Jonas an, der ihm so eben dieses tolle Kompliment gemacht hatte.

"Meine Sachen sind langweilig?! Was soll das denn heißen?! Wie kann Kleidung langweilig sein?! Es sind nur Anziehsachen!"

Rob drohte ihm mit dem Finger.

"Das ist mal wieder typisch! Du hast von nichts eine Ahnung! Klamotten sind nicht _nur_ Anziehsachen! Die sagen viel über deinen Charakter aus! Nachher glauben die Leute noch, du seiest ein blöder, versnobter Bürohengst!"

Andrew zuckte erschrocken zusammen, als er Nukas warmen Atem in seinem Nacken spürte.

"Und du willst doch nicht, dass die Leute so etwas über dich denken oder?!"

Verstört blickte er hinter sich und begegnete Nukas Grinsen.

"Aber..."

"Ach, komm schon, Drew! Gib dir'n Ruck!"

Andrew senkte den Blick und seufzte geschlagen.
 

"Hey! Wie wär's mit dem T-Shirt?! Das ist doch super!"

Andrew blickte genervt auf und hob die Augenbraue, als er das Teil sah, das Rob ihm entgegen hielt.

"Es ist grün, Rob."

Rob sah ihn strahlend an.

"Aber das mach doch nichts! Grün ist so eine schöne Farbe! Außerdem ist da so ein süßes Motiv drauf abgebildet!"

"Rob. Es ist grün."

"Na, wenn schon! Der Stoff ist gut, das Preisleistungsverhältnis stimmt und außerdem hat es genau deine Größe! Halt mal an, dann können wir sehen, ob es in etwa passt!"

Andrew platzte der Kragen.

"Rob...Es ist KNATSCHGRÜN UND MIT EINER VERDAMMT HÄSSLICHEN ENTE DRAUF!!!"

Rob zuckte zusammen und schaute überrascht zu Andrew, der ihn mit gerötetem Gesicht anblickte. Man sah dem Psychologen an, dass er gleich wirklich die Nerven verlor. Und das kam wirklich selten vor.

Nuka und Jonas, die bis jetzt ein paar Ständer weiter nach geeigneten Jeans gesucht hatten, beobachteten die kleine Szene und grinsten sich breit an.

Nuka fand es besonders witzig.

/Wenn er gleich anfängt mit Sachen nach Rob zu werfen, steht der Kleine ungefähr mit mir auf einer Stufe!/

Andrew fuhr sich aufgebracht mit den Händen durch die Haare und versuchte wieder Herr der Situation zu werden.

"Aber, Andrew! Das T-Shirt ist doch so süß!"

"Nein! Ich finde es grauenvoll! Du kannst mich überhaupt nicht zwingen es anzuziehen!! Arrgh! Rob! Hör auf mich mit diesen Bambiaugen anzusehen! Das ist ja schrecklich! Hör doch auf damit!"

Rob zog die Unterlippe vor und schniefte extra laut. Nuka konnte sich gerade noch zurückhalten nicht in Gelächter auszubrechen. Er wollte diese Szene genießen!

Aber leider hatte er nicht das Glück, dass Jonas sehr viel Selbstbeherrschung besaß. Der fing nämlich laut an zu kichern und loszuprusten, musste sich an den Kleiderständern festhalten um nicht vor Lachen umzukippen.

Andrew fuhr entsetzt zu ihnen herum und schien zu begreifen, dass man sie genau beobachtet hatte.

Eine tiefe Röte breitete sich auf seinem Gesicht aus und Nuka schmolz förmlich dahin, als er sah, wie Andrew mit sich zu ringen schien, was er jetzt tun sollte, wie unsicher er mit den Augen herumfuhr und nach einer Lösung suchte.

"Jonas! Sei doch ruhig!! Du...Du bist gemein! Das ist nicht komisch! Ach, Mensch!"

Jonas ignorierte Andrews Gestammel und lachte einfach weiter.

Schnell trat Andrew vor, packte Nuka am Arm und zog ihn hinter sich her in eine Umkleidekabine.

/Huh?! Was ist denn jetzt los?!/

Verwundert stand er seinem Psychologen gegenüber, der ihn leicht aufgebracht ansah.

"Sag mal, findest du das auch witzig?! Ich weiß nicht, was ihr alle habt! So etwas macht Rob jedes Mal, wenn wir einkaufen gehen! Dieser komische bittende Blick! Das ist nervtötend!"

Ein sanftes Lächeln breitete sich auf Nukas Gesicht aus und er legte Andrew vorsichtig die Arme um die Taille.

"Reg dich doch nicht so auf, Darling! Es hörte sich einfach komisch an!"

Andrew lächelte sachte zurück legte sein Gesicht leicht an Nukas Brust. Nuka war ein wenig verwirrt, freute sich aber darüber.

"Es hat Spaß gemacht."

"Was hat Spaß gemacht?"

"Das gerade eben."

Nuka runzelte verwirrt die Stirn. Jetzt blickte er überhaupt nicht mehr durch.

Andrew blickte lächelnd zu ihm auf. Der freudige, ja fast strahlende Ausdruck in den Augen seines Lieblings, ließ Nuka einatmen.

/Gott, ist er schön!/

"Das Aufregen. Das ich mal gebrüllt habe, hat Spaß gemacht. Ich war wütend und habe es einfach gezeigt. Das tue ich nie. Ich unterdrücke die Wut einfach. Das war..."

"Ungewohnt?!"

"Ja...und aufregend, elektrisierend...Ich weiß auch nicht..."

"Aber du hast mich doch auch schon oft angebrüllt."

"Ja...aber da ging es um etwas Wichtiges...Das gerade war unsinnig. Ich...Ich habe mich über etwas Unsinniges aufgeregt! Es war so befreiend das Gefühl..."

Nuka vergrub seine Nase in Andrews Haaren und umarmte ihn fester.

"Ich freue mich für dich...Du lernst langsam, dass es Spaß macht, seine Gefühle zu zeigen. Das ist schön. Ich freue mich für dich."

Andrew schmiegte sich an ihn, vergrub seine Finger in den Stoff seines T-Shirts.

"Danke. Das habe ich alles dir zu verdanken...Ohne dich und deine Worte hätte ich so etwas nie getan...Ich glaube...Wenn ich dich nicht kennen gelernt hätte, dann hätte ich mich wohl gestern, an meinem Geburtstag umgebracht..."

Nuka stockte.

"Was?! Warum solltest du...?"

Seine Stimme erstarb. Fassungslos schob er Andrew von sich und versuchte ihm ins Gesicht zu sehen, was ihm nicht gelang, weil dieser den Kopf gesenkt hatte und verbissen seine Schuhe zu betrachten schien.

"Also...es stimmt schon...In den letzten Jahren war ich immer so depressiv an meinen Geburtstagen, dass ich schon öfter mit dem Gedanken gespielt habe...Ich...Es wurde halt von Jahr zu Jahr schlimmer und eigentlich hätte es dieses Jahr passieren können...Ich habe es schon am Anfang des Jahres gemerkt. Der ganze Stress, als ich angefangen habe zu arbeiten und die ganzen Patienten angenommen habe...Es..."

Andrew unterbrach sein Stottern und atmete tief ein. Nuka vergrub eine Hand in seinen Haaren und zerzauste ihm ganz sanft und versucht Trost spendend das Haar.

"Warum hast du nie etwas gesagt...? Warum hast du nie erzählt, dass es dir so schlecht geht?"

"W...Wann hätte ich das denn tun sollen? Und vor allem, wem hätte ich das sagen sollen?! Es war doch niemand da! Rob konnte ich es nicht erzählen! Er ist zu jung um zu erfahren, was mit mir passiert ist und mit mir los ist. Und sonst war ich vollkommen allein."

"Aber jetzt bin ich da."

Der Psychologe hob zögernd den Blick. Nuka war immer noch ein wenig aufgewühlt.

/Langsam will ich überhaupt nicht mehr wissen, was damals mit ihm passiert ist...Seine Vergangenheit macht mir Angst...Wie viel kann ein Mensch ertragen, bevor er vollkommen durchdreht?!/

"Nuka...du weißt...ich kann dir noch nicht alles erzählen...Die Erinnerungen tun weh und...ich weiß nicht, ob ich überhaupt irgendwann einmal ein Wort darüber verlauten lassen kann...Wohl eher nicht...Ich..."

"Schsch..."

Der Russe unterbrach Andrew mit einem sanften Kuss.

"Beruhige dich. Ich dränge dich zu nichts. Du bestimmst, wann und ob du mir etwas erzählst. Es ist vollkommen deine Entscheidung."

Andrew vergrub wieder sein Gesicht an seiner Brust.

"Ich habe aber so meine Probleme mit Entscheidungen..."

"Das ist egal. Lass dir Zeit."

Der braune Wuschelkopf bewegte sich so, dass es aussah, als würde er nicken.

/Gut...Das wäre jetzt schon einmal geklärt.../

"Sollen wir wieder zurück zu deinen Bruder gehen?"

Andrew trat einen halben Schritt zurück, hielt aber immer noch Zipfel von Nukas T-Shirt in den Händen. Er schien sich nicht von ihm lösen zu wollen.

"Nein, ich möchte...D...darf ich..."

"Was möchtest du?"

Ein unsicherer Blick streifte ihn. Andrew wirkte wieder so verdammt unsicher.

"Darf ich dich küssen?"

Von Umkleidekabinen, Pinkern und Tatoos

Von Umkleidekabinen, Pinkern und Tatoos
 

Meinem dumpfen Geräusch wurde sein Rücken gegen die Wand gestoßen. Dann erscholl noch einmal ein kurzes ,Rumps', als sich Andrew seinen Kopf an der Holzwand stieß, weil er ihn in den Nacken warf. Der leichte Schmerz brachte ihn wieder halbwegs in die Wirklichkeit zurück.

Er blinzelte, keuchte leise auf und spürte Nukas Lippen und heißen Atem an seinem Hals, genau an der Pulsader, in der sein Blut wild und schnell pochte.

Womit hatte das überhaupt angefangen?!

Hatten sie sich zuerst nicht harmlos, sanft und brav geküsst?!

Andrew wusste nicht mehr genau, wie sie so schnell so leidenschaftlich hatten werden können.

/Ja...leidenschaftlich beschreibt das alles schon ganz gut.../

Eine von Nukas Händen krallte sich in sein Hemd und zog es langsam aus der Hose, reizte ihn durch das Streifen des Stoffs auf seiner Haut.

"Nuka..."

Andrews Stimme war heiser, leise. Und das sollte sie eigentlich ganz und gar nicht sein!

Er versuchte verzweifelt die Erregung, die sich prickelnd leicht in ihm und bereits in tieferen Regionen ausbreitete, zu unterdrücken.

Etwas, was sich als Ding der Unmöglichkeit herausstellte, da Nukas warme, zarte Finger über die Haut seines Bauches strichen und ihm eine Gänsehaut bekommen ließen.

Nukas Lippen lösten sich von seinem Hals und widmeten sich wieder seinen Lippen. Er leckte ihm darüber, tauchte immer wieder kurz mit seiner Zunge in seine Mundhöhle ein und steigerte Andrews Vorfreude auf einen richten Kuss.

/Oh Gott! Tu doch endlich etwas!/

Doch Nuka tat sogar noch das Gegenteil, entfernte sich wieder von seinen Lippen und hörte auf ihn mit seinem Gewicht gegen die Wand zu pressen.

Andrew wimmerte leicht, vermisste Nukas Körperwärme und sah seinen Patienten flehend in die bereits vor Erregung blitzenden Augen.

"Wieso hörst du auf...?"

Andrews Wispern war fast nicht zu verstehen.

Hatte er irgendetwas falsch gemacht?! Hatte Nuka keine Lust mehr?!

"Erinnere dich daran, wo wir sind, Darling."

/Ach...stimmt ja.../

Langsam holte ihn die Erkenntnis ein, dass eine Umkleidekabine in einem Kaufhaus nicht unbedingt zu den geeignetsten Orten gehörten, wenn man leidenschaftlich werden wollte.

Ein enttäuschtes Seufzen kam ihm über die Lippen.

/Schade...es war gerade so schön.../

Nuka musste seine Enttäuschung bemerkt, denn er trat wieder mit einem Grinsen auf ihn zu und verwickelte ihn in einen zärtlichen Zungenkuss.

Zunächst sanft und zart, wurden sie schon wieder leidenschaftlich.

Andrew keuchte in den Kuss hinein, vergrub eine Hand in Nukas Haaren und die andere in sein T-Shirt. Nuka schob seine Hände unter Andrews Hintern und hob ihn an, so dass der Psychologe seine Beine um seine Hüften schlang, damit er nicht abrutschte.

Nuka löste kurz seinen Kuss und stöhnte heiser auf, als ihre Unterkörper sich gegeneinander pressten und sich leicht aneinander rieben.

"Ich weiß nicht, ob das so eine...so eine gute Idee ist..."

Andrew krallte seine Hand noch mehr in Nukas weiche, glatte Haare, ignorierte einfach Nukas Einwurf und rieb seine langsam größer werdende Erregung an Nukas. Er spürte wie sein Herz wieder ein Sprung schneller schlug.

"E...egal..."

Atemlos blickten sie sich in die Augen. Sie waren sich einig, dass es genau so war, wie Andrew es soeben keuchend hervorgebracht hatte.

Es war ihnen vollkommen egal, ob sich jemand über sie beschwerte, ob sie jemand aus Versehen erwischen würde oder ob diese Situation und Position unromantisch und unbequem war. Sie wollten einfach nur weitermachen.

Breit grinsend beugte sich Nuka wieder vor und verbiss sich mit einem Knurren in Andrews Hals, so dass dieser zischend Luft holte und genießend die Augen schloss. Dieses Gefühl...

"Du bist ja auf einmal so zügellos...Das gefällt mir, Darling..."

Andrew japste nach Luft und genoss das Gefühl regelrecht zwischen Nuka und der Wand in seinem Rücken eingezwängt zu sein, keine Fluchtmöglichkeit zu haben.

Als eine Hand sich an seinen Stoff bedeckten Schritt schob, bog er den Rücken durch und jaulte auf vor Lust und Vorfreude auf das, was noch kommen würde.

Der Vorhang wurde mit einem Ratschen aufgerissen und sie beide starrten erschrocken zur Seite in Robs bestürztes Gesicht.

"Habt ihr eigentlich schon mal auf die Uhr geguckt?! Wir sitzen hier schon seit fast 25 Minuten allein herum! Das könnt ihr auch zu Hause noch machen, verdammt! Am Besten nehme ich euch nicht als Vorbilder! Das ist ja grauenvoll! Mitten in einem Kaufhaus!! Arrgh! Womit hab ich das verdient?!"

Der Vorhang wurde wieder zugezogen und Andrew und Nuka standen wieder allein in der Umkleidekabine.
 

Nuka biss sich auf die Lippen.

"Scheiße...Schon wieder in Flagranti erwischt...Tut mir Leid...Ich...Ich weiß auch nicht, was..."

Entsetzt hielt Nuka inne. Andrew hatte seinen Kopf in seiner Halsbeuge vergraben. Sein Körper bebte unkontrolliert.

/Gott, nein! Weint er?!/

Entsetzt sah er auf Andrews Wuschelkopf herab und biss sich auf die Lippen.

/Nein! Ich bin Schuld, dass er weint! Scheiße!!!/

"An...Andrew?! Ich...es tut mir ehrlich Leid! Das wollte ich nicht!! Ehrlich! Ich..."

Lautes Gelächter erscholl.

Fassungslos starrte Nuka auf seinen Psychologen herab, der sich nicht mehr halten konnte vor Lachen und sich laut glucksend an ihm festkrallte.

"Hast...Hast du seinen Gesichtsausdruck gesehen?! Heftig!!!"

Andrew warf seinen Kopf in den Nacken, stieß ihn sich wieder an der Wand und lachte weiter bis ihm die Tränen in die Augen stiegen.

"Aber...Was..."

Vollkommen überrumpelt stand Nuka da und beobachtete Andrew mit weit aufgerissenen Augen und herunter gefallenen Kinnlade.

So ausgelassen lachend hatte er sein Gegenüber ja noch nie gesehen!

/Oh Gott, ist der süß! Diese Lachfältchen um die Augen! Dieses kleine Grübchen!/

Ob Nuka wollte oder nicht, er musste in das Lachen mit einstimmen.

Zusammen lachten sie, lösten sich wieder etwas voneinander und lehnten schließlich albern kichernd nebeneinander an der Wand.

"Wir sollten langsam wieder rausgehen...Sonst kriegt Rob noch einen Kollaps..."

Das war das einzige, was Nuka zwischen seinem Kichern herausbrachte.

"Und wieder so einen dämlichen Gesichtsausdruck!"

Wieder lachten sie, wankten dann aber prustend zum Vorhang und zu ihren zwei Begleitern zurück, die sie überrascht ansahen.

Andrew sah Rob an und fing an zu lachen, Nuka sah Andrew an und fing ebenfalls an zu lachen und so brauchten sie abermals zehn Minuten, bis sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatten.

"Ihr seit krank."

Jonas' einziger Kommentar.
 

"Das ist doch wohl nicht euer Ernst...?!"

Rob grinste ihn an.

"Klar, ist das unser Ernst!"

Andrew seufzte auf und schloss gespielt gequält seine Augen.

/Erst diese Jeans und T-Shirts, die ich mir kaufen lassen musste, und jetzt das...Warum?!/

Jonas lachte ihn an und zog ihn auf den Friseur zu, vor dem sie gerade eben gehalten hatten.

"Du brauchst einfach einen neuen Look! Komm! Etwas Abwechslung schadet dir nicht!"

"Na ok..."

/Abwechslung wollte ich ja schon immer mal haben.../

Abermals seufzte er und fuhr sich durch seine unordentlichen ,Zotteln'.

/Wann komm ich endlich nach Haus?!/

"Wir gehen schon rein! Komm schon, Drew!"

"Nicht ohne mich!"

Nuka schloss die Autotür ab und trat schnell an sie heran. Er hatte bis jetzt seine Sonnenbrille im Auto gesucht, die ihm während der Fahrt heruntergefallen war. Andrew hätte ihm gern beim Suchen geholfen, aber dieser hatte es ihm schlichtweg -mit der Begründung, ,er könnte sich ja einen Fingernagel dabei abbrechen'- verboten.

Er lächelte Andrew aufmunternd an und zog ihn an der Hand nach vorne in den Friseurladen.
 

"Wir haben einen Termin bei Ihnen."

Die Frau an der kleinen Theke blickte auf, als Jonas Stimme erscholl. Sofort legte sich ein Lächeln auf ihre Züge.

"Natürlich! Der junge Mann, der seinen Wuschelkopf verlieren soll, schon klar! Der Herr soll doch bitte schon mal den Gang nach ganz hinten folgen und sich da schon einmal auf einen freien Stuhl setzen. Ich werde ihm jemanden schicken."

Andrew wurde rot.

"Ihr habt erzählt, dass ich meinen ,Wuschelkopf' verlieren soll?! Und was ist, wenn er mir gefällt?!"

Rob schüttelte grinsend den Kopf.

"Andrew, deine Frisur -falls man das Frisur nennen kann- gefällt niemandem! Na ok! Außer Nuka!"

Andrew lief rot an und trat ohne ein weiteres Wort an ihnen vorbei in den Gang, in dem bereits an den Haaren anderer herumgeschnippelt wurde. Es roch nach verschiedenem Haarshampoo, Haarspray und irgendwie nach verbranntem Haar. Aber es war überraschenderweise eine angenehme Mischung.

Nuka unterhielt sich kurz mit der Frau am Empfang und folgte ihm dann schnellen Schrittes. Überrascht sah Andrew ihn an.

"Warum kommst du denn mit?!"

"Ach, ich lass mir gleich dabei auch noch einen neuen Haarschnitt verpassen! Ist Zeit für etwas Neues."

"Nein!"

Andrew schlug sich die Hand auf den Mund und setzte sich mit errötetem Gesicht auf einen der freien Stühle. Er hatte lauter ausgerufen, als er es vorgehabt hatte.

"Wie ,nein'?!"

"Na ja...mir...gefällt deine jetzige Frisur sehr gut...aber...du kannst dir natürlich eine neue Frisur machen lassen! Das ist ja egal!"

Nuka grinste wissend -etwas, was Andrew um den Verstand brachte- und beugte sich über den Braunhaarigen, sah ihm tief in die Augen.

"Wie du willst...Dann lasse ich die Haare so, wenn du sie so sehr magst...Ich lasse mir nur die Spitzen schneiden...Ok?!"

Andrew schluckte, erwiderte den durchdringenden Blick. Er blickte genau in Nukas wundervolle, tief grüne Augen und konnte sich einfach nicht abwenden. Dann jedoch glitt sein Blick nach unten, setzte sich an Nukas Lippen fest, die unglaublich weich und zart aussahen.

/Gott! Was _denkst_ du da, verdammt?!/

Bevor er sich auch nur in Gedanken wegen diesem Blick verfluchen konnte, spürte er Nukas Mund auf seinem. Sanft wurden seine Lippen liebkost, zwischen Zähne genommen, ganz sanft. Nuka löste sich von seiner Unterlippe und leckte über seine Mundwinkel. Andrew seufzte leise, öffnete dabei den Mund und ließ sich von Nuka in einen zärtlichen Kuss verwickeln.

"Oh oh oh! Was haben wir denn da?! So was in der Öffentlichkeit?! Wohl grade frisch verliebt, was?!"

Andrew zuckte erschrocken zurück und starrte auf den breit grinsenden, jungen Mann, der schamlos zurückstarrte.

Das Erste, weshalb er seinen Blick nicht lösen konnte, war, dass er vor Schrecken gelähmt war.

Das Zweite war die Tatsache, dass der Kerl knatschpink gefärbte Haare hatte, aus denen irgendwie blonde Strähnen heraus stachen. Eine Vergewaltigung für die Augen. Und wahrscheinlich auch für die Haare.

"Iiih! Was bist _du_ denn?!"

Nuka sah den Mann ungläubig an. Der daraufhin in Gelächter ausbrach, was Nuka und Andrew dazu brachte, sich verstört anzusehen.

Der Kerl war vollkommen irre!

"Ich bin der Kerl, der gleich in den Haaren dieses Schnuffels -da vor dir- herumwühlen darf! Hach! Wie ich mich darauf schon freue!"

Andrew runzelte die Stirn.

"A...aber...kriege ich keine...Ich dachte...Ich habe gedacht, hier arbeiten nur Frauen!"

Der Pinker -abgeleitet von Punker- lachte laut auf und schüttelte den Kopf, so dass seine Mähne nur so wild hin und her flog. Das tat er bestimmt extra.

"Nein! Was bist du süß! Noch nie was davon gehört, dass schwule Frisöre genau so gut arbeiten wie weibliche?! Na ja...natürlich auch nichtschwule Männer...aber egal! Stell dich nicht so an!"

Andrew wollte gerade sagen, dass er sich überhaupt nicht anstellte, wurde jedoch wieder von dem Kerl unterbrochen, der hinter ihn sprang und fröhlich durch seine Haare wuselte.

"Nein! Wie weich die sind! Herrlich!"

Andrew wurde bleich.

Nuka jedoch grinste ihn breit an.

"Na, da haben wir ja jemanden, der genauso verrückt nach deinen Haaren ist wie ich!"

Ein Zwinkern folgte dem.

Andrew brachte nur ein unzufriedenes Grummeln zu Stande.

Eine etwas pummelige Frau kam den Gang entlang und lächelte Nuka an.

"Und Sie wollen auch noch versorgt werden?"

Nukas Grinsen ließ mal wieder Schlimmes erwarten.

"Eigentlich versorgt Andrew mich schon, aber wenn Sie meine Haare meinen..."

Natürlich. Das war klar. Typisch.

Der pinke Kerl -immer noch mit den Fingern in Andrews Haaren- lachte schallend auf.

"Nein! Der ist ja göttlich! Maria! Schnell verpass ihm ne tolle Frisur!!"

Andrew versuchte gerade sich von seiner Schamattacke zu erholen und beobachtete belustigt, wie Nuka von der Frau in einen Nebenraum gezogen wurde.

"Ach, Schätzchen! Jetzt sind nur noch wir zwei allein da! Hach! Romantisch!"

Andrew warf dem Spiegelbild des Kerls einen verstörten Blick zu.

"Was?"

"Ach nichts! Oh! Du hast ja so tolle Haare! So weich und locker!"

Andrew hob eine Augenbraue und starrte den bunten Vogel hinter sich verwundert an.

"Wirklich?"

"Ja! Welches Shampoo benutzt du?!"

"Äh...keine Ahnung..."

"Na egal! Was willst du denn für eine Frisur?!"

Andrew überlegte und wollte gerade sagen, dass er nur die Spitzen schneiden sollte, als der Mann ihm zuvorkam.

"Darf ich einen Vorschlag machen?! Du bist so ein süßer Kerl! Da würde dir so eine Wuschelfrisur unglaublich stehen!"

"Äh..."

"Also das ist auch ganz einfach zu handhaben! Du musst die Haare nur nach oben föhnen und mit ein wenig Haarspray verstrubbeln und so! Das ist ganz einfach!"

"Na...ok...?"

"Soll ich dir die Haare blond färben?! Das gibt dem ganzen dann noch den letzten Schliff!"

Andrew blinzelte sein Spiegelbild an.

"Ähm...nein...Das ist keine so gute Idee...Ich mag meine Haarfarbe..."

"Ach, ok! Lassen wir das! Willst du mit Waschen und Föhnen oder nur abschnippeln?!"

"Mit Waschen und Föhnen bitte."

"Prima! Los geht's!"
 

"Was wird das, wenn es fertig ist?!"

Andrew sah von der Zeitung über Kindererziehung -das einzige vernünftige, was er in dem Stapel Zeitschriften vor sich gefunden hatte- und begegnete Nukas Blick, der grinsend und mit einer wieder gut sitzenden Frisur schräg hinter ihnen stand.

"Na ja...er..."

"Dein Schatz bekommt eine Struwelfrisur!"

"'Schatz'?! Wieso ,Schatz'?"

Der Frisör blickte verwirrt auf Andrew hinunter.

"Seid ihr nicht zusammen?!"

"Äh...nun..."

Nuka und Andrew sahen sich an.

"Na ja...ich weiß nicht..."

Der Lilamann runzelte die Stirn und sah Andrew anklagend an.

"Du musst doch wissen, ob ihr zusammen seid oder nicht!"

Andrew lief langsam rot an und warf Nuka einen Hilfe suchenden Blick zu. Doch der konnte seinen Blick nur genauso verwirrt erwidern.

Der Frisör seufzte auf.

"Na ok. Lassen wir das! Jedenfalls wirst du den Süßen nachher nicht mehr wieder erkennen!"

"Keine Sorge! Den erkenne ich unter Tausenden wieder!"

Andrew wurde prompt wieder rot. Er sah es im Spiegel. Außerdem konnte er die roten Flecken sehen, die sich in seinem Gesicht ausgebreitet hatten.

/Na toll...Jetzt hat Nuka wieder was zum Lachen!/

Doch der warf ihm nur ein Grinsen zu und lenkte seinen Blick auf seine nassen Haare, die der Frisör wieder schnitt.

"Er hat tolle Haare oder?!"

Der Frisör grinste auf Nukas Frage hin und wühlte durch Andrews Haar.

"Ja! So weich und so dicht! Das kann man richtig durchwühlen! Das habe ich ihm auch gesagt, er wollt's nicht glauben."

Nuka lachte leise.

Andrew beobachtete Nuka im Spiegel. Ein Lächeln breitete sich, ohne dass er etwas dagegen tun konnte, auf seinen Lippen aus.

/Er sieht glücklich aus.../

"Ich gehe wieder zu den anderen, ja?! Die wundern sich bestimmt schon, wie lange das noch dauert."

Andrew nickte Nukas Spiegelbild zu.

"Tu das. Ich hoffe es dauert nicht mehr zu lange."

Nuka gab ihm ein kleines Küsschen auf die Wange, zwinkerte ihm noch einmal zu und wandte sich dann um.
 

"Puh...War das teuer..."

Jonas blickte etwas frustriert in seinen Geldbeutel und besah sich dann Andrews neue Frisur. Er seufzte schwer.

"Na, wenigstens hat es sich gelohnt...Sieht süß aus..."

Andrew schüttelte nur lächelnd den Kopf und fuhr durch seine Haare. Es fühlte sich so ungewohnt an.

Vor allem war Nuka wirklich überrascht gewesen, als er ihn wiedergesehen hatte. Er fand, dass er mit der Frisur jünger und fröhlicher wirkte.

/Es ist mir egal, wie es aussieht...Es ist etwas Neues und das ist gut so.../

"Sollen wir noch ein Eis essen gehen? Ich lade euch ein."

Rob hob bei Andrews Vorschlag sofort den Kopf und strahlte ihn an.

"Das ist so lieb von dir! Kommt schnell! Ich kenne ein gutes Eiscafé hier in der Nähe!"

Andrew wurde am Arm gepackt und hinter Rob hergezogen. Andrew fing an zu zetern und Nuka und Jonas folgten ihnen laut prustend.

Der Pinker sah ihnen durchs Fenster nach.
 

Andrew ließ sich mit einem schweren Seufzen in die Kissen seines Bettes fallen und schloss sofort seine Augen. Er hörte Nuka leise durch das Zimmer gehen, musste lächeln bei dem Gedanken, dass sie gleich endlich Zeit zum Kuscheln hätten. Kein Jonas und vor allem kein Rob, der sie störte.

Natürlich wollte er dieses Mal _nur_ kuscheln, er war viel zu müde um auch nur irgendetwas anderes zu tun. Rob hatte sie nach der Eisdiele noch durch die gesamte Einkaufsstraße gescheucht.

Ein leises Klappern ließ ihn aufblicken. Nuka stand über seine Stereoanlage gebeugt und fummelte an den Knöpfen herum.

"Was tust du?"

"Wie geht das Ding an...? Ach! Da ist ja der Knopf!"

Mit einem breiten Lächeln wandte sich der Russe zu ihm um und zwinkerte ihm zu.

"Lehne dich zurück und lausche den Klängen dieses feinen Liedes, das ich dir mitgebracht habe!"

Andrew runzelte die Stirn.

"Was denn für ein Lied?"

Nuka fummelte noch kurz an den Knöpfen herum, bis er sich wieder zu ihm umdrehte und sich schließlich mit einem leisen Geräusch des Wohlgefallens neben ihn auf die weiche Matratze legte.

"Nur ein kleines, süßes, liebliches Lied...Ich dachte mir, es passt jetzt zu dieser Atmosphäre...Entspann dich..."

Andrew sah Nuka unsicher an. Doch seine Miene erhellte sich wieder, als er leise Gitarrenklänge aus den Lautsprechern hörte.

Eine sanfte, ruhige Männerstimme sang die ersten Zeilen.

,Never thought I'd say I'm sorry...Never thought I'd be the one to bring you down...'

Andrew lächelte leicht und drehte sich mit dem Gesicht zu Nuka um.

"Ein Liebeslied...?!"

Nuka grinste ihn an und hauchte ihm einen Kuss auf die Nasenspitze.

"Die CD habe ich von Rob. Da sind Lieder von irgendeinem Film, einer Komödie, drauf. Die sind zwar alle punkig, aber das Lied ist ruhig. Gefällt es dir? Ich dachte mir, das würde jetzt genau passen."

Andrew lachte leise und rückte näher an seinen Patienten heran, der ihn sofort in eine warme Umarmung zog.

"Du bist süß..."

Sie schwiegen für eine Weile, horchten dem ruhigen Lied.

Für Andrew war es eine vollkommen neue Erfahrung mit jemandem zusammen in stiller Zweisamkeit Liebesliedern zu lauschen. Aber nachdem das kurze Unwohlsein verflogen war und er sich entspannt hatte, gefiel es ihm sehr. Dieses ruhige Vertrauen, das sich im Zimmer ausgebreitet hatte.

Andrew schloss seine Augen und lächelte müde.

Er merkte, wie er langsam in den Schlaf abdriftete, ganz friedlich und sanft.

Der Refrain des Liedes, die sanfte Stimme, das nahm er irgendwie mit in seinen Schlaf. Die Stimme, die Worte trieben langsam und beruhigend in seinem Kopf.

'And I...Think I changed my ways...So all your words get noticed...Tomorrow's a brand new day...Tomorrow's a new day...'

War da nicht Nukas Stimme? Nukas Stimme, die leise mitschwang. Sang Nuka da gerade den Refrain? Ganz leise, so als wolle er ihn in den Schlaf singen, ganz leise...Tat er das gerade? Für ihn, Andrew?
 

"Ron...?"

Seine leise, unsichere Stimme hallte durch den dunklen Raum und unterbrach die angenehme Stille.

"Hmmm...?"

"Ich...Ich möchte etwas wissen..."

"Dann frag's mich doch..."

"Du...du könntest böse auf mich werden..."

Andrew zuckte ein wenig zusammen, als sich der warme Körper neben ihm bewegte.

"Nein, Andrew, das könnte ich nicht. Frag mich."

Eine Pause entstand. Andrew nahm sich ein Herz.

"...Liebst du mich?"

Eine Hand legte sich auf Andrews nackten Bauch.

"Warum willst du das wissen?"

"Du...du hast mit mir geschlafen...schon so oft...und..."

Die Hand begann beruhigen über seine Haut zu streicheln, da sich Andrews Stimme leicht verzweifelt anhörte.

"Kein Grund die Fassung zu verlieren, Andrew. Warum nimmst du an, ich würde dich lieben? Es schlafen Leute miteinander, die sich noch nicht einmal leiden können. Vater tut das auch."

Andrew zuckte bei den Worten zusammen und drehte sich ein wenig weg, versuchte der Hand zu entkommen. Er hasste es, wenn Ron das mit seinem Vater so direkt aussprach.

"Ja...ja...aber er...ich denke...er liebt mich auf seine eigene Weise...als Vater..."

Ron schnaubte neben ihm auf.

"Wenn du das so beschönigen willst..."

"Ja...will ich..."

"Du hast noch keine Ahnung vom Leben, Andrew. Mit deinen achtzehn Jahren kannst du das alles vielleicht noch verdrängen, aber bald siehst du ein, dass du dich die ganze Zeit über verarscht hast. Du bist so dumm, dass du glaubst..."

"Sei ruhig..."

Die Hand war von seinem Bauch verschwunden. Sie schwiegen sich sehr lange an.

Ron seufzte leise, drehte sich auf die Seite und konnte so die Konturen von Andrews noch so verdammt jungenhaftem Gesicht sehen.

"Wolltest du von mir nicht wissen, ob ich dich liebe?!"

Andrew zuckte zusammen und drehte dem jungen Mann augenblicklich seinen Rücken zu.

"Nein. Es war eine dumme Frage. Vergiss es."

"Meinetwegen..."

Andrew kannte bereits die Antwort auf seine Frage. So wie sich das eben angehört hatte...

Wieder schwiegen sie. Diesmal länger.

Andrew wartete, bis er das ruhige Atmen seines Nebenmannes hörte.

"Ich liebe dich..."

"Was?!"

Erschrocken richtete Andrew sich auf. Entsetzen lähmte ihn, trieb ihm das Blut aus dem Gesicht. Sein Herz raste. Ron hatte es gehört?! Er hatte nicht geschlafen?!

Panik.

"Eh...n...nichts!"

"Ich habe es schon verstanden, Andrew..."

Sie schwiegen wieder. Diesmal bis zum Morgen.

Andrew bekam kein Auge zu. Dabei hätte er den Schlaf für das, was ihn an dem Tag erwartete, gebraucht. Denn am nächsten Tag starb Ron.
 

Andrew erwachte mit einem leisen Seufzen und schlug seine Augen auf. Vollkommene Dunkelheit umhüllte ihn. Sein Traum kam ihm in den Sinn.

/Ron...Warum ausgerechnet jetzt?!/

Andrew war vollkommen verwirrt und erschöpft. Der Traum war anstrengend gewesen. Er erinnerte sich an den folgenden Tag. Totale Hölle.

Aber wo war er überhaupt?! Was hatte ihn geweckt?!

Verstört blickte er sich um. Etwas bewegte sich neben ihm. Ein Schatten. Entsetzen lähmte ihn. Er war wieder da! Er war diese Nacht wieder gekommen!

"Drew...? Hab ich dich aufgeweckt?!"

Eine Hand tastete über seine Schulter und fand schließlich nach einigem Suchen Andrews Wange.

Erleichterung ließ ihn aufatmen. Das war Nukas Hand und nun erkannte er die Stimme auch als Nukas.

"Du hast mich erschreckt..."

"Tut mir Leid, das wollte ich nicht."

"Was ist denn los? Warum bist du wach, es ist mitten in der Nacht."

"Ich wollte mir die Sachen ausziehen. Wir sind beide eingeschlafen, bevor einer von uns sich umziehen konnte. Vielleicht solltest du dir auch deinen Schlafanzug anziehen. Das ist bequemer."

Andrew kniff die Augen etwas zusammen und versuchte irgendetwas außer graue Schatten zu erkennen. Vergeblich.

"Du hast keinen Schlafanzug hier. Soll ich dir einen leihen, Nuka?"

"Ne, brauchst du nicht. Ich schlafe in den Boxershorts, wenn es dir nichts ausmacht."

"Ok."

Das Bettgestell quietschte ein wenig, als Nuka sich aufrichtete und sich auf die Kante setzte. Andrew versuchte etwas zu erkennen, zu sehen, was er da tat. Jedoch war das Licht zu schlecht.

"Was tust du?"

"T-Shirt ausziehen..."

Nukas Murmeln hörte sich gedämpft an. Er zog sich den Stoff wohl gerade über den Kopf.

Ein Seufzen erklang und danach hörte man, wie etwas auf den Boden fiel. Es schien schwer gewesen zu sein.

"Ach, Mist!"

"Was denn?"

Andrew richtete sich ebenfalls auf und fuhr mit der Hand über die Bettdecke. Er suchte nach Nuka.

"Ich wollte das T-Shirt in eine Ecke werfen und es hat etwas umgeworfen. Verdammt."

"Egal."

Andrews Fingerspitzen berührten warme Haut. Er fuhr Nukas Rücken hinauf.

"Soll ich dir einen Schlafanzug aus deinem Schrank suchen, Andrew? Dann musst du nicht aufstehen."

"Nein, lass nur. Ich schlafe auch in den Shorts."

Ein leises Lachen erscholl aus Nukas Richtung.

"Schade...keine Pyjamaparty..."

Andrew verzog seine Lippen zu einem Lächeln.

"Macht doch nichts, Nuka."

"Hast ja Recht...Sag mal, willst du dich gar nicht ausziehen?"

Andrew hörte das Klicken von Metall auf Metall. Nuka zog sich wohl den Gürtel aus.

"Hmm...Ich kann mich nicht ausziehen, wenn ich nichts sehe, Nuka...Mach doch bitte das Licht an."

Er kniff erschrocken die Augen zusammen, als auf einmal seine Nachttischlampe angeschaltet wurde. Das Licht biss im ersten Moment in seine Augen, doch er gewöhnte sich schnell daran. Nuka stand auf und suchte das T-Shirt, das er von sich geworfen hatte. Er hielt in einer Hand seinen Ledergürtel. Seine Hose war etwas hinunter gerutscht und hing praktisch auf seinen Hüften.

Er bückte sich, hob das Shirt und eine kleine Blechdose auf, in der Andrew Streichhölzer für den Fall eines Stromausfalls aufbewahrte und die wohl umgefallen war. Mit einem triumphalen Grinsen drehte er sich zu Andrew um und hängte das T-Shirt über den Stuhl, der in seinem Zimmer stand. Die Dose stellte er wieder auf den Nachttisch.

"Na, ist ja nichts kaputtgegangen!"

Andrews Blick löste sich von Nukas Grinsen und fuhr ein wenig unsicher über seinen Oberkörper. Den hatte er ja schon oft bewundern können. Aber in diesem schwachen, gedämpften Licht kam ihm Nuka noch anziehender vor, die Haut noch zarter und die Muskeln noch faszinierender. Sein Blick glitt weiter hinunter und er stoppte überrascht am Hosenbund. Auf der Haut war kurz über dem Knopf etwas Graues zu sehen.

"Was hast du denn da?"

Nuka folgte seinem Blick.

"Na, mein Tatoo."

Andrew runzelte die Stirn und robbte auf dem Bett etwas näher um mehr zu erkennen.

"Dein Tatoo?!"

"Ja. Kannst du ich nicht mehr daran erinnern?"

Andrew schüttelte den Kopf.

"Ich glaube, da habe ich nicht besonders drauf geachtet..."

Nuka grinste ihn an und zog sich die Hose aus, hängte sie neben sein T-Shirt. Er zog den Bund seiner schwarzen Boxershorts ein wenig weiter nach unten, so dass man einen kompletten Hai mit aufgerissenem Maul erkennen konnte. Er war genau zwischen Nukas Hüftknochen und wurde unten schon fast von einigen Haaren überdeckt.

"Kannst du dir vorstellen wie der Tätowierer aus der Wäsche geguckt hat, als ich ihm die Stelle gezeigt habe, an der ich das Ding haben wollte?!"

Andrew lächelte und löste seinen Blick von dem aufregenden Bild.

"Hat das wehgetan?"

"Das tätowieren selbst nicht besonders. Es war zu ertragen. Aber nachher hat es wehgetan, wenn man dagegen kam. Ich bin ein paar Wochen nur mit leichten Stoffhosen herumgelaufen, weil der Jeansstoff so gescheuert hat."

Andrew lachte leise und beobachtete, wie Nuka sich wieder neben ihn legte und sich mit einem Seufzen zudeckte.

Jetzt fiel ihm auch auf, dass er sich ja immer noch ausziehen wollte.

Mit einem leichten Rotschimmer öffnete er seine Hemdknöpfe und entledigte sich der Oberkörperbekleidung. Er hängte es an einen Pfosten des Bettes und stand auf um aus seiner Hose zu schlüpfen. Auch diese hängte er an den Bettpfosten.

"Netter Anblick..."

Andrew lief feuerrot an und machte, dass er so schnell wie möglich unter die Decke kam. Flucht vor Nukas heißen Blicken.

Jedoch begegnete ihm dort Nuka selbst.

Bevor der Russe nach ihm greifen konnte, war Andrew schon an den äußersten Rand gerutscht und hatte seine Augen zugekniffen. Flucht vor Nuka.

"Hmm...kriege ich keinen Gute-Nacht-Kuss?!"

"Äh..."

Der Stoff der Decke raschelte, als sich Nuka auf ihn zu bewegte.

"...Oder wenigstens ein wenig mit dem Teddy schmusen?!"

"Nuka...ähm..."

Lachen erscholl.

"Gott, bist du süß!"

Andrew blinzelte Nuka an, der kichernd neben ihm lag.

"Ich bin nicht süß!"

"Doch! Bist du! Komm her und lass dich knuffeln!"

Ohne dass Andrew wieder fliehen konnte, wurde er an Nukas warme, nackte Brust und in eine sanfte Umarmung gezogen.

"Na...so schlimm?"

Andrew schloss seufzend seine Augen und versuchte sich zu entspannen. Er legte seine Hände an Nukas Taille und gewöhnte sich an das Gefühl, so in Nukas Umarmung eingeschlossen zu sein. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht.

"Nein, nicht schlimm..."

"Geht doch...Soll ich das Licht wieder ausmachen?"

Andrew sah Nuka zweifelnd an.

/Soll ich so mit ihm liegen? In der Dunkelheit? Dann sehe ich nichts.../

"Wir können auch mit dem Licht schlafen. Es macht mir nichts aus. Wenn dich das beruhigt, dann..."

"Nein, nein! Mach es ruhig aus..."

Nuka lächelte ihn beruhigend an und wandte sich zur Lampe um. Andrew konnte im leichten Licht sehen, wie sich die Muskeln unter der Haut bewegten. Er musste schlucken.

/Himmel...beruhig dich doch mal! Das ist nur Nuka! Ja...er ist attraktiv, aber dafür musst du ihn doch nicht immer so anglubschen! Nimm dich zusammen!/

Das Licht verschwand plötzlich und Andrew blinzelte in die Dunkelheit. Nuka bewegte sich neben ihn und schlang wieder seine Arme um ihn.

"Sag Bescheid, wenn du das nicht mehr möchtest, Darling..."

Andrew erwiderte nichts. Er lag einige Momente ein wenig steif da. Doch dann wurde ihm sein unsinniges Verhalten klar.

Was konnte Nuka schon machen?! Er war Nuka! Der konnte keiner Fliege etwas zu Leide tun!

/Er saß wegen Vergewaltigung im Gefängnis!/

Andrew schüttelte den Kopf.

/Er ist unschuldig! Er wurde freigesprochen und hat eine Endschädigung bekommen! Das ist Unsinn!/

Seine Gedanken beruhigten ihn und er traute sich nach einigen Augenblicken sogar sich an Nukas breite Brust zu kuscheln.

"Na geht doch..."

Nukas Nuscheln ließ ihn lächeln.

Er war so ein lieber Kerl!

Andrew vergrub seine Nase in Nukas Halsbeuge und sog den angenehmen Geruch ein.

/Zimt...Gott, ich liebe diesen Duft!/

Langsam und mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen schlief Andrew ein.

Der zweite Brief

Der zweite Brief
 

Nuka wachte mit einem Mal auf. Verwirrt blinzelnd sah er sich um. Der Fernseher lief vor ihm. Er musste wohl am Morgen davor eingeschlafen sein.

/Wir haben jetzt schon 1 Uhr...Was hat mich überhaupt geweckt?!/

Das laute Klingeln des Telefons ließ ihn aufschrecken.

/Das war's.../

Er seufzte und erhob sich mit einem Ächzen.

Mit schweren, tapsigen Schritten ging er zum Telefon und hob ab.

"Sanatchev?!"

"Hier ist Rob!"

Nuka runzelte die Stirn. Rob flüsterte und hörte sich aufgeregt an. Das tat er eigentlich immer nur dann, wenn Andrew nicht wissen durfte, dass er telefonierte.

/Was ist denn jetzt schon wieder passiert?!/

"Hmm...? Was ist denn los, Robbie?"

"Irgendetwas stimmt nicht mit Drew! Da waren heute Morgen so zwei Briefe in der Post! Einer war für dich. Schon wieder in den falschen Briefkasten geschmissen."

"Ja, und?!"

"Na, wir kriegen nie Briefe! Ich wollte unseren gerade aufmachen, da hat Andrew ihn sich geschnappt und selbst gelesen. Ich hab ihn genau dabei beobachtet. Er hätte fast einen Panikanfall gekriegt. Glaub mir, ich weiß wie das bei ihm aussieht, das hat er oft! Nuka, ich mache mir richtig Sorgen! Er hat danach so getan, als wäre nichts! Aber da ist irgendwas! Er hat den Brief im Safe in seinem Zimmer eingeschlossen! Das macht er nie! Und dann hat er mich einfach gefragt, was ich essen will, und sich ans Frühstückmachen gesetzt! Ich hatte bis jetzt keine Gelegenheit dich anzurufen, er ist jetzt auf der Toilette."

Nuka hatte allem schweigend zugehört. Er machte sich ebenfalls Sorgen. Es war nicht Andrews Art Rob Sachen zu verschweigen oder gar irgendetwas wegzuschließen.

"Und was soll ich jetzt machen?! Soll ich runterkommen?!"

"Ja! Tu das! Und rede mit ihm! Bitte!"

"Rob? Mit wem telefonierst du da?"

Nuka konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Andrew hatte wohl etwas mitbekommen.

"Nichts, nichts! Ich bin jetzt fertig!"

Es wurde einfach aufgelegt.

Nuka seufzte und betrachtete den leise tutenden Hörer in seiner Hand. Langsam und nachdenklich legte er auf und fuhr sich durch die Haare.

/Andrew hat also einen Brief gekriegt und ihn danach weggesperrt...Was soll das wieder bedeuten...? ,Panikanfall'?! ,das hat er oft'?! Hab ich noch nie was von gemerkt!/

Kopfschüttelnd schlurfte er ins Badezimmer und kämmte sich kurz durch die Haare. Dann verließ er die Wohnung.
 

Rob öffnete ihm die Tür. Er sah nervös aus.

"Er redet nicht mit mir! Er weiß, dass ich dich angerufen habe und redet nicht mehr mit mir! Was soll ich machen?!"

Nuka seufzte und zerwuselte Robs Haare.

"Keine Sorge...Ich werde die Wogen wieder glätten. Wo ist er denn jetzt?"

"In seinem Zimmer...Er meinte gestern, er würde noch einen dritten Patienten annehmen und guckt sich jetzt verschiedene Akten an."

Nuka nickte und ging an Rob vorbei den Gang entlang. Zögernd trat er an Andrews Schlafzimmertür heran. Verwundert bemerkte er, dass sie geschlossen war. Andrew machte seine Tür nie zu! Sie war immer wenigstens angelehnt!

/Himmel! Was läuft hier ab?!/

Ein wenig beunruhigt klopfte er an das weiß gestrichene Holz.

"Komm rein, Nuka."

Nuka seufzte auf.

/Er hat es also schon geahnt.../

Zögerlich drückte er die Klinke hinunter und schob die Tür auf.

Andrew saß auf dem Stuhl vor dem Bett und war über verschiedene Akten gebeugt, die auf der Matratze lagen. Er blickte kurz auf. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.

"Na? Wie geht's dir?"

/Er benimmt sich normal..._Zu_ normal für meinen Geschmack.../

"Ganz gut...Und dir so?"

Er schloss hinter sich die Tür und ließ sich bewusst lässig auf die Bettkante sinken.

Andrew zuckte mit den Schultern.

"Kann nicht klagen."

"Prima."

Sie schwiegen sich an.

Andrew hatte seinen Blick wieder auf die Blätter gerichtet und Nuka betrachtete eingehend die weiße Zimmerdecke. Stille.

/Mist! Gespräch abgerissen! Wie soll ich nur auf den Brief zu sprechen kommen?! Am Besten...Am Besten bin ich direkt! Es bringt nichts um den heißen Brei herumzureden!/

"Und? Was Interessantes in der Post gehabt heute?"

"Ne. Nur Werbung und Rechnungen."

/Rechnungen?! Aber wegen Rechnungen regt er sich doch nicht so auf, dass er ,fast einen Panikanfall' kriegt! Er lügt schon wieder!/

"Hohe Rechungen?"

"Es geht. Ich kann es mir gerade noch leisten. Deshalb möchte ich auch einen neuen Patienten annehmen. Wir könnten wieder etwas mehr Geld vertragen..."

/Scheiße! Er geht nicht drauf ein! Na dann, Andrew, eben noch direkter!/

"Ich habe gehört, dass da auch ein netter Brief drin war...Einer für mich und einer für dich...Was stand denn so drin?"

Andrew zuckte zusammen. Er erstarrte vollkommen. Dennoch hörte sich seine Stimme weiter vollkommen normal an.

"Nichts Besonderes. Nur Werbung für so eine Fernsehsendung. Die wollten uns einladen."

Nuka verzog leicht wütend den Mund und erhob sich.

"Mensch! Jetzt hör auf zu lügen und erzähl mir was drin steht, verdammt!"

Andrew warf ihm einen erschrockenen, verstörten Blick zu. Er war laut geworden.

Nuka konnte es nicht leiden auf die Folter gespannt zu werden.

"N...nichts steht drin! Nichts Wichtiges!"

"Aha! Und warum verschließt du ihn dann?!"

"I...Ich...Nur so halt."

Nuka raufte sich das Haar und lief im Zimmer auf und ab. Langsam verlor er die Nerven. Irgendwie hatte er ein schlechtes Gefühl. Da war was faul. Sein Magen zog sich merklich zusammen, als er versuchte sich vorzustellen, warum Andrew sich so aufgeregt hatte.

"Gott! Bist du stur! Jetzt erzähl doch einfach was los ist!"

Andrew biss sich auf die Lippe, senkte den Blick und krallte seine Finger in den Stoff seines Hemdes.

Mit einem Mal kam er Nuka so verletzlich vor.

"Ich kann es dir nicht sagen..."

"Wieso nicht?! Wenn da ein Brief für mich dabei ist, dann musst du ihn mir geben! Dann geht mich das auch an! Also, wo ist mein Brief?!"

"Ich kann nicht! Er will ihn mir wegnehmen! Verdammt!"

Ein Beben ging durch Andrews Körper. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen und schluchzte auf.

Nuka erstarrte und stierte den braunhaarigen Wuschelkopf verwirrt an, der so plötzlich die Fassung verloren hatte. Die ruhige Maske, die der Psychologe sich aufgesetzt hatte, brach entzwei.

"Ich...Ich verstehe nicht. _Wer_ will dir _was_ wegnehmen?!"

Andrew brachte nur ein lautes Wimmern zu Stande.

Nuka ließ sich neben ihn auf die Knie nieder. Beruhigend strich er über Andrews Rücken. Jetzt war er wirklich besorgt! Was war nur passiert?!

"Sch...Beruhige dich, Darling..."

Andrew wand sich zu ihm um und schlang die Arme um seinen Hals, vergrub sein Gesicht in seiner Halsbeuge. Nur zögernd legte Nuka seine Arme um den zitternden Körper. Andrew so aufgelöst zu sehen, verwirrte ihn.

"Mein Vater...Er hat herausgefunden, wo ich bin...Rob...Er will mir Rob wegnehmen! Er hat sein Sorgerecht! Ich darf ihn gar nicht bei mir haben! Sie wollen uns trennen! Ich muss ihn wiedersehen! Ich werde wieder ganz alleine sein! Gott, ich bring mich um! Ich will nicht!"

Nuka schluckte. Entsetzt zog er Andrew vom Stuhl an seine Brust und auf seinen Schoß. Er lehnte sich an das Bettgestell und legte den Kopf in den Nacken. Die immer noch weiße Zimmerdecke grinste ihn scheinbar höhnisch an.

Er fand keine einzige Antwort auf diese Eröffnung. Sein Kopf war genauso blank wie die Decke. Er wollte sich gar nicht erst vorstellen, was es für Andrew bedeutete vielleicht das Wichtigste in seinem Leben zu verlieren.

"Scheiße..."
 

Andrew lachte hysterisch auf.

Nukas Worte waren immer so treffend.

Weinend und lachend gleichzeitig versuchte er sich an Nuka festzuklammern.

Alles Mögliche schoss ihm durch den Kopf.

/Ich könnte einfach abhauen! Rob und ich fliehen wieder! Das vorige Mal hat es doch auch geklappt! Das geht!/

Er schüttelte heftig den Kopf.

/Nein! Du Trottel! Es geht wieder schief! Du siehst es doch hier! Er hat dich wieder gefunden! Nach einem Jahr hat er dich wieder gefunden! Er kriegt dich! Trottel! Arschloch! Er kriegt dich!/

Andrew schluchzte auf. Er bekam wieder diese grauenvollen Kopfschmerzen.

/Was soll ich denn tun?! Niemand ist da! Niemand!/

Langsam schnürte ihm der ganze Druck die Kehle zu. Panik überflutete seine ganzen Gedanken, machte denken schier unmöglich. Alles verschwamm vor ihm. Lichter flackerten vor seinen zusammengepressten Augen. Er schnappte nach Luft und krallte sich in Nukas T-Shirt fest. Er atmete tief und zitternd ein, versuchte seinen Atem wieder zu beruhigen. Panikattacke!

/Du bist ganz allein! Du musst dich ihm stellen!/

/Er kriegt mich! Er nimmt ihn mir weg! Ich komme nicht gegen ihn an! Ich bin vollkommen machtlos gegen ihn!/

Andrew wimmerte auf und krümmte sich zusammen. Er begann zu zittern. Gleich würde es schwarz vor seinen Augen werden.

"Andrew! Beruhige dich wieder! Das ist kein Grund so durchzudrehen!"

Ein rüdes Rütteln an seiner Schulter holte ihn wieder zurück. Heftig blinzelnd sah er auf. Nukas Gesicht war verschwommen und flackernd vor ihm.

/Nuka! Nuka hilft mir! Das macht er bestimmt! Das tut er! Wenn ich nur.../

"Andrew, beruhige dich jetzt erst einmal. Wir reden da jetzt drüber. Du gibst mir meinen Brief."

Irgendetwas in Andrew brannte durch.

Andrew presste seine Lippen fast ein wenig hart auf Nukas und drängte seine Zunge in den vor Überraschung geöffneten Mund. Seine Hände fuhren unter Nukas T-shirt und über die warme Haut, die ihn dort erwartete. Während eine Hand weiter nach oben wanderte, öffnete die andere Nukas Hosenknopf und zog den Reißverschluss schnell hinunter.

Nuka stemmte sich mit einem Mal gegen ihn. Und zwar so plötzlich, dass Andrew nach hinten zu Boden kippte.

Verstört blieb er liegen und blinzelte zur Decke hinauf. Er fasste gar nicht, was gerade passiert war. Nuka beugte sich über ihn und sah ihn mit einem undeutbaren Blick an.

"Tu mir das bitte nicht noch einmal an, Andrew...Tu es nicht, wenn du es nicht ernst meinst..."

Andrew keuchte auf. Er fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht.

"Gott...Ich weiß auch nicht, was...tut mir Leid...das...das wollte ich nicht...ich..."

Nuka strich ihm sanft durch die Haare.

/Er ist immer so lieb! Ich hab ihn nicht verdient! Ich wollte gerade mit ihm schlafen, nur damit er bei mir bleibt! Ich wollte ihn ausnutzen! Scheiße!/

Andrew schluchzte auf.

Doch dann fasste er einen Entschluss. Er würde es auch alleine schaffen.

"Geh...Nuka, geh bitte und komm nie wieder...ich will nicht, dass du...verdammt..."

Andrew drückte seine Handflächen vor seine Augen, damit er bloß nicht aufsah und in Versuchung geriet in Nukas schöne, Trost spendende Augen zu sehen. Wieder brach ein Schluchzen aus ihm heraus. Warum lief es nie, wie er es wollte?! Was hatte er getan?!

"Du bist ein riesiger Idiot, Darling..."

Nuka zog die Hände von seinem Gesicht und hauchte ihm einen Kuss auf jedes zugepresste Augenlid.

"Ich werde jetzt mit Sicherheit nicht abhauen und dich allein lassen...Was für ein Mensch wäre ich dann?!"

/Ein gut erzogener Mensch, der das tut, um was ihn andere Leute bitten! Verdammte Scheiße!/

"Nuka...du bist hier der Idiot..."

Nuka lachte ihn an.

"Na, dann ist ja gut! Schließlich ist es besser selber ein Idiot zu sein, als sich in einen verliebt zu haben oder?!"

Andrew stockte und schob seine grauen Gedanken, kurz beiseite. Was hatte er da gehört?!

"Du hast dich in mich verliebt?!"

Nuka stockte, grinste dann ertappt und nickte.

"Tja...müsste eigentlich..."

Irgendetwas in Andrew machte ,Klick'. Nuka hatte sich in ihn verliebt?! Durfte er das überhaupt? Verwirrt biss er sich auf die Unterlippe und suchte nach einer Erwiderung, die möglichst neutral war. Er wollte sich alles später nüchtern ansehen und die Pro und Contras abwägen.

"Dann tust du mir Leid...Ich bin nicht zum Lieben da..."

Andrew richtete sich etwas auf und starrte starr vor sich Löcher in die Luft.

Liebe hatte ihm bis jetzt immer nur Ärger eingebracht. Genauso wie das Leben überhaupt. Vielleicht brachte das alles nichts...?

"Sag so etwas nicht, Darling..."

Nuka setzte sich hinter ihn und zog ihn an seine Brust. Mit einem Seufzen vergrub er sein Gesicht in Andrews Halsbeuge und umarmte ihn sanft.

"Du hörst dich so dumm an, wenn du so etwas sagst..."

Andrew lachte leise auf. Genoss aber die warmen Berührungen. Er lehnte sich sogar an Nukas Brust und atmete den zarten Zimtgeruch ein. Die Wärme war das einzige, das ihn vor der Panik bewarte. Ihm wurde klar, dass Nuka so wichtig für ihn war, wie ein Schwimmreifen für einen Ertrinkenden.

Jedoch kam ihm sein Problem wieder in den Sinn. Dabei wollte er es doch nicht mehr ansprechen...

"Das liegt daran, dass ich dumm bin! Welcher Trottel bringt es dazu, dass man ihm seinen Bruder wegnimmt?!"

"Man wird ihn dir nicht wegnehmen...Das schaffen sie nicht...Du...Ich weiß nicht, was in deiner Vergangenheit los war, aber du musst es ihnen sagen...Das hilft dir bestimmt gegen deinen Vater zu gewinnen."

Andrew schnaubte auf.

"Das Opfer ist immer der Täter."

"Quatsch! Hör auf so pessimistisch zu denken! Hör jetzt endlich mal auf überhaupt daran zu denken!"

Nuka legte seine Hände an seine Seiten und begann zu kitzeln. Er fand heraus, dass der Psychologe sehr kitzelig war. Natürlich war es unangebracht, aber es lenkte Andrew ab.

Dieser ließ es nämlich über sich ergehen und schloss danach ein wenig entspannter die Augen, als Nuka ihn warm mit seinen Armen umschlang. Langsam beruhigte er sich wieder. Außerdem wärmte Nuka ihn und ließ ihn sich beschützter fühlen.

"Ich muss es ihm sagen..."

"Was...wem...?!"

"Rob...Ich muss es Rob erzählen...die Sache mit dem Brief..."

"Fängst du schon wieder an..."

Andrew presste leicht verzweifelt seine Augen aufeinander.

"Ich muss wieder damit anfangen...Ich darf es nicht vor mir hinschieben. Das macht alles nur noch schlimmer..."

"Gut...Dann reden wir gleich..."

"Ich werde reden, du tust irgendetwas anderes."

"Ja ja...also dann redet ihr gleich. Aber erst einmal kuscheln wir. Das beruhigt."

Andrew seufzte auf und ließ sich von Nuka wie ein kleines Kind herumschaukeln. Und für ein paar Momente konnte er sich vollkommen entspannen. Leider aber auch nur für ein paar Momente, denn es klopfte an der Tür.

"Darf ich reinkommen?"

Andrew seufzte auf. Er nickte Nuka leicht zu.

"Du kannst reinkommen, Rob. Andrew muss mit dir reden."

Die Tür wurde leise aufgemacht. Rob steckte verstört und zögernd den Kopf durch die Türspalte.

"Komm rein, Rob..."

Andrew erhob sich. Er fuhr sich seufzend durch die Haare und setzte sich wieder auf den Stuhl. Mit einer müde aussehenden Geste deutete er auf das Bett.

"Setz dich...Nuka...würdest du im Wohnzimmer warten, bitte...?"

Nuka nickte leicht und erhob sich, schloss die Tür hinter sich.

/Na...Hoffentlich geht das gut.../
 

Nuka blickte auf, als es an der Tür klingelte. Er zögerte. Den Ton des Fernsehers, in dessen Kanälen er eben noch herumgezappt hatte, wurde ausgeschaltet.

"Ich mach auf!"

Nuka erhob sich langsam und horchte. Er hoffte, er hatte Andrew und Rob nicht gestört.

Es kam keine Antwort.

Dafür klingelte es aber wieder.

/Was für ein grauenvoller Klingelton.../

Der Russe durchquerte das Wohnzimmer und lugte durch den Spion der Tür. Stirnrunzelnd musterte er sein Gegenüber.

Ein Mann im mittleren Alter vielleicht jünger mit schwarzen, etwas lässig unordentlichen Haaren und in ebenso lässiger Jeans mit brauner Wildlederjacke.

/Den kenne ich ja gar nicht...Ich habe gedacht, ich kenne alle von Andrews Freunden...?/

Der Mann auf der anderen Seite der Tür runzelte die Stirn und blickte unschlüssig auf einen Zettel in seiner Hand hinab.

/Hmm...vielleicht ein Telegramm oder so was...Ich sollte aufmachen, vielleicht ist es wichtig./

Nuka öffnete die Tür und lächelte den Mann fragend an.

"Was kann ich für Sie tun?"

"Äh..."

/Sehr intelligente Antwort.../

"Wohnt hier nicht ein Andrew Bucker?"

"Doch, ich bin sein Freund. Was wollen Sie denn?"

Der Mann sah ihn verdutzt an, doch dann grinste er.

Nuka runzelte darauf die Stirn.

/Komischer Kauz.../

"Ich würde Andrew gerne sprechen. Wo ist er gerade?"

"Nun, er redet gerade mit seinem Bruder hinten in der Wohnung. Wenn Sie hier drinnen warten möchten, ich könnte ihn holen."

"Das wäre sehr nett."

Der Mann trat sich die Füße an der Fußmatte ab und trat lächelnd ein.

"Sie sagen, er redet mit seinem Bruder? Mit Ron?"

Nuka wollte gerade etwas erwidern, als ihm aufging, was der Mann gerade gesagt hatte. Er hatte ,Ron' gesagt, nicht ,Rob'.

"Nein, er redet mit Rob."

Nuka traf ein verwirrter Blick.

"Rob? Wo ist denn Ron?"

"Ron ist doch tot?!"

Nuka sprang erschrocken vor und ergriff den Mann am Arm, der so plötzlich vollkommen blass geworden war und gefährlich geschwankt hatte.

"Das kann nicht sein!"

"Was?! Setzen Sie sich erst einmal! Alles in Ordnung?"

"Nein! Nichts ist in Ordnung!"

Der Mann ließ sich zitternd auf einem der Sessel nieder und fuhr sich durch die Haare.

"Es ist rein gar nichts in Ordnung! Mein Name ist Damon, Damon Bucker. Ich bin Ron und Andrews Bruder."

Nuka brauchte einen Moment, bis er verstand, was der Mann da vor ihm gesagt hatte. Dann musste er schlucken.

/Er hat es nicht gewusst?!/

"Oh..."

Das war das Einzige, was er herausbrachte.

Damon atmete tief ein und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Er schien sich irgendwie schon wieder gefasst zu haben.

"Seit wann ist er tot? Woran ist er gestorben?"

"Ähm...Andrew hat mir erzählt, er wäre im Ausland an irgendeiner Krankheit gestorben. Ich weiß nicht, wann. Tut mir Leid, dass müssen Sie ihn gleich selbst fragen."

Damon nickte bedächtig.

"Ja...Das tue ich...Könnten Sie ihn denn...?"

Auf einmal hörte man lautes Gerumpel aus Andrews Zimmer. Ein lauter Schrei und kurz darauf das Knallen einer Tür.

Nuka sah erschrocken auf. Rob stürmte wutschnaubend am Wohnzimmer vorbei. Kurz darauf vernahm man wieder ein lautes Türeknallen.

Verwundert ließ er den fremden Mann da, wo er war, und trat an die Tür zum Flur um von einer Seite zur anderen zu blicken.

/Was ist denn jetzt bitte schön kaputt?!/

Andrews Schlafzimmertür wurde wieder geöffnet und Andrew eilte heraus. Nukas Blick blieb leicht geschockt an dem Handabdruck an dessen Wange hängen.

"Himmel! War das Rob?!"

Andrew lief einfach an ihm vorbei und hämmerte regelrecht panisch gegen die dünne Holztür.

"Rob! Komm da raus! Du..."

"Ich gehe nicht zurück! Ich will nicht! Ich bring mich um! Ich springe jetzt aus dem Fenster! Ich will nicht zu ihm zurück! Ich hasse ihn!"

Ein lautes, etwas schepperndes Klirren kam aus dem Zimmer. Glas war zerbrochen.

"Gott, Rob! Was tust du?!"

Nukas Augen weiteten sich. Er realisierte, was gerade passiert war.

/Er hat das Fenster.../

Mit einem Satz war er bei der Tür und klopfte ebenfalls laut dagegen.

"Rob! Hör mit dem Scheiß auf!"

"Halt deine Fresse, Nuka! Du hast keine Ahnung! Ich werd's nicht aushalten! Das Arschloch hat 6 Jahre aufzuholen! Wenn ich zu ihm komme, bin ich so gut wie tot! Ich geh da nicht allein und ausgeliefert, serviert wie auf einem Silbertablett hin! Da kann ich auch gleich aus dem Fenster springen!"

Andrews Finger krallten sich plötzlich mit unglaublicher Kraft in Nukas Arm. Er stöhnte auf vor Schmerz und drehte sich zu dem Psychologen um, der verzweifelt nach Luft schnappte und langsam auf die Knie sank. Seine Augen waren vollkommen verdreht und sein Gesicht so verzerrt, dass Nuka vor Entsetzen keinen einzigen richtigen Gedanken fassen konnte.

"Andrew! Gott verdammter Mist!"

Nuka ließ sich neben dem langsam bewusstlos werdenden braunhaarigen Wuschelkopf nieder und strich ihm besorgt die Haare aus dem Gesicht.

/Scheiße! So viel Chaos an einem Tag!/

Damon kam in den Gang. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er seinen Bruder auf dem Boden liegen sah.

"Ich gehe nicht mehr zu ihm zurück! Ihr könnt mich vom Asphalt abkratzen!"

Man hörte wieder ein Klirren und dann einen leisen Schmerzenslaut.

Damon reagierte schnell. Er nahm Anlauf und rammte mit der Schulter gegen die Tür. Das Holz splitterte und flog auf.

Damon fiel regelrecht ins Zimmer.

"Wer sind Sie?! Lassen Sie mich los!"

"Halt die Klappe! Ich lasse nicht zu, dass ich noch einen Bruder verliere! Hör auf zu zappeln, du Mistkröte!"

Der Schwarzhaarige zerrte den wild um sich schlagenden Rob aus dem Zimmer und an Nuka vorbei.

"Nuka! Wer ist der Irre! Lass mich los, verdammt!"

"Halt den Schnabel, verdammte Hacke!"

Rob trat Damon gegen sein Schienbein und riss sich los. Damon schrie gellend auf und sank sich das Bein haltend gegen die Wand.

Rob wollte gerade ins Wohnzimmer flüchten, wahrscheinlich um die Wohnung zu verlassen, stockte dann aber im Schritt, als er Andrews auf dem Boden liegen sah.

"Was hat er?! Ist er zusammengebrochen?!"

"Wonach sieht es denn aus, verdammt?!"

Nukas Zischen brachte Rob wieder zu Verstand. Er wurde ganz gefasst.

"Das ist eine Panikattacke. Du musst ihn ins Bett bringen."

Nuka knurrte auf und fasste Rob scharf ins Auge, während er sich aufrichtete und Andrew auf seine Arme hob.

"Das hast du ja mal wieder toll hingekriegt! Hast du dir überhaupt schon einmal überlegt, wie er sich fühlt?! Du musst jawohl am Besten wissen, wie leicht er sich aufregt!"

Sein wütender Blick wurde ruhig aber auch einsichtig erwidert.

"Tut mir Leid. Ich hab nicht daran gedacht...Ich muss gleich unbedingt noch einmal mit ihm reden...Ich muss mich entschuldigen..."

Nuka seufzte nickend und erhob sich. Er trat an den beiden vorbei und schob Andrews Schlafzimmertür auf.

/Gott...Diese Familie hat einen Knall!/
 

Andrew schlug zitternd die Augen auf. Das erste, was er sah, war Robs besorgtes Gesicht.

"Wie geht es dir?"

"Ich..."

Andrew fuhr sich mit der Zunge über seine trockenen Lippen um sie zu befeuchten. Es brachte nichts. Sein Mund war genauso trocken. Seine Kehle ebenfalls.

"Ich habe Durst..."

Sofort füllte ein Glas mit Wasser sein Blickfeld aus. Rob half ihm sich ein wenig aufzurichten und hielt ihm das kühle Glas an die Lippen. Er begann gierig zu trinken.

Und verschluckte sich auch prompt.

Sein Bruder seufzte, stellte das Glas auf den Nachttisch und klopfte ihm fürsorglich auf den Rücken.

"Du weißt doch, dass du nicht zu schnell trinken darfst. Manchmal frag ich mich echt, wer von uns beiden das Kind ist..."

"Ich frag mich schon die ganze Zeit, ob _du_ überhaupt schon den Kindergarten hinter dir hast, du Rotzlöffel! So ein Idiot..."

Andrew zuckte erschrocken zusammen und erblickte einen ihm vollkommen fremden Mann, der ihn etwas schief angrinste.

"Na? Wieder aufgewacht, Andrew?"

"K...Kenne ich Sie?!"

Der Schwarzhaarige lächelte leicht und ließ sich auf den Stuhl neben seinem Bett nieder. Er wirkte ein wenig geknickt.

"Klar kennst du mich...Du kennst mich seit ungefähr 26 Jahren, du Schluffi!"

Andrew stockte der Atem.

/Schluffi?! Das hat mich bisher nur einer genannt.../

"D...D...Damon!"

"A...A...Andrew!"

Andrew seufzte, als Damon ihn nachäffte, musste dann aber doch leicht grinsen.

"Es ist lange her..."

"Ja...um genau zu sein mehr als 23 Jahre...Du hast dich nicht sehr verändert."

"Du dagegen sehr..."

Damon nickte nur und grinste sein übliches Grinsen, seine Maske, die er schon damals getragen hatte.

"Du hast einen Brief von Georgie bekommen?!"

"Nenn ihn nicht so!"

Damon begann zu lachen und Andrew musste nach Luft schnappen und schlucken. Er hatte ihn regelrecht angegiftet. Die Angst vor seinem Vater war noch immer da und Andrew hatte sich noch nie mit Damons gleichgültiger Art anfreunden können. Jedoch musste er sich beherrschen. Er durfte nicht so überreagieren.

"Soll ich gehen? Ihr redet da so..."

"Ne, bleib ruhig hier, du Bandwurm."

"Beleidige ihn nicht immer, Damon!"

Damon runzelte die Stirn und sah ihn an. Andrew zog die Decke etwas enger heran. Es hatte ihn schon immer etwas beunruhigt, wenn der Schwarzhaarige ihn so durchdringend aus seinen dunklen, düsteren Augen angesehen hatte.

"Er ist mein Bruder. Ich darf das tun, Andrew."

/Gott! Seine Stimme ist so ruhig und selbstsicher!/

Andrew schluckte seine leichte Bewunderung hinunter und spürte wie Wut in ihm aufstieg. Wie konnte es dieser Kerl wagen...?!

"Er ist nicht dein Bruder! Er ist _mein_ Bruder, aber nicht deiner! Wenn du da gewesen wärst, als er geboren wurde, dann wäre er dein Bruder! Aber du hast uns ja einfach unserem Schicksal überlassen! Was meinst du, welche Sorgen wir uns um dich gemacht haben?!"

Damon schnaubte wütend auf. Er richtete sich merklich im Stuhl auf.

"Sorgen?! Ihr?! Ihr wart doch die, die sich einfach nicht mehr gemeldet haben! Ich habe ein halbes Jahr lang zig Briefe an euch geschickt und ihr habt nicht einen einzigen davon beantwortet!"

"Du lügst! Das..."

Andrew stockte und blinzelte. Langsam zählte er eins und zwei zusammen.

"Es war Vater...Er muss wohl...die Briefe..."

Damon schien sein plötzliches Gestammel zu verstehen.

"Ja...Das muss er wohl getan haben...Er wollte mich schon immer loswerden...Ich hatte schon so eine Ahnung, als er mich aufs Internat abgeschoben hat..."

Andrew nickte kaum merklich. Er schluckte die leichte Wut hinunter.

Doch da gab es noch eine Sache.

"Hast du etwas von Ron gehört?"

Damon seufzte und senkte den Blick. Er fuhr sich durch die Haare, die so lang geworden waren, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten.

"Er ist doch tot -das hat jedenfalls Nuka gesagt-, was sollte ich schon von ihm gehört haben?!"

Andrew schluckte schwer. Sein Blick strich von Damon zu Rob, der ihrem Gespräch bis jetzt interessiert gefolgt war, wieder zu Damon und dann auf die rote Decke, in dessen Stoff er seine Finger krallte.

Rob bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Auch Damon fasste ihn scharf ins Auge.

"Was ist los?! Hast du was zu sagen?"

Er atmete tief durch. Das Atmen fiel wieder schwerer, sein Herz begann wieder schneller zu pochen. Noch ein wenig mehr Stress, ein wenig mehr von Robs Gebrüll und er hing wohl gleich wieder im Land der Bewusstlosigkeit.

"Ron...Er ist nicht tot..."

"Was?!"

Andrew zuckte zusammen, als er Damons lauten Ausruf hörte.

"Was soll das hier?! Verarscht ihr mich?! Erst verliere ich fast den Verstand, weil dein ,Lover' -oder was immer der auch darstellen soll- mir noch halb im Flur erzählt, dass mein ältester Bruder Ron tot ist, dann habe ich hier das Geschrei von dieser Made zu ertragen und jetzt willst du mir verklickern, dass Ron doch nicht tot ist?!"

"Ich wünschte, er wäre tot!"

Andrew schlug entsetzt eine Hand vor seinen Mund. Er hatte das fast schon gebrüllt!

Damon sah ihn fassungslos und vollkommen perplex an.

"Wie...?! Ich verstehe nicht..."

"Er...hat mit mir geschlafen...wir waren zusammen...jedenfalls habe ich das geglaubt...Irgendwann habe ich ihm gesagt, dass ich ihn liebe und...am nächsten Tag ist er abgehauen...Er hat mich mit Vater allein gelassen...Vater wollte nicht, dass Rob erfährt, dass man sich einfach von ihm lösen kann...Deshalb musste ich ihm versprechen, dass ich die Geschichte von Rons Tod bestätige...Ich weiß nicht mehr, was wir Rob als Ausrede aufgetischt haben...Ich...Ich war damals so...verstört...Ich..."

"Du Arschloch! Du Mistkerl!"

Andrew zuckte entsetzt zurück, als Rob von der Bettkante aufsprang und ihn so plötzlich anschrie. Seine Stimme überschlug sich regelrecht.

"Du warst ,verstört'?! Weißt du, wie viele Wochen ich heulend im Bett gelegen habe?! Scheiße!"

Rob stürmte aus dem Zimmer und knallte die Tür laut hinter sich zu. Damon warf Andrew einen erschrockenen, schnellen Blick zu und folgte dem Jungen.

Der Braunhaarige starrte beiden ausdruckslos hinterher.

/Noch ein Mal...und ich bin so stumpf wie Vater...ob er auch so viele Probleme hatte und dann so kalt geworden ist...? Vielleicht liegt das wirklich in den Genen.../

Ruhig legte er sich zurück und bettete seinen Kopf auf einem der großen Kissen, die er so mochte und bequem fand.

Er war vollkommen ruhig, vollkommen entspannt. Bis Tränen sich in seinen Augen sammelten und schließlich langsam über seine Wange rannen. Laute Schluchzer brachen aus ihm heraus und er krümmte sich wie unter Schmerzen zusammen.

"Nein!"
 

Nuka steckte besorgt den Kopf durch die Tür, die Damon offen gelassen hatte. Der Russe hatte Robs zweiten Ausbruch auch mitbekommen. Aber er wusste diesmal nicht, worum es ging. Jedenfalls war es verdächtig leise in Andrews Zimmer.

"Drew? Darling?"

Entsetzt blickte er zum Bett. Andrew lag zusammengekrümmt da und zitterte unkontrolliert.

"Was ist los?! Was ist passiert?!"

"Ich hab es schon wieder getan!"

Nuka runzelte die Stirn. Er trat ins Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Langsam kam er auf das Bett zu und setzte sich auf die Bettkante. Vorsichtig legte er seine Arme um die bebenden Schultern und zog ihn an sich. Sofort fiel ihm die ungewöhnliche Wärme auf, die der Körper ausströmte. Zögernd hielt er eine Hand an Andrews Stirn.

"Du hast Fieber?!"

"Ja...hab ich immer nach Panikattacken...ich halt den Stress...einfach nicht aus...Das ist alles..."

Der Psychologe stammelte und sprach sehr leise. Nuka hatte Schwierigkeiten ihn zu verstehen.

Der Russe seufzte und vergrub sein Gesicht in Andrews Haaren.

"Du hast eben so etwas gesagt...Was hast du wieder getan?"

"Gelogen...Ich habe Rob, Damon und dich belogen..."

Nuka runzelte die Stirn.

"Ich verstehe nicht..."

"Ron...Ich habe dir erzählt, er wäre tot...ist er aber nicht...Er ist nur für mich gestorben..."

Der Russe musterte ihn lange, versuchte eine Regung außer Erschöpfung in Andrews Gesicht zu erkennen. Verwirrt dachte er nach.

"Warum hast du mir das so erzählt?"

"Ich...weiß nicht...Eigentlich hätte ich es erzählen können, nachdem wir Vater verlassen haben, aber...ich hatte wohl vor genau dieser Reaktion Angst..."

"Verständlich...Soll ich mit ihm...? Ach, nein. Das machst du mit Sicherheit gleich selbst..."

Andrew schüttelte den Kopf.

"Ich werde nicht mit ihm reden. Er wird mir jetzt nicht zuhören...Außerdem fühle ich mich noch nicht so gut...Alles dreht sich in meinem Kopf...Wenn ich mich jetzt noch mal so aufrege, kann man mich für die nächsten Tage vergessen. Ich könnte höchst wahrscheinlich nicht einmal eine Kaffeetasse halten, ohne dass ich etwas verschütte."

Tröstend fuhr Nuka durch Andrews Haare und legte sich neben den Psychologen bequem aufs Bett. Nachdenklich betrachtete er Andrews ihm zugewandten Rücken.

"Es hört sich so an, als hättest du mit solchen Panikanfällen schon viele Erfahrungen gemacht..."

Nuka sah nur ein angedeutetes Nicken.

Nun schwiegen sie sich an. Es war ein wenig angespannt. Irgendwie wusste niemand, was er sagen sollte.

Schließlich seufzte Andrew auf und wandte sich zu ihm um, so dass sie sich ins Gesicht sehen mussten. Sie blickten sich lange an.

Nuka betrachtete das blasse, krank aussehende Gesicht vor sich. Die großen Augen, die seinen Blick so verzweifelt erwiderten, die Tränenspuren, die über die Wangen führten, die zerwühlten Haare und die leicht zitternden Lippen.

"Nichts in meinem Leben läuft so, wie ich es plane..."

"Das tut es nie...Sieh dir mein Leben an...Meine Eltern sterben, ehe ich ihnen auch nur einen meiner Freunde vorstellen kann, ich werde für etwas angeklagt und eingesperrt, was ich nicht getan habe...Und ich treffe dich. Das war mit Sicherheit auch nicht geplant, aber unsere planlose Begegnung ist positiv, findest du nicht?"

Andrew sah ihm irgendwie ausdruckslos ins Gesicht. Ihm lief ein eisiger Schauder über den Rücken. Keine Regung.

Im nächsten Moment seufzte er erleichtert auf.

Ein fragendes Lächeln hatte sich auf Andrews Lippen gelegt.

"Du meinst, an allem kann man etwas Positives finden?"

Nuka nahm Andrews Gesicht in seine Hände und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Lippen.

"Ungefähr...ja...Zwischen all dem Schlechten gibt es auch etwas Gutes."

Der Braunhaarige seufzte und schüttelte leicht schmunzelnd den Kopf. Vorsichtig rutschte er näher an Nuka heran und schmiegte sich an ihn. Ihre Gesichter lagen sich genau gegenüber und sie mussten sich direkt in die Augen sehen. In Andrews Gesicht arbeitete es. Er musste wohl über etwas nachdenken und schien hin und her gerissen.

"Was ist, Darling?"

Auf Andrews Gesicht breitete sich ein zärtliches Lächeln aus.

"Du weißt immer ganz genau, was in mir vorgeht, nicht wahr?!"

Nuka zuckte die Schultern und lächelte zurück.

"Ich bin die Person, die dich am meisten liebt. Ich muss dich so gut kennen."

Andrew küsste ihn kurz. Ein leichter Rotschimmer hatte sich auf seinem Gesicht ausgebreitet. Nuka schloss entspannt die Augen und lauschte ihrem Atem, der sich vermischte, so dass es sich anhörte, als würde nur eine Person im Zimmer sein. Eine angenehme Vorstellung.

"Du siehst so zufrieden aus..."

Ein wenig überrumpelt blinzelte Nuka sein Gegenüber an.

"Na ja...ich...tut mir Leid, aber..."

"Muss Liebe schön sein, dass du den Ernst des Lebens vollkommen vergisst..."

Nuka schwieg. Andrew hatte sich wohl dafür entschieden ihm zu erzählen, was er wollte. Wenn er schon so anfing.

"Was willst du?...Soll ich ein todtrauriges Gesicht machen?! Ich liege hier zusammen mit dir...Ich kann nicht anders, tut mir Leid..."

Andrew schmunzelte und schüttelte den Kopf.

"Nein...ich will, dass ich genau so vergessen kann...Lenke mich ab...wenigstens für einige Zeit..."

"Was meinst du d...?"

Nukas Frage wurde unterbrochen. Andrew presste seine Lippen auf seine.

Nuka verstand.

Sofort schlang er seine Arme um Andrew und verwickelte den Wuschelkopf in einen zarten Zungenkuss.

/Ich werde mich zwar nachher dafür töten, aber wenn es ihm hilft.../

Lime...^.^

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Fammilientreffen

Fammilientreffen
 

Sie saßen schweigend da. Nur das Klirren des Geschirrs und Bestecks unterbrach ab und zu die Stille. Oder ein Gib mir mal die Butter, bitte.'. Es war alles ruhig.

Aber verdammt verkrampft.

Andrew und Damon saßen an der einen, Rob und Nuka an der anderen Seite des Frühstückstisches.

Andrews Blick war starr auf sein Spiegelei gerichtet. Irgendwie hatte er ein komisches Gefühl. Ihm war die ganze Sache irgendwie peinlich. Er wusste nicht, ob...

/Sie wissen es vielleicht...Rob hat eben so gegrinst, als wir zum Frühstück kamen...so ganz eindeutig...Sie haben uns bestimmt gehört...Mist.../

Er wusste nicht ganz, was er von der Situation halten sollte. Was hatten sie jetzt, Nuka und er? Waren sie zusammen? Aber...

/Was empfinde ich für ihn?!/

Andrew wusste nicht mehr, wie oft er sich das jetzt schon gefragt hatte. Es war ihm absolut schleierhaft, wie Nuka das tat. Wie er ihn verwirrte, ihn langsam aus seiner Isolation befreite und ihn anzog wie Licht eine Motte. Die Frage war nur, ob er nachher genauso enden würde wie die Motte.

Geblendet, in eine Falle gelockt und ausgebrannt, verkohlt, tot.

Ihm lief ein Schauder über den Rücken. Warum kam er immer auf solche Gedanken?!

/Wegen Ron...Er hat Schuld, dass ich so misstrauisch geworden bin, dass ich niemandem vertraue. So ein Mistkerl!/

Er fühlte sich beobachtet. Langsam hob er den Blick und sah in Nukas breit grinsendes Gesicht. Der Russe schien bester Laune zu sein. Seine Augen strahlten regelrecht.

Kein Wunder...Das, was in der Nacht passiert war, hatte er sich ja wohl auch schon länger sehnsüchtig gewünscht...

Nukas Grinsen wurde breiter und er zuckte anzüglich mit den Augenbrauen, wollte auf irgendetwas hinaus, auf irgendetwas anspielen.

Aber Andrew kapierte nicht, was er wollte.

Bis Damon wütend aufzischte.

"Nuka!"

Der Schwarzhaarige stellte sein Glas so fest auf den Tisch, dass das gesamte Geschirr klirrte.

"Kannst du mir bitte mal verraten, was du da mit deinem Fuß an meinem Oberschenkel tust?!"

Andrew blickte verwirrt von Damon zu Nuka und wieder zu seinem älteren Bruder. Er verstand kein Wort. Was sollte diese Theater auf einmal?!

In Nukas Gesicht machte sich ein Ausdruck des Erschreckens breit.

"Das...das ist _dein_ Bein?! Aber...Ich dachte, es wäre Drews! Sorry!! Wollte ich nicht! Ehrlich! Das..."

Rob unterbrach Nukas Gestammel, indem er in schallendes Gelächter ausbrach, während sein blonder Tischnachbar langsam tiefrot anlief. Damon kochte anscheinend immer noch vor Wut, denn er knirschte nur mit den Zähnen. Dabei war er noch nie so ernst gewesen.

Andrew konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und handelte sich deshalb auch einen bösen Blick von seinem Bruder ein.

"Deshalb hast du mich so verschwörerisch angezwinkert..."

Nuka sah Andrew hoffnungsvoll an. Er sah ziemlich erschrocken und überrumpelt aus.

"Ja! Das wollte ich echt nicht! Ihr sitzt nur so nah nebeneinander...ich habe ehrlich gedacht, das wäre Andrews Bein! Echt, Damon, tut mir Leid!"

"Ja ja..."

Damon war wirklich knurrig.

Das beunruhigte Andrew schon ein wenig. Er hatte ihn nie so in Erinnerung gehabt.

"Was ist denn los? Du bist so schlecht gelaunt."

"Wisst ihr, dass ihr verdammt laut werden könnt?!"

Jetzt war es an Andrew zu erschrecken.

"W...Was?!"

Langsam formte sich in ihm der schreckliche Gedanke, dass nicht nur Rob sie gehört hatte.

Es schreckte ihn unglaublich ab. Das war so peinlich!

Damon sah ihn grimmig an. Er war wirklich mies gelaunt, jedoch zeigte ein Zucken seiner Mundwinkel, dass er es ihnen schon nicht mehr so übel nahm.

"Ja! Ihr könnt verdammt laut werden! Es ist ja schön und gut, Brüderchen, dass du deinen Sexualtrieb so gut auslebst. Aber musst du das ausgerechnet dann tun, wenn ich direkt im Nebenzimmer versuche auf deinem verdammt unbequemen Sofa Schlaf zu finden?! Ich bin erst eingepennt, als ihr endlich aufgehört habt, und, scheiße, ihr seid noch jung und habt eine gute Kondition!"

Nachdem Damon fertig war und sich mit vor der Brust gekreuzten Armen in seinem Stuhl zurücklehnte, herrschte vollkommene Stille am Tisch.

Bis Rob abermals in lautes Gelächter ausbrach.

"Gott, das halt ich nicht aus! Du kannst ja gleich ein Nickerchen machen, wenn du müde bist, alter Knacker!"

Damon warf die noch ungeschmierte Hälfte seines Brötchen quer über den Tisch gegen Robs Kopf, was diesen jedoch noch mehr lachen ließ. Schließlich hielt es Nuka auch nicht mehr aus und fiel in das Lachen mit ein.

Andrew war immer noch geschockt. Er brachte keinen Ton über die Lippen.

Damon wusste es?!

Er schluckte und schnitt sich sein zweites Brötchen auf.

Er merkte gar nicht, dass Damon sich wieder beruhigt zu haben schien.

Und dass dieser sich nur über die Lautstärke beschwert hatte, nicht über den Fakt, dass Andrew mit einem Mann wie Nuka etwas hatte.

Andrew linste unsicher zur Seite. Damon aß in aller Ruhe sein Salamibrötchen und schien vollkommen darauf konzentriert zu sein.

/Wir müssen unbedingt reden...Es geht nicht anders...Ich muss ihn über die Jahre aufklären, in denen er nicht da war...Er muss alles wissen...Und Rob auch...Nur...wie mach ich das?!/

Nachdenklich hob er den Blick und beobachtete Nuka, wie der Brotkrümel vom Teller sammelte.

/Nuka muss weg.../

"Ehm...Nuka?"

Der Russe sah auf und schenkte ihm sofort ein aufmerksames Lächeln. Andrew musste reflexartig zurücklächeln. Es ging einfach nicht anders.

"Würdest du einkaufen fahren? Vielleicht nach dem Essen?"

Nuka runzelte die Stirn, er richtete sich merklich auf. Andrew sah, wie er den Mund öffnete um zu Widersprechen, aber dann warf er einen kurzen Blick zu Damon und nickte schließlich.

"Ist in Ordnung...Wo hast du die Einkaufsliste?"

Andrew atmete innerlich erleichtert auf. Das erste Problem wäre damit schon einmal gelöst.

"Ich gebe sie dir gleich. Es ist auch nicht viel, nur das nötigste, aber ich habe mir gedacht, dass du vielleicht auch noch das ein oder andere brauchst, deshalb..."

"Ja ja, schon gut."

/Autsch...Jetzt ist er sauer.../

Andrew seufzte leise und senkte seinen Blick, beschäftigte sich wieder weiter mit seinem Frühstück.

Aber was sollte er denn machen?! Er wollte nicht, dass Nuka irgendetwas mitbekam. Er sollte ihn nicht ansehen und dabei Andrews Vergangenheit sehen und mitleidig werden, versuchen ihn zu trösten und ihn somit daran zu erinnern.

Er wollte einfach nicht, dass Nuka es wusste. Er wollte nicht, dass irgendjemand, der nicht zu ihrer Familie gehörte ihn mit so etwas in Verbindung brachte.

Entschlossen biss er in sein Marmeladenbrot und schob seine Serviette mit der anderen Hand ordentlicher unter seinen Teller.

Es würde schwer werden es Rob verständlich zu machen, diese Sachen, dieses...Alles.
 

Nuka ärgerte sich. Und wie er sich ärgerte! Sobald Damon da war, wurde er abgeschoben?!

"Arrgh! Verdammt noch mal!"

Wütend warf er ein Netz Mandarinen in den Einkaufswagen und erwiderte wütend den Blick einer älteren Frau, die ihn deswegen verwundert und neugierig anblickte.

Zu sagen, er wäre eifersüchtig, war noch untertrieben!

/Wieso soll ich einkaufen gehen?! Und warum verdammt schien heut morgen jeder zu wissen, warum ich einkaufen gehen sollte?! So ein Bockmist!/

Nuka hatte eigentlich nur eingewilligt, weil Damon ihn so drohend angesehen hatte. Normalerweise reagierte er in diesem Fall auf Drohungen oder Einschüchterungen mit Trotz, aber bei Andrew und Co. war das eine vollkommen andere Sache! Das war wie in einer vollkommen anderen Welt, in einer total anderen Dimension! Einer richtig falschen Dimension!

/Wer weiß, was die jetzt tun...Eins weiß ich und das ist tröstlich, eine Orgie feiern die mit Sicherheit nicht!/

Das tröstete ihn jedoch auch nicht viel.

Mit einem verbissenen Gesichtsausdruck schlenderte er durch die Gänge und packte schnell und ein wenig ruppig die Sachen in den Wagen, die auf dem Zettel standen. Irgendwann hatte er alles durch, also machte er sich auf den Weg zu den Kassen.

Er schob den Wagen durch die Regale und hing seinen Gedanken nach, grübelte, was die drei Buckers zu hause wohl trieben. Eigentlich war er neugierig, furchtbar neugierig. Wahrscheinlich war er deshalb auch so gereizt. Er wollte einfach unbedingt wissen, was Andrew so ohne ihn tat. Familienrat?!

/Am Besten beeile ich mich, dann kriege ich vielleicht noch etwas mit!/

Nuka runzelte kurz die Stirn.

War das fair?! War das nett von ihm?!

/Vielleicht muss es sein...vielleicht braucht er ein paar Stunden mit seinen Brüdern...Es gibt so vieles, was mich nichts angeht, was mich noch nichts angeht.../

Nuka resignierte und seufzte auf.

Dann würde er eben den Samariter spielen und sich noch für ein paar Stunden in ein Café setzen und einen Kaffee trinken...

Er hatte die Hygieneabteilung erreicht. Mit einem Seufzen auf den Lippen schlurfte er durch die Reihe.

Bis er abrupt anhielt. Sein Blick schnellte zur Seite, heftete sich an etwas fest, was ihn breit grinsen ließ.

Vielleicht...wenn er jetzt so lieb zu Andrew war und ihn verständnisvoll sein Familientreffen hinter sich bringen ließ...dann würde er vielleicht...

Nuka musste sich beherrschen sein Grinsen nicht lüstern werden zu lassen.

Wieder mit guter Laune packte er die teuerste Packung Kondome -mit Cola- und Fruchtgeschmack- in den Wagen und ging fröhlich frei pfeifend weiter zur Kasse durch.

/Na dann.../
 

Andrews Hände zitterten immer noch leicht. Er verschränkte seine Finger ineinander, damit es nicht auffiel. Aber seine Brüder sahen ihn eh nicht an. Rob hatte den Blick auf seine Füße gerichtet und Damon stand schweigend und kalt am Fenster.

Nun war alles raus. Das hatte er überstanden. Jetzt konnte er nur noch hoffen, das niemand Fragen stellte.

Aber den Gefallen tat man ihm nicht.

"Wie lange warst du weg?"

Andrew seufzte auf und warf einen fast schon flehenden Blick auf Damons Rücken. Doch der zog die Frage nicht zurück. Er musste wohl oder übel antworten.

"Ich weiß es nicht...Ich glaube 5 Wochen, aber so genau...Ich wollte es vergessen und...na ja...Jedenfalls bin ich mindestens eine Woche noch herum geirrt, als sie mich freigelassen haben."

"Und Vater hat nichts unternommen?"

Damon wandte sich um. In seinem Gesicht war das Unglauben so stark zu sehen, dass Andrew sich fragte, wie er seinen Vater nur so schlecht kennen konnte.

"Nein. Jedenfalls haben sie das gesagt. Er hat auch keine Entführung gemeldet und als sie mich aufgegriffen haben...hat er nicht reagiert, so getan, als wäre nichts gewesen."

"Das ist...heftig...Das hätte ich ihm nicht zu getraut. Unter anderem...Ich wusste ja, dass er...aber das..."

Sie schwiegen wieder. Rob reagierte immer noch nicht.

Irgendwie machte ihm das Sorgen.

"Rob?"

Der Jugendliche schüttelte nur den Kopf.

"Ich geh in mein Zimmer..."

"Mit dem kaputten Fenster?!"

Damon war mit schnellen Schritten bei seinem kleinen Bruder und zog ihn auf die Beine.

"Ich hab eine gute Idee! Wir kleben jetzt das Fenster ab!"

"Aber..."

"Kein aber, du Hosenscheißer. In der Verfassung lass ich dich nicht trüb im Zimmer rumhocken. Steh endlich auf, Mensch!"

Damon zerrte den kleinen Rabauken regelrecht auf die Beine und aus dem Zimmer. Rob protestierte nicht. Höchst ungewöhnlich.

Andrew blickte ihnen nach. Selbst, als die zwei schon längst verschwunden waren, starrte er auf den Punkt, an dem sie aus der Türe getreten waren.

Er war vollkommen allein im Zimmer.

Das war vielleicht nicht so gut für ihn.

Andrew wusste, dass er einen Schock hatte. Er konnte nicht klar denken, konnte sich nicht richtig bewegen und fühlte sich unwirklich...Irgendwie...fehl am Platz.

Aber das tat er öfters.

Er hörte die Klingel und ein rhythmisches Klopfen.

Einmal lang. Viermal kurz. Zweimal lang.

Nukas Klopfzeichen.

Vielleicht konnte Nuka ihm helfen.

Vielleicht sollte er aufmachen.

Es klingelte wieder.

"Sind wir hier etwa in einem Irrenhaus, oder warum macht hier keiner diese Gottverdammte Tür auf?!"

Damons laute, wütende Stimme ließ Andrew zusammenfahren.

Er murmelte eine Entschuldigung, die Damon aus Robs Zimmer bestimmt nicht verstehe konnte, und huschte zur Tür.

Seine Hände zitterten immer noch, als er endlich die Tür öffnete.

Nukas fragender, leicht besorgter Blick war fast mehr, als Andrew verkraften konnte.

Er biss sich auf die Unterlippe und wandte sich ab, schlich in die Küche. Nuka folgte ihm, stellte die Einkaufstüten erst einmal auf den Boden und ließ sich ihm gegenüber auf einem der Stühle nieder.

Sie schwiegen sich an.

Andrew fror. Er hatte immer noch einen Schock.

/Es war nicht gut, alles wieder aufleben zu lassen...die ganzen Erinnerungen, diese ganze Scheiße, dieser ganze Kidnapping- und Vergewaltigungsscheiß...Verdammt.../

"Was habt ihr gemacht?"

"Geredet..."

Andrew war zu erschöpft und geschockt um noch zu lügen.

Nuka gab sich zufrieden mit der Antwort, aber sie wussten beide, dass er es eigentlich nicht war.

Wann war Nuka schon zufrieden mit so einer kurzen Antwort?!

Drew seufzte und erhob sich. Er wäre beinahe weggesackt. Seine Beine bebten so sehr, dass sie fast unter seinem Gewicht weggeknickt wären.

Nuka betrachtete ihn besorgt.

"Willst du dich hinlegen, Darling? Du bist ganz blass..."

Nuka erhob sich und trat auf ihn zu, zog ihn sanft, aber bestimmt an seine warme Brust.

Andrew seufzte auf und lehnte sich an ihn, entspannte sich merklich.

Das hatte er jetzt gebraucht. Nukas selbstbewusste und verständnisvolle Art -auch wenn er von Andrews Problemen eigentlich keine Ahnung hatte- beruhigte ihn ungemein.

"Ja...ich würde mich gern hinlegen. Ich..."

Andrews Finger krallten sich in Nukas T-Shirt, als dieser eine Hand unter seine Beine schob und ihn einfach hochhob.

"Du bist ja ganz kalt, Darling...Sollen wir ein wenig kuscheln? Willst du einen Tee?"

Der Psychologe seufzte auf und legte seinen Kopf auf Nukas Schulter, atmete den angenehmen Duft dessen Parfums ein. Dieser Zimtgeruch...

"Hmm...kuscheln und ein wenig schlafen...kein Tee..."

Nukas warmes Lachen beruhigte ihn noch mehr, ließ ihn langsam abschalten.

Es störte ihn noch nicht einmal, dass sie an der weit geöffneten Tür von Robs Zimmer vorbei gingen und Damon sah, dass er von Nuka getragen wurde, praktisch über die Schwelle.

Es interessierte ihn einfach nicht. Das einzige was ihn interessierte, war Nuka.

Nukas Geruch, Nukas Wärme, Nukas erotische Schlafzimmerstimme, Nukas wahnsinnig weiche Haut, Nukas Muskeln, Nukas ganzer Körper an ihn geschmiegt.

Andrew stöhnte leise auf und vergrub sein Gesicht in Nukas Halsbeuge.

Gott...er war wirklich zu enthaltsam gewesen in den letzten Jahren...Jetzt hielt er es doch wirklich nicht mehr aus.

"Mein süßer Darling...Was habt ihr nur den ganzen Tag gemacht, dass du jetzt so verwirrt bist?!"

"Wieso verwirrt?!"

Andrew blinzelte leicht. Nuka schob seine Schlafzimmertür mit dem Fuß auf und legte ihn nach ein paar Schritten auf dem Bett nieder.

"Na, so müde, aber gleichzeitig auch erregt."

Andrew lief rot an.

Nuka hatte es bemerkt.

Natürlich hatte er es.

Nuka bemerkte immer alles, was mit seinem Körper zu tun hatte! Nuka merkte immer, wenn mit ihm etwas nicht stimmte!

Verdammt! Warum machte er sich eigentlich noch etwas vor?! Nuka liebte ihn und würde immer merken, wenn er etwas brauchte! Wenn er ihn brauchte.

"Ich hab nen Schock, glaube ich."

Nuka zog sich die Schuhe aus, die er im Flur noch nicht abgelegt hatte, und legte sich vorsichtig auf ihn, drückte ihn mit einer wirklich erregenden Zärtlichkeit mit seinem Gewicht in die Matratze.

"Wieso solltest du einen Schock haben?!"

Andrew seufzte und ließ sich ganz vorsichtig und fast schon zaghaft auf den Mund küssen.

"Weil wir über sehr schockierende Dinge gesprochen haben..."

"Über...?"

"Ich werde es dir nicht sagen und das weißt du."

Ein Räuspern ließ sie beide erschrocken zusammenfahren und zur Tür blicken.

Damon stand ungerührt von ihrer eindeutige Gedanken provozierenden Position -Nuka lag genau zwischen Andrews Beinen und hatte sich mit den Ellbogen neben dessen Kopf abgestützt- und sah sie so neutral wie möglich an.

"Braucht ihr was?! Soll ich euch einen Kaffee machen oder so etwas?! Andrew, du sahst mir eben noch etwas zittrig aus...vielleicht solltest du..."

"Es geht schon in Ordnung so, Damon...Es geht mir gut...Ich war nur...Ich..."

Nuka wechselte ein paar Blicke zwischen den zwei ungleichen Brüdern und erhob sich schließlich, den überraschten und auch etwas enttäuschten Blick seines Darlings im Nacken ignorierend.

"Mach dich Bettfertig, Darling. Du solltest dich etwas ausruhen, ich komme gleich."

Andrew seufzte und beobachtete, wie Nuka hinter Damon und sich die Tür schloss und ihn allein im kalten Schlafzimmer, im kalten Doppelbett ließ.

"Blöder Mist..."

Langsam machte er sich Gedanken darüber, dass es vielleicht doch nicht so gut war, dass sein großer Bruder jetzt auch auf ihn aufpasste.
 

"Was soll das hier eigentlich?!"

Nuka sah wegen dem doch leicht gereizten Ton auf und blinzelte Damon überrascht an.

"Was?!"

"Na...diese...Bettgeschichte mit meinem Bruder! Rob hat erzählt, dass ihr erst gestern damit angefangen habt! Ich..."

"Wir haben so etwas schon vorher getan."

"Aber Rob meinte, das wäre nur einmal unter Alkoholeinfluss gewesen, nicht sehr freiwillig."

Nuka hob -jetzt wirklich überrascht- eine Augenbraue und sah den Schwarzhaarigen über seine Tasse Kaffe an.

"Rob weiß aber ganz schön viel..."

"Er hat mir die ganze Geschichte von euch erzählt...ziemlich abenteuerlich..."

Nuka verzog den Mund zu einem leicht verkrampften Lächeln.

"Ja...das mag sein..."

Sie schwiegen sich an, schlürften ihren zu heißen Kaffee.

Nuka wusste überhaupt nicht, wie er sich verhalten sollte.

Verdammt, das war Andrews Bruder! Er kam sich vor, als wäre er bei dessen Eltern! Sollte er hier bitten um Andrews Hand anhalten zu dürfen oder was lief hier?!

Er stöhnte frustriert auf und fuhr sich durch die blonden Haare, so dass diese leicht abstanden. Was für eine verfahrene Situation!

"Liebst du ihn?"

Der Russe zuckte so heftig zusammen, dass er ein wenig vom Kaffee verschüttete.

"Gott! Wo kommt plötzlich diese Frage her?! Willst du mich abchecken oder was?! Verdammt, das hat Andrew schon gemacht!"

Damon knallte die Kaffeetasse fest auf den Tisch und funkelte ihn regelrecht an.

"Stell dich nicht so an, du Mistkerl! Ich hab eine Schwester verloren und einen Bruder, von dem man seit Jahren keine einzige Spur hat, und ich habe keine Lust, dass mein Kleiner irgendwann tot und vergewaltigt irgendwo herum liegt, nur weil du ein mieses Schwein bist, das ihm das Herz gebrochen hat! Kapiert?!"

Nuka runzelte die Stirn.

"Ich liebe ihn...und wenn du meinst, ich würde Drew irgendwann vergewaltigen, bist du hier wohl eher ein mieses Schwein. Wie kommst du nur auf so einen verfickten Gedanken?!"

Damon sah ihn herausfordernd, fast provozierend an.

"Na, bei deiner Vergangenheit, Knacki, kann ich doch nicht sicher sein, was du dir für Eigenarten angewöhnt hast!"

Nukas Augen verschmälerten sich zu Schlitzen, als er den Bruder seines Lieblings scharf ins Auge fasste.

"Du ekelhafter Dreckskerl...du..."

"Spar dir den Atem!"

Nuka leerte seine Tasse in einem Zug stellte sie mit zitternden Händen auf den Tisch.

So eine Frechheit...so eine Dreistigkeit...ihn einfach so auf seine Gefängniszeit anzusprechen, das war...

"Du bist vollkommen erbärmlich..."

Damon grinste ihn an und diesmal wirkte es ein wenig lockerer.

"Das ist gut möglich...Aber egal...Also, du liebst ihn. Wirklich?"

Nuka stöhnte entnervt auf und verdrehte die Augen, jetzt kam seine kindische Seite heraus.

"Ja, verdammt. Wie oft soll ich es denn noch sagen?!"

"So oft wie er es hören will."

Ein Schmunzeln konnte sich Nuka wegen der Formulierung nicht mehr verkneifen.

"Ja...so oft werde ich es ihm sagen und wahrscheinlich noch öfter, solange, bis es ihm aus den Ohren herausquillt..."

"Liebt er dich?"

Nuka knurrte leise und warf Damon einen gereizten Blick zu.

Der Kerl ließ auch wirklich keine Fragen offen.

"Er braucht Zeit. Ich werde sie ihm geben und auf eine Antwort warten und egal wie die ausfallen wird, werde ich immer hier sein und auf ihn aufpassen."

Der Schwarzhaarige legte den Kopf schief, schien zu überlegen und lächelte schließlich.

"Das ist gut...Du bist zuverlässig...Andrew braucht das...Und...ich hab gesehen, wie er dich ansieht, es besteht auf jeden Fall die Chance...Vielleicht kannst du dir Hoffnungen machen."

Nuka ließ sich zu einem Lächeln herab.

Er hatte eine Chance...?

"Bist du auch für den Gerichtstermin vorgeladen?"

Nuka nickte.

"Dann sehen wir uns...Ich bin es zwar nicht, weil man mich für verschollen hält, aber ich werde trotzdem da sein...Vielleicht taucht der Verschollengeglaubte ja plötzlich mitten im Gerichtsaal auf?! Wir müssen einen geeigneten Anwalt für Andrew finden...Er braucht Geld und vor allem moralische Unterstützung...Er ist...sehr unsicher und wenn er Vater gegenübertritt, könnte er vielleicht zusammenbrechen...es..."

Damon zog die Augenbrauen zusammen und schien ein Loch in die Tischplatte brennen zu wollen.

"Hat er es dir erzählt? Das von seiner Vergangenheit?"

Nuka schüttelte den Kopf.

Mehr brauchte er auch nicht zu tun.

Damon sah ihn durchdringend an. Er schien über etwas nachzudenken, fuhr sich leicht nervös mit der Zungenspitze über die Lippen.

"Ich...könnte es dir erzählen..."

Nukas Augen richteten sich auf seinen Gegenüber, hielten ihn überrumpelt fest. Er schluckte, räusperte sich, rückte sich im Stuhl zurecht.

Irgendwie war diese ganze Situation unwirklich.

Das ging doch nicht! Damon konnte doch nicht einfach diese...diese Geheimnisse aufdecken! Hinter Andrews Rücken!

"Nein...Er soll es mir selbst sagen...Ich will es nicht von dir erfahren, ich will es nur von ihm hören."

Damon nickte und schließlich hüllten sie sich in Schweigen. Ihre Tassen waren leer und irgendwie gab es nichts mehr zu sagen. Das Gefühl unbedingt mit Damon reden zu müssen, weshalb er Andrew auch allein im Schlafzimmer gelassen hatte, war in Nuka verflogen.

Mit einem Seufzen schob er den Stuhl zurück und stand auf.

"Ich geh dann mal...Mein Darling wartet..."

Damon lächelte leicht und erhob sich ebenfalls.

"Und auf mich wartet ein schmollender Jugendlicher und ein kaputtes Fenster...Viel Spaß...Ich klopfe an die Tür, wenn die Fenstermonteure da sind, damit ihr in der Zeit nicht zu laut seid, ok?!"

Nuka musste lachen. Leicht kichernd schlich er den Flur entlang und schob die Schlafzimmertür auf.

Andrew hatte das Licht ausgeschaltet und lag wohl irgendwo im großen Bett. Nuka musste sich ein wenig vortasten, bis er an die Bettkante stieß. Mit einem Seufzen hob er die Decke an und schlüpfte darunter.

"Drew? Bist du noch wach?"

"Ja...Komm her, mir ist kalt."

Nuka fuhr mit den Finger über das Bettlaken und berührte schließlich ein wenig kühle, nackte Haut.

"Du..."

Andrew lachte ganz leise und schob sich an ihn heran, fing seine Finger auf um kleine Küsse darauf zu hauchen.

"Ja, Nuka."

Der Russe seufzte und verzog den Mund ein wenig. Jetzt musste er sich erst einmal beherrschen. Die Tatsache, dass Andrew vollkommen nackt -er fühlte es durch den Stoff seines T-Shirts- neben ihm lag war mehr als nur ein wenig erregend. Er spürte bereits, wie prickelndes Verlangen in ihm aufstieg und ihn dazu zwang den schmalen Körper an seiner Seite näher an sich heran zu ziehen.

"Gott...was machst du nur mit mir?!"

Andrews schmaler Körper schmiegte sich an ihn und ließ sein Herz höher schlagen.

"Nur ganz angenehme Dinge..."

Die gehauchten Worte an seinem Ohr machten Nuka nur noch mehr an.

"Himmel...Andrew, du..."

Finger fuhren über seine Brust und schoben sich schließlich unter das T-Shirt.

"Na? Sag schon..."

Nuka lachte leise und ließ seinerseits seine Hände über die sich langsam erwärmende Haut gleiten, streifte extra über die Stellen, von denen er wusste, das Andrew dort empfindlich war.

Er schob sich näher zu dem Gesicht seines Psychologen und küsste sich dessen Hals entlang.

"Andrew, Darling, du bist aufeinmal so verändert...Wie kannst du nur plötzlich so unglaublich..."

"Geil sein?"

Zusammen lachten sie leise und streichelten einander über die langsam heiß werdende Haut.

"Ich weiß nicht...Ich muss nur kurz an dich denken und schon..."

Andrews Seufzen war schwer und bescherte Nuka eine richtig hartnäckige Gänsehaut.

"Und wenn ich weiß, dass wir allein sind und...na ja...Ich denke, dann werde ich...mutiger."

Nuka grinste breit und anzüglich und schob sich halb auf den nackten, schlanken Körper unter sich.

"Und das liebe ich so an dir, mein Darling..."

Er stahl Andrew einen Kuss nach dem anderen und war sich sicher, dass er keine Lust hatte, ruhig zu sein, wenn sie wegen der Monteure auf die Lautstärke achten mussten.

Wirklich perfekt?!

Wirklich perfekt?!
 

Nuka wusste nicht, seit wann er wach war oder wie lange er schon hier in diesem warmen, kuscheligen Bett lag und Andrew beim Schlafen beobachtete. Er hatte nachgedacht.

Damon war vor einigen Tagen wieder zu seiner Wohnung gefahren, die er sich in einem anderen Stadtteil von San Francisco gemietet hatte. Es hatte sich herausgestellt, dass der bereits seit drei Monaten in der Stadt war, einen halben Monat davon gebraucht hatte um Andrews Adresse herauszufinden und zweieinhalb Monate um sich zu überwinden und auch wirklich bei seinem Bruder vorbei zu kommen.

Jedenfalls war Andrew seit dem Verschwinden seines Bruders überaus anhänglich.

Blickezuwerfen bei einer Tasse Kaffee, Füßeln unterm Esstisch, Anlehnen in der Küche beim Kochen, Kuscheln und Knutschen vorm Fernseher auf der Couch. Selbst, wenn Rob im selben Zimmer war.

Aber der amüsierte sich eh nur über sie und ihr Teeniegehabe.

/Wenigstens lenke ich ihn durch das von dem Gerichtstermin ab...Wir fahren bald nach England...Urlaub...Ich hoffe, er wird sich wohl fühlen.../

Er seufzte und setzte seinen Zeigefinger auf Andrews nackter Brust an, genau auf dem Brustbein. Nachdenklich fuhr er mit der Fingerkuppe über die weiche Haut, über die Rippen, über den Bauch und kurz in den Bauchnabel. Mit einem Lächeln registrierte er, wie sein Darling sich den Berührungen instinktiv entgegenstreckte.

"Nuka..."

Andrew öffnete blinzelnd seine Augen und legte seine Hand auf Nukas.

"Tut mir Leid, Darling, ich wollte dich nicht wecken. Ich wollte nur..."

Andrew stützte sich auf seine Ellbogen auf und lächelte ihn kopfschüttelnd an.

"Schon gut, mein Sch..."

Verwirrt blinzelten sie sich an.

Andrew hatte seinen Satz abgebrochen und lief nun tomatenrot an.

Nuka ging ein Licht auf.

"Du wolltest mir gerade einen Kosenamen geben!"

"Was?! Nein! Das stimmt nicht! Ich...Ich wollte etwas ganz anderes sagen!"

Bevor der Wuschelkopf sich auch nur wehren konnte, hatte sich Nuka auf ihn geworfen und drückte ihn in das Bettlaken.

"Ach ja...? Und was wolltest du sagen?"

Andrew begann zu stottern.

Lachend vergrub der Russe sein Gesicht in seiner Halsbeuge.

/Er wollte mir einen Kosenamen geben! Was wollte er nur sagen?! Vielleicht ,mein Schatz'?! Oh Mann!/

"Ach, hör auf zu lachen! Du bist so gemein!"

Immer noch breit grinsend hob Nuka wieder seinen Kopf und schaute in Andrews schmollendes Gesicht. Nur das leichte Zucken der Mundwinkel verriet, dass er nur beleidigt spielte.

"Du bist so süß...Weißt du das? In den letzten Tagen habe ich dich kaum wieder erkannt...Hätte mir jemand vor ein, zwei Monaten erzählt, dass du so lieb und anhänglich sein könntest, so...verdammt verführerisch...ich hätte denjenigen echt für bekloppt erklärt...Du...Was hab ich getan, dass du so unglaublich zärtlich zu mir bist?"

Andrew lächelte leicht und legte seine Arme um Nukas Nacken, zog ihn näher heran. Mit einem Seufzen vergrub Nuka sein Gesicht in seiner Halsbeuge und horchte auf Andrews Erklärung.

"Du hast mir geholfen...Ich hab gemerkt, dass ich alles besser verkraften kann, wenn du da bist, du gibst mir irgendwie Sicherheit...Du hast mir gezeigt, wie man weint, wie man lacht, wie man...na ja...wieder Spaß hat...ähm..."

Das war ein Punkt, an dem Nuka in Lachen ausbrach. Kichernd rollte er sich von seinem Darling herunter und vergrub das Gesicht in einem Kissen.

"Hey! Was gibt es da zu lachen?!"

"Du bist einfach nur zu süß! Außerdem bist du ganz rot im Gesicht und du weißt ja, dass du..."

"Ja, verdammt! Dann hab ich Flecken im Gesicht! Ich weiß! Ach, Mensch!"

Kichernd stützte Nuka sich auf die Unterarme und betrachtete seinen Darling. Andrew erwiderte den Blick mit rotem Gesicht. Er schien wirklich verdammt verlegen zu sein.

"Du bist echt ein Original, Darling..."

Sein Kichern wurde zu einem Lächeln.

"Mein Original...Du weißt, ich..."

Nuka senkte leicht den Blick, sah auf sein Kissen herab.

Er seufzte abermals, diesmal so tief, dass Andrew sich Sorgen machte, es könnte etwas nicht in Ordnung sein.

Jedoch war diese Sorge vollkommen unbegründet.

"Andrew, du weißt, ich liebe dich. Ich wünsche mir vom ganzen Herzen, dass dir diese Reise gefällt. Wenn du etwas nicht magst, dann sag es bitte sofort. Du musst nicht so tun, als hättest du Spaß. Bitte?"

Drew lächelte und nickte. Glücklich über Nukas Sorge legte er die Arme um dessen braungebrannte Schultern um ihn zu sich zu ziehen.

"Du bist so lieb...Ich denke...so lange du dabei bist, wird mir alles gefallen...In deiner Nähe fühl ich mich einfach...sicher...so zufrieden...Das musst du nicht verstehen, ich verstehe es selbst nicht...Aber mach dir keine Sorgen."

Nukas Lächeln brachte ihm ein angenehmes Gefühl, das ihn langsam von innen wärmte.

Sanfte Lippen legten sich auf seine.
 

Andrew war ein wenig aufgeregt. Fast pausenlos blickte er sich in der großen, überfüllten Halle um. Wo blieb nur Nuka?! Er war doch nur kurz zu einem Zeitschriftenladen gegangen um sich einen Kriminalroman für den langen Flug zu kaufen. Konnte das wirklich so lange dauern?!

"Setz dich wieder hin...Er kommt jetzt bestimmt."

Rob zupfte energisch an dem Pulloverärmel seines Bruders und versuchte ihn auf einen der Stühle zu ziehen. Vor einigen Minuten waren sie hier vor ihrem Gate eingetroffen und müssten jetzt eigentlich noch ungefähr 10 Minuten auf ihr Flugzeug warten.

Und mit jeder Sekunde sank Andrews Gemütsruhe tiefer in den Keller.

"Aber, Rob..."

"Er hat sicher nur jemanden wiedergetroffen und sich festgequatscht."

Andrew sah ihn zweifelnd an.

"Im Flughafen?!"

Rob zuckte nur grinsend die Achseln.

"Hey, das ist Nuka! Der kennt alles und vor allem jeden!"

Das jedoch beruhigte ihn kein Bisschen! Er musste zugeben, dass er leicht nervös war.

/Uaah...Ich mache mir Sorgen um Nuka...Was ist nur mit mir los?!/

Aber er machte sich nicht nur wegen dem Verschwinden seines Patienten/(Schrägstrich)Freund/(Schrägstrich)Geliebter Sorgen.

Er hasste Flugzeuge! Er hasste sie wie die Pest!

Dieses Geruckel, Gedränge, die ganze Atmosphäre, diese Möglichkeit eines sehr unnatürlichen, seltenen Todes zu sterben...Er kam sich dabei immer vor wie ein Huhn in der Legebatterie!

Selbst, wenn er nur daran dachte, bekam er Gänsehaut!

Zwei Arme legten sich von hinten sanft um seinen Oberkörper und zogen ihn an eine warme, breite Brust.

"Du bist ja ganz blass, Darling. Ist dir nicht gut?"

/Nuka...Gott sei dank.../

"Nein, schon gut..."

"Er hat sich Sorgen um dich gemacht!"

Andrew lief rot an, während Nuka hinter ihm in warmes, leises Gelächter ausbrach. Er erschauerte leicht, als er dadurch eine angenehme Vibration an seinem Rücken spürte. Der Mann war selbst beim Lachen pure Erotik.

"Das ist lieb, aber ziemlich unnötig, Schatz...Ich hab mich nur mit dem Zeitschriftenhändler unterhalten. Netter Kerl. Sah dir ein wenig ähnlich, da hab ich die Zeit vergessen."

"Ach so...dann ist gut..."

Erleichtert, dass nichts passiert war, lehnte Andrew sich gegen Nukas Brust und ließ zu, dass der seine Arme um seinen Bauch schlang.

Ihm war es auch ganz egal, ob sie jemand so sah.

Sie schwiegen sich an und er horchte dem aufgeregten Stimmengemurmel, das durch die die Halle summte. Alle wirkten fröhlich und schienen sich auf den Flug zu freuen.

Andrew tat es mit Sicherheit nicht. Ihm lief es jetzt schon kalt den Rücken hinunter, als er an den bevorstehenden 8StundenHöllentrip dachte.

"Drew, was ist los? Du bist ja ganz angespannt. Da ist doch noch was anderes!"

Andrew musste schwer seufzen und fuhr zaghaft mit seinem Zeigefinger über Nukas an seinem Bauch ineinander verschränkten Finger.

"Na ja...Ich hab Angst..."

"Das brauchst du nicht, ich werde..."

"äh...Angst vorm Fliegen, mein ich..."

Nuka schwieg, schien überrascht.

"Ach so...ich dachte...hmm..."

Andrew lächelte leicht und stellte fest, dass er es wirklich amüsant fand, wenn sein Geliebter einmal derjenige war, der stotterte und um Worte verlegen war.

"Egal...Du konntest es ja nicht wissen..."

"War ja auch schwer zu erraten", warf Rob hilfsbereit ein und holte Nuka damit wohl wieder auf den Boden zurück.

"Genau! Es ist erstaunlich, dass du zwischen all diesen komischen und ungewöhnlichen Ängsten, Abneigungen und Angewohnheiten auch mal etwas Normales gefunden hast! Das kann man nicht erraten!"

Drew wurde rot, musste aber selbst darüber schmunzeln.

"Ich bin halt widersprüchlich..."

Nuka gab ein Knurren von sich und biss sanft, aber so unerwartet, dass er erschrocken zusammenzuckte, in die Haut an seinem Hals.

"Hmm...Das ist mein Text, Darling..."

Andrew klemmte seine Unterlippe zwischen die Zähne und versuchte mit aller Kraft das wohlige, tiefe Seufzen, das aus ihm herausbrechen wollte, zu ersticken.

Nuka hatte seiner Stimme wieder diesen verdammt lasziven Ton verliehen, der Andrew so kirre machte. Und das genau an seinem Ohr!

Mit einem Finger fuhr Nuka unter Andrews Pullover und ließ ihn abermals zusammenfahren.

"Ich stör euch ja ungern beim Turteln, aber da vorne am Gate tut sich was. Vielleicht sollten wir unsere Sachen zusammenpacken."

Kaum hatte er das gesagt, wurde schon ihr Flug aufgerufen. Die Passagiere sollten einchecken.

/Soll ich jetzt wirklich da einsteigen?! Vielleicht könnte man ja mit dem Schiff fahren, das wäre doch...umständlicher! Mist! Wir müssen fliegen!/

Grinsend schob Nuka ihn zu ihren Rucksäcken und danach zum Gate, wo bereits eine versucht breit lächelnde Stewardess auf ihre Tickets wartete.

Andrew biss sich auf die Unterlippe und versuchte so tapfer wie möglich einen Fuß vor den anderen zu setzen.

/Ich will nicht.../
 

"Und?!"

Andrew stellte den Koffer auf den flauschigen, beigefarbenen Teppich auf dem Boden und sah sich mit großen Augen im Zimmer um. Ihm fehlten die Worte. Er war so erstaunt, so überrumpelt.

Und so aufgeregt!

Es flatterte irgendwie munter und nervös machend in seinem Bauch. Ein ganz ungewohntes Gefühl. Ein riesiger Unterschied zu der Höllenangst, die er im Flugzeug gehabt hatte.

"Nun sag schon...Wie gefällt es dir?!"

Nukas Stimme war leise und klang so unsicher, dass Andrew sich schnell zu seinem Zimmergenossen umdrehte um ihm das strahlende Lächeln zu zeigen, das er beim Anblick ihres Hotelzimmers nicht unterdrücken konnte.

"Es ist wunderschön hier!"

Das gebräunte Gesicht des Russen erhellte sich augenblicklich. Sofort trat Nuka an ihn heran und legte seine Arme locker um seine Taille.

"Das freut mich, wenn es dir gefällt! Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, es könnte dir nicht passen."

"Ach, quatsch!"

Drew drehte sich um, lehnte sich gegen Nukas Brust und betrachtete das Zimmer noch einmal eingehend.

Hellgelbe Wände, zwei große Fenster an der Sonnenseite, beigefarbener Teppichboden, zwei eierschalenfarbene Sessel an einem schwarzen Holztischchen, ein schwarzer, massiver Schrank, ein ebenfalls schwarzer Fernsehschrank mit Fernseher und genau im Mittelpunkt des Zimmers ein breites, schwarzes Doppelbett mit schneeweißer Bettwäsche und zwei zugehörigen Nachttischchen samt gelber Lampen.

Ein Strauß frischer Lilien, die in einer gläsernen Vase stand auf dem *Wohnzimmertisch* und rundete das Gesamtbild ab, machte das Zimmer perfekt. Einfach nur perfekt.

"Es ist...Ich finde es toll! Ehrlich! Es ist beruhigend und trifft genau meinen Geschmack! Es..."

"Die Wände sind dick und extra schalldicht, so dass wir niemanden mit irgendwelchen Geräuschen stören könnten..."

Andrew biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Der geradezu heiße Atem an seinem Nacken trieb ihm die Schamesröte ins Gesicht.

"Rot steht dir, mein Drewdarling...Solltest du öfter tragen."

"Ach, sei doch ruhig! Du bist doch nur neidisch!"

Nuka lachte über den verspielten Ton in Andrews Stimme und schob seine Hände in dessen vordere Hosentaschen, brachte sich dadurch ganz nah an ihn heran. Es hatte ihm schon länger in den Fingern gekribbelt, das zu tun.

Andrew wollte gerade noch etwas sagen, als es plötzlich wild gegen ihre Zimmertür klopfte und Robs laute, aufgeregte Stimme durch die Tür drang.

"DREW! Mach mal auf!"

Nuka seufzte auf und hauchte einen kleinen Kuss in Drews Nacken und löste sich von ihm um dessen kleineren Bruder die Tür zu öffnen.

"Was ist..."

"DIE HABEN EINEN POOL!"

Andrew trat neben Nuka und blickte noch verwirrter drein als sein Nebenmann.

"Hä?!"

"Ja! Unten irgendwo haben die einen überdachten Pool! Das hab ich im Prospekt gelesen! Und die haben Zimmerservice! Da kann man sich sogar HotDogs bestellen!"

Andrew sah Nuka fragend an, aber der stellte immer noch ein wandelndes Fragezeichen dar.

"Äh...Und was sollen wir jetzt mit diesen vielen Informationen machen?"

Rob grinste so breit, dass Andrew sich schon Gedanken darüber machte in London einen geeigneten Zahnarzt zu finden.

"Genießen natürlich! Wir gehen jetzt gleich schwimmen! Und danach HotDogs essen!"

Nuka kratzte sich am Kopf.

"Also...eigentlich wollte ich gleich gut mit euch essen gehen...aber das können wir natürlich auch auf morgen verschieben...Ich denke, du bist noch etwas müde vom Flug, nicht wahr, Darling?"

Andrew nickte langsam.

Im Hotel zu essen war eine gute Idee. Er fühlte sich schlapp. Der Stress im Flugzeug war ermattend gewesen. Kein Wunder, er hätte ja auch fast eine Panikattacke gehabt, als sie nur in ein paar Turbulenzen geraten waren.

"Von mir aus gehen wir morgen essen."

Rob grinste noch breiter. Andrew machte sich nun wirklich darauf gefasst schon nach dem Telefonhörer zu greifen um beim Notarzt anzurufen.

"Und was ist mit dem Schwimmen?"

Andrew zuckte die Achseln. Er hatte eine Badehose dabei, aber wie stand es mit Nuka?! Ein fragender Blick zur Seite ließ ihn zusammenzucken.

Nuka wirkte plötzlich nervös.

Verwirrt entdeckte Drew, dass er diesen Umstand hinter einem frechen Grinsen zu verstecken versuchte. Für Andrew sah es jedoch nur aufgesetzt aus.

"Klar, können wir machen. Wann sollen wir los?!"

/Da stimmt doch was nicht...?/

"Jetzt!"

Misstrauisch beobachtete er seinen Nuka weiter, versuchte jede einzelne Gesichtsregung zu analysieren. Der Psychologe kam wieder bei ihm raus.

Und kurz bevor sie alles zusammengepackt hatten, glaubte er die Antwort zu wissen.
 

Rob wartete im Gang auf sie, drückte wahrscheinlich schon wie wild auf den Knöpfen des Aufzugs herum, der sie zwei Etagen hinunter befördern sollte.

Nuka kramte noch in seinem noch nicht ganz ausgeräumten Koffer herum. Dabei hatte er bereits alles.

Lange, rote Badeshorts und ein großes, blaues Handtuch.

"Was suchst du?"

Nuka sah leicht erschrocken auf und senkte dann wieder seinen Blick auf den Inhalt seines Koffers.

"Äh...nicht so wichtig..."

Mit gerunzelter Stirn trat Andrew zum Eingang und wartete auf Nuka, der umständlich seine Sachen zusammensuchte.

Endlich trat er auf ihn zu und wollte an ihm vorbei aus der Tür gehen. Andrew ergriff ihn schnell an der Schulter und hielt ihn zurück, schmiegte sich leicht an ihn.

"Was ist los, Nuka?"

Nukas überraschter Blick und der leicht ertappte Ausdruck in seinem Gesicht waren ihm Antwort genug.

"Ähm...eigentlich nichts."

Andrew schlang einen Arm um seinen Nacken und sah ihm eindringlich ins Gesicht.

"Und uneigentlich?"

Das leise Seufzen, das Nuka ausstieß, ließ ihn die Stirn weiter runzeln.

"Na ja...ich...ich denke, ich schwimme nicht mit. Ich werde mich an den Rand setzen."

/Hä?!/

"Wie...Warum denn?"

Verwundert legte Andrew den Kopf schief und verhinderte so, dass sein Geliebter seinem Blick ausweichen konnte.

"Ähm...Ich...kann nicht so gut schwimmen."

Andrew traute seinen Ohren nicht.

"Du kannst nicht schwimmen?!"

"Das hab ich nicht gesagt!"

Nuka machte einen Schritt zurück, doch Andrew ließ nicht los, genauso wenig, wie er locker ließ.

"Das meinte ich auch nicht so, aber warum hast du denn zu gesagt, schwimmen zu gehen? Wir könnten auch etwas anderes machen. Ich meine..."

"Rob hat sich so gefreut. Und du auch, da hab ich..."

Andrew stoppte Nukas Redefluss, indem er ihn sanft auf den Mund küsste.

"Na gut...Du kannst dich da ja sicher hinsetzen...Vielleicht kommst du ja auch ins Wasser? Für ein paar Minuten? Du musst ja nicht schwimmen."

Nuka senkte den Blick, nickte jedoch leicht.

Andrew seufzte und fuhr zärtlich und tröstend durch Nukas blonde, weiche Haare.

"Dann komm. Rob wird quengelig, wenn wir ihn zu lange warten lassen."

Entschlossen Nukas Unsicherheit einfach zu ignorieren zog Drew ihn hinter sich her zum Aufzug, vor dem Rob noch immer ungeduldig wartete.

"Was braucht ihr so lange?!"

Andrew winkte ab und sie fuhren ohne ein weiteres Wort ins Erdgeschoss.

Ein Angestellter wies ihnen den Weg zum kleinen Schwimmbädchen. Sie mussten einen Gang entlang. Rob rannte sofort vor und achtete gar nicht mehr auf sie.

Das war Andrew ganz lieb. Nuka war ihm zu still.

"Was ist denn noch? Beleidigt, dass du es mir sagen musstest?"

Nuka seufzte und schüttelte den Kopf.

"Nein...Ich...Macht dir das nichts aus?"

Andrew runzelte die Stirn und blickte ihm ins Gesicht.

"Was soll mir denn ausmachen?! Dass dir als Kind niemand schwimmen beigebracht hat?"

"Äh...ja...nein...na, dass ich halt nicht schwimmen kann!"

Andrew blickte vor sich den Gang entlang und überlegte wie er sich formulieren sollte.

"Es macht mir nichts aus, dass du nicht perfekt bist."

"Wie meinst du das denn jetzt?!"

Andrew schmunzelte und ergriff zögernd Nukas Hand, die locker neben seiner schwang.

"Also...bis jetzt bist du mir immer perfekt vorgekommen...im Gegensatz zu mir meine ich...Es hat mich nicht gestört, das meine ich nicht damit, aber es zeigt, dass ich dir vielleicht zwischendurch auch helfen kann."

Erleichtert stellte er fest, dass Nuka seine Hand sachte drückte. Er hatte es nicht falsch aufgenommen.

"Und wobei willst du mir jetzt helfen?"

Andrew konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Ich bring dir einfach schwimmen bei. Ich hab mal Gold in einem Wettbewerb gewonnen."

Nuka blieb abrupt stehen.

"Nein!"

Andrew blinzelte ihn an. Mit so einer heftigen Gegenwehr hatte er nicht gerechnet. Nuka war ja schon fast ein wenig laut geworden.

"Aber...warum denn nicht? Es könnte ja vielleicht auch Spaß machen."

Der Russe seufzte und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.

"Ich...Ich mach mich nur lächerlich...Ich will nicht, dass du siehst, dass ich irgendwie...ich weiß nicht...es ist so, dass...Ach, verdammt, das kann ich dir nicht erklären!"

Drew lächelte sacht. Langsam und bedacht trat er an seinen Geliebten heran und legte die Arme um seinen Nacken, zog ihn in eine sanfte Umarmung. Zögernd sah er in Nukas grüne, wunderschöne Augen, versuchte ihm Vertrauen einzuflößen.

"Du willst mir keine Schwäche zeigen...Das verstehe ich...Aber ich finde es unfair. Du kennst so viele von meinen Schwächen, hast bereits fast alle meiner Macken mitgekriegt...Im Gegensatz zu einer Panikattacke ist Nichtschwimmen doch vollkommen normal. Ich werde dich bestimmt nicht auslachen, falls du das befürchtest. Und wenn du dir darüber Gedanken machst, von anderen ausgelacht zu werden, üben wir nur dann, wenn wirklich niemand anderes da ist. Rob muss ja auch nicht zusehen."

Nuka seufzte auf und schlang ebenfalls seine Arme um Andrews Taille.

"Du bist lieb...Vielleicht...können wir es ja mal versuchen...Sollen wir gehen? Rob wartet sicher schon."

Drew nickte lächelnd und stahl seinem Nuka noch einen kleinen Kuss, bevor sie weitergingen.

Er hatte das Gefühl dieser Urlaub -nein, dieser Familienurlaub- würde ihm sehr gefallen!

Die Nacht bringt den Rückblick

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Lösung aller Probleme

Lösung aller Probleme
 

"Verdammt, Andrew! Wie oft muss ich es dir denn noch sagen, bist du es kapierst?! Warum willst du nicht verstehen, dass ich das nicht will! Wann respektierst du das endlich?! Gott! Ich halt's nicht länger aus..."

Andrew senkte den Blick und zuckte zusammen, als die Badtür mit einem Krachen hinter Nuka zufiel.

Er musste schlucken.

Und er musste sich setzen.

Nackt ließ er sich auf dem Klodeckel nieder und starrte in das Badewasser, das immer noch unruhig in der Wanne schwappte.

Genauso unruhig, wie die Gedanken, die durch seinen Kopf rasten. Genauso aufgebracht. Schuldig.

Das Wasser war Schuld. Er war Schuld.

/Wieso konnte ich nicht...? Wieso hab ich das...?/

Er seufzte auf und vergrub das Gesicht in den Händen.

"Mist..."

Und alles nur, weil er sich nicht unter Kontrolle hatte, weil er sich von der Lust hatte überrollen lassen und einfach verdammt noch mal nicht abwarten konnte.

Abwarten.

Abwarten bis Nuka es auch wollte.

/Ich hab mich ihm geradezu aufgezwungen...scheiße.../

Aus dem Nebenzimmer kam ein lautes Krachen, als hätte jemand die Schranktüren zugeschlagen. Kurz darauf fiel die Zimmertür mit einem unglaublichen Knall zu.

Nuka musste die Tür wohl mit dem gleichen Schwung zugeknallt haben, wir er ihm die Ohrfeige verpasst hatte.

Die wirklich berechtigte Ohrfeige.

Abermals entkam ein Seufzen seinen Lippen.

Warum hatte er es nur kaputt machen müssen?! Er hatte ihn ja schon fast...fast?! Ja...fast vergewaltigt...

Natürlich war es nicht das Gleiche...Natürlich nicht...

Aber es war dem doch schon ziemlich ähnlich...Er hatte Nuka einfach in sich gedrängt...Ohne auf dessen Protest und dessen Hände, die gegen seine Schultern drückten, zu achten...

Jemand klopfte zaghaft an die Tür.

Er zuckte überrascht und überrumpelt zusammen. Das konnte doch nicht Nuka sein!

"Andrew?"

Es war Rob.

"Kann ich reinkommen?"

"Nein. Ich muss mir erst was anziehen. Warte kurz."

Die Tür schwieg. Fragte nichts.

Und dafür war Andrew dankbar.

So hatte er wenigstens für einen Moment noch seine Ruhe und konnte sich eine Antwort zurechtlegen.

Denn Rob würde ihn fragen. Das war so klar wie das Amen in der Kirche. Rob fragte einfach immer.

Vorsichtig erhob er sich und wickelte sich in einen der flauschigen, weißen Hotelbademäntel. Nuka hatte gestern schon gesagt, er würde bei ihrer Abfahrt ein oder zwei davon mitgehen lassen.

Andrew band sich den Gürtel um und schloss die Augen, während er daran dachte, wie Nuka und er gestern noch gescherzt hatten.

Er hatte alles kaputtgemacht! Was hatte er sich dabei nur gedacht?!

/Gar nichts! Das ist es ja! Ich hab überhaupt nicht nachgedacht und Nukas Gefühle verletzt!/

Er trat an die Tür und legte eine Hand auf die Klinke.

/Gott...Was soll ich denn jetzt eigentlich Rob erzählen?! Das kann ich ihm doch nicht sagen!/

Angespannt drückte er die Klinke hinunter und trat aus dem Bad.

Rob lag lang ausgestreckt auf dem Bett und ließ den Kopf von der Kante hinunter baumeln.

"Du siehst bedrückt aus. Selbst wenn du auf dem Kopf stehst...Was war los?! Nuka ist eben wie ein Irrer an mir vorbei gerauscht."

Andrew seufzte. Dann setzte er sich neben seinen Bruder auf die Matratze und blickte mit gerunzelter Stirn an die gegenüberliegende Wand. Er suchte verzweifelt nach einer Antwort. Einer jugendfreien Antwort.

"Das ist schwer zu erklären...Ich denke nicht, dass du das wissen solltest."

Rob hob den Kopf an und bedachte ihn mit einem bohrenden Blick, der ihm zeigte, dass er seine Meinung ganz und gar nicht teilte.

"Weich nicht aus. Mir kannst du es doch sagen, ich bin schließlich dein Bruder."

Andrew seufzte auf und starrte auf seine Hände, die mit dem Gürtel des Bademantels spielten.

"Das ist aber nichts für dich...Es wäre mir unangenehm, wenn du es wüsstest..."

Rob richtete sich auf und stützte sich mit den Händen auf. Ihre Schultern berührten sich fast.

"Ich kann es mir sowieso denken...Er wollte und du nicht."

Drew merkte, wie sein Gesicht rot anlief. Das gab es doch nicht! Warum wusste Rob, dass es irgendetwas mit Sex zu tun hatte?!

Sein kleiner Bruder seufzte auf und drehte sich, so dass er seine Füße auf den Boden, neben seine stellen konnte. Er legte eine warme Hand auf Andrews Schulter.

"Du solltest..."

"Es war andersherum."

Rob blinzelte ihn verwundert an, als er ihn so plötzlich unterbrach. Nur langsam schien er die Worte zu verstehen, den Sinn zu begreifen.

"Wie...?...Aber..."

Der schon beinahe verstörte Ausdruck im Gesicht seines kleinen Bruders, ließ ihn automatisch grinsen. Wie leicht man Menschen doch eigentlich schocken konnte.

"Du hast richtig gehört...Er will nicht mit mir schlafen, solange er sich nicht sicher sein kann, dass ich ihn liebe. Ich...Ich weiß nicht, was ich noch machen soll. Er war so wütend auf mich..."

Rob erhob sich und ging ein paar Schritte durchs Zimmer. Jedoch war nicht nur er erstaunt, dass Andrew so frei darüber redete. Drew selbst fragte sich in Gedanken immer wieder, ob er jetzt endgültig übergeschnappt sei!

"W...warum ist er denn sauer auf dich? Was hast du gemacht?"

Andrew schluckte und folgte verlegen der champagnerfarbenen Bordüre mit Blicken, die kurz unter der Decke an der Wand entlang lief. Wie sollte er das nur sagen?!

"Das...ist schwer zu erklären...Ich...Ach, Rob, musst du das wissen?! Hast du so wenig Ahnung davon, dass du dir da nichts vorstellen kannst?!"

Rob und er liefen gleichzeitig rot an.

Andrew seufzte und erhob sich um an den Schrank zu treten.

"Ich...kann mir schon vorstellen, was du gemacht hast...aber...das wäre so unandrewisch...Ich kann nicht glauben, dass du ihn zu irgendetwas zwingen könntest...in...dieser Weise..."

Robs Hüsteln ließ ihn den Kopf schütteln.

/Gott...Ich bin schlimm! Ich ziehe ihn da mit rein! Er ist ja jetzt schon vollkommen verdorben!/

Andrew räusperte sich und öffnete den Schrank, versteckte seinen Kopf hinter der Schranktür.

"Wir sollten dieses Gespräch beenden. Wir treffen und in fünf Minuten unten im Speisesaal, ich ziehe mich nur kurz an."

Rob seufzte auf, schien aber einzusehen, dass es keinen Zweck hatte, sich mit ihm über dieses Thema zu unterhalten.

Er trat zur Tür und öffnete diese.

"Du solltest aber noch mal mit ihm reden. Wenn du es schon nicht mit mir tust. Vielleicht versteht er dich ja..."

Dann fiel die Tür hinter ihm zu.

Drew knurrte frustriert auf und ließ sich wieder zurück auf die Matratze plumpsen. Er fühlte sich unglaublich mies. Jetzt hatte er auch noch seinem Bruder die Laune verdorben! Dieser Urlaub sollte doch fröhlich und erholsam sein, dabei moserte es sich langsam zu dem reinsten Höllentrip. Und er allein war schuld daran...

Es brauchte erst einmal ein paar Momente, bis er sich aufraffen und fürs Frühstück anziehen konnte.
 

Nuka war nicht im Speisesaal. Rob und Andrew saßen allein an einem Tisch und kosteten das englische Frühstück. Toast, Orangenmarmelade, Spiegelei und Speck. Wäre der Streit am Morgen nicht gewesen, hätte Drew es genießen können. So konnte er jedoch nur angespannt in seinem Spiegelei herumstochern und versuchen sein Orangensaftglas mit Blicken zum Zerbersten zu bringen.

Er hatte wahrlich keinen Hunger, von Appetit ganz zu schweigen.

"Nun hör aber mal auf, Andrew! Da wird einem ja schlecht von!"

Drew seufzte auf, ignorierte aber seinen kleinen Bruder, der ihn schon seit geraumer Weile regelrecht anstarrte.

"Genau. Mit Essen spielt man nicht."

Wie unter einem Peitschenhieb zuckte Andrew zusammen und blickte zur Seite.

Da stand Nuka!

Sein trockener Kommentar passte zu seinem übellaunigen Gesichtsausdruck und seinen vor der Brust verschränkten Armen.

Andrew erschauerte leicht und senkte schnell, schulbewusst den Kopf.

Er war Schuld an dieser Pose! Er war Schuld an Nukas schlechter Laune!

Er konnte gerade noch ein Schluchzen unterdrücken, das ihm die Kehle hinauf kriechen wollte.

Warum musste er auch immer alles falsch machen?!

"Jetzt sitz nicht da wie ein geprügelter Hund! Ich will mit dir reden. Wenn du fertig bist, dann komm nach oben."

Drew nickte automatisch.

Dieser Befehlston machte ihm Angst. Nuka war wirklich wütend.

/Es tut mir so Leid! Was soll ich nur tun?/

Hilflos sah er dem Russen hinterher, als dieser kehrt machte und den Saal verließ. Sein Geliebter.

Was sollte er nur tun?! Er hatte Angst! Was war, wenn er zu weit gegangen war, was würde er tun, wenn er alles kaputt gemacht hatte?!

/Was soll ich nur tun, wenn er mich verlässt...?/

Ein eisiger Schauer, der ihm den Rücken hinab lief, ließ ihn frösteln.

Er hatte solche Angst! Da würde er noch viel lieber mit dem Flugzeug fliegen. Da würde er wirklich noch viel lieber seinen...

Andrew stockte in seinen Überlegungen und schob den angefangenen Gedanken weit von sich fort.

Damit wollte er nicht anfangen. Das wäre das Letzte, was er lieber tun würde...

Mit einem Mal wurde ihm klar, dass er jedoch an ein Treffen mit seinem Vater gedacht hatte...und zwar im Bezug auf Nuka...

Das würde er für Nuka tun?!

/Ich steigere mich hier in etwas hinein! Ich sollte aufhören, bevor ich nicht mehr klar denken kann vor Sorge./

Andrew biss sich auf die Unterlippe und zwang sich etwas von dem Essen herunter zu schlingen. Es war schwer. Er musste nach jedem Biss leicht würgen. Er würde sich nicht wundern, wenn er es nicht bei sich behalten würde.

Jedoch schaffte er es ein ganzes Spiegelei zu vertilgen, wobei er mit dem Orangensaft nachspülen musste.

Nach dem Frühstück war ihm übel. Und dieses Unwohlsein verschlimmerte sich, je mehr Teller der Kellner vom Tisch abräumte.

Andrew warf einen kurzen Blick zu Rob, der ihn nur forschend zu beobachten schien. Er schien sich ebenso viele Sorgen zu machen, wie er. Nur, dass sie vielleicht von anderer Natur waren.

Drew griff sich einen Zahnstocher und säuberte extra lange hinter vorgehaltener Hand seine Zähne um Zeit zu schinden.

Er musste sich irgendetwas überlegen! Er konnte Nuka doch nicht einfach so gegenüber treten! So...unvorbereitet!

Aber wie sollte er sich auch schon auf einen Streit vorbereiten...?

Er, der bis jetzt jeder möglichen Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen war um sich bloß nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Er, der nicht schlagkräftig war.

Er, der keinen blassen Schimmer hatte, wie er sich vor Nuka rechtfertigen sollte.

Er, der absolut keine Ahnung hatte, ob er das überhaupt wollte oder konnte.

Denn er allein war schuld daran. Er hatte Nukas Proteste ignoriert und ihn einfach in sich hineingedrängt. Bis Nuka ihm seine Fingernägel so fest in die Schultern gegraben hatte, er wieder zu Sinnen gekommen war und sie beide aus der Wanne gesprungen waren. Beide immer noch erregt. Aber Nuka wütend und Andrew verwirrt, verstört von seinem eigenen Verhalten.

Wie konnte er das nur jemals wieder gut machen...?
 

Hier stand er nun...Vor seiner Zimmertür...Vor seiner und Nukas Zimmertür...

Er hob seine Zur Faust geballte Hand an das massive, weiß gestrichene Holz, traute sich nicht diese aufzuschließen, traute sich nicht zu klopfen.

Sein Herz tat das sowieso in seiner Brust, klopfen, so laut wie Donner, so laut wie die besorgten Gedanken und die Vorwürfe, die wild durch seinen Kopf geschrieen wurden. Vollkommenes Chaos.

Was würde ihn dort drinnen wohl erwarten?!

Er taufte den Raum vor sich nach kurzem hysterischen Nachdenken ,die Höhle des Löwen'. Es war zwar töricht, aber diese Albernheit half ihm sich ein wenig von seiner Nervosität abzulenken.

"Willst du da Wurzeln schlagen?!"

Zu Tode erschrocken zuckte Drew von der Tür zurück und hielt sich eine Hand ans Herz. Da war Nukas Stimme gewesen! Und sie kam von...

Entsetzt fuhr er herum. Und da sah er Nuka.

Er stand einige Meter hinter, nein, jetzt vor ihm, mit zwei Coladosen -vermutlich vom Automaten am Ende des Flures- in den Händen und einem so neutralen Gesichtsausdruck, dass es Andrew fast schon körperlich wehtat.

Drew spürte wie seine Übelkeit sofort unerträglich wurde. Der ganze Stress war nichts für ihn!

"Was ist denn jetzt?! Geh endlich rein, sonst komme ich mir dumm vor, wie ein Idiot mit 2 Dosen und dir im Flur zu stehen!"

/Er kommt sich dumm mit mir vor?! Wie soll ich nur.../

Andrew wand sich langsam um und schob die Plastikkarte durch den vorhergesehenen Schlitz. Das elektronische Schloss gab ein Fiepen von sich und die Tür ließ sich öffnen. Schweigend traten sie ein. Nuka schloss hinter ihm die Tür wieder.

Und dann schwiegen sie sich an.

Andrew ging zu der Sitzgruppe und ließ sich schwer in einen der Sessel fallen. Er ließ den Blick gesenkt. Er traute sich nicht zu Nuka aufzusehen. Zu sehr hatte er Angst Ablehnung in seinen Augen zu sehen, Wut.

Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte sich Drew, Nuka würde zuschlagen, wenn er etwas Falsches gemacht hätte...Dann müsste er sich wenigstens nicht so vor einer Strafe fürchten, die er nicht kannte. Dann wüsste er wenigstens, was auf ihn zukam.

"Andrew. Warum siehst du nur so aus wie das kleine Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird...?"

Drew schluckte. Nukas Tonfall hatte sich nicht geändert. Er war kalt wie ein Fisch.

"We...werde ich denn geschlachtet...?"

Nuka seufzte auf und setzte sich aufs Bett -nicht auf den Sessel neben Andrew.

"Ich weiß noch nicht..."

Drew biss sich leicht auf die Unterlippe und verflocht seine Finger ineinander. Es war so schwer. So schwer die richtigen Worte zu finden, sich auszudrücken, ohne das falsche zu sagen.

"Drew...Was hast du dir dabei gedacht?"

/Gar nichts...das ist es ja! Verdammt!/

Keinen Ton brachte er heraus. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Wie konnte er sich nur für etwas entschuldigen, wofür man sich nicht entschuldigen konnte?! Es war einfach nicht möglich?! Keine Entschuldigung wäre ausreichend! Nichts würde das je wieder gutmachen!

Andrew merkte erst, dass er angefangen hatte zu heulen wie ein Kleinkind, als er aufschluchzen musste.

Ein wenig erschrocken biss er sich auf die Unterlippe und presste seine Hand gegen seine Lippen.

Er hatte überhaupt keinen Grund zu weinen! Das durfte er nicht!

Eine Hand legte sich auf seinen Kopf und er fuhr erschrocken zusammen.

"Komm her, Darling..."

Nuka zog ihn aus dem Sessel und setzte sich selbst hinein, ohne auf seine schwachen Proteste zu hören, zog er ihn auf seinen Schoß und umarmte ihn so zärtlich, dass Andrew nicht anders konnte, als sich auch noch an ihn zu kuscheln und seinen Kopf in seiner Halsbeuge zu verstecken.

/Warum tut er das?! Ich verdiene das gar nicht! Er soll aufhören!/

Doch ihm kam mal wieder nichts über die Lippen, außer ein paar jämmerlichen Schluchzern, für die er sich in Gedanken windelweich prügelte.

Es durfte einfach nicht sein! Er war der Schuldige! Er hatte all das NICHT verdient! ÜBERHAUPT NICHT!

"Beruhig dich, Darling...Dir tut es Leid oder?"

Drew brachte ein Nicken zusammen und unterdrückte das nächste Schluchzen.

"Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist...das..."

Verzweifelt schüttelte er den Kopf. Dafür gab es keine Worte.

Er hatte alles kaputtgemacht...In ihrer Beziehung klaffte ein Riss. Er hatte Nukas Gefühle verletzt, noch schlimmer! Er war wie sein Vater!

/Oh Gott.../

Entsetzt löste Andrew sich von Nuka und starrte vor sich ins Leere. Er war wie...

/Das kann doch nicht...nein.../

Ein Zittern lief durch seinen Körper. Tausend kleine Nadeln bohrten sich in seinen Kopf, ließen ihn leise aufwimmern. Das durfte nicht sein!

Mit zitternden Knien stand er auf und trat ans Fenster, konnte an nichts anderes mehr denken.

Er war wie sein Vater...

Ron hatte Recht gehabt.

Es lief alles so, wie Ron gesagt hatte.

Er war wie sein Vater.

/Nein...So kann es nicht weitergehen.../
 

Zu sagen Nuka wäre erschrocken, wäre untertrieben. Ihm war es eiskalt den Rücken hinunter gelaufen, als Andrew sich mit diesen leeren Augen von sich ab und dem Fenster zugewandt hatte.

/Was geht nur in ihm vor?! Er hat an etwas gedacht? Was...?/

Verstört stand er auf und trat vorsichtig auf Andrew zu.

"Drew? Was ist los?"

Sein Gegenüber rührte sich nicht. Er starrte nur unverwandt aus dem Fenster, schien ihn gar nicht zu bemerken.

"Drew?"

Zögernd legte er eine Hand auf Andrews Schulter, zuckte aber zusammen, als dieser plötzlich zu ihm herumfuhr.

"Fass mich nicht an!"

Überrumpelt und fassungslos starrte er in Andrews Gesicht. Drew hatte Angst, höllische Angst anscheinend. Seine Unterlippe bebte und seine Augen waren so weit aufgerissen, dass Nuka es ebenfalls mit der Angst zu tun bekam.

Was passierte hier?! Was sollte das?!

"Aber..."

"Weißt du noch, als ich dir gesagt habe, du sollst dich um Rob kümmern, wenn ich nicht mehr da bin, kurz bevor du zum Gericht gefahren bist?!"

Nuka sah ihn verwirrt an.

"Was?! Ja, ich erinnere mich, aber..."

"Gut."

Andrew drehte sich um und verließ mit zügigen, aber vollkommen ruhigen Schritten das Zimmer, schloss die Tür leise hinter sich.

Perplex und verstört blickte Nuka auf die Tür.

/WAS IN GOTTES NAMEN IST DA GERADE PASSIERT?!/

Verwirrt versuchte er sich an ihr Gespräch zu erinnern. Alles war so merkwürdig!

Doch langsam sickerte es zu ihm durch. Der Sinn der Worte, Andrews Worte.

Andrews Worte von damals fielen ihm wieder ein. Jedes einzelne Wort.

/"Wenn du wiederkommst...und ich bin nicht mehr da, dann...dann kümmere dich um Rob. Bitte."/

Entsetzen lähmte ihn.

Das konnte doch nicht wahr sein!

Andrew würde doch nicht...Das würde er nicht tun!

Das konnte er doch nicht tun!
 

Drew ging die Straße entlang, entfernte sich vom Hotel. Eigentlich wollte er sich einen Platz aussuchen, der so weit wie möglich von dem Hotel weg war. Doch dafür reichte die Zeit nicht aus.

Nuka war intelligent. Er würde eins und eins zusammenzählen.

Er seufzte.

Sein Nuka.

/Nimm dich zusammen./

Seine Schritte wurden forscher.

Der Nieselregen, der für England so typisch war, wandelte sich zu einem Regenschauer, der ihn bis auf die Haut durchnässte.

Er hatte seine Jacke vergessen.

/Die brauch ich eh nicht mehr.../

Während er an den die Straße entlang hetzenden Menschen, die Schutz vor dem Regen suchten, vorbei ging und sich einige dumme Blicke einfing, überlegte er, ob alles geregelt war.

/Testament, Patientenverfügung, Rob./

Alles geklärt.

Das Testament war bereits aufgesetzt, seit er von Zuhause abgehauen war. Er hatte es sogar noch einmal ändern lassen, als er sich mit Nuka besser verstanden hatte.

Nuka sollte Robs Sorgerecht bekommen.

Das Sorgerecht!

/Dann soll wohl Nuka für mich im Gericht sitzen...Ist auch besser so...Er kann sich besser ausdrücken als ich.../

Andrew fiel auf, wie wirr er dachte, wie dumm er doch war.

/Keine Sorge, es läuft alles nach Plan...Es wird nichts schief gehen. Es ist für Rob alles geregelt. Es ist genug Geld da, ich hab genug gespart...Damon wird sich auch um ihn kümmern. Er ist gut versorgt./

Und Nuka?

Er seufzte auf.

Nuka würde schon etwas anderes finden. Andere Mütter hatten auch schöne Söhne.

Kein Problem.

Selbst hier, auf der Straße, gab es kein Problem mehr. Ein paar Meter weiter weg sah er eine Brücke. Sie war hoch genug.

/Kein Problem./

Doch...wenn es kein Problem gab...Warum zögerte er dann?! Er stand vor der Brücke und ging nicht weiter.

/Das ist doch ganz einfach. Kein Thema. Kein Problem./

Er seufzte und trat auf die Brücke.

/Nimm dich zusammen./

Panik breitete sich in ihm aus, als er sich daran erinnerte, dass sein Vater das immer gesagt hatte. ,Nimm dich zusammen, Junge.'

Verzweifelt versuchte er sich zu beruhigen.

Es war doch alles in Ordnung! Bald wäre alles vorbei! Es würde nie wieder Probleme geben!

Es gab einfach kein Problem.

Entschlossen ging er zur Mitte der Brücke, zum höchsten Punkt.

Am Steingeländer stand eine Laterne. Das Metall war kalt und nass, schlüpfrig, aber er schaffte es auf das Mauerchen zu klettern.

Er musste leicht schwindeln, als er nach unten blickte.

Graues, sprudelndes Wasser. Die Stützen der Brücke, die wie Beine in einem kleinen Bächlein wirkten, wurden wild umspült.

Es machte ihm keine Angst. Es sah schon regelrecht einladend aus.

Mit einem leichten Lächeln blickte er hinab und stellte sich vor, wie es wohl sein würde, wie er in das kalte Wasser eintauchen würde, wie er durch die Strömung herumgewirbelt werden würde, unter Wasser gezogen werden würde.

Wie er keine Luft mehr bekommen würde, ertrinken, ertrinken in seiner Angst, so zu sein wie er.

Mit zitternden Knien trat er an den Rand des Geländers, hielt sich mit einer Hand an der eiskalten Laterne fest. Seine Finger waren taub vor Kälte.

Und er wünschte sich, diese Kälte würde ihn endgültig umschließen, kein Gefühl zulassen. Sein Herz und seine schmerzhaften Erinnerungen ertränken.

Langsam glitten seine Finger vom glitschigen Metall der Laterne ab und er ließ sich nach vorne fallen.

Sah seiner Zukunft und Erlösung entgegen.

Und seinem Tod.

Einbruch

Einbruch
 

Jonas seufzte auf und goss gelangweilt die kleinen, armseligen Topfpflanzen, die auf der Fensterbank standen. Und -oh Wunder!- dabei waren es noch nicht einmal sein! Sie gehörten genauso wenig ihm, wie dies hier Wohnzimmer war. Es war Nukas Wohnzimmer, Nukas Wohnung.

Er war so dumm gewesen sich bereit zu erklären sich um Nukas Wohnung zu kümmern. Alle zwei Tage musste er jetzt hier antanzen, Staubwischen, Staubsaugen, Posteinsammeln und Blumengießen.

So wie die aussahen, würden diese 2 Wochen, in denen er sich um sie bemühte, wohl die schönste Zeit in ihrem jämmerlichen Leben werden. Denn sie sahen unglaublich vertrocknet aus, ließen die Blätter und Köpfe hängen. Ein paar von ihnen waren sogar schon gelb angelaufen. Die konnte er wohl erstmal wegschmeißen.

/Ja ja...Nuka hatte noch nie einen grünen Daumen'...Wahrscheinlich vergisst er immer sie zu gießen.../

Er seufzte auf.

Nuka war schon ein Original...

Er verzog missmutig den Mund und fuhr sich durch die blonden Haare. Wofür machte er das hier eigentlich?! Nuka hatte doch eh seinen Andrew!

Er arbeitete hier, während Nuka auf dem anderen Ende der Welt seinen Spaß hatte!

Leicht angesäuert zupfte er an einer halb vertrockneten Orchidee herum, die eigentlich ziemlich teuer aussah und schob die immer noch leicht eifersüchtigen Gedanken weit von sich fort.

Damit wollte er nicht mehr seine Zeit vergeuden! Es war so und es würde sich nie ändern!

Seufzend warf er einen Blick aus dem Fenster. Draußen war es bereits dunkel. Er sollte wohl langsam nach Hause fahren. Leicht gähnend stellte er die nun leere, kleine Gießkanne weg und verließ das Wohnzimmer. Ein kurzer Blick durch den Flur und schon stand er im Treppenhaus. Ein wenig müde ging er die Stufen hinunter. Im 4. Stock hielt er jedoch verwundert inne.

Andrews Wohnungstür...Irgendetwas stimmte damit nicht...

Er tippte vorsichtig dagegen.

Und sie schwang einen Spalt auf!

Mit tellergroßen Augen und plötzlichem Herzrasen versuchte er die Situation zu verstehen.

Andrews Wohnungstür war nur angelehnt gewesen?! Hatte er oder Rob sie offen gelassen?! Vergessen sie zu zuschließen?!

/Nein...Das ist ziemlich unglaubwürdig...eher.../

Ein Geräusch riss ihn aus seinen Überlegungen.

Es war gedämpft gewesen, schien aber nah zu sein.

/Oh Gott! Oh Gott! Da ist jemand in Andrews Wohnung! Ein Einbrecher! Was mach ich jetzt?!/

Entsetzt vernahm er leises Fluchen. Es kam direkt von der anderen Seite der Tür. Direkt vor ihm! Ganz nah!

Vor Entsetzen konnte er sich nicht mehr rühren.

Mit einem Mal wurde die Tür aufgerissen.

Jonas sah nur eins: Verstrubbelte Haare, Drei-Tage-Bart und eine Plastiktüte mit Diebesgut in den Händen!

"Wuuuaahhhh!"

Sein Schrei hallte wohl durch das gesamte Treppenhaus.

Eher instinktiv und vor Schreck als wirklich aus Courage stürzte er vor und riss den Dieb durch den Schwung um.

Mit einem geräuschvollen Rumpsen knallten sie zu Boden.

Sie brauchten beide einen Moment, bis sie sich bewusst wurden, dass sie beide auf dem harten Holzboden lagen und Jonas auf dem Fremden gestürzt war.

"Hey! Was-"

Jonas ließ den anderen nicht ausreden, sondern holte aus und schlug dem Wüstling hart ins Gesicht.

Ehe er jedoch noch einmal zuschlagen konnte, ergriff der andere seine Handgelenke und dann lag er plötzlich auf dem Rücken!

Und der verdammte Dieb über ihm.

"Verdammt! Was soll das hier?! Bist du vollkommen übergeschnappt?!"

Jonas blinzelte den anderen an.

Der floh nicht.

Er brüllte ihn an, floh nicht, obwohl Jonas sein Gesicht gesehen hatte.

"Sag mal, was willst du von mir?! Bist du geisteskrank oder warum greifst du mich einfach so an?! Hä?!"

"Du..."

Jonas blinzelte abermals.

Scheiße! Hatte er sich da etwa vertan?!

"Du...Ich dachte...du warst -nein, bist- in Andrews Wohnung! Da...ich dachte, du wärst..."

"Ein Einbrecher?! Was soll ich denn bei Drew in der Wohnung?! Der hat doch eh nichts, was man ausrauben sollte!"

Baff starrte Jonas ihn an.

Er kannte Andrew?!

Wer war der Kerl?!

"Bist du ein Freund von Drew?"

Jonas zögerte, nickte dann jedoch. Natürlich war er Andrews Freund...Der konnte ja nichts dafür, dass er hoffnungslos in dessen Lover verschossen war.

"Ich hab ihn durch Nuka kennen gelernt. Ich bin Jonas Fisher."

Der Kerl, der übrigens immer noch auf ihm drauf saß, was ziemlich unbequem war, grinste ihn plötzlich breit an.

"Da bin ich ja einem Missverständnis zum Opfer gefallen! Ich bin Andrews Bruder. Damon Bucker. Sehr erfreut, Jo."

Überrumpelt runzelte Jonas die Stirn. Andrews Bruder?!

Er wurde misstrauisch. Irgendwie glaubte er das nicht...Andrew hatte nie von einem zweiten Bruder gesprochen.

"Glaubst du mir nicht?!"

Drews Bruder' lachte kurz auf und kramte dann in seiner Jackentasche. Ein paar seiner verwuschelten, schwarzen Haare fielen ihm dabei ins Gesicht.

/Er sieht Andre gar nicht ähnlich.../

Im nächsten Moment bekam er einen Personalausweis vor die Nase gehalten.

Damon Bucker.

39 Jahre alt.

/Ganz schön alt...Kann der wirklich Andrews Bruder sein?!/

"Guck mich nicht so misstrauisch an! Ich bin wirklich sein Bruder! Genauso wie Nuka sein blöder Lover ist und die zwei samt Adoptivsohn' sich in England ein schönes Leben machen, während ich mich hier von einem ihrer Freunde verprügeln lassen muss!"

Jonas musste schmunzeln.

"Ok, ok...Ich glaub's dir ja...Andrew hat mir halt noch nie erzählt, dass er noch einen Bruder hat außer Rob."

Damon zuckte die Schultern und erhob sich endlich von Jonas Bauch. Ein Glück für ihn. Der fast-Vierziger' wurden nämlich langsam schwer.

"Andrew hatte sogar mal 5 Geschwister."

Er hob den Kopf und runzelte die Stirn.

Damons knurriger Gesichtsaudruck gefiel ihm nicht.

"Und was ist aus denen geworden?"

"Drei Geschwister. Meine zwei Schwestern sind tot."

/Na toll...Geh doch gleich auf die Straße und tritt in jedes Fettnäpfchen, das du finden kannst! Idiot!/

"Das tut mir ehrlich Leid..."

Damon seufzte und winkte ab.

"Scheiß drauf...Soll ich dir hoch helfen? Du siehst ein wenig platt aus."

Grinsend nahm Jonas die ausgestreckte Hand an und zog sich zu ihm hoch.

"Ich sehe nicht nur platt aus, ich bin es auch! Du bist ganz schön schwer!"

Der Schwarzhaarige schüttelte grinsend den Kopf und bückte sich nach der Plastiktüte. Jetzt sah er auch, was sich darin befand. Müll. Damon hatte kein Diebesgut' in der Hand gehabt, sondern Müll!

/Trottel! Trottel! TrottelTrottelTrottelTrottelTrottelTrottelTrottelTrottelTrottelTrottelTrottel!/

"Das ist der Rentnerspeck. Ich werde halt langsam alt."

Jonas biss sich auf die Unterlippe.

/Für sein Alter hat er sich aber verdammt gut gehalten.../

Und nun standen sie hier in Andrews Wohnungstür und schwiegen sich an.

Peinlich.

Jonas wurde rot bei dem Gedanken, wie dumm er sich benommen hatte. Vielleicht konnte er seinen Studiumskollegen als Versuchskaninchen dienen?! Für deren neue Therapiemethoden für Paranoide.

"Jetzt stehen wir hier...Sollen wir uns vielleicht noch einmal hier hereinsetzen?! Falls...du nicht noch etwas Besseres zu tun hast, als mit einem altersschwachen, speckigen Bucker herumzusitzen."

Ein Seufzen entwich ihm.

"So speckig bist du eigentlich gar nicht...Selbst ein Baby wird schwer, wenn man es lange genug auf dem Arm hält -oder in deinem Fall auf dem Bauch sitzen hat. Nein, ich hab nichts Besseres vor. Wenn es Andrew nichts ausmacht, können wir uns ja wirklich in die Wohnung setzen."

Damon grinste ihn an und macht dann hinter ihnen die Tür zu.

"Drew hat bestimmt nichts dagegen. Wir machen ja keine Flecken auf den Teppich oder so. Außer mich würde plötzlich ein Anfall von Inkontinenz ereilen...Aber ich hab meine Medizin genommen...Da sollte eigentlich nichts passieren."

Jonas musste grinsen.

/Gott...Was für ein Scherzkeks!/

Leicht glucksend, weil Damons Kehrseite noch weniger speckiger war, als er behauptete, folgte Jonas ihm durch den Flur ins Wohnzimmer.
 

Und nun saßen sie da. In Andrews Wohnzimmer. Mit je einer Tasse Kaffee vor der Nase. Jonas auf dem Sofa, Damon im Sessel gegenüber.

Und sie schwiegen.

/Was machen wir jetzt?! Weiter peinliches Anschweigen oder doch dummer Smalltalk?!/

"Und du kennst meinen Bruder durch Nuka?"

/Ok...dann eben dummer Smalltalk.../

"Ja...ich hab Andrew und Rob vor ein paar Monaten kennen gelernt."

/Oh Mann! Ist das wirklich schon so lang her?!/

"Es war meine Idee, Andrew eine Reise nach England zu schenken. Deshalb bin ich wohl auch Schuld daran, dass wir überhaupt hier sitzen. Ich soll mich um Nukas Wohnung kümmern."

Damon lächelte ihn kurz an. Ein sehr sympathisches Lächeln.

"Das war wirklich eine gute Idee. Er hat sich sehr über die Reise gefreut. Allerdings muss ich mich jetzt auch um Drews Wohnung kümmern..."

"Tut mir Leid, dass du jetzt wegen mir Ärger hast."

"Kein Problem. So schlimm ist es nicht."

"Hmm..."

Jetzt schwiegen sie schon wieder!

Jonas beugte sich vor und nahm seine Tasse in die Hand. Nachdenklich suchte er nach einem Gesprächsthema. Doch ihm fiel nichts ein. Ein wenig verkrampft trank er seinen Kaffee.

Dann fiel sein Blick auf die große, breite Standuhr, die ihm gegenüber an der Wand hing. Ein altes, schweres Ding.

Von dem man aber sicher sein konnte, dass das Uhrwerk perfekt lief.

/Schon nach 11...schon so spät.../

Er seufzte und leerte dann seine Tasse mit den witzigen Katzenmotiven darauf. Er sollte nach Hause.

Was sollte er denn hier?! Damon hatte ihn sowieso nur aus Höflichkeit zum Kaffee eingeladen und in die Wohnung gebeten.

Verwundert stellte er fest, dass ihn das doch mehr traf, als es eigentlich sollte. Nuka hatte ihn wohl anfällig für depressive Gedanken gemacht. Er vertrug den Gedanken nicht, dass man sich nur aus Höflichkeit mit ihm unterhalten könnte.

Jonas seufzte auf und klopfte sich antreibend auf die Oberschenkel.

"Tjaaa...Es ist schon spät...Ich sollte nach Hause...Danke für den Kaffee..."

Damon blinzelte ihn überrascht an, lächelte dann aber verständnisvoll.

"Ja, natürlich. Tut mir Leid, wenn ich dich aufgehalten haben sollte. Ich weiß auch nicht...aber ich wollte wissen, wer mit meinen Brüdern befreundet ist..."

Jonas musste zurücklächeln. Das hörte sich so ehrlich an.

Er glaubte ihm ja schon fast.

"Kein Problem. Du hast mich nicht aufgehalten. Zuhause bin ich eh allein."

Schließlich erhob er sich und wartete darauf, dass Damon es ihm gleichtat. Es war ihm irgendwie unangenehm, sich schon zu verabschieden. Schließlich wäre er bald schon wieder allein in seiner kleinen, kahlen Wohnung. Jedoch wollte er Damon auch nicht auf die Nerven gehen.

Sie gingen zusammen zur Tür und schweigend öffnete Damon ihm.

"Ja...Danke für den Kaffee..."

Jonas' Gegenüber lachte auf.

"Danke, dass du den Abend noch so interessant gemacht hast!"

Damons Lächeln war...schwer zu beschreiben...

Der ganze Mann war...charismatisch...ja...attraktiv, egal wie alt er war, egal, ob er schon leichte Mimikfalten hatte und ganz kleine Krähenfüße.

Vor allem seine Lippen...wie anziehend er lächelt...

/Oh Gott! JONAS!/

Er merkte, wie er rot anlief.

/Jonas! Um Gotteswillen! Du starrst! Du starrst ihn an! Du _glühst_ ihn an!/

Unglaublich verlegen senkte er den Blick.

Allerdings wurde ihm so nur noch mehr klar, dass Damon sofort bemerken musste, was mit ihm los war. Und außerdem bemerkte Jonas, wie unverschämt _gut_ sein Gegenüber doch in diesen engen Jeans aussah!

/Arrgh! Schäm dich! Du bist in seinen Augen doch ein kleiner Hosenscheißer!/

Er schaffte es sich wieder etwas zu beruhigen.

Langsam sah er auf und begegnete direkt Damons Blick. Damons starrem Blick.

/Er...Er start mich an!/

Jonas' Gehirn schaltete sich aus.

Er lehnte sich vor, kam Damon entgegen, lehnte sich an ihn!

Und dann passierte es...

Er küsste ihn!

Ihm schien es, als würden Hunderte von Feuerwerkskörpern in ihm explodieren.

Ihm wurde heiß und kalt auf einmal.

Eine Gänsehaut überzog seinen gesamten Körper.

Starke Arme legten sich um seine Taille, zogen ihn näher an ihn.

Eine warme, zärtliche, aber ganz schön forsche Zunge schob sich in seinen Mund, drängte seine zurück.

/Halleluja.../

Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Er wurde mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt, Hände fuhren unter seinen Pullover, unter sein T-Shirt, berührten seine nackte Haut.

/Oh Mann, geht der ran!/

Sie lösten den Kuss, brauchten Luft.

"Himmel..."

Jonas erkannte seine Stimme nicht wieder. Er erkannte _sich_ nicht wieder! Was war denn nur in ihn gefahren?!

"Tut...Tut mir Leid, ich weiß nicht, was...wie..."

Damon löste sich langsam von ihm, zögerlich. Er wirkte vollkommen fassungslos. Genauso wie Jonas selbst.

Was hatte sie nur geritten, dass sie so aufeinander reagierten?!

Jonas war sprachlos...

Verwirrt schloss er die Augen und atmete tief ein und aus.

Aber es hatte sich so _gut_ angefühlt!

/Verdammte Scheiße! Was mache ich jetzt?! Ich hab mich in einen attraktiven Rentner verschossen!/

Fast ein wenig verzweifelt öffnete er die Augen und sah seinen Gegenüber an.

Damon hatte ebenfalls die Augen zu und eine Hand in seine Haare gegraben. Er sah vollkommen ratlos aus.

Und unglaublich gut aussehend.

Ohne dass er etwas dagegen tun konnte, vergrub er die Hände in Damons Hemd und presste seine Lippen abermals auf seine.

Und -Oh Gott!- Damon erwiderte den Kuss auch abermals!

Und brachte kurz darauf wieder seine Zunge ins Spiel.

Ehe Jonas auch nur einen Gedanken fassen konnte, hatte Damon ihn schon den Flur entlang gedrängt. Die Wohnungstür musste wohl schon längst ins Schloss gefallen sein.

/Was passiert hier nur mit mir?! Mit uns?! Werden wir von Aliens manipuliert, die unser Geschlechtsverhalten untersuchen wollen?! Fuck, kann der küssen!/

Die Reise durch den Flur nahm ein jähes Ende. Er wurde hart gegen eine Tür gepresst.

Jonas' Pullover ging flöten, landete irgendwo auf dem Flurteppich. Ein Bein schob sich zwischen seine, drückte gegen die Beule in seiner sonst so bequemen Stoffhose.

Ein erregtes Wimmern kam über seine Lippen.

Die Tür in seinem Rücken ging auf und er taumelte rückwärts in den Raum. Damon hatte wohl die Klinke gefunden.

/Bitte, lass es das Schlafzimmer sein!/

Ein Blick durch das nur halb durch das Licht im Flur erhellte Zimmer und er fühlte sich ein kleines Bisschen unwohler.

Er hatte noch ein wenig Glück gehabt. Es war ein Schlafzimmer...

Aber es war Robs.

Ein Blick zu dem schmalen Bett ließ ihn aufstöhnen.

"Das wird eng..."

Wow! Das war das erste, was er seit langem heraus bekommen hatte! Und es war auch noch halbwegs intelligent!

Damons breites Grinsen veranlasste ihn dazu auch noch den letzten Rest an Verstand zu verlieren und einen weiteres Argument, das gegen Robs Bett sprach, zu finden.

Der Mann war der helle Wahnsinn! Oder auch der dunkle Wahnsinn, schließlich hatte er dunkle Haare. Das musste man berücksichtigen!

"Egal, ob es eng ist...Es reicht aus..."

Nicht gerade romantisch, aber nachdem er Damons tiefe, raue Stimme so aufgeheizt gehört hatte, und während dieser Wahnsinnskerl ihm auch noch praktisch die Seele aus dem Leib küsste, vergas er diesen Umstand.

Sein letzter, noch-klein-bisschen-intelligenter Gedanke war:

/Rob bringt mich um!/
 

Jonas stöhnte leise und schlug die Augen auf. Um ihn herum war es stockdunkel. Und stockkalt. Er fröstelte.

Erst jetzt bemerkte er, wo er lag. Und wie.

Er lag in Robs Zimmer. In Robs Bett. Auf dem Bauch. Immer noch.

Ein Grinsen, das breiter nicht mehr sein könnte, legte sich auf seine Züge. Er war sogar im Schlafe -oder auch in der Bewusstlosigkeit- zu erschöpft gewesen um sich umzudrehen!

Damon hatte ihn vollkommen geschafft...

Ein verschlafenes Murmeln ließ ihn ein wenig Zusammenzucken.

"Nicht das kleine Schwarze...hmm..."

Jonas kicherte und drehte den Kopf zur anderen Seite.

Damon lag auf dem Rücken, wie er vollkommen nackt und ohne Bettdecke (die hatten sie im Laufe des Gefechts vom Bett gekickt...), Hände und Füße weit -so weit es bei dem schmalen Bett und dem breiten Abgrund daneben eben möglich war, ohne rauszufallen. Von sich gestreckt. Die Augen zu und der Mund halb offen.

Anscheinend schlief er noch.

/Nein...wie süß.../

Er seufzte auf und streckte sich etwas.

Ein Schmerz ließ ich zusammenfahren.

/Oh, Scheiße!!!!/

Missmutig betastete er seine Kehrseite...

Schade, dass kleine, 16jährige Jungens keine Gleitcreme in ihren Nachtschränkchen versteckt hatten...

Er knurrte auf und versuchte sich vorsichtig auf den Rücken zu drehen. Bloß keine schnelle Bewegung.

Erleichtert lag er da, starrte an die graue Decke. Sie hatten die Zimmertür offen gelassen und das Licht kam aus dem Flur.

/Wie viel Uhr ist es eigentlich?/

Blinzelnd suchte er in Robs Durcheinander eine Uhr. Oder wenigstens einen Wecker.

Vergeblich.

Jonas grummelte leise vor sich hin. Er würde dem kleinen Scheißer einen Wecker zu Weihnachten schenken!

Ein leises Piepsen ließ ihn stutzen. Das war eine Armbanduhr!

Er schielte hinter sich.

Damons Armbanduhr.

Er gähnte leise und beugte sich über Damons Arm, drückte für einige Momente dumm an der Uhr -eine Taucheruhr- herum, bis das Ziffernblatt von grünem, stechendem Licht erhellt wurde.

Jonas musste wegen der plötzlichen Helligkeit blinzeln.

"Scheißding..."

"Beleidige nich meine Uhr...Die is alt..."

Erschrocken zuckte Jonas zurück, wobei er sich wegen dem brennenden Schmerz an seinem Hinterteil verfluchte, und starrte in Damons müdes, leicht zerknittertes Gesicht.

"Hmm...wollt dich nich erschrecken, Babe...sorry..."

Jonas fielen fast die Augen aus dem Kopf.

/Babe?!/

"Was willst du denn mit meiner Uhr?"

"Uhrzeit."

Damon richtete sich leicht auf und fummelte genauso unbeholfen wie Jonas an der Uhr herum. Er schien noch ziemlich müde zu sein.

Grünes, stechendes Licht und ein herzhaftes So ein Scheißding!' von Damon brachten Jonas zum Lachen.

Damon grinste ihn nur an und rieb erschöpft an seinen von dem plötzlichen Licht geblendeten Augen herum.

"Sag ich doch! Ein Scheißding!"

Damon fuhr sich mit den Händen durch die Haare und nickte leicht.

"Hast schon recht...Ist ein Scheißding...Es geht mir schon seit geraumer Weile auf den Geist..."

"Warum verkaufst du sie nicht?"

Verwundert sah Damon ihn an. Er schien an so eine Möglichkeit noch gar nicht gedacht zu haben.

"Hmm...Ich weiß nicht recht...Die ist von meinem Vater...Das erste, das er mir geschenkt hat und wahrscheinlich auch das Ehrlichste...Ich...hmm..."

Jonas runzelte die Stirn.

Über Andrews Familie hatte er sich schon oft Gedanken gemacht...Vielleicht würde ihm Damon etwas darüber erzählen?

"Na ja...Um ehrlich zu sein bin ich gar nicht Andrews Bruder, oder Robs, oder Rons oder mit gar mit meinem Vater verwandt..."

Er seufzte, als er Jonas überrumpelten Gesichtsausdruck sah.

"Ja...du hast richtig gehört...Meine Mutter Angela brachte mich in die Ehe ein. Mein Vater war damals gerade erst 18...Es war ne arrangierte Ehe. Ich war damals 6. Ich kann mich an meinen leiblichen Vater nicht mehr erinnern, aber da scheiß ich drauf...Jedenfalls war die Uhr ein Willkommensgeschenk von meinem Vater. Wahrscheinlich hat er sich genauso verloren und unsicher gefühlt wie ich...Zunächst haben wir uns gut verstanden, aber dann ist meine Mutter abgehauen -vielleicht mit einem anderen Kerl- und mein lieber Vater George ist irgendwie krank geworden..."

Damon deutete durch Tippen seines Zeigefingers gegen seine Stirn, was er denn genau mit kank' meinte.

"Dann hat er Julia geheiratet, die bekam Ron, dann kamen Andrew und Lydia. Julia ist gestorben, keine Ahnung...irgendetwas mit der Geburt...Dann ist er total durchgedreht und hat direkt danach Lei geheiratet, die ein totes Kind bekommt, meine Schwester Jeanny, und dann werd ich aus unerfindlichen Gründen in England in ein Internat gesteckt. Ich sei zu frech, hat Georgie gesagt...Tz. Ich war der einzige, der ihm die Stirn geboten hat und sich richtig mit ihm geprügelt hat. Ich hab mir keine Schläge gefallen lassen...tja dann kam irgendwann Rob, wovon ich überhaupt nichts mitbekommen hab...Dann hatte ich noch ungefähr 7 Jahre Kontakt mit ihnen, bin zu Weihnachten rüber geflogen oder so...Ich hab noch mitgekriegt, dass sich Lydia umgebracht hat und dann kamen nie mehr Briefe zurück. Und wir haben total den Kontakt verloren. Und jetzt hab ich Andrew wieder gefunden..."

Jonas schluckte.

Das war also das Geheimnis? Das Geheimnis von Andrews Familie?!

"Aber...das..."

"Ist beschissen, ich weiß...Ich weiß nicht, warum ich seine Uhr noch trage. Er hat mein Leben versaut...Na gut...ich hab ne gute Ausbildung bekommen und bin schon ziemlich wohlhabend. Ich bin Hotelführer musst du wissen."

Jonas musste wider Willen zittrig lächeln. Woher nahm Damon nur diesen Enthusiasmus?!

"Aber ich will die Uhr nicht verkaufen...Es erinnert mich daran, dass in jedem Menschen noch etwas...hmm...-nenn mich bekloppt- etwas Gutes ist. Ich glaube, der Druck ist ihm über den Kopf gewachsen. Große Firma, die Millionen gibt oder auch schluckt -kommt darauf an, wie geschickt man ist-, dann der Stress von der Öffentlichkeit und der familiäre Druck. Seine Eltern haben ihn darauf richtig getrimmt und darauf abgesetzt eine Ehefrau und viele Kinder zu haben...Es ist ihm über den Kopf gewachsen. Eigentlich bin ich ihm nicht böse."

Damon legte sich wieder zurück und seufzte in die Dunkelheit des Raumes.

"Komm her, Babe. Mir's kalt."

Jonas rutschte zu ihm und schmiegte sich an ihn. Ausgekühlte Haut traf auf ausgekühlte Haut.

Sie beide fröstelten.

Damon tastete am Boden herum und zog schließlich die Decke über sie.

Es half nicht sehr. Jonas Füße waren inzwischen zu Eisklötzen geworden. Wieder ein wenig müde kuschelte er sich an seinen neu gewonnen Freund'.

"Damon...? Wie spät ist es denn jetzt?!"

"Hmm...Mal sehen..."

Schon wieder grünes, stechendes, verdammt NERVENDES Licht.

""Scheißding!""

Sie lachten auf. Das hatten sie im Chor gesagt.

"Eigentlich sind wir uns gar nicht so unähnlich...Ich meine, wenn wir mal davon absehen, dass ich dominant bin und du unterwürfig...Hmm...verdammt anziehend unterwürfig..."

Jonas musste kichern, versuchte die Hand abzuwehren, die sich auf seinen lädierten Hintern legen wollte.

"Damon! Immer noch die Uhrzeit!"

Grinsend betätigte Damon ein weiteres Mal das Licht an seiner Armbanduhr. Jonas hielt seine Augen zu, während es Damon tapfer ertrug ins ekelhafte Licht zu starren.

"3:46Uhr. Hmm...ganz schön früh!"

"Ja...Was machen wir denn jetzt?!"

Jonas war selbst von sich überrascht, wie unschuldig er das über die Lippen brachte.

Damon lachte.

"Also...Lass uns mal zusammenfasse...Wir sind beide nackt, in einem Bett, haben eine weiche, warme Decke, kalte Füße und Haut. Ich bin nicht müde..."

"Ich auch nicht."

"Ok...Wir sind nicht müde, sind beide schwul -ich nehme mal an, dass du es bist- und haben es eben zusammen getrieben...Was könnten wir denn jetzt tun?!"

Grinsend schob sich Jonas etwas über seinen Betthasen und hauchte einen zarten Kuss auf dessen Lippen.

"Hmm...Lass mich einmal scharf nachdenken...Wir könnten es noch mal zusammen treiben...?!"

Damon sah ihn gespielt anerkennend an.

"Gut kombiniert, Watson..."

Giggelnd fuhr Jonas mit den Fingern durch Damons weiche Haare, massierte leicht die Kopfhaut und entlockte Damon somit ein leises Seufzen und ließ ihn die Augen schließen.

Damons Hände, die sich bereits etwas aufgewärmt hatten, fuhren über Jonas' Schultern, fuhren sanft über dessen Rücken bis hin zu dessen Hintern, streichelten über die zarte Haut der Oberschenkel.

"Hmm...diesmal aber nicht ohne Creme...Mein Hintern tut weh..."

Damon öffnete blinzelnd seine Augen.

"Wirklich? Tut mir Leid, Babe...Sollen wir etwas anderes machen?"

Jonas musste leise auflachen. Wie süß dieser Kerl doch war! Was konnte man mit ihm denn jetzt noch anfangen?! Jonas war doch schon wieder spitz auf diesen Rentner unter sich!

"Nein...Ich werde suchen, wo Nuka seine Gleitcreme gebunkert hat. Denk daran: Wir sind in einem schwulen Haushalt."

Damons dämliches Grinsen ließ ihn losprusten.

"Guck nich so blöd! Lass mich lieber los! Ich halt's nicht mehr lang aus und ich hab wirklich keine Lust, dass ich morgen keinen Schritt mehr gehen kann!"

Damon seufzte auf. Er ließ ihn nicht los, sondern rollte sich zur Seite auf ihn.

"Ich hab eine bessere Idee...Ich stehe auf und hole die Gleitcreme, während du hier liegen bleibst und...hmm...gut aussiehst! Na?! Bin ich nicht ein Genie?!"

Jonas kicherte und zog Damon verspielt an den Haaren.

"Ein totales Genie...wirklich...Ein Pavian wäre neidisch auf dich!"

Damon rollte sich von ihm und stieg -wie Gott ihn schuf- aus dem Bett-.

"Natürlich wäre ein Pavian neidisch auf mich. Ich hab einen viel hübscheres Hinterteil, als so ein dummer Pavian!"

"Hey! Ich bin hier der mit dem bunt schillernden Hintern!"

Lachend flüchtete Damon vor dem Kissen, das Jonas ihm hinterher geworfen hatte.

"Bin gleich wieder da, Äffchen!"

Mit einem Seufzen legte sich Jonas wieder zurück, zupfte das übrig geblieben Kissen in seinem Nacken zu recht.

In seinem Bauch flatterte es.

Jetzt würde er es schon wieder tun.

Er würde schon wieder mit Damon schlafen...Mit dem Stiefbruder des Lovers seines Schwarms.

Irgendwie war die Welt doch ein Dorf...

Er seufzte wieder schwer.

Was machte er hier eigentlich?!

Er kannte Damon doch eigentlich gar nicht...

/Aber er ist so...ich weiß nicht...er passt so...Er ist wundervoll...und ich hab mich wieder verliebt...in ihn.../

"Oh Gott...Jonas..."

/So etwas Krankes wie dich gibt es nur einmal.../

"Jo?! Wo ist das Bad?!"

Jonas grinste breit.

"Am Ende des Ganges, Pavianhintern!"

"Für dich immer noch, Sherlock Holmes, Watson, du Pavianarsch!"

Prustend zog Jonas sein Kopfkissen über den Kopf und lachte in den weichen Stoff.

/Oh ja...total verliebt.../

Er hörte es klappern. Ein überraschter Ruf. Dann lange Zeit nichts.

Dann endlich leise, tapsende Schritte.

Damon erschien in der Tür.

"Du wirst es nicht glauben..."

Jonas stützte sich auf die Ellbogen auf und blinzelte seinen gerade neu erkorenen Schwarm an.

"Was...?"

"Die haben nichts!"

Jonas verstand nur Bahnhof.

"Nichts...was?!"

"Nichts da! Weder Gleitcreme noch Kondome!"

Jonas fielen fast die Augen aus dem Kopf.

"Das glaube ich nicht. Nuka macht immer nur mit Kondom. Seit ein Kumpel von uns mal an AIDS gestorben ist, wird er megawütend, wenn man kein Gummi benutzen will. Und dass Andrew ohne Gleitcreme...das glaube ich nun wirklich nicht..."

Damon sah ihn einen Moment mit gerunzelter Stirn an.

"Ne, mit Sicherheit nicht..."

Sie schwiegen sich an. Jonas dachte nach. Wenn die zwei keine Gleitcreme oder Kondome im Haus hatten...Was folgerte man daraus...?

"Haben die das ganze Zeug vielleicht...mitgenommen...?"

Damons vorsichtige Frage, winkte Jonas ab.

"Nuka liebt es Apothekerinnen in Verlegenheit zu bringen. Er würde sich den Spaß nicht nehmen lassen und mit Andrew an der Hand in eine Apotheke spazieren, Kondome mit Geschmack und K-Y verlangen. Er hört erst auf durch die ganze Apotheke zu brüllen, dass er das unbedingt braucht, bis die Apothekerinnen tomatenrot sind."

Damon grinste.

"Langsam gefällt mir der Kerl...So krass wäre ich zwar nie, aber damit zieht er Andrew mit Sicherheit aus seinem Schneckenhaus."

Jonas nickte zustimmend.

"Jetzt...stellt sich nur die Frage, wo die das haben?"

Damon zuckte die Schultern.

"Vielleicht...tun sie Es ja noch gar nicht...?"

Jonas seufzte auf.

"Dann haben wir ein Problem. Keine Gleitcreme...und jetzt?"

Damon grinste nur und hob eine Flasche hoch. Bodymilk.

"So viel dazu..."

Lemon...^.^

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Todestag

Todestag´
 

Kaltes Wasser umspülte ihn. Eisiges Getöse rauschte durch seine Ohren, durch seinen gesamten Schädel. Kälte legte sich um seinen Körper.

Eine Welle bitterkaltes Nass schlug über seinen Kopf zusammen. Herzlos wurde er nach unten gesogen. In die fremde Dunkelheit. Auf den Grund seiner Existenz. Auf das Ende seines Daseins.

Er riss die Augen auf, sah nichts. Unglaublicher Lärm brachte ihm Kopfschmerzen.

Seine Lunge brannte.

Panik ergriff ihn.

Was hatte er getan?!

Wie konnte er nur?!

WAS HATTE ER SICH DABEI GEDACHT?!

Entsetzen lähmte ihn.

Er war allein. Er würde allein sein. Er würde allein sterben! Einsam! Vollkommen verlassen!

Seine Glieder zuckten.

Er wollte sich bewegen, er wollte schwimmen, kämpfen!

Doch es war zu spät.

Er hatte keine Kraft mehr.

Resignation ergriff ihn. Er würde es nicht schaffen.

Er konnte es nicht schaffen.

Zögerlich entspannte er sein Gesicht, öffnete seine Lippen.

Er wollte nur noch einmal atmen. Nur noch einmal süße Luft schnappen.

Doch das einzige, was er schmeckte, war eiskaltes, ekelhaftes Wasser, das in seinen Mund eindrang, ihn überrannte, sich nicht ausschließen ließ.

Ihn ertränkte.

Seine Lunge brannte wie Feuer.

Er hätte geschrieen...hätte er noch ein letztes bisschen Luft in seinem Körper.

Er hätte gekämpft...wäre es nicht zu ausweglos.

Die Panik legte sich, er zwang sie zurück. Er wollte keine Angst haben, dieses Mal nicht.

Er wollte nicht in Angst sterben.

Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen.

Er versuchte sich zu konzentrieren, versuchte seine letzten Gedanken auf die Personen zu lenken, die er brauchte, die er vermisste...Rob, Damon, Nuka...die er liebte...
 

Andrew wachte aus seinem Schlaf auf.

Es war mitten in der Nacht. Was hatte ihn aufgeweckt?!

Irgendetwas stimmte nicht.

Verwirrt rieb er sich über die Augen und legte die Decke zur Seite.

Forschend sah er sich in seinem Zimmer um.

Es war dunkel, doch er erkannte trotzdem das gesamte Mobiliar.

Sein Bett mit der bunten Bettwäsche und seinem Teddy, den er sich schnappte. Die hellgelben Wände, sein Schreibtisch mit dem tollen Computer darauf -Ron hatte ihm gezeigt, wie man ihn ein und ausschaltete!-, sein großes Plastikschloss mit den vielen Rittern und Pferden aus Holz, sein großes Bücherregal voller Geschichten, voller Bücher über kleine Bären, die Abenteuer erlebten und von ihren besorgten Eltern gefunden und nach Hause ins Bett gebracht wurden. Es waren genau 56 Stück. Er hatte sie alle gezählt. Und er hatte sie auch alle alleine gelesen.

Er war davon überzeugt, dass er sehr schlau war.

Alle in seiner Klasse hatten gestaunt, als er vorlesen musste. Er hatte eine 1 dafür bekommen. Niemand las besser als er!

Andrew war stolz darauf.

Ein Wimmern riss ihn aus den Gedanken.

Ach ja...Warum war er aufgewacht?

Verstört und ein wenig verängstigt, wegen dem jämmerlichen Laut, schob er seine kleinen, zarten -süßen, wie Mama Lei immer sagte,- Füße aus dem Bett und rutschte von der Matratze. Zaghaft tastete er sich durch das Zimmer.

An der Tür hielt er inne. Er hörte eine dunkle Stimme irgendetwas sagen. Wieder ein Laut. Diesmal ein Schluchzen.

Das war Ron!

Er zuckte zusammen. Eine Tür wurde geschlossen. Schwere Schritte auf dem Gang.

Das war Papas Gang!

Besorgt wartete er, bis die Schritte verklangen waren, und huschte dann auf den Gang hinaus.

Er tappte zu Rons Zimmer.

War Papa wieder wütend geworden?!

Vorsichtig hielt er sein Ohr an das Holz der Zimmertür.

Das Schluchzen kam aus diesem Zimmer!

Was Ron wohl hatte?!

Er klopfte leise und zaghaft.

Keine Antwort kam.

Andrew drückte die Klinke hinunter und öffnete die Tür. Das Licht war an.

Ron lag unter der Decke, die wegen seinem Weinen stark bebte.

"Ron?"

Das Weinen hielt inne.

"Was ist denn los?! Was wollte Papa denn? War er wieder böse?"

Die Decke bewegte sich leicht.

Rons vom Weinen rotes Gesicht tauchte kurz auf.

"Es ist nichts...Er hat mich nicht geschlagen."

Verwundert trat er an das Bett heran.

"Aber du hast doch was..."

"Komm her, Drew..."

Andrew schloss die Tür hinter sich und kroch zu seinem Bruder unter die Decke.

"Du hast ja gar nichts an!"

Ron sagte nichts dazu. Er rückte zu seinem Bruder und vergrub seinen Kopf in dessen Halsbeuge.

Andrew blickte hinter ihn auf die Matratze.

Da war Blut! Da war blut auf dem Bettlaken.

"Ron? Hattest du Nasenbluten? Dann hat Pa dich doch geschlagen! Warum lügst du?"

Ron schüttelte den Kopf.

"Nein...ich lüge nicht...Er hat mir nur mein Geburtstagsgeschenk gegeben..."

Andrew blickte zu dem Wecker, der auf dem kleinen Nachttisch neben dem Bett stand.

Es war 2:04. Sein Bruder war vor 2 Stunden und 4 Minuten 10 geworden.

"Hey! Herzlichen Glückwunsch! Was war es denn?"

Ron antwortete nicht.

Und als Andrew seinem Bruder ins Gesicht blickte, musste er feststellen, dass sein großer Bruder an ihn gekuschelt eingeschlafen war.
 

Er brach aus dem Wasser. Es war so kalt.

Jemand zerrte an ihm, zog an ihm.

Er wurde auf etwas Hartes geschoben. Sein Rücken tat weh.

Es war so kalt.

Jemand beugte sich über ihn, bog seinen kopf zurück.

"Verdammt, Drew!"

Lippen drückten gegen seinen Mund. Luft wurde in seinen Mund geblasen.

Dann Druck auf seiner Brust.

Es schmerzte! Es schmerzte so sehr!

Alles verschwamm.

Etwas kroch seinen Hals hinauf.

Er spuckte irgendetwas.

Er hustete.

Seine Lungen brannten wieder.

"Bruder, du bist so ein Idiot..."

Es wurde schwarz um ihn herum.
 

Andrew starrte auf die Uhr.

Bald wäre es soweit!

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Bald wäre er ganz alt! Dann wäre er fast erwachsen! Dann dürfte er alles!

Er würde auf Partys gehen können! Er würde bald die Schule wechseln! Er würde intelligent sein und attraktiv! Die Mädchen würden ihm hinterher rennen, weil er so viel älter war! Er dürfte sich die Haare gelen! Er dürfte allein ins Kino! Er dürfte...

Er lachte leise auf.

Mit 10 durfte man alles!!

Er war so glücklich!

Er war gespannt auf morgen.

Würde Mrs. McHeath ihm einen großen Teddykuchen backen?! So wie voriges Jahr? Mit leckerem Zuckerguss darauf.

Und würde er Geschenke bekommen?! Er fragte sich, was Ron ihm schenkte. Vielleicht hatte er ihm so ein tolles Bild gemalt wie das, das er voriges Jahr bekommen hatte. Oder würde es diesmal eine Sammlung von Mandalas sein?! Er liebte Mandalas!

Die Tür quietschte.

Erschrocken drehte Andrew sich um und starrte seinen Vater an.

"Warum bist du noch wach, Junge?!"

Andrew grub seine Finger in die Bettdecke und senkte den Blick.

"Ich...hab doch gleich Geburtstag...Ich wollte mir gratulieren...Tut mir Leid. Ich schlafe jetzt."

Die Tür wurde geschlossen. Das Licht wurde eingeschaltet.

"Du wirst heute nicht schlafen."

Hände drückten ihn auf die Matratze.

Sein Mund wurde geschlossen, verstopft mit einer anderen fremden Zunge. Entsetzt stemmte er sich gegen seinen Vater, versuchte ihn an den Schultern von sich zu drücken.

Ein Schlag traf ihn, betäubte ihn.

Sein Pyjama wurde aufgerissen. Er wand sich unter dem harten Griff.

Er wurde auf den Bauch gedreht. Eine Hand legte sich um seinen Hals und presste ihn an seinem Nacken auf die Matratze. Er konnte sich nicht bewegen, nicht wehren.

Tränen traten in seine Augen. Ein Schluchzen brach aus ihm heraus.

"Hör auf zu heulen!"

Ein heftiger Schlag auf den Rücken ließ ihn zusammenfahren.

"Nimm dich zusammen, Junge!"

Er hörte ein Reißen, ein Reißverschluss, ein Rascheln, Krach. Etwas schien zu Boden gegangen zu sein. Ein kurzer Blick zurück zeigte ihm, dass seine Holzburg unter einem Hemd begraben war. Die Schlacht, die er mit den Rittern dargestellt hatte, war nur noch ein Haufen kleiner Holzfiguren.

"Jetzt kommt dein Geburtstagsgeschenk."

Schmerz explodierte in ihm, nahm ihm den Atem, ließ ihn aufschreien, um sich treten, die Hände in das Bettzeug krallen.

Ein Schlag gegen den Kopf ließ ihn verstummen.

Hände drückten seinen Kopf in die Kissen.

Er weinte, er schluchzte. Schließlich wimmerte er nur noch. Und dann kam kein Ton mehr.

Sein Vater wurde fertig.

Es war totenstill im Zimmer.

"Das war gut. Du bist ja doch zu etwas nütze."

Sein Vater löste sich aus ihm, ließ ihn los und hörte auf ihm den Atem zu nehmen.

Ein Lachen hallte durch den Raum, als er sich zu einer Kugel zusammenzog.

"Jetzt ist deine Schwester dran."

Die Tür wurde geschlossen.

Andrew starrte zur Seite ins leere.

Zum Regal mit den vielen Teddygeschichten.

In einem von den Büchern ging es über einen Bären, der Geburtstag gefeiert hatte. Er hatte ein Spielzeugauto von seinem Vater bekommen.

Er war anders.

Er anders als alle anderen.

Er war nicht normal.

Andrew fröstelte, doch es war ihm egal.

Etwas Warmes floss seine Schenkel hinab.

Er sah nicht mal hin.

Warum sollte ihn so etwas interessieren.

Er begann zu Zittern. Panik breitete sich ohne Grund in ihm aus.

Jetzt würde ihn niemand mehr lieb haben! Er war vollkommen anders als die anderen! Er war anormal! Er war Abschaum!

Die Tür wurde geöffnet.

Leise Schritte näherten sich ihm.

"Andrew..."

Er drehte nicht den Kopf.

Eine warme Hand legte sich auf seine Schultern.

Jemand legte sich neben ihn, breitete die Decke über sie aus.

"Komm her, mein Drew. Schlaf ein wenig."

Er wurde umgedreht.

Ron sah ihn an. Er sah schrecklich aus.

Sein Gesicht war verzerrt, Angst flackerte in seinem Blick, Verzweiflung und Hass mischte sich in seinem Gesichtsausdruck.

Und er weinte lautlos.

"Warum...weinst du?"

"Wegen dir..."

"Es ist nichts..."

Ron zog ihn zu sich. Er schluchzte, weinte in sein Haar hinein.

Und Andrew wunderte sich über ihn.

Was war denn los? Es war doch alles in Ordnung.
 

Helle Lichter blitzten über ihm. Geschrei, Weinen, Heulen.

Es herrschte vollkommenes Chaos.

Menschen wuselten herum.
 

Andrew hatte den Blick gesenkt.

Er saß auf dem Boden.

"HÖRST DU MIR ZU?!"

Er rührte sich nicht.

"WIE OFT SOLL ICH DIR NOCH SAGEN, DASS DU DICH ANSTRENGEN SOLLST! WAS SOLL ICH MIT EINEM JUNGEN, DER ZU DUMM ZUM RECHNEN IST?!"

Ein Tritt traf ihn in den Magen. Drew zuckte nur leicht.

Er nahm es so hin.

Er hatte es verdient.

Er hatte eine 3 geschrieben.

Sein Vater hatte Recht.

So erreichte man nichts.

Er musste lernen.

Sein Vater packte ihn an der Schulter, zog ihn hoch und riss ihn herum.

Sein Kopf prallte gegen die Wand.

"Ich werde dir deine Dummheit noch austreiben!"

Die Stimme seines Vaters war plötzlich leise geworden. Gefährlich, Furcht einflößend.

Ein Zittern lief durch seinen Körper.

Es ging schnell dieses Mal. Er war es bereits gewohnt. Er sank zusammen und starrte zu Boden. Sein Vater hasste es, wenn er ihn danach ansah.

Sein Vater zog sich die Hose hoch und blickte auf ihn hinab.

"Weißt du...Ihr beschäftigt mich nicht mehr so sehr...Seit dem Lydia tot ist, macht es keinen Spaß mehr mit euch. Schließlich kann ich euch alle drei nicht mehr haben."

Drew horchte auf.

"Dein Bruder wird in zwei Jahren 10...Dann wird es wohl wieder interessanter."

Ein Keuchen glitt über Andrews Lippen.

"Na?! Gefällt dir der Gedanke deinen kleinen Bruder dabei zu haben?!"

Andrew hob den Blick und fixierte seinen Vater.

Der stockte. Sein Grinsen fror ein.

"Ich mache dir einen Vorschlag, Vater."
 

Andrew verließ Vaters Büro. Er fühlte sich ausgebrannt. Wie sollte er das durchhalten...?

"Hat es Spaß gemacht?!"

Er zuckte zusammen. Warum musste Ron ausgerechnet jetzt kommen?! Er konnte ihm doch gar nicht in die Augen sehen.

"Du hast ihm einen geblasen."

Andrew keuchte auf.

Sein Bruder wusste es!!

"Ich hab euch zugesehen...Hat es dir Spaß gemacht?!"

Andrew sah hoch und blickte seinen Bruder, seinen Geliebten, mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen an.

"Hat es dir Spaß gemacht ihm einen zu blasen und zu wissen, wie sehr du mich damit verletzt?! Wie sehr du mir damit weh tust! Was hast du dir dabei gedacht?!"

Ron versetzte ihm einen Schlag.

Andrew taumelte zurück und hielt sich sein Gesicht.

Blut tropfte aus seinem Mundwinkel.

"Du verstehst nicht..."

Ron packte ihn am T-Shirtkragen und schlug ihm mit geballter Faust ins Gesicht.

"NEIN! ICH VERSTEHE WIRKLICH NICHT?! MACHT DIR DAS SPAß?! WILLST DU VON IHM GEFICKT WERDEN?! WAS SOLL DAS?!"

"Nein!"

Andrews Finger krallten sich in Rons Hemd fest und er versuchte verzweifelt sich vor dessen Schlägen zu schützen und sich gleichzeitig an ihn zu schmiegen.

"Du verstehst nicht! Ich hab es für uns getan! Er weiß von uns! Bitte!"

Ein letzter Faustschlag und Andrew brach zusammen. Mit letzter Kraft hielt er sich an seinem Bruder fest und riss diesen ebenfalls zu Boden.

Sie lagen da. Schwer atmend auf dem Marmorboden.

Andrews Sicht verschwamm. Er zitterte, bebte. Schwarze Punkte nahmen ihm die Sicht.

"Schatz...Du hast Fieber...Soll ich dich ins Bett bringen...? Du brauchst Schlaf..."

Er nickte schwach.

Ron war besänftigt.

Er hatte ihn beruhigen können.

Hoffentlich hatte er es jetzt verstanden. Hoffentlich würde er in Zukunft nicht so sehr aufregen.

Andrew hasste es den anderen so wütend zu erleben.

Er wollte doch nur, dass Ron glücklich war, dass Rob und Ron glücklich waren.

Sie waren doch das Einzige, was er noch besaß!

Er könnte es nicht ertragen auch nur einen zu verlieren...
 

Es war ihm, als schwämme er immer noch. Als wäre er immer noch im Wasser gefangen.

Undeutliche Geräusche drangen zu ihm vor.

Wortfetzen. Sätze. Gesprächsausschnitte.

Er wusste nicht, wo er war.

Er war so müde.

Er wollte nur noch schlafen. Nur noch sterben.

Zwei Gestalten traten an ihn heran. Er konnte nichts mehr sehen.

"Es tut mir Leid...aber wir konnten nichts mehr für ihn tun."

"Nein!"

Obwohl die Stimmen total verzerrt waren, hörte man die Panik aus der letzten Stimme. Ein Mann und eine Frau.

Und dazu gesellte sich eine dunkle Stimme. Eine Stimme, die panisch seinen Namen rief.

"Andrew!"

Nukas Stimme.

Zurück ins Leben

Zurück ins Leben
 

Nuka rannte. Er rannte, als ob es keinen Morgen gäbe.

Es regnete in Strömen. Alles wirkte grau und leer. Es waren aber trotz des Regens noch Menschen auf der Straße.

/Verdammt...wo laufe ich hin?!/

Schon seit Minuten -ihm kamen sie vor wie Stunden- irrte er durch die Straßen, aber kein Andrew in Sicht!

Zitternd vor Kälte blieb er stehen und lehnte sich an eine Hauswand.

Angst kroch in ihm hoch.

Er ballte die Hände zu Fäusten und versuchte sich zusammenzureißen. Allerdings funktionierte das nicht so gut.

Seufzend starrte er zu Boden und versuchte eine Lösung zu finden. Wo konnte er ihn nur finden?! Wo würde er...

/Ich würde so etwas nie versuchen...Das war ein schlechtes Beispiel.../

Nuka biss sich auf die Lippen.

/Denk nicht daran, was er tut, sondern, dass du ihn finden musst! Lass dich nicht ablenken!/

Eine Sirene ließ ihn aufblicken. Ein Krankenwagen.

Es traf ihn wie einen Schlag, als der große, klobige Wagen, an ihm vorbeifuhr.

Andrew war verletzt! Er war in Gefahr! Er brauchte einen Krankenwagen!!!

/Hinterher!/

Nuka begann zu rennen.

Ihn interessierten nicht die dummen Blicke der anderen Passanten, die ihn für einen Verrückten hielten, der wie ein Hund hinter Autos hinterher rannte. Das Einzige, was ihn interessierte war der Weg, den der Krankenwagen einschlug.

/Das kann doch nicht wahr sein!/

Die Brücke war verdammt nah am Hotel. Nur eine Ecke weiter.

Und er hatte die ganze Zeit weiter weg gesucht!

/Scheißdreck! Ich Idiot!/

Eine Menschentraube kam ihm entgegen. Er rammte einen großen, breitschultrigen Mann und wurde von den Füßen gerissen.

Atemlos starrte er in den Himmel. Regentropfen fielen in sein Gesicht, brannten in seinen Augen.

"Alles in Ordnung mit Ihnen? Was rennen sie auch so kopflos herum?"

Er sah zur Seite. Der große Mann beugte über ihm und sah ihn verwirrt an.

"Tut mir Leid...Ich muss schnell..."

"Soll ich Ihnen aufhelfen?"

Die Sirene ging aus.

Erschrocken sprang Nuka auf die Füße, ignorierte die hilfreich ausgestreckte Hand.

"Ich...Ich muss da hinten hin."

"Wollen Sie sich nicht besser ausruhen? Sie sehen nicht gut aus!"

Der Mann ergriff seinen Arm, wollte ihn festhalten und davon abhalten sofort wieder loszustürmen.

"Nein! Ich muss da hin!"

"Beruhigen Sie sich erst einmal."

Nuka sah in die braunen, Vertrauen erweckenden Augen seines Gegenübers und versuchte sich zu beruhigen.

Er atmete tief durch.

"Geht es besser?"

"Ja...Ich muss zum Krankenwagen."

Der Mann ließ ihn los.

"Soll ich sie begleiten?"

Nuka schüttelte nur den Kopf, lächelte den Fremden kurz dankbar an und begann dann wieder zu rennen.

"Hey!"

Er überhörte den überraschten Ausruf des anderen einfach und raste weiter.

Die Türen des Krankenwagens wurden gerade zugeschlagen.

/SCHEIßE!/

Eine große Menschentraube stand vor der Brücke, versperrte den Blick darauf.

Er kam der Brücke immer näher. Er würde es schaffen!

Er erreichte die ersten Leute, schob sich an ihnen vorbei.

Der Krankenwagen fuhr an.

Keuchend und fassungslos stand er da. Mitten in der Menschentraube und starrte den wegfahrenden Krankenwagen an.

Er war weg.
 

Andrew lachte ihn an. Er war so ausgelassen, so frei. Nuka seufzte ganz leise und genoss den Anblick. Die Anspannung viel von ihnen ab.

Er war ehrlich zu ihm gewesen. Er hatte gesagt, dass er es bereuen könnte, dass sie sich so nah gekommen waren, dass sie es wegen dem Alkohol fast miteinander getan hätten.

Andrew lächelte ihn an. Wie süß er aussah mit der Bettdecke um den schlanken, nackten Körper. Dieser Körper mit dieser weichen Haut.

"Ich will nicht, dass du dir Illusionen bildest, ab ich will, dass du weißt, dass du mir sehr wichtig bist und mir viel bedeutest."

/Holla!/

Überrascht sah Nuka ihn an.

"Du gehörst zur Familie, weißt du das?! Rob, du und ich sind irgendwie zu einer Familie herangewachsen..."

Nukas Gesicht strahlte wie ein Kernkraftwerk.

Er konnte sein Glück kaum fassen.

Andrew sah ihn als Familienmitglied?!

Etwas Schöneres hätte er sich nicht vorstellen können. Er wusste wie viel Rob Andrew bedeutete, wie sehr er ihn behütete, wie sehr er ihn brauchte.

Und es ehrte ihn, dass Andrew ihn sozusagen als Bruder darstellte...oder vielleicht sogar als zweiten Ersatzdaddy und somit seinen Ehemann?!

/Gott! Dreh nicht durch! Lieber noch mal nachfragen!/

"Und das meinst du ernst?!"

Andrew nickte und lächelte ihn noch lieber an.

Und Nuka fühlte sich noch nie glücklicher als in diesem einen Moment.
 

Nuka fühlte sich ausgebrannt. Leer.

Er hatte es nicht geschafft. Er war zu langsam gewesen.

Er hatte versagt.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter.

"Kennen Sie ihn?"

Zögernd wandte Nuka sich um und sah in grünblaue Augen. Er brauchte einen Moment um die Frage zu verstehen. Ihn? War Andrew gemeint?

"Ja...Was ist passiert mit ihm?"

Der Mann vor ihm zuckte die Achseln.

"Ich hab gesehen, wie er in den Fluss gefallen ist. Hat sich ein wenig zu weit vorgebeugt. Ich hab ihn rausgefischt und musste MundzuMundbeatmung machen. Er war bewusstlos, aber er hat das Wasser ausgespuckt. Ich weiß nicht, wer den Krankenwagen gerufen hat. Ich denke, er schafft es. Solange er sich nicht umbringen wollte und irgendetwas geschluckt hat."

"Er wollte sich umbringen, aber er hatte keine Zeit mehr um etwas zu schlucken."

Der Mann runzelte die Stirn.

Nuka seufzte.

"Was ist denn passiert?"

"Ich weiß nicht...Er hat schon einmal Andeutungen gemacht, dass ich mich um seinen Bruder kümmern soll, wenn er nicht da ist...wenn er nicht mehr da ist...Und eben hat er wieder so etwas gesagt und ist dann abgehauen...Ich..."

"Sie haben sich Sorgen gemacht..."

Nuka nickte und fuhr sich mit den Händen durch die nassen Haare.

"Das wird schon. Sie sollten seinen Bruder anrufen. Vielleicht macht er sich Sorgen. Soll ich Sie in das Krankenhaus bringen? Ich habe nachgefragt, wohin Sie ihn bringen."

"Das wäre sehr nett."
 

Das Gespräch mit Rob war kurz. Der Kleine machte sich Sorgen, aber Nuka hatte ihm gedroht ihn an seiner Boxershorts an einen Laternenpfahl vor einem gut besuchten Kaufhaus zu hängen, wenn er nicht in seinem Zimmer blieb.

Die Fahrt verlief schweigend.

Nuka kam sich komisch vor in dem teuren Renault des Mannes zu sitzen, während irgendwelche komische, fröhliche Musik aus dem Radio herausschallte.

Sie sagten nichts.

Nuka rang mit seinen Händen und versuchte ein Thema zu finden. Er traute sich nicht dem Mann in die Augen zu sehen.

Er musste schrecklich aussehen.

Ohne Jacke, vollkommen durchnässt, dreckig, weil er hingefallen war, und mit blassem Gesicht.

"Nass draußen oder?!"

Nuka grinste auf die Frage des anderen.

"Kann man so sagen."

Sein Fahrer lachte leise.

Ein beruhigender, vertrauter Laut.

"Was war eigentlich der Grund für den Selbstmordversuch?"

Nuka stockte der Atem.

"Ich weiß nicht genau...Wir hatten einen kleinen Streit...Vielleicht hat er sich die Schuld gegeben...Um ehrlich zu sein verstehe ich ihn manchmal nicht..."

Der Mann warf ihm einen kurzen Blick zu.

"Muss ja ein schlimmer Streit gewesen sein..."

Nuka seufzte und rieb sich über die Schläfen.

"Es war nichts Wichtiges...aber ich hab überreagiert...Er macht sich immer so viele Gedanken..."

"Das kenne ich..."

Nuka sah fragend auf.

Ihm wurde ein kleines Lächeln geschenkt.

"Mein Bruder war genauso. Er hat sich immer für alles die Schuld gegeben und immer alles auf sich genommen...Ich weiß nicht...Wir haben keinen Kontakt mehr."

"Interessiert es Sie denn gar nicht, was aus ihm geworden ist?"

Der Mann seufzte auf.

"Doch...manchmal..."

Sie schwiegen.

Schließlich erreichten Sie das Krankenhaus und hielten an der gegenüberliegenden Straßenseite.

Nuka reichte dem Mann lächelnd die Hand.

"Danke sehr für Ihre Hilfe."

"Kein Thema."

Sie schüttelten sich die Hände und Nuka wunderte sich über den festen Händedruck und die ihm so vertrauten Augen.

Er schnallte sich ab und stieg aus.

"Schönen Tag noch!"

"Gleichfalls."

Die Tür fiel ins Schloss und Nuka lief über die Straße.
 

Er zündete sich eine Zigarette an und starrte vor sich aus dem Fenster. Er schüttelte den Kopf und klopfte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. In einem schnellen und aggressiven Takt.

Er überlegte, dachte nach.

Schließlich verzog er mürrisch das Gesicht, schaltete den Motor an und fuhr schnell an.

"Ziemlich schlechte Wahl, Bruder..."
 

Atemlos hechtete er durch die Gänge des Krankenhauses.

Man hatte ihm gesagt, wo man Andrew hinbrachte.

Man hatte ihm gesagt, jemand würde ihn genau in diesem Moment durch die Gänge in eines der Zimmer führen.

Er bog mit schnellen Schritten um die Ecke, wisch geschickt einer Schwester aus und atmete erleichtert auf, als er Andrew in einem schmalen Krankenhausbett liegen sah, das von einer Schwester durch die Gänge geschoben wurde.

Er kam an einer Frau vorbei, die sich weinend an einen der Ärzte klammerte.

Da hatte er noch einmal Glück gehabt.

Das hätte genauso gut er sein können!

"Andrew!"

Besorgt trat er an das Bett heran und versuchte in Andrews Miene eine Regung zu finden. Doch er lag vollkommen entspannt da. Er war nur ein wenig blasser als sonst.

"Sie sollten ihn schlafen lassen. Er muss sich etwas ausruhen."

Die Schwester lächelte ihn einnehmend an und er konnte nur nicken.

"Darf ich mich zu ihm setzen und warten, bis er aufwacht? Ich bin -nja man sieht es mir nicht an- sein Stiefbruder."

"Natürlich. Es ist gerade eh Besuchszeit."

Nach wenigen Metern erreichten sie ein Zimmer. Nuka hielt die Tür auf und das Bett wurde hinein geschoben.

Sie waren nicht die einzigen in diesem Raum.

Hinten durch am Fenster lag ein junger Mann ungefähr in ihrem Alter mit einem Verband am Kopf und einem dicken Buch auf den Knien, der überrascht zu ihnen aufsah.

"Mr. Stanford, dieser junger Mann wird sich nun mit Ihnen das Zimmer teilen. Könnten Sie leise sein, damit er sich ausschlafen kann...?"

"Kein Problem."

Der Mann schenkte ihnen ein freundliches Lächeln und wandte sich dann wieder seinem Buch zu, jedoch entging Nuka nicht, dass er Andrew einen kurzen, neugierigen Blick zuwarf. Nuka lächelte kurz.

Dann half er der Schwester das Bett an die Wand zu schieben und die Räder zu bremsen. Mit einem Seufzen setzte er sich auf den unbequemen Stuhl neben dem Bett und blickte die Schwester freundlich an.

"Danke sehr."

"Brauchen Sie noch etwas? Ich habe gleich Pause, ich könnte Ihnen einen Kaffee bringen."

Nuka winkte höflich ab.

"Nein, danke. Ich brauche nichts."

Die Frau nickte und verließ dann das Zimmer.

Nuka fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht und lehnte sich zurück. Das harte Plastik der Stuhllehne drückte gegen seinen Rücken, brachte ihm leichte Schmerzen. Irgendwie erinnerten ihn diese Stühle an die aus dem Gefängnis.

Er verzog das Gesicht.

Wenn er hier ein oder zwei Stunden gesessen hatte, würde man ihn wohl genauso ins Krankenhaus einliefern können.

Ein Gähnen brach aus ihm heraus. Blinzelnd hielt er sich die Hand vor den Mund und gab einen nicht gerade höflichen Laut von sich.

"Da ist aber einer müde!"

Lächelnd sah Nuka auf und betrachtete den Mann, der am Ende des Raumes im Bett saß.

Das Buch lag aufgeschlagen auf seinen Knien und er strahlte ihn an. Man konnte ihm die Neugier von der Nasenspitze ablesen.

"Nicht müde, erschöpft."

Der Mann nickte und legte den Kopf schief. Er fixierte Andrew und runzelte die Stirn.

"Was hat er denn?"

"Ist in einen Fluss gefallen."

"Oh."

Nuka musste grinsen bei dem verwirrten Gesichtsausdruck.

Damit konnte er bestimmt nichts anfangen.

Sie schwiegen und Nuka freute sich über die Ruhe.

Erst jetzt schaffte er es Andrew ins Gesicht zu blicken.

Blass, fast weiß, aber entspannt.

Was hatte Nuka nur getan...?

Andrew hatte sich wegen ihm umbringen wollen.

Nun gut, es war eine dumme Idee, da trotz Regen noch viele Leute unterwegs waren.

Aber trotzdem...Er hatte es vorgehabt. Er hätte es wohl auch fast geschafft.

Nuka presste seine Lippen aufeinander.

"Sind Sie mit ihm verwandt?"

"Stiefbruder."

"Hm."

Andrew bewegte sich.

Nuka wäre fast von seinem Stuhl gefallen.

Erschrocken starrte er Andrew ins Gesicht, doch der drehte sich nur auf die andere Seite, zeigte ihm seinen Rücken.

Erst jetzt bemerkte Nuka, dass man seinen Darling in einen weißen Schlafanzug gesteckt hatte. Er konnte nur hoffen, dass Drew sich jetzt keine dumme Bemerkungen wegen seinen Narben von den Schwestern anhören musste.

"Ist er blind?"

"Hä?!"

Nuka starrte den Mann, der diese Frage gestellt hatte, verwirrt an.

"Na ja..."

Mr. Stanford, wie die Schwester gesagt hatte, lächelte verlegen und klappte sein Buch zu.

"Also...weil er in den Fluss gefallen ist...Normalerweise gibt es nicht sehr viele Gründe, warum man in einen Fluss fällt..."

Nuka sah ihn ratlos an. Was sollte er darauf antworten?!

"Das...also..."

Andrew im Bett wimmerte auf und drehte sich wieder auf die andere Seite, wandte ihm sein scheinbar vor Schmerz verzerrtes Gesicht zu.

Nuka sprang regelrecht vom Stuhl und beugte sich über ihn.

/Was hat er nur?! Was hat er?!/

"Träumt er?"

Nuka warf einen kurzen Blick zu ihrem Zimmergenossen und nickte schließlich.

"Ja...Er hat wohl einen Albtraum."

Fast schon ein wenig erleichtert seufzte Nuka auf und ließ sich schwer auf dem Bettrand nieder.

Er hatte sich so erschreckt.

/Gott...Ich brauch vielleicht doch einen Kaffee.../

Nuka fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht und seufzte abermals auf.

"Das wird ein sorgenvoller Tag..."

Mysterious Max

Mysterious Max

Nuka schloss die Zimmertür hinter ihnen. Andrews Rucksack mit den Klamotten zum Wechseln lehnte er an die Wand. Ein Seufzen kam über seine Lippen.

Andrew hatte, seit er aufgewacht war, kein einziges Wort gesagt. Selbst Rob hatte er angeschwiegen.

Drew zog sich seine Regenjacke über die Schultern und hängte sie über einen der Stühle. Dann ließ er sich auf die Bettkante auf seiner Seite fallen und starrte trüb an den Schrank.

Nuka folgte ihm mit Blicken.

"Drew..."

Nuka wusste nicht, was er sagen sollte. Die Fahrt über hatten es Rob und er mit Smalltalk versucht, Belangloses. Jedoch hatte Andrew noch nicht einmal auf die Frage geantwortet, ob es ihm besser ginge. Er hatte nur stumm vor sich hingestarrt. So wie jetzt.

Langsam wurde es ihm zu bunt. Dieses Blicklos-irgendwohin-starren machte ihn wahnsinnig! Entschlossen trat er an das Bett heran.

"Andrew! Jetzt reagier doch endlich!"

Doch der junge Mann mit den Struwelhaaren zuckte noch nicht einmal mit den Wimpern.

Er starrte nur die ganze Zeit vor sich hin.

Nuka presste seine Lippen zusammen und stellte sich provokativ vor ihn.

/Was ist nur mit ihm los? Langsam bin ich mit dem Latein am Ende.../

"Drew..."

Andrew reagierte! Endlich!

Er legte seine Hände auf seine Knie und krallte sich in den Stoff seiner Jeans.

Der Russe ging vorsichtig in die Hocke und versuchte Andrew ins Gesicht zu blicken, Augenkontakt herzustellen, ohne vorne über zu fallen. Jedoch ging das schlecht, da dieser den Kopf immer weiter nach unten wandte, mit dem Kinn fast seine Brust berührte.

Nuka seufzte auf und streckte zaghaft eine Hand nach Andrews verkrampften Fingern aus. Allerdings traute er sich dann doch nicht ihn zu berühren.

"Andrew...Darling...sieh mich doch an..."

Sein Andrew sah wirklich auf. Seine Augen waren wachsam, geweitet, mit einem gehetzten Ausdruck.

Nuka versuchte sich an einem seichten Lächeln. Aber es misslang ihm.

"Hey...du hast ja doch Augen...Was ist los mit dir?"

Andrew antwortete nicht. Stattdessen schlug er plötzlich die Hände vor sein Gesicht und schluchzte auf. Erschrecken lähmte Nuka für einen Moment. Dann sprang er jedoch auf das Bett und zog Drew sanft an sich.

"Sch...Warum weinst du?"

"Ich bin wie mein Vater! Ich will nicht so sein! Ich will das nicht!"

Nuka runzelte die Stirn.

/Hat er deshalb versucht sich umzubringen?! Hat sein Vater...ihn...hmm.../

Besorgt legte er seine Arme um seinen Darling und strich ihm sanft durch die Haare.

"Du bist nicht wie dein Vater! Der muss doch mindestens über 40 sein!"

Andrew stockte beim Weinen. Die Tränen liefen immer noch haltlos über seine Wangen, aber er hatte aufgehört zu schluchzen.

"Hä?!"

Nuka lächelte sanft.

"Wie alt ist dein Vater?"

"52."

Nuka nickte und schob Drew ein wenig von sich um ihn eindringlich anzusehen.

"Da siehst du's! Du kannst nicht, wie dein Vater sein! Er ist eine halbe Mumie!"

Für einen Moment herrschte Stille. Andrew bewegte sich kein Stück und starrte nur an Nuka vorbei an die Wand.

"Das..."

"Von der Seite hast du das noch nicht gesehen oder?!"

Nuka lächelte seinen von ihm selbst ernannten Schützling an und strich ihm sanft durch die Haare. Äußerlich wirkte der Russe entspannt, Halt gebend. Doch innerlich war er bis zum Gehtnichtmehr angespannt.

Würde dieses dumme Argument helfen?!

Mit Sicherheit nicht...Er musste sich noch etwas anderes einfallen lassen!

"Du musst keine Angst haben, wie dein Vater zu werden. Dein Vater kannte mich nicht, als er zu dem wurde, das er jetzt ist. Im Gegensatz zu dir."

Auf Andrews Lippen schlich sich ein sachtes Lächeln. Er schien es verstanden zu haben. Nuka sah, wie seine Züge vor neuer Hoffnung weicher wurden. Die Tränen versiegten.

"Du meinst, du wirst mich beschützen...davor?"

Nuka nickte entschlossen und legte seinen Kopf federleicht auf Andrews Schulter.

"Genau. Ich werde dich beschützen. Ich werde dein Selbst für dich bewahren. Bist du damit einverstanden?"

Andrew nickte lächelnd und schmiegte sich leicht an ihn.

"Ja...Das ist lieb von dir..."

Nuka seufzte erleichtert und küsste seinen Darling federleicht auf die Lippen.

Sie hielten sich in den Armen und Nuka bemerkte, dass Andrew bei jedem Atemzug entspannter wurde, lockerer.

"Alles wieder gut?"
 

Drew seufzte leise.

War alles wieder gut?

/Nun...alles bestimmt nicht.../

"Ja...Es ist alles ok...Ich denke, ich habe mich wieder abgeregt...Ich...konnte einfach den Gedanken nicht ertragen, genau so zu sein wie er...Es...Er hat..."

Andrew löste sich wieder ein wenig von Nuka und fuhr sich durch das Gesicht.

In ihm ging es drunter und drüber.

Er war müde, erschöpft, aber gleichzeitig auch ein wenig beruhigt.

Nuka hatte wirklich Recht. Er konnte gar nicht so werden wie George. Die Umstände ließen es einfach nicht zu.

"Ich habe überreagiert...Es tut mir Leid, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast, Nuka...Ich habe nicht nachgedacht, als ich mich ins Wasser stürzte..."

Der überraschte Blick seines Lieblings ließ ihn schmunzeln.

Mit so offenen Worten hatte er wohl nicht gerechnet.

Drew seufzte auf und schmiegte sich wieder an den Russen, sog den angenehmen Geruch ein.

"Dein Vater..."

Andrew spannte sich leicht an.

Nuka würde ihn fragen.

/Gut...dann fragt er eben...Irgendwann muss er es wissen...aber.../

Er haderte mich sich selbst. Konnte er es wagen ihm etwas zu erzählen? Würde sich etwas zwischen ihnen verändern?

Drew seufzte auf.

"Mein Vater..."

"Nun ja...Du sagtest, du willst nicht wie er sein...Was...Wie kommst du auf diese Idee...? Was hast du getan, was er auch getan hat?"

/Jetzt ist es soweit.../

"Das...was ich getan habe...in der Badewanne...ich habe mich dir aufgedrängt...Ich habe daran gedacht, dass man das...fast schon...ver...vergewaltigen nennen könnte...und da ist mein Denken ausgesetzt..."

Andrew presste seine Augen zu und biss sich auf die Lippen.

Er hörte, wie Nuka scharf einatmete, als er verstand.

"Dein Vater...er hat dich vergewaltigt..."

Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage.

Drew sagte nichts dazu.

Was sollte man auch dazu sagen.

"Drew...Eigentlich...hatte ich so etwas schon geahnt..."

Andrew nickte.

Das hatte er auch schon angenommen.

Irgendwie traute er sich nicht hoch zu sehen. Er wollte nicht wissen, was nuka nun von ihm dachte.

Still saßen sie da.

"Bist du müde, Darling?"

Andrew nickte und ließ sich widerstandslos nach hinten auf die Matratze ziehen.

Nuka schlang die Arme um ihn und drückte ihn regelrecht an ihn.

Drew schloss seine Augen und schmiegte sich eng an seinen Geliebten. Dadurch bemerkte er auch wie angespannt Nuka war.

Er seufzte auf.

"Es war nicht schlimm...Ich komme damit klar...Viel schlimmer ist, dass er mich immer kontrolliert hat...er hat...meinen Willen gebrochen und mir seinen aufgezwungen...Die körperlichen Schmerzen konnte ich ertragen..."

"Aber...Er hat dich gedemütigt damit...Ich weiß, dass man die Schmerzen ertragen kann...Aber dieses leere Gefühl, dass einen danach ausfüllt, frisst einen regelrecht von Innen auf...Ich weiß, wie das ist..."

Andrew warf seine Angst über Bord und richtete sich halb auf um Nuka ins Gesicht zu sehen.

Er sah kein Mitleid, so wie er es sich gedacht hatte, so wie er e befürchtet hatte.

Er sah nur Verstehen darin...So viel Verständnis, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb.

"Wo...woher weißt du das?!"

Drew erschreckte sich fast vor sich selbst.

Seine Stimme war so zittrig und schwach, dass man denken konnte, er wäre 100 Jahre alt.

Nuka erwiderte seinen verstörten und verängstigten Blick entschlossen und unnachgiebig.

"Catherine war damals nicht die einzige die vergewaltigt worden war...Ich war nach ihr dran..."

In Andrew stieg ein Schluchzen auf.

Ohne auch nur nachzudenken stürzte er nach vorne und presste seinen bebenden Körper gegen Nuka. Hemmungslos weinte er, ließ sich von Nuka sanft über den Nacken und Rücken streicheln.

Bis er bemerkte, dass Nukas Körper ebenfalls bebte.

Und als er den Blick hob, sah er schillernde, salzige Tränen, die über Nukas Wangen perlten.

"Nuka..."

Seine Stimme war nicht lauter als ein Hauch, aber Nuka hörte sie trotzdem.

"Es ist nichts...Ich ertrage es nur nicht, wenn du weinst..."

"Aber ich...das darfst du nicht...Du sollst nicht wegen mir weinen...Es tut mir Leid...nicht weinen..."

Andrew versuchte sich zusammen zu nehmen, aber die Trauer um seinen Nuka brach trotzdem noch heftiger aus ihm heraus.

Und zusammen weinten sie, bis sie eng aneinandergekuschelt einschliefen.
 

Andrew öffnete blinzelnd die Augen.

Die Sonne strahlte auf ihr Bett. Aus dem Morgen war Nachmittag geworden.

Ein Gähnen stieg in ihm auf, doch er unterdrückte es. Er wollte Nuka nicht aufwecken, an den er bis jetzt angekuschelt ebenfalls geschlafen hatte und der nun mit seinem einlullenden, leisen, aber durchdringenden Schnarchen ihr Zimmer beschallte.

Er musste schmunzeln, als er auf seinen Schatz herabsah.

Nuka lag lang ausgestreckt, seine langen Beine ungewöhnlicherweise übereinander gelegt und somit gekreuzt, ein Arm als zusätzliches Kissen unter seinem Hinterkopf und der andere um Drew geschlungen -damit dieser auch ja nicht abhaute!- und seinen Kopf ein wenig auf die Seite gelegt. Mit seiner gebräunten Haut und den blonden Haaren sah er aus wie ein griechischer Gott.
 


 


 

Andrew seufzte auf und rieb seine Nase ganz zart an Nukas Halsbeuge.

Nur um den Geruch, der der Haut anhaftete intensiver genießen zu können.

Nuka stöhnte leise auf und drehte sich zu ihm um.

Im ersten Moment befürchtete er, er könnte ihn durch diese sachte Berührung geweckt haben, aber sein Geliebter schnarchte nach einem Moment sofort wieder weiter. Und diesmal noch lauter und tiefer als zuvor.

Ein kleines Grinsen legte sich auf Andrews Gesicht.

Irgendwie war er fröhlich. Er fühlte sich leicht, beschwingt. Freier.

Das Weinen hatte geholfen.

Es hatte geholfen, nuka von seinem Vater zu erzählen...Natürlich! Es war noch nicht alles gewesen...

Aber trotzdem...

Das einzige, was seine gute Laune ein wenig verschlechterte war die Erkenntnis, dass man Nuka das Gleiche angetan hatte wie ihm...

Sein Nuka...brutal angefasst, gedemütigt und leer zurück gelassen.

Andrew seufzte auf und rieb sich über seine Augen.

Er sollte jetzt nicht daran denken.

Sie könnten ja auch noch später darüber reden...

Auch wenn das alles in ihm aufwühlen würde.

/Vielleicht ist das auch gut...Wie hatte Nuka einmal so schön gesagt? Man sollte schlafende Hunde wecken, damit diese leben können./

Drew schmunzelte.

/Du Hund, du!/

Bevor er loskichern konnte, ließ ihn ein zaghaftes Klopfen an der Tür aufschrecken.

/Rob!/

Vorsichtig nahm er Nukas Arm von sich und deckte Nuka mit der Decke zu.

Es klopfte abermals. Diesmal noch leiser.

Schnell hastete Andrew zur Tür und riss diese auf.

Es war niemand zu sehen.

Verwirrt lehnte er sich vor und blickte in den Gang.

Da!

Da stand ein Mann im Gang!

Er hatte wohl gedacht, es wäre niemand da und war gegangen, hatte jedoch im Schritt innegehalten, als er die Tür gehört hatte.

"Ja, bitte?"

Der Mann wandte sich um.

Und Andrew stockte der Atem.

Genau wie wohl seinem Gegenüber.

"M...Max...Du..."

"Ich..."

"Du lebst noch..."

Max trat auf ihn zu.

Seine braunen Haare waren länger geworden, reichten ihm bis über die Ohren. Er war generell größer geworden, muskulöser. Er trug eine Jeans, Turnschuhe und eine teuer aussehende, rote Regenjacke von einer guten, angesehenen Firma.

Er sah in allem fantastisch aus.

Aber besonders fiel Andrew die lange, schmale Narbe auf, die Max' Kehle entlang lief.

"Es...Wie kommst du hier her?! Das..."

Max unterbrach ihn, indem er auf ihn zutrat, ihn ins Zimmer zurückdrängte.

"Kleiner...so lange...so lange ist es her..."

Andrew stockte der Atem, als Max seine Arme um ihn schlang und seine Lippen auf seine presste.

Fast automatisch wurde Andrew weich in dem Besitz ergreifendem Griff.

Als er dann jedoch Max' warme Zunge an seinen Lippen fühlte, stemmte er seine Hände gegen dessen Brust.

"WAS SOLL DAS?!"

Andrew fuhr wie unter einem Peitschenhieb zusammen.

Max löste sich nur langsam von ihm.

Nuka hatte sich im Bett aufgerichtet, die Decke wütend von sich geworfen.

Drew glaubte, sein Herz bliebe stehen.

Nuka hatte alles mitbekommen!
 

"Verdammt! Was hast du gemacht?!"

"G...Gar nichts! Dieser verdammte Herd! Der Herd war's! Nein! Du warst das!!!!"

Damon starrte fassungslos in den Topf, in dem sich eigentlich eine leckere Pastasoße hätte befinden müssen. Das einzige was er sah, war etwas schwarz-braunes. Eine dicke Schicht, die heftig am Metall des Topfes angebrannt pappte.

Er blickte empört zu Jonas auf.

"Das war ich nicht!"

"Doch! Du hast mich vom Herd abgelenkt!"

Trotzig verschränkte der Psychologiestudent seine Arme vor der Brust.

"Das bist nur du Schuld! Ich hab dir gesagt, du sollst die Finger von meinem Arsch lassen, wenn ich koche! Wegen dir muss ich gleich die Wichse von der Kochplatte putzen und versuchen diese Schweinerei hier irgendwie aus dem Topf zu kriegen!"

"HEY!!!"

Damon wurde nicht oft laut.

Aber wenn man so unfair argumentierte, platzte ihm der Kragen!

"Du hast nicht >Nein< gesagt! Du hast mitgemacht! Du hättest ja einfach meine Hände aus deiner Hose fischen können! Dann wäre das nicht passiert! Du kannst dich ja auch überhaupt nicht beherrschen! Ich bin nicht immer der Buhmann! Kapiert?!"

"Tz..."

Jonas verzog beleidigt seinen Mund zu einer Schnute.

/Diese windige Ratte. Manchmal hasse ich ihn.../

Langsam reichte es ihm.

Damon nörgelte ständig an ihm herum.

"Du weißt aber auch verdammt genau, dass ich mich nicht beherrschen kann! Und ich habe es dir auch schon vorher gesagt! Du wusstest, dass du mich nicht angraben sollst, wenn ich etwas anderes mache! Nachher schneide ich mir noch in den Finger oder sonst was! Es ist mir scheißegal, ob du dir daraus einen Zeitvertreib gemacht hast, mich SO LANGE ZU REIZEN, BIS ICH MICH NICHT MEHR UNTER KONTROLLE HABE! ICH HASSE DAS!"

Jonas holte schnaufend Luft und entspannte seine Hände, die er zu Fäusten verkrampft hatte, als er angefangen hatte zu brüllen.

Damon sah ihn irritiert an.

Sie hatten sich ja in den letzten Tagen schon oft gezofft. Aber Jonas hatte nie geschrieen.

Und auch erst jetzt bemerkte er die Tränen der Wut und auch der Trauer, die über Jonas gerötetes Gesicht liefen.

"Jo..."

Damon trat mit einem Seufzen auf ihn zu und zog ihn in eine sanfte Umarmung.

"Oh Mann..."

"Es ist alles voll scheiße!"

Jonas schluchzte auf und vergrub sein Gesicht in Damons Halsbeuge.

"Entweder wir ficken oder wir streiten! Wir können nicht zwei Minuten vernünftig nebeneinander sitzen ohne uns gegenseitig als Ventil für unsere Aggressionen oder Geilheit zu benutzen! Das...Ich halt so was nicht aus, Damon...Was soll aus uns werden...?"

Damon biss sich auf die Unterlippe.

Jonas hatte vollkommen Recht.

Hatte das mit ihnen einen Sinn?!

.

.

.

Ein Versuch war es wert.

"Jo...Ich liebe dich..."

Jonas sah überrumpelt auf. Die Tränen glitzerten in seinen Augen und seine Kinnlade fiel leicht hinunter.

Er sah unheimlich süß aus.

"Du..."

"Ja...Tut mir Leid, dass ich es noch nicht gesagt habe...Ich wollte es dir immer sagen...Aber ich hab mich nicht getraut...Ich glaube...diese Unentschlossenheit hat mich aggressiv gemacht...Tut mir Leid. Ich wollte nicht schreien und dich die ganze Zeit anmeckern."

Jonas blinzelte ihn immer noch verwirrt an.

"Du...Ich auch! Ich liebe dich auch!!!"

Damon lächelte ihn an.

Gott sei Dank.

Gott sei Dank.

"Gott sei Dank."

Jonas strahlte zu ihm hoch und dann küssten sie sich sanft.

Damon seufzte leise gegen Jonas' weiche Lippen.

/Der alte Kauz und der junge Springer...Wie soll das funktionieren...?/

"Was sollen wir essen?!"

"Was?!"

Jonas riss ihn aus seinen Sorgen.

"Das Essen ist im Eimer."

"Ähm..."

Damon kratzte sich verwirrt am Kopf.

Schließlich lachte er leise.

"Pizzadienst, mein Herz."

Jonas sprang vor Freude auf und rannte zum Telefon.

Damon sah ihm lächelnd nach und beobachtete, wie er für sie beide voller Tatendrang bestellte.

Er wunderte sich nicht mehr über diese Fröhlichkeit.

Denn, wenn er in den letzten Tagen eins über seinen süßen Freund gelernt hatte, dann war es, dass man ihn mit Pizza immer aufmuntern konnte.

Und mit Sex.

Damon grinste voller Vorfreude darauf seinem Jo wieder gute Laune zu bringen.

5 Wochen im Jenseits

5 Wochen im Jenseits

"WAS SOLL DAS?!"

Andrew fuhr wie unter einem Peitschenhieb zusammen.

Max löste sich nur langsam von ihm.

Nuka hatte sich im Bett aufgerichtet, die Decke wütend von sich geworfen.

Drew glaubte, sein Herz bliebe stehen.

Nuka hatte alles mitbekommen!
 

Nuka trat auf sie zu. Max trat einen Schritt von Andrew zurück.

"Ich frage noch mal! Was soll das?!"

Noch ein Schritt auf sie zu. Und ein Schritt zurück.

"Ganz einfach, Blondie. Wir begrüßen uns."

"Begrüßen?!"

Nuka spuckte das Wort förmlich aus.

Besorgt bemerkte Andrew, dass Nuka kurz davor war, die Beherrschung zu verlieren und vielleicht...handgreiflich zu werden. Nuka hatte die Fäuste fest zusammen geballt und die Zähne gefletscht.

Es fröstelte ihm. Sein Nuka wirkte verdammt bedrohlich.

Wie schnell ein Mensch sich doch vergessen konnte.

"Nuka...Das...ist nicht so..."

"Wie ich denke?! So ein Standardspruch!"

Drew fühlte sich unwohl unter dem stechenden, wütenden Blick.

Warum verdammt hatte er Nukas Aufmerksamkeit auf sich gelenkt?!

,Um Max zu schützen...', wisperte es in ihm.

Ja. Das war er ihm schuldig.

"Nuka. Das ist Max. Ich hab ihn lange nicht mehr gesehen. Ich bin selbst überrascht, dass er hier ist. Ich dachte, er wäre tot."

Drew versuchte seine Stimme so neutral wie möglich zu halten, aber auch gleichzeitig so schnell zu reden, dass er Nukas Wut einfach überredete.

Es gelang ihm nur schwer ruhig zu bleiben. Die ganzen Bilder versuchten auf ihn einzustürmen. Die ganzen Bilder der Entführung.

"Und...woher kennt ihr euch?!"

Max wollte antworten, aber Andrew unterband dies durch ein schnelles Abwinken.

"Das erklär ich dir später."

Nuka runzelte die Stirn.

"Gut...Solange er dich nicht noch einmal küsst..."

Plötzlich lachte Max auf.

"Jetzt verstehe ich! Er ist nicht dein Stiefbruder, sondern dein Lover!"

Andrew blickte ihn verwirrt und fragend an.

"Wie kommst du darauf, dass er mein Stiefbruder wäre?"

Max grinste eines seiner überlegenen Grinser. Drew fiel auf, dass es viel weicher wirkte, als noch vor all der langen Zeit in dem kalten, schmutzigen Kellerraum.

"Ich hab dich im Krankenhaus wieder gesehen. Dein Zimmernachbar ist ein Kumpel von mir und als ich ihn heute Morgen besuchen wollte, seid ihr aus dem Zimmer gekommen. Ich hab Stani sofort gefragt, ob er etwas über euch weiß. Und er hat mir erzählt, wo ihr untergebracht seid und halt auch, dass Blondie der Stiefbruder ist. Eure Zimmernummer habe ich unten an der Rezeption herausgefunden."

Andrew zog die Augenbraue hoch.

"Ok...Und...wie kommst du nach England?"

Max grinste und zuckte die Schultern.

"Mein Opa ist vor zwei Jahren gestorben. Ich habe sein Haus hier in London geerbt und habe die Chance genutzt um Amerika hinter mir zu lassen."

Sie schwiegen. Was sollte man auch darauf sagen?

Eine Bewegung an der noch weit geöffneten Zimmertür, ließ Drew aufblicken.

Rob sah sie verwirrt an.

"Hey. Ich hab Nuka schreien hören. Wer is'n das?"

Max' Miene schien sich sofort aufzuhellen, kaum dass er Andrews Bruder gesehen hatte.

"Nein! _Das_ ist Rob?! Der ist aber gewachsen."

Rob zog die Augenbrauen hoch und lächelte freundlich, aber vollkommen verwirrt.

"Äh...kenne ich Sie?!"

Andrew sah mit Erschrecken, wie sein alter *Bekannter* auf seinen Bruder zutrat und seinen Kopf sanft aber bestimmt am Kinn hochhielt.

"Du hast den gleichen naiven, kindlichen Ausdruck im Gesicht wie dein Bruder damals. Süß."

"Lass den Jungen in Ruhe!"

Nuka zischte neben ihm wütend auf und ergriff Max an der Schulter um ihn von Rob wegzuziehen, der sich jedoch so gleich mit einer fast schon lästigen Handbewegung wegwischte.

"Keine Panik, Blondie."

Andrew biss sich auf die Lippen, als Nuka ihm einen verwirrten und fast schon empörten Blick zuwarf.

*Warum lässt du das zu?! Du sorgst dich doch sonst so sehr um ihn!* Drew las diese Worte als wären sie dem Russen in großen, roten Buchstaben auf die Stirn tätowiert.

Und er fragte sich dasselbe.

Warum tat er nichts?! Warum beschützte er Rob nicht, so wie es seine Pflicht war?!

Doch die Antwort wusste er auch...Es war vollkommen einfach.

Weil er keine Macht gegen Max hatte. Weil er ihm vollkommen ausgeliefert war, früher sogar verfallen.

Damals wäre er mit ihm gestorben. Er war nicht geflohen, Daniel hatte ihn herausziehen müssen. Er war vollkommen erstarrt gewesen vor Schreck. Max war vor seinen Augen zusammengebrochen.

"Drew, wer ist das?"

Rob huschte an Nuka vorbei und ergriff Andrews Arm.

Er seufzte.

"Das ist Max."

Und Rob verstand. Er verstand, riss die Augen auf und sog so scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, dass man ein leises Zischen hören konnte.

"Aber...der...ist doch tot..."

"Ich bin wie eine Katze. Neun Leben! Miau!"

"Wenn du nicht mit deinen dummen Sprüchen aufhörst, Prügel ich sie dir raus, du Arschloch!"

Andrew erschauerte. Nukas Stimme war so gepresst, so aggressiv.

Er traute sich nicht ihn anzusehen. Das hätte er niemals von ihm erwartet.

"Du solltest mich besser nicht anfassen, Blondie. Andrew verabscheut Gewalt. Du solltest ihn nicht vergraulen."

Max grinste breit und scheinbar fröhlich.

Während Nuka vor Wut regelrecht kochte.

"H...Hört bitte auf damit..."

Endlich fand Andrew seine Stimme wieder.

Allerdings war sie zittrig und leise.

Das interessierte Nuka jedoch kein Bisschen.

"Verdammt, Drew! Ich höre jetzt nicht auf! Dieser Mistkerl platzt hier rein, küsst dich einfach und tatscht Rob an! Das kannst du doch nicht zulassen!"

Andrew atmete bebend ein.

"Was ich kann...und was nicht, ist immer noch meine Entscheidung, Nuka."

Augenblicklich wurde es still.

Nur Andrews leicht pfeifender Atem durchbrach die angespannte Stille.

/Es läuft alles drunter und drüber! Ich hab überhaupt nichts mehr unter Kontrolle! Warum kann es noch nicht mal im Urlaub geregelt ablaufen?!/

Drew atmete tief ein, als er merkte, dass ihm schwindelig wurde.

"Andrew. Du solltest dich hinsetzen und wieder etwas beruhigen."

Auf Drews Züge schlich sich ein hauchdünnes, zittriges Lächeln, da er sah, dass Rob und Nuka überrumpelt aufgesehen hatten, als Max' Stimme so warm geworden war. So besorgt.

Andrew ließ sich auch wirklich in einem der Sessel nieder.

Er stützte seinen Kopf in seine rechte Hand und versuchte wieder richtig zu Atem zu kommen.

Immer noch war es leise um ihn herum.

Er begrüßte das. Er brauchte Ruhe.

Ruhe und vielleicht noch ein wenig Schlaf.

"Würdet...ihr mich allein lassen...?"

Er blickte noch nicht einmal auf, während die drei den Raum verließen und die Tür hinter sich schlossen. Er lauschte nur.

Er lauschte auf ihre Schritte, bis diese auf dem Flur verklangen waren.

Und dann brach ein heftiges Schluchzen aus ihm heraus.

Der Druck musste weg! Die ganze Panik musste weg! Er brauchte nur seine Ruhe! Eine Auszeit!

/Warum jetzt?! Warum erreicht mich meine Vergangenheit innerhalb so kurzer Zeit?! Warum so plötzlich?!/

Doch niemand beantwortete seine Frage.

Denn er war allein. So, wie er es sich gewünscht hatte.
 

Sie hatten ihn auf dem Schulweg aufgegriffen. Er hatte wie jeden Dienstag erst zur zweiten Stunde unterricht und hatte sich zu dem Park fahren lassen, der nahe seiner Highschool lag.

Es war friedlich dort, wie an jedem Dienstag.

Gerade deshalb war Dienstag sein Lieblingstag.

Und weil er am Dienstag bis in den Nachmittag Schule hatte.

Er schlenderte über den gepflegten Kiesweg an dem kleinen Fahrradständer vorbei, den man ohne einen für ihn ersichtlichen Grund neben einen dünnen, knochigen Baum mitten in dem Park gestellt hatte.

Soweit er wusste, schloss niemand dort sein Fahrrad ab.

Die zwei Junkies, die dienstags immer auf eine der Bänke fläzten, grüßten ihn grinsend und Drew wusste, dass sie ihm auf den Hintern starrten.

Wie jeden Dienstag.

Einmal hatten sie ihn angesprochen. Hatten im Scherz gesagt, wenn er Geld bräuchte, könne er für sie anschaffen gehen.

Drew hatte nur milde gelächelt.

Erstens: hatte er Geld. Zweitens: schaffte er bereits an, nur halt nicht so, wie die zwei Kerle es wohl mit *Anschaffen* meinten.

Anders eben.

Andrew seufzte tief.

Entspannt schlenderte er durch den Park, wisch einer Frau und ihrem Mops aus, der es sich wohl zu witzigen Aufgabe gemacht hatte ihn jeden Dienstag anzuspringen und seine Hosenbeine mit seinen dreckigen, matschigen Pfoten zu versauen.

Er winkte einem Klassenkameraden von ihm, der komischerweise immer wieder zu spät kam, auch wenn er früher als er im Park war, und trat dann durch den Torbogen, der den grünen, friedlichen Park vom Rest der Stadt abgrenzte.

Er ging einige Schritte und steuerte ein Café an. Heute hatte er Durst auf einen warmen Kakao.

Jedoch kam er keine 30 Meter weit.

Ein Auto hielt mit quietschenden Reifen neben ihm, Hände zerrten ihn grob und mit einer Gewalt in das Innere des Autos, dass er noch nicht einmal auf die Idee kam zu schreien.

Drew war zu erschrocken um sich zu wehren.

Sein Rücken tat ihm noch weh von den Schlägen von gestern.

Seine Füße wurden ins Wageninnere gezogen und im nächsten Moment blinzelte er grünen, katzenhaften Augen entgegen.

"Guten Morgen, Mr. Bucker. Klappe halten, dann passiert Ihnen nichts."

Drew schluckte und sah sich erschrocken in dem großen Auto um.

Keinen der 4 Männer, die sich bei ihm befanden, konnte er erkennen. Sie trugen alle Masken.

Der Wagen rumpelte über einen Straßenhubbel und erst jetzt registrierte er, dass sie bereits losgefahren waren.

Tränen stiegen ihm in die Augen.

Was passierte mit ihm?! Was sollte das alles?!

Panik breitete sich in ihm aus.

Er wimmerte leise und atmete zitternd ein.

"Hör auf zu jammern, Muttersöhnchen."

Die rüden Worte beunruhigten ihn.

Und noch bevor er irgendetwas dagegen tun konnte, war er unmächtig geworden.
 

Die 4 Männer hatten ihn entführt.

2 Wochen hielten sie ihn jetzt schon gefangen.

Sie hatten ihm gesagt, sie hätten vor einer Woche einen Erpresserbrief an seinen Vater geschickt.

Bis jetzt war noch nichts angekommen.

Die Metalltür seines ekelhaft modrigen Verlieses knarrte und knirschte laut. Quietschend schwang sie auf und jemand trat herein.

Die Deckenlampe wurde angeschaltet. Bis jetzt hatte er mit der Nachttischlampe auskommen müssen. Es blendete nur ein kleines Bisschen.

Er erkannte den Kerl, der ihm immer das Essen brachte.

Er trug ein Tablett mit einem Teller, einem Topf, einem Glas und einer großen Flasche Wasser. Heute gab es wohl irgendeinen Eintopf oder so etwas...

Sie hatten bis jetzt nur wenige Worte gewechselt. Andrew konnte ihn überhaupt nicht einschätzen.

/Wenigstens redet er etwas...die anderen zwei spucken mich an und der andere würde mich wahrscheinlich ignorieren, falls er mich nicht zur Toilette bringen würde.../

"Mittagessen, Kleiner."

Drew nickte nur und nahm den noch leeren Teller entgegen. Der Kerl öffnete den Topf und löffelte ihm erst einmal zwei Löffel des Kartoffelgehackteseintopfs auf den Teller.

"Schmeckt dir bestimmt. Ich hatte heute Küchendienst."

Andrew lächelte leicht.

Ja. Wenn sein Essensbringer kochte, schmeckte es immer gut.

Er zerkleinerte die in Scheiben geschnittenen Kartoffeln ein wenig und tat etwas davon auf seinen Löffeln. Hungrig, aber gespannt, wie es schmecken würde, schob er sich das Essen in den Mund und kaute bedächtig.

Nachdem er herunter geschluckt hatte, lächelte er den Koch freundlich an.

"Schmeckt wirklich gut."

Der Mann grinste. Und Andrew aß weiter schweigend.

"Das Lächeln steht dir...Das solltest du öfter tun."

Drew schwieg und kaute einem leicht knorpeligen Stück Gehacktes herum.

"Ich heiße Max."

Andrew hatte Schwierigkeiten den Essensbrocken herunter zu schlucken.

Verwundert sah er auf.

Noch nie war in den letzten 2 Wochen ein Name gefallen. Außer seinem Nachname.

"Ich heiße Andrew..."

Max grinste ihn an, schien sehr froh, dass er mit wohl mit ihm weitergekommen war.

Was sein Ziel war, war Andrew egal.

"Erzähl was über deine Familie."

Andrew senkte den Blick und stocherte in den Kartoffeln herum. Ein kleines Tomatenstückchen wurde erbarmungslos mit der runden Seite des Löffels zerquetscht.

"Ich hab drei Geschwister. Damon, Ron und Rob. Dann ist da mein Vater und Lei, meine Stiefmutter. Die ist Robs Mutter...Was...Also...Was willst du denn genau hören?"

Max zuckte die Schultern und hob seine Augenbrauen. Sein jungenhaftes Lächeln ließ ihn entdecken, dass er unglaublich jung aussah.

Jünger als seine Kumpane.

"Wie...wie alt bist du eigentlich...?"

Max runzelte wegen der plötzlichen Frage die Stirn.

"19 Wieso?!"

Andrew schüttelte nur seinen Kopf und legte den Teller vor sich auf die nackte Matratze.

/Nur 3 Jahre älter als ich...Was hat ihn nur dazu bewegt, dies zu tun...?/

Doch er fragte nicht weiter. Es ging ihn nichts an und er wollte keine Schwierigkeiten haben.

/_Noch mehr_ Schwierigkeiten?! Geht das überhaupt noch?!/

Andrew seufzte auf und schob den Teller auf Max zu. Der nahm ihn entgegen und stellte ihn zurück auf das Tablett.

"Soll ich dir das Wasser nachher hier lassen?"

Drew blickte überrascht auf.

"Nachher?!"

"Ja. Ich will noch ein wenig mit dir plaudern."

Das breite Grinsen steckte an. Andrew lächelte unsicher zurück.

"Erzähl mir was über deine Brüder."

Andrew seufzte auf und faltete die Hände im Schoß.

Und dann erzählte er.
 

Schon seit einer Woche unterhielten sie sich nach dem Essen. Manchmal lang, manchmal weniger lang.

Es war erheiternd.

Max war locker und witzig.

Er sah alles nicht so eng. Er hatte ihn sogar einmal durch das Haus geführt, als die anderen nicht da waren.

Es war ein heruntergekommener Schuppen.

Vollkommen verdreckt und chaotisch.

Aber sein Kellerzimmer war noch schlimmer.

Modrig, feucht und kalt.

Die Matratze war oft ein wenig klamm. Genauso wie die Decke.

Und Andrew hatte sich erkältet.

Was hieß hier erkältet?! Er hatte sich den Tod geholt!

Deshalb hatten sie auch heute nicht geredet.

Drew war zu heiser um auch nur ein wenig mehr als ein Krächzen heraus zu bringen.

Max hatte ihn mit Hustensaft, Aspirin und Antibiotika voll gepumpt und er fühlte sich völlig benebelt und schlapp. Er hatte den ganzen Tag geschlafen.

Er wurde von lauten Stimmen geweckt.

Seine Entführer stritten sich.

Er konnte jedoch nicht verstehen, über was.

/Vielleicht zahlt Vater nicht...?/

Andrew lächelte schmallippig.

Gut...Dann würde er hier verrotten.

Bei dem Gedanken, die Ratten würden ihn bei lebendigem Leibe auffressen, schlief er ein.
 

Ein sanftes Streicheln an seiner Wange weckte ihn.

Jemand hatte ihm ein feuchtes Tuch auf die Stirn gelegt und er lag in einem warmen, sauberen Bett. Man hatte ihm die verdreckten Klamotten ausgezogen und ihm ein weiches, bequemes T-Shirt und eine Boxershorts übergezogen.

Andrew seufzte leise und blinzelte sich den Schlaf aus den Augen.

"Schön, dass du wieder wach bist. Geht es dir besser?"

Drew war verwirrt, als er Max Stimme hörte, aber er nickte.

Er fühlte sich vom Gesundheitlichen nicht besser als vorher...Vielleicht nur weniger träge von den Medikamenten.

"Das Fieber ist sogar gesunken. Ich hatte befürchtet, wir müssten einen Arzt rufen."

"Ha...Habt...ihr deshalb gestritten...?"

Drew seufzte tonlos auf.

Er war so heiser! Seine Stimme hörte sich total müde an, träge.

Max lächelte ihn aufmunternd an und fuhr mit seinen zärtlichen Fingern durch Andrews Haar.

Es war noch leicht feucht. Jemand musste ihn gewaschen haben, denn er fühlte sich frisch und sauber. Vielleicht hatte man ihn gebadet.

"Du hast es gehört...Ja, wir haben uns um dich gestritten. Tom und River wollen dir was abschneiden, damit dein Dad Angst bekommt...Daniel will das ganze hinschmeißen und ich..."

Max lehnte sich leicht in seinem Stuhl zurück.

"Ich würde dich eigentlich gerne beschützen, dich halten...weil...ich mag dich. Du bist süß, lieb, attraktiv und überhaupt nicht so verwöhnt und arrogant, wie ich erwartet hatte."

Drew war nicht überrascht.

Das einzige, was er fühlte, war Stumpfheit.

Es war, als wäre sein Kopf und sein Bauch mit Watte ausgestopft.

Seine Züge bewegten sich nicht, während sein Gegenüber ihn erst abwartend ansah.

Und dann ungläubig.

"Hallo?! Falls du es nicht verstanden hast, ich will dich nageln! Bist du überhaupt nicht entsetzt?!"

Ein seichtes Lächeln legte sich auf Drews Lippen.

"Das wusste ich doch schon längst. Außerdem...warum sollte es mich schocken?"

Max seufzte auf und fuhr sich durchs Gesicht.

"...Ist dir das etwa egal...?"

"Schlimmer als bei meinem Vater kann es nicht sein."

Max sah ihn an und nickte.

"Ich hab die Narben auf deinem Körper gesehen...Dann schlägt er dich anscheinend nicht nur..."

Andrew schüttelte den Kopf und berührte Max' Wange mit seinen Fingern.

"Max...Wenn du sanft bist, dann würde ich es sehr gerne mit dir tun...Ich...Vielleicht fühle ich mich danach besser, nicht so allein..."

"...Also...du willst es? Wirklich? Du..."

Andrew schob seine Hand in seinen Nacken und zog den Älteren zu sich hinunter.

Ihr Atem vermischte sich, ihr Blick verfing sich und ihre Lippen trafen sich.

Und Andrew genoss es, ihr ganzes Zusammentreffen, ihre Vereinigung.

Noch nie war jemand so zärtlich zu ihm gewesen, so sanft, aber gleichzeitig leidenschaftlich.

Noch nie hatte sich jemand um ihn gesorgt dabei.

Noch nie hatte er so wenig Schmerzen erleiden müssen.

Und noch nie hatte es ihm so gefallen.

Und noch nie hatte er jemandem so sehr vertraut, dass er neben diesem einschlafen konnte.

Es war ein so angenehmes Gefühl.
 

/2 Wochen...seit 2 Wochen schlafen wir miteinander...Was ist mit Ron...? Ich habe ihn vergessen...Ich vermisse ihn nicht...Vater auch nicht...Rob...ein wenig vielleicht...Ist es...so einfach ein neues Leben zu beginnen...? Wenn man untertaucht...wenn man nicht gefangen ist...wenn man...leben kann...?/

Max neben ihm regte sich.

Er streckte sich, gähnte laut und durchdringend und zog ihn an seine warme, leicht behaarte Brust.

Andrew genoss das Gefühl der schweren Muskeln an seiner Haut. Er seufzte auf und schmiegte sich so viel es ging an seinen Max.

"Hmmm...Kleiner...Hast du gut geschlafen...?"

Drew schmunzelte und rieb seinen Hintern provokativ an Max' Morgenlatte, an die er sich in den letzten Wochen erst hatte gewöhnen müssen.

"Anscheinend nicht so gut wie du..."

Sein Liebhaber knabberte an der Haut seines Nackens und blies seinen warmen Atem durch seine Haare.

"Ich könnte es so hinbiegen, dass du dafür aber einen schönen Morgen bekommst..."

"Den habe ich jeden Morgen..."

Max lachte und umarmte ihn sanft.

Schnelle, hastige Schritte auf der Treppe. Ein wütendes Schreien auf dem Flur.

Die Tür wurde aufgerissen und Daniel trat ein. Einer seiner vier Entführer, der schweigsame, der, der ihn früher immer zur Toilette gebracht hatte, der, der nach 2 Wochen keine Lust mehr gehabt hatte.

Und er schien die Situation mit einem Blick zu erfassen.

"Ihr müsst euch anziehen! Keine Zeit mehr für 'nen Quickie. Tom dreht durch und prügelt sich unten mit River. Wir können dein Spielzeug nicht länger behalten. Sie wollen ihn abmurksen. Aufstehen."

Andrew war es gewohnt, dass Daniel von ihm sprach, als wäre er nicht im Raum. Er war es auch gewohnt, dass Tom und River damit drohten ihn umzubringen, weil sie kein Lösegeld bekamen. Jedoch war Drew es nicht gewohnt den gehetzten Ton in seiner Stimme zu hören. Deshalb hob er seinen nackten, dürren Körper sofort aus dem Bett und zu seinen etwas zu großen Klamotten, die man ihm besorgt hatte.

Auch Max erkannte den Ernst der Lage und war sogar noch schneller angezogen als er.

"Ihr haut ab."

Max sah Daniel ungläubig an.

Drew war nicht überrascht, dass Daniel ihnen half. Max und er hatten ein viel besseres Verhältnis zueinander als zu den anderen Beiden der Entführergruppe.

"Gehen wir nach unten! Vielleicht kommen wir unbemerkt an ihnen vorbei."

Andrew runzelte die Stirn.

Das würden sie mit Sicherheit nicht schaffen.

Tom und River konnten sich noch so sehr fetzen, sie bemerkten immer alles um sie herum, sogar die kleinste Luftveränderung.

Sie schlichen die Treppe hinunter.

Im Wohnzimmer zerschellte ein Glas und die rauchige, heisere Stimme Rivers lallte leicht und betrunken durch die Wohnzimmertür.

"DAS is jaaawoohl SCHEIßE! Der Kleine bringt uns insss Graaab!"

"Wir kriegen die Kohle! Verdammt! Tot bringt er uns nichts!"

Tom hörte sich wesentlich nüchterner an.

/Der Alkoholpegel der beiden ist mit jedem Tag, den ich hier war, gestiegen, habe ich das Gefühl.../

Sie drei schlichen durch den Flur.

Wieder hörte man Glas zersplittern und dann ein lautes Bersten, so als wäre einer der Tische kaputt gegangen.

"DU ARSCH!!! DER SCHREIBTISCH!!"

Toms Stimme heulte durch das Haus.

River lachte ihn aus.

Andrew lief es eiskalt den Rücken hinunter.

"Komm! Bringen wir die kleine Made um! JETZT!"

Drew schluckte.

Sie beschleunigten ihre Schritte.

"Fuck..."

Max' Flüstern hallte endgültig durch Drews Kopf.

Da stand ein umgekippter Schrank vor der Haustür.

Daniel und Max sahen sich an. Dann nickte Daniel und packte den zierlichen Andrew am Arm, ein wenig zur Seite.

Max seufzte auf und schob sich an ihnen vorbei wieder zurück in den Flur.

"Kleiner...Du musst ohne mich abhauen. Daniel hat keine Chance gegen die zwei, der is nur ne halbe Portion, fast so wie du...Deshalb haut ihr zwei ab und ich halt sie auf. Ok?"

Drew schluckte.

War das in Ordnung?

War das fair?

"Keine Sorge. Wir sehen uns, lieb dich, Kleiner."

Ein Kuss auf die Wange war das einzige, was Drew noch von ihm zu spüren bekam.

Daniel zerrte ihn wieder näher zur Haustür und hievte den Schrank zur Seite.

Das machte natürlich Krach.

Und schon wurde die Wohnzimmertür aufgerissen.

Andrew konnte gar nicht schnell genug gucken, da hatte Max sie mit einem kräftigen Tritt wieder zugeknallt.

Aus dem Wohnzimmer drang ein schmerzerfüllter Schrei, dann wurde die Tür wieder aufgerissen, diesmal aber so kräftig, dass ihr Max ausweichen musste.

Andrew erstarrte, als er das Messer in Rivers Hand sah.

"Verflucht! Die Kiddies wollen türmen!"

Daniel fummelte fast panisch am Türschloss herum. Jemand hatte sie irgendwie abgeschlossen. Der Schlüssel steckte, aber Daniel war ein Nervenbündel.

Drew rührte sich nicht.

Und Max? Max rang mit seinen Komplizen.

Und verlor. Er hatte mehr Schläge einzustecken als auszuteilen und das Messer beeinträchtigte ihn sehr, da er immer ausweichen musste.

Irgendwie bekam Tom es hin, dass er Max am Genick und zu ihm zerren konnte.

Drew biss sich auf die Unterlippe.

"Blödes Arschloch! Verräter!"

Rivers lallende Stimme überschlug sich beinahe, als er die scharfe, lange Klinge durch Max' Kehle zog.

Max stieß einen jämmerlichen Schrei aus.

Blut quoll aus seinem Mund.

Blut spritzte für einen Moment sogar bis zu Andrew herüber.

Der schwere Geruch der roten, dicken Flüssigkeit breitete sich im schmalen Flur aus.

Ihm wurde übel davon.

"Bucker! Beweg dich!"

Daniel packte ihn am Arm und zerrte ihn zurück.

Er konnte die ganze Zeit nur auf Max starren.

Sein blutverschmierter Hals, sein weit aufgesperrter Mund, seine leeren, toten, aufgerissenen Augen.

Andrew stolperte zurück.

Diese Augen...

Tom ließ Max zu Boden gleiten.

Die beiden Mörder wandten sich ihnen zu.

Daniel haute ihm über den Schädel, so dass er wieder zu sich kam.

Andrew fuhr herum und zusammen rannten sie, als wäre der Teufel hinter ihnen her.

Andrew konnte bereits nach wenigen Metern nicht mehr.

Er hatte wenig gegessen, hatte sich wenig bewegt. Seine Hochsprung- und Schwimmkondition konnte er vergessen.

Daniel warf ihm über die Schultern einen giftigen Blick zu.

"Verreck doch, wenn du nicht mehr kannst!"

Und schon war er in einer Gasse verschwunden.

Andrews Atem pfiff.

Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen.

/Nicht umkippen, nicht umkippen, bitte, nicht jetzt umkippen.../

Er stolperte in einen Hauseingang, der nicht sehr einladend aussah. Dreckig, voller Urin und sonstigem Unrat.

Das Türschloss war kaputt, er taumelte ins Treppenhaus des Mehrfamilienhauses.

Keuchend tastete er durch den kleinen Flur.

Die Tür fiel hinter ihm zu und er rutschte auf etwas feuchtem aus und fiel auf den Boden. Seine Augen verschwanden hinter flatternden Augenlidern.
 

Andrew erwachte mit einem Wimmern.

Im ersten Moment wusste er nicht mehr, wo er war. Dann fiel ihm die seidige Bettwäsche auf und vor allem der blonde Haarschopf, der sich besorgt über ihn beugte.

Das Hotelzimmer.

Das Hotelzimmer und Nuka.

Drew holte zitternd Atem.

Und dann weinte er wieder. Leise diesmal, ohne schluchzen.

Aber er weinte schon wieder.

Nuka legte sich neben ihn ins Bett und umarmte ihn vorsichtig.

"Sch...Hast du geträumt, mein Darling...?"

"J...Ja...Von früher...Von Max..."

Nuka verspannte sich. Andrew konnte es genau fühlen.

Die Armmuskeln verkrampften sich und er wurde fester gegen Nukas Brust gedrückt.

"Erzähl es mir..."

Andrew erzählte. Nuka verlor währenddessen kein Wort.

Und dann schlief er in den Armen seines Nukas ein.

Urlaub

Nuka erwachte bereits ganz früh morgens. Eigentlich war er noch unglaublich müde, aber andererseits konnte er nicht mehr schlafen. Zu sehr hatte er Angst vor den Bildern, die Andrews Erzählungen in ihm hinterlassen hatten und die sich irgendwie in seine Träume schlichen.

Die Sonne begann gerade erst aufzugehen, die zaghaften Strahlen drangen durch die Schlitze der Jalousien und streiften Andrews Gesicht.

Mit einem leisen Seufzen drehte er sich auf die Seite und legte seinen Arm über Drews Taille. Nachdenklich zog er ihn ein wenig näher und genoss die Wärme und den Geruch, der von seinem Liebling ausging.

Der Morgen war friedlich, ruhig, aber gleichzeitig nicht gerade unbeschwert.

Denn Nuka dachte über Max nach und welche Beziehung zwischen Andrew und dem Fremden bestand.

Waren da noch Gefühle, die die beiden füreinander empfanden? Wollte Max ihm sein Darling wegnehmen?

Wollte Andrew sich wegnehmen lassen...?!

Angst überkam ihn.

Angst, Andrew zu verlieren.

An jemand Anderen, aus der Vergangenheit, an jemand Fremdes.

Wütend auf sich selbst und so frustriert wie schon lange nicht mehr stöhnte er auf und vergrub sein Gesicht in Andrews Halsbeuge.

Ein leises, unverständliches Murmeln antwortete ihm von Drew, der sich noch enger an ihn kuschelte und kurzweilig schmatzende Geräusche von sich gab.

Trotz seiner Sorgen musste Nuka schmunzeln.

Andrew.

Er war so süß, so lieb und so schutzbedürftig.

Ein falscher Griff und Andrew würde in seinen Händen zu feinpulvrigem Staub zerfallen. Deshalb wollte er ihn auch nicht Max überlassen, weil Nuka befürchtete, dass er nicht mit ihm umgehen konnte. Oder...gerade weil er befürchtete, dass Max mit ihm umgehen konnte. Besser als er.

War das nicht sogar besser...? Wäre das nicht viel besser für Andrew?!

Hier wären sie in Europa, dort, wo Drew schon immer einmal sein wollte. Hier könnten Rob, Max und Andrew in einem Haus leben, in London, einer historischen, alten Stadt, in der Rob so gute Ausbildungsmöglichkeiten hätte.

Aber....es wäre nicht besser für ihn, für Nuka. Es würde schmerzhaft sein. In dieses Glück passte er nicht rein.

Aber er sollte nicht so egoistisch sein.

Andrew hätte Chancen, große Chancen; bei Max, nicht bei Nuka.

Mit einem matten Gefühl im Bauch, das sich langsam aber unaufhörlich in seinem ganzen Körper auszubreiten schien, löste er Andrews Arm von seinen Schultern und robbte von Andrew weg, aus dem Bett.

Ein kurzer Blick zum Wecker auf dem Nachttisch sagte ihm, dass es erst 6 Uhr war.

Sie waren gestern in ihrer Kleidung eingeschlafen, also öffnete Nuka seinen Schrank und holte sich andere Sachen heraus. Mit dem Kleiderbündel ging er ins Bad und zog sich aus.

Das Wasser prasselte kalt aus der Duschbrause auf ihn ein. Genau das, was er jetzt brauchte. Er seufzte auf und fuhr sich fest mit den Händen durch sein Gesicht und durch die Haare um den Kopf klar zu kriegen.

Was sollte er jetzt tun?

Kämpfen?

Oder doch aufgeben...?

Nuka knurrte leise auf und schlug mit der flachen Hand gegen die Duschwand, so dass es laut klatschte. Jetzt hatte er es!

Er würde es Andrew überlassen!
 

Vogelgezwitscher drang an sein Ohr. Die Sonne kitzelte ihn an der Nase und ließ ihn niesen. Frische Luft wehte zu ihm und weckte ihn mit dem feinen Geruch von Erde, auf die es gerade geregnet hatte und die nun durch Sonnenlicht wieder getrocknet wurde.

Andrew seufzte leise.

Nuka hatte wohl das Fenster aufgemacht.

"Hmmm..."

Blinzelnd öffnete er seine Augen und lächelte zur Decke.

"Guten Morgen, Darling."

Nukas warme, tiefe Stimme ließ ihn erschaudern und seinen Kopf in die Richtung dieses wohltuenden Ohrenschmauses wenden.

Das liebevolle Lächeln des wundervollen Mannes, der neben ihm auf der Decke lag und ihn beim Aufwachen beobachtet hatte, weckte ihn schon gleich noch mehr auf.

"Hast du gut geschlafen, Honey?"

Andrew schmunzelte. Ein neues Kosewort...

"Ja, hab ich..."

Gähnend rieb er sich über die Augen und streckte sich ein wenig um dann mit einem Seufzen wieder in die Kissen zu sinken und Nukas Gesicht entspannt zu betrachten. Was für ein harmonischer Morgen.

"Ich hab Frühstück bestellt, sollen wir im Bett essen?"

Drew erwiderte den kleinen, zärtlichen Kuss und nickte dann. Er strahlte beinahe.

Nuka stand auf, schob den Wagen mit dem vollgeladenen Frühstückstablett ans Bett und reichte ihm als erstes zwei Kaffeetassen, damit er sie auf den Nachttisch stellen konnte. Dann setzte er sich vorsichtig mit dem Tablett neben Andrew und legte es zwischen sie.

Neugierig besah Drew sich die verschiedenen Teller. Lecker duftendes Rührei, kross gebratener Speck und goldbrauner Toast. Ein typisches, englisches Frühstück. Eigentlich fehlte nur der schwarze Tee mit Milch. Aber sie hatten ja schon den Kaffee.

Andrew seufzte auf und schenkte Nuka ein warmes Lächeln.

Das alles hatte er für ihn arrangiert.

"Das ist so lieb von dir, Liebling."

Nuka konnte gerade noch seine Kaffeetasse wegstellen, bevor er vor Schreck etwas von der schwarzen Brühe auf die helle Bettwäsche verschüttete.

Ungläubig und überrumpelt sah er Drew an.

"Du...du hast mich *Liebling* genannt!"

Andrew wurde mal wieder rot, aber er erwiderte nichts, lächelte nur.

Nukas Verwirrtheit war süß.

Er seufzte und trank einfach seinen Kaffee, ignorierte die verwunderten, aber erfreuten Blicke seines Bettgefährten. Heute war er so...ausgeglichen. Alles war perfekt. Seine Laune war so gut wie schon lange nicht mehr.

Er fühlte sich...als ob er endlich im Urlaub wäre, irgendwie...beschwingt...

...vielleicht sogar glücklich.
 

Drew seufzte auf und knotete sich den Bademantelgürtel um den Bauch, während er mit noch trägen Schritten aus dem Badezimmer kam.

Nuka saß in einem der Sessel und sah ihm lächelnd entgegen. Er trug heute ausnahmsweise ein weißes Hemd, allerdings hatte er die ersten drei Knöpfe geöffnet, so dass man die seidige, unbehaarte Haut seiner Brust sehen konnte. Die Sonne strahlte von der Seite durchs Fenster und verlieh seinem blonden, glatten Haar einen strahlenden Glanz.

Auf Andrews Gesicht schlich sich sofort ein fast genießendes Lächeln.

Was hatte er für ein Glück...

Eine große Welle Zuneigung schwappte über ihm zusammen und er trat augenblicklich an seinen Nuka heran, hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen und betrachtete ihn seufzend.

"Was ist?"

Andrew schüttelte nur den Kopf und hockte sich breitbeinig auf Nukas Schoß, die Knie auf den Sessel neben Nukas Beine gestützt. Die Arme schlang er um seinen Hals und sein Gesicht vergrub er an seiner Brust.

"Es ist nur so ein schöner Tag...So ruhig und friedlich."

Warme Arme zogen ihn noch näher.

"Ein schöner Tag zum Kuscheln...nicht wahr, mein Darling...?"

Drew seufzte zustimmend und begann mit seinen Fingerspitzen über Nukas Nacken zu kraulen, so wie es die Hand in seinem Nacken tat.

So blieben sie für einige Momente sitzen, bis Nuka ihn ein wenig von sich schob und ihm eindringlich ins Gesicht blickte. Er schien sich Gedanken gemacht zu haben.

"Ich will dich etwas fragen und bitte sei ehrlich, ich werde nicht wütend sein. Empfindest du etwas für Max?"

Andrew runzelte die Stirn und richtete sich auf. Die Frage....Er hatte sie erwartet. Er hatte gehofft, Nuka würde sie nicht aussprechen, aber er hatte sie erwartet.

Trotzdem war er vollkommen unvorbereitet.

Was sollte er nur antworten?! Was war die Wahrheit?

"Ich...Ich weiß es nicht genau...Da ist noch was...Er hat sein Leben für mich gegeben, er war immer so zärtlich...und er liebte mich...ich weiß nicht..."

Nuka schlug die Augen nieder und Drew wusste mit einem Mal, dass das die falsche Antwort gewesen war. Diese Erkenntnis schmerzte.

"Nuka..."

"Nein. Ist schon gut...Du solltest darüber nachdenken. Ich habe dich mit der Frage vollkommen überrumpelt. Du hast wenigstens versucht mir eine Antwort zu geben."

Er wurde sofort wieder an Nukas warme Brust gezogen, allerdings stemmte er sich dagegen und blickte ihm in die Augen.

"Es tut mir Leid, dass ich keine bessere Antwort für dich habe, ich werde nach einer suchen. Ok?"

Nuka nickte ihm zu. Er lächelte auch schon wieder.

Erleichtert strich Drew mit den Fingern über Nukas Wangen und zeichnete die ebenen Gesichtszüge nach. Und erst jetzt fiel ihm auf, wie typisch russisch dieses Gesicht war, wie markant und edel. Ein breites Lächeln legte sich auf seine Lippen.

"Ich hab mal ein altes Gemälde einer Zarenfamilie gesehen...Einer der Männer sah so aus wie du...Dass mir das jetzt erst auffällt..."

Nuka schüttelte grinsend den Kopf und fing seine Finger in seinen Händen ein.

"Küss mich lieber, anstatt so einen Unsinn zu reden, Honey."

Andrew lachte leise und beugte sich zu Nukas Mund herab, nahm die volle Unterlippe sanft zwischen die Zähne und strich langsam und fühlbar mit den Händen über die breite, kräftige Brust, die Brustwarzen, die er unter dem dünnen Stoff des Hemdes fühlen konnte. Zart saugte er die Lippe in seinen Mund und begann sie behutsam mit seiner Zungenspitze zu kitzeln.

Nukas Hände legten sich auf seine Seiten und drängten ihre Oberkörper enger aneinander. Andrew seufzte gegen das weiche Fleisch zwischen seinen Zähnen und entließ die Unterlippe um die leicht gereizten Stellen sacht und besänftigend zu küssen.

Nuka zog Drews Kopf näher und grollte dunkel an dessen Lippen, so dass es ihm warm den Rücken hinunter rieselte.

"Hmm...Ich hab gesagt, du sollst mich küssen, nicht mir die Lippe abbeißen..."

Grinsend schlug Drew die Augen nieder und senkte seine Finger auf Nukas Seiten. Er wollte etwas ausprobieren...

Nuka stieß einen spitzen Schrei aus und Drew wäre fast von seinem Schoß gepurzelt. Laut lachend klammerte er sich an seinem Liebling fest, der erschrocken, überrumpelt und vollkommen verdutzt im Sessel saß und ihn konsterniert ansah.

"Ich wusste es!"

Kichernd strich Drew mit den Händen über Nukas Seiten, die er eben noch so fies gekitzelt hatte. Also war Nuka tatsächlich extrem kitzelig!

"Du Schlitzohr!"

Nuka lachte ihn an. Ein wundervolles Bild.

"Hmm...Darling...?"

Nuka fuhr mit den Händen seinen Rücken hinunter und stoppte an seinem Kreuz.

"Hast du überhaupt was drunter?"

Die Hände schoben sich frech auf Andrews Hintern und ließen ihn erröten. Da hatte er gar nicht mehr dran gedacht! Er hätte sich besser vorher anziehen sollen.

Nuka grinste ihn an. Es war ein dunkles, beinahe heißblütiges Grinsen.

Die Hände auf seinen Pobacken griffen fester zu, ließen Drew erschauern und weicher werden, anschmiegsam. Sein Gesicht versteckte er an Nukas Halsbeuge, atmete warm gegen seine Haut.

Hände fuhren seine Schenkel hinunter bis zu den Knien, die ihm halt gaben, bis er den Saum des Bademantels erreichte und zarte Fingerspitzen unter den Stoff schlüpften und seine nackte Haut berührten.

"Hmm...wenn du mir nicht antwortest, finde ich es eben selbst heraus..."

Andrew stöhnte leise auf, berührte dabei mit seinen Lippen die zarte Haut an seinem Hals. Sanfte Finger, die über seine Schenkel nach oben strichen. Daumen, die über die Innenseiten strichen und schließlich soweit kamen, dass er sie an seiner Spalte spüren konnte.

"Nuka..."

Sein Liebhaber lachte leise und bog seinen Kopf ein wenig zur Seite, damit Andrew mehr Spielraum hatte, den er auch sofort nutzte und genießend über die seidige Haut leckte, die ihm dargeboten wurde.

Drew bog den Rücken ein wenig durch und seufzte genüsslich auf, als Nukas kräftige Hände begannen seine Schenkel und seinen Po zu massieren, seine leicht angespannten Muskeln zu entspannen und sein Gemüt aufzuheizen.

"Sollen wir aufs Bett umziehen, mein Darling...?"

"J...Nein."

Seine Muskeln spannten sich an und er rutschte zurück, setzte sich ganz auf Nukas Beine. Sein Blick war gesenkt und er biss sich auf die Unterlippe.

"...Nein, ich möchte nicht...nicht weiter..."

"Warum?!"

Vorsichtig hob Andrew seinen Blick.

Nuka sah ihn beinahe erschrocken an und er konnte nicht anders als seinen Blick sofort wieder abzuwenden. Wie konnte er das nur erklären, ohne Nuka zu verletzen...?

"Ich..."

Ihm fehlten die Worte.

Er schluckte schwer und suchte verbissen nach guten Formulierungen, während Nuka seine Hände von seiner nackten Haut löste und sie locker auf die Armlehnen legte.

"Warum willst du nicht...? Hast du...Angst vor mir?"

"Nein. Glaub mir, das ist es nicht."

Andrew senkte den Blick nach unten. Seine Finger begannen still und hochkonzentriert mit dem Gürtel seines Bademantels zu spielen.

Sie saßen schweigend da. Es war ein angespanntes Schweigen, sehr unangenehm, und es machte Andrew schier verrückt. Weil er wusste, dass er Schuld daran war, dass die schöne, elektrisierende Atmosphäre einer eisig kalten Spannung Platz gemacht hatte.

Andrew seufzte leise und schloss traurig seine Augen. Er hatte alles kaputtgemacht.

"Drew...Was ist denn?"

Andrew schüttelte den Kopf und stand langsam auf.

"Es ist nichts...Ich möchte nur im Moment nicht...Du...tut mir Leid..."

Nuka seufzte auf und fuhr sich mit allen zehn Fingern durch die Haare. Er sah nicht wütend aus, eher...enttäuscht und auch irgendwie frustriert und verzweifelt.

"Drew...Was...Was mache ich falsch? War ich zu aufdringlich?"

Andrew verstand die Frage nicht. Die Gedanken purzelten durch seinen Kopf. Jetzt machte sich Nuka auch noch Vorwürfe! Das hatte er ja toll hingekriegt!

"Ich...nein, du hast nichts falsch gemacht. Es ist alles in Ordnung...Ich will nur nicht..."

Drew suchte nach Worten. Sein Mund schloss und öffnete sich wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Mit einem entnervten Stöhnen ließ er sich auf die Bettkante fallen und starrte auf seine bloßen Zehen.

"Hast du Angst...du könntest dich mir wieder aufdrängen...? Ist es das?"

Er spürte Nukas Blick auf sich und dachte nach. War es das? War das dieses komische, beklemmende Gefühl? Angst, dass er wieder so unverschämt werden konnte?

"...Ja...Ich fürchte, ich könnte es wieder tun..."

Nuka seufzte und lehnte sich im Sessel zurück.

"Und ich dachte schon sonst was..."

Andrew musste leicht schmunzeln über den erleichterten Ton in seiner Stimme.

"Tut mir Leid."

"Kein Problem. Wir lassen uns etwas mehr Zeit für die nächste Runde."

Andrew lächelte leicht und betrachtete seinen Freund, wie dieser entspannt und in Gedanken in dem Sessel saß und die Sonne genoss, die auf sein Haupt schien.

"Was wollen wir heute tun...?"

Nuka seufzte auf und schmunzelte.

"Was immer du tun willst, Honey."

Andrew starrte sinnierend durchs Fenster. Die Sonne schien so strahlend heute...

"Machen wir einen Spaziergang? Rob ist bestimmt noch nicht wach, sonst wäre er bereits hier."

Nuka nickte und erhob sich langsam.

"Ich geh noch kurz ins Bad, dann können wir."

Andrews Blick setzte sich an Nukas Schritt fest und eine feine Röte schlich sich auf seine Wangen, als er bemerkte, dass Nuka erregt war und deshalb ins Badezimmer ging...um sein Problem zu beseitigen.

Und nur weil er gekniffen hatte.

/...Ich bin wirklich grauenvoll.../

Ein schlechtes Gewissen regte sich bei ihm. Ein sehr schlechtes Gewissen.

Mit geröteten Wangen beobachtete er Nuka, wie der im Badezimmer verschwand und die Tür hinter sich abschloss.

Andrew schluckte schwer und trat ans offene Fenster. Seine Wangen flammten tomatenrot auf, als er verbissen versuchte die leisen, gedämpften Geräusche aus dem Badezimmer zu überhören. Das hatte er nun davon. Nuka war bestimmt böse mit ihm.

Drew wusste, dass er es nur nicht zeigte um ihn nicht zu verschrecken.

/Ich habe so ein Glück mit ihm...? Warum...warum...sage ich es nicht einfach...? Es...Ich...weiß es doch eigentlich...oder? Es ist mir doch bewusst...Warum kann ich es nicht sagen?!/
 

Max klopfte leise an. Gespannt lauschend hielt er seine Fingerknöchel an das blassgrün lackierte Holz der Tür und bewegte sich nicht.

Er musste einige Momente warten, bis er gedämpft ins Zimmer gebeten wurde.

"Hey, Max."

Der junge Mann im Krankenbett lächelte seinem Besucher erfreut und überrascht entgegen.

"Toll, dass du mich besuchst! Mir ist total langweilig!"

Max grinste ihn breit an und zog sich einen Stuhl an das Bett um sich mit einem leisen Seufzen auf die Sitzfläche des unbequemen Plastikstuhls niederzulassen.

"Ist doch klar, dass ich dich besuche..."

Stanford begann leise zu lachen. Er schüttelte kichernd den Kopf.

"Ja...allerdings warst du erst gestern hier...und eigentlich hatte ich dich nicht vor nächster Woche wiedererwartet."

"Soll das etwa heißen, ich besuche meine Freunde nicht, wenn sie zusammengeschlagen und schwer verletzt im Krankenhaus liegen?!"

Max war empört! Was dachte sein Freund da von ihm?!

Stanford seufzte auf und legte sich in seine Kissen zurück.

"Nein...Das soll heißen, dass du deine Freunde nur nicht so oft besuchst."

Max runzelte die Stirn und verschränkte leicht beleidigt die Arme vor seiner Brust.

"Also wirklich! Was du mal wieder von mir denkst!"

Die Stirn in tiefe Falten gelegt betrachtete Stanford ihn eingehend und so durchdringend, dass es Max richtig mulmig zu Mute wurde.

"Willst du reden...?"

"Hä?!"

"Willst du reden?"

"Nein! Ich will überhaupt nicht reden! Was redest du da für einen Mist?!"

Stanford schnaubte empört auf.

"Natürlich willst du reden! Genau deshalb bist du doch überhaupt hergekommen! Dir liegt etwas auf dem Herzen."

Max verzog missgelaunt das Gesicht. Er wollte wieder den Mund aufmachen um zu widersprechen, doch sein Kumpel redete vor ihm weiter.

"Jetzt sag schon! Was ist los?"

Max' Lippen entrang sich ein entnervtes Stöhnen.

"Ich hab gestern meine Jugendliebe wieder getroffen..."

"Du meinst diesen Andrew?"

Er nickte bestätigend und stützte sich mit seinen Unterarmen auf seinen Oberschenkeln ab.

Abwartend und fragend sah Stanford ihn an.

"Ja und?!"

"Na ja...du weißt doch wie das ist...mit der ersten großen Liebe und so..."

"Äh...nein?!"

Max knurrte übellaunig auf.

"Ja, ja...Ich erklär's dir...Mit Drew ist das so...Ich hab mich halt damals in ihn verliebt..."

"Ach, ne! Das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass du dich in deine erste, gro..."

"Verarsch mich nicht! Ist doch klar, was ich meine oder?! Boah! Du Idiot! Willst du nur, dass ich rede, um dich über mich lustig zu machen oder willst du mir jetzt helfen, verdammt?!"

Ein leises, entschuldigendes Murmeln antwortete ihm und Max nickte zufrieden.

"Also ich hab mich in ihn verliebt, damals bei der Entführung und dann wurde ich ja bei der Flucht fast abgemurkst. Seit dem hab ich ihn nie wieder gesehen, weil ich wegen der Polizei untergetaucht und schließlich nach hier gezogen bin. Und als ich Andrew eben gestern aus dem Raum hier habe gehen sehen, war es wie ein Schlag."

"Das hab ich gemerkt. Du warst leichenblass, als du kurz danach hereingekommen bist."

"Ja, ich denke, ich sehe nicht recht! Da spaziert mal eben mein Drew durch die Gegend! Als du mir dann auch noch erzählt hast, dass er Andrew hieße, war ich mir vollkommen sicher, dass er es ist, und dann bin ich zu dem Hotel gegangen. Ein Glück, dass du so neugierig bist! Wenn du Nuka nicht ausgefragt hättest, wüsste ich nicht, wo ich nach ihm suchen sollte."

"Ich bin nicht neugierig!"

Der Einwurf wurde einfach ignoriert.

"Jedenfalls habe ich mich gestern ins Hotel getraut...Ich...stand mindestens 20 Minuten vor seinem Zimmer und hab mich nicht gewagt zu klopfen...Ich hatte irgendwie...Angst...Ich war davon überzeugt, dass er mich anschreien, mir Sachen an den Kopf schmeißen und mich tot prügeln würde; das muss damals eine schwere Zeit für ihn gewesen sein. Na ja...ich klopfe halt endlich an und dann macht er auf..."

Seine Stimme erstarb und er starrte an einen Fleck auf dem grauen Boden.

Er war nachdenklich, ließ die gestrigen Szenen vor seinem innerem Auge Revue passieren.

Er konnte es immer noch nicht glauben.

"Wie...hat er reagiert?"

"Erstmal gar nicht."

"Gar nicht?"

Stanfords verwunderte Stimme ließ ihn schmunzeln.

Allerdings verging ihm das Lachen, als ihm ein anderer Gedanke kam. Angespannt senkte er den Blick zu Boden und runzelte die Stirn.

Er redete leise und unverständlich.

"Ich hab ihn geküsst...das hat ihn so erschreckt, dass er sich nicht rühren konnte."

"Du hast ihn geküsst?!"

Max sah auf. Sein Freund starrte ihn entsetzt an. Völlige Fassungslosigkeit.

Er glaubte auch eine kleine Spur von Enttäuschung in den sanften Zügen auszumachen.

Doch das war pures Wunschdenken.

Stanford hatte Frau und Kind.

Nun gut. Er hatte Frau und Kind _gehabt_. Er war mittlerweile seit einem halben Jahr geschieden, weil seine Frau ihn betrogen hatte.

Er war der Inbegriff eines Heteros. Keine Chance.

"Ich...Ich...ja...Ich hab ihn geküsst."

Max biss sich auf die Lippen.

"Es...Ich hab es einfach getan! Ich habe nicht nachgedacht. Es war wie ein Reflex darauf, sein Gesicht zu sehen! Ich konnte praktisch nichts dagegen tun. Diese ganzen Erinnerungen...diese...Bilder in meinem Kopf stürmten auf mich ein und ich musste mich einfach an ihm festhalten, die Wärme seiner Haut spüren, prüfen, ob es ihm gut geht...Ich...Ich glaube, ich bin noch ein wenig in ihn verliebt...Aber...Er ist bereits vergeben."

"Er ist vergeben?!"

"Ja. Sein *Brüderchen* ist sein Lover. Sein...sehr eifersüchtiger Lover. Ich hätte fast seine Faust im Gesicht gehabt."

Stanford gluckste leise auf. Der geschockte Ausdruck war verschwunden und er lachte ihn offen an. Er wirkte erleichtert. Warum auch immer.

Max schluckte und versuchte die Gedanken, Stanford könnte ihn doch ein wenig anziehend finden, ganz weit von sich zu schieben. Das sollte er sich aus dem Kopf schlagen!

"Und? Was ist passiert, nachdem du ihn geküsst hast...?"
 

Müde, aber erleichtert schloss Max seine Wohnungstür auf und betrat seine Wohnung, die er am Morgen verlassen hatte.

Die Luft stand regelrecht. Doch das konnte nach Kippen ein paar Fenster behoben werden.

Nachdenklich machte Max sich Bettfertig und streckte sich mit einem entspannten Seufzen in seinem Bett aus.

Der Tag war...besonders gewesen.

Verwirrend.

So viel mit Erinnerungen beschwert.

Max schloss seine Augen und zwang sich dazu alle Gedanken an die Vergangenheit zu verdrängen.

Er wollte in Ruhe schlafen.

Albträume und Träume

Andrews Fuß glitt ab.

Ein erschrockener Schrei löste sich aus seiner Kehle und er riss instinktiv die Arme nach vorne, versuchte seinen Sturz noch abzufangen. Sein Körper prallte schmerzhaft auf und rutschte ab. Die harten Kanten der Stufen bohrten sich in seinen Bauch, prellten seine Rippen und schürften seine Haut auf.

Als er seine vor Schreck zugekniffenen Augen öffnete, fand er sich auf einem der Treppenabsätze wieder, ein Stück weiter unten.

Ein Wimmern stieg in seiner Kehle auf, doch er unterdrückte es sofort.

Feiner Staub kitzelte in seiner Nase, brachte ihn zum Niesen. Sein Brustkorb schmerzte.

Stolpernd und sich am etwas groben, staubigen Boden abstützend kam Andrew auf die Beine und klammerte seine Hand um das Treppengelände, um sich auf die Beine zuziehen.

Er sah, worauf er ausgerutscht war. Ein paar Stufen über ihm störte eine rote Pfütze die Farb- und Leblosigkeit der Treppe.

Blut. Das Blut seiner Schwester.

Er hatte es wieder nicht verhindern können.

Er war nicht da gewesen.

Drews Finger krampften sich zusammen.

Einige Absätze über ihm, am Ende der Treppe quietschte etwas leise. Dann gab es einen dumpfen, metallischen Knall. Eine Tür war zugefallen. Ein endgültiger Laut.

Entsetzen breitete sich in seinem Körper aus, ließ seinen Atem stocken.

Die Erkenntnis breitete sich langsam in ihm aus.

Sie war auf dem Dach.

Rasselnd sog er Luft in seine Lungen und stieß einen lauten, schrillen Schrei aus.

Panik breitete sich in ihm aus, ließ seinen Mund trocken werden. Sein Puls raste in seinen Venen.

Angsterfüllt begann er die Treppe wieder hoch zulaufen.

Jeder Schritt schien seinen Brustkorb zu zerreißen. Seine verkrampfte Hand begann zu schmerzen. Er riss sich Splitter in seinen Handballen.

Aber er rannte trotzdem weiter, hetzte sich schwer atmend weiter, kämpfte.
 

Nuka schreckte im Schlaf auf. Andrew hatte sich aus seiner Umarmung gelöst und sich zu einer schützenden Kugel zusammengerollt. Er zitterte am ganzen Leib und wimmerte leise. Seine Muskeln waren bis zum Zerreißen angespannt.

"Drew?"

Besorgt beugte er sich über ihn und schüttelte ihn sanft aber beständig.

Aber Andrew wachte nicht auf.
 

Kalter Wind wehte ihm ins Gesicht.

Nasser Schneeregen setzte sich in seinen Haaren fest, ließ seinen Körper vor Kälte zittern.

Er stand wie erfroren in der Tür des Treppenhauses nach draußen und konnte den Blick nicht von der schmalen, dürren Gestalt wenden, die am Geländer des Daches stand.

Die langen, blonden Haare und das blaue, geblümte Nachthemd umwehten ihren Körper und verliehen ihr etwas Engelhaftes, etwas Reines, etwas Übersinnliches.

Daran konnten auch die Blutflecken auf dem hellen Stoff nichts ändern.

Hinter sich aus dem Haus konnte er Schritte hören, gehetzt, eilig. Eine Stimme schrie ihre Namen.

Das riss ihn aus seiner Starre.

"Lydi..."

Andrews Stimme war so leise, dass der Wind ihm das Wort praktisch von den Lippen riss und einfach wegwarf. Man hätte ihn nicht verstehen können, aber seine Schwester wandte den Kopf, sah ihn an.

Ihre Blicke trafen sich, bohrten sich, verhakten sich ineinander.

/Lydia...Geh nicht.../

Doch ihr Blick sagte das Gegenteil.

/Doch...Ich muss.../

Lydia wandte sich ab; von ihm; vom Leben. Der abgemagerte Leib kippte nach vorne, über das stählerne Geländer, das wie Eis in der Wintersonne glitzerte.

Die stille Zeit bis zum dumpfen Aufprall erschien ihm unendlich.

Er hatte die Augen geöffnet. Doch er sah nichts.

Er hatte es gesehen. Aber er verstand es nicht.

Konnte nicht verstehen. Wollte nicht verstehen.

Ein zittriges Lächeln verzierte seine Lippen.

Eine laute Stimme schrie seinen Namen, zerstörte den Zauber, der sich um ihn gelegt hatte.

Mit ruhigen, gelassenen Schritten trat er auf das Geländer zu und blickte hinunter.

Der Körper seiner Schwester lag verdreht und bewegungslos unter ihm in der Ausfahrt genau vor dem Haus.

Eine Blutlache um ihren Kopf herum färbte den weißen Kies dunkelrot.

Ein fesselndes Bild.

So fesselnd und faszinierend, dass er sich diesem Bild entgegenstreckte.

Er reichte seine Hände nach unten, wollte Lydia erreichen, umarmen, wiegen. Er wollte sie retten. Nur dieses eine Mal.

Sein Körper kippte nach vorne, über das Geländer.

"Andrew!"

Harte Hände packten ihn, gruben sich schmerzhaft in seine Glieder und zogen ihn mit ganzer Kraft zurück.

Andrew riss entsetzt die Augen auf, als er begriff, was hier geschah.

Er wollte ihm seine Schwester wegnehmen!

Ein Wirbel aus nackter Angst, Schmerz und Eis ergriff von ihm Besitz.

Schreie stiegen in seiner Kehle auf, brachen gellend und schrill aus ihm heraus.

Verzweifelt ballte er die Hände zu Fäusten und schlug um sich, wollte sich von dem warmen Körper in seinem Rücken entreißen, wollte zu ihr.

"Andrew! Hör auf! Sie ist tot! Hör auf!"

Ron riss ihn herum und hielt seinen Kopf in einem harten Griff, der ihn zwang ihm in die Augen zu sehen.

"Andrew, hör auf! Es bringt nichts mehr! Sie ist tot! Hör auf!"

Das stimmte nicht! Das war nicht wahr!

Andrew begann zu kreischen, markerschütternd, unmenschlich.

Das war gelogen! Sie war nicht tot! Sie brauchte ihn!

Er wehrte sich immer heftiger, schlug, kratzte, biss, schmeckte Blut auf seiner Zunge.

"Andrew!"

Ein gewaltiger Schlag traf seine Schläfe und ließ ihn benommen erschlaffen. Seine Schreie stoppten wie abgeschnitten. Rons wunderschöne, hellblaue Augen hielten ihn in ihrem schneidenden Griff. Seine Gegenwehr erschlaffte.

"Hör auf! Sie ist tot! Daran kannst du nichts ändern! Hörst du?! Bleib bei mir! Geh nicht auch noch weg!"

Er sah die Tränen in Rons Augen, sah den Schmerz, die Angst.

Und er verstand.

Er durfte ihn nicht allein lassen. Er durfte sie nicht allein lassen. Ron und Rob. Sie brauchten ihn doch. Sein Blick festigte sich. Er blinzelte die Tränen weg.

Er musste sie beschützen.

Er musste das beschützen, was ihm geblieben war.

Er durfte nicht zulassen, dass die beiden sich auch das Leben nahmen.

Er musste sie vor ihm beschützen. Auch wenn es sein Leben und seine Seele kosten würde.
 

Nuka hielt den nun ruhig daliegenden Leib an seine Brust gepresst.

Sein Herz beruhigte sich wieder. Sein Puls raste nicht mehr so schnell wie noch einige Momente zuvor, als Andrew völlig wie von Sinnen geschrieen und um sich geschlagen hatte.

Wieder ein Albtraum.

Tränen stiegen in ihm auf, aber er blinzelte sie schnell weg. Er musste stark sein für Andrew.

Der beinahe heiße Körper rührte sich leicht. Andrew schien aufzuwachen.

Ein leichtes Beben fuhr durch den Körper, doch es legte sich wieder.

Still lagen sie da, eng umschlungen und ganz nah zusammen.

"Tut mir Leid..."

Drews Stimme war heiser und schwach. Man hörte ihm an, dass er geschrieen hatte, dass er seiner Stimme zu viel zugemutet hatte.

Nuka vergrub sein Gesicht in den etwas verschwitzten Haaren und presste seine Lider fest zu.

"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen..."

"Doch...Ich habe dich aufgeweckt und...du machst dir sicher Sorgen um mich...Das ist meine Schuld."

Nuka seufzte leise und schüttelte leicht den Kopf.

"Nein...Es ist in Ordnung. Du bist alles für mich."
 

Andrew schob Nuka ein wenig von sich weg und sah ihm durchdringend in die Augen.

Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen; wollte ES sagen.

...

Aber er schaffte es nicht.

Nuka...würde ihn verlassen. Er würde ihn alleinlassen. Allein zurücklassen.

Wie Lydia. Wie Ron.

Drew vergrub sein Gesicht in Nukas Halsbeuge und biss sich auf die Lippen.

Er würde ihn wie Ron verlassen.

Wie Ron.

"Drew? Was willst du sagen, hmm...?"

Nukas sanfte Stimme ließ ihn seufzen.

Hier in den starken, beschützenden Armen fühlte er sich geborgen, sicher. Nichts konnte ihm anhaben.

"Ich wollte...dir sagen, wie gern ich dich habe...Ich fühle mich so gut bei dir...Du bist ein so wundervoller Mensch. Die Albträume kommen immer seltener, wenn ich bei dir schlafe...Ich..."

Andrew seufzte nah an Nukas Haut, was diesen leicht schaudern ließ.

Nukas Umarmung wurde fester, noch wärmer.

"Heißt das...? Wie meinst du das? Liebst du mich?"

Drew schloss mit einem Seufzen die Augen und runzelte die Stirn.

/Ja...Ich liebe dich.../

"Nuka...Ich...Ich kann es dir nicht sagen...Wenn...Verstehe mich nicht falsch. Auch wenn ich dich liebe, kann ich es dir nicht sagen...Ich habe Angst...dass..."

Andrew biss sich auf die Lippen und stöhnte leise auf.

Er verletzte Nuka bestimmt damit. Das wollte er nicht.

"Tut mir Leid...Du musst enttäuscht sein..."

Nuka seufzte leise, genau an seinem Ohr.

Eine prickelnde Gänsehaut legte sich auf Drews Haut.

"Es ist nicht so schlimm. Ich weiß, dass du mich sehr gern hast und...das reicht mir erstmal. Ich bin nicht enttäuscht...Ich bin auch nicht wütend, wenn du das glaubst. Ich nehme es so hin und freue mich, dass du mich so sehr magst."

Wie konnte Nuka das einfach so sagen?! Wie konnte er das einfach so denken?! Er hielt ihn so lange hin, konnte ihm nicht die Antwort geben, die er sich erhoffte und Nuka gab sich mit so einer Abspeisung zufrieden?! Nuka war immer für ihn da, egal, was passierte.

Andrew hatte ihn nicht verdient.

Alles wurde zu viel für ihn. Die Emotionen überschwemmten ihn.

Er schluchzte leise auf und klammerte sich fester an Nuka. Die Tränen rannen über seine Wangen.

Erschrocken schob Nuka ihn von sich und sah ihm in die Augen, versuchte zu ergründen, warum er weinte.

Aber Andrew wusste es selbst nicht so genau.

Vielleicht war er erleichtert, vielleicht war er aber auch so glücklich, dass er Nuka hatte. Vielleicht lag es auch an den Ängsten, die im Traum wieder aufgelebt waren.

Es war...schwer zu sagen, denn in seinem Inneren tobte heilloses Chaos.

"Drew?"

"Du...bist so gut zu mir. Das habe ich nicht verdient."

Schniefend strich Andrew Nuka eine Haarsträhne aus dem Gesicht und betrachtete die ebenmäßigen, kräftigen Züge seines Freundes.

Immer noch leicht weinend streckte er sich nach oben und küsste Nuka sanft auf die weichen Lippen, kostete den Geschmack und das wundervolle Gefühl, das in ihm aufstieg und unterdrückte die peinlichen Tränen.

Ein wenig entspannter schmiegte er sich an den harten, warmen Körper des anderen und seufzte auf, genoss die Nähe.

"Ich will immer bei dir sein...Lass uns für immer zusammen bleiben, bitte...Ich will nicht, dass du mich irgendwann verlässt..."

Nuka sog leise scharf die Luft ein und drückte ihn sofort feste, aber zärtlich an sich.

"Ich werde dich nicht verlassen, das könnte ich gar nicht, selbst wenn ich wollte! Du bist mir zu wichtig...Wer hat dich verlassen, dass du so Angst davor hast...?"

Andrew schlug die Augen nieder und streichelte sanft über Nukas Rücken. Er schmiegte sich näher an ihn heran, wollte in ihn hineinkriechen, eins mit im werden. Endlich eins mit ihm werden.

Drew seufzte abermals leise und hauchte kleine Küsse auf Nukas Hals, versuchte sich dadurch von dem Gedanken an Sex mit Nuka abzulenken, der ganz plötzlich und sprunghaft in ihm aufgekommen war. Er ließ sich Zeit mit der Antwort, klügelte aus, wie viel er sagen konnte, ohne erklären zu müssen.

"Mein Bruder...Ich sagte ihm, dass ich ihn liebe, und er verschwand ohne ein Wort, ohne eine Nachricht...und er ließ mich mit Rob allein bei meinem Vater..."

Nuka schwieg und dafür war er sehr dankbar. Es war noch nicht alles gesagt, aber er hätte jetzt keine Fragen ertragen.

In angenehmes, nachdenkliches Schweigen gehüllt lagen sie da und tauschten leichte Zärtlichkeiten aus. Kleine Küsse, Streicheleinheiten, sanftes Schmusen.

Es herrschte eine so zärtliche Stimmung zwischen ihnen, dass Andrew irgendwann einfach wieder zurück in den Schlaf abdriftete, ohne Angst zu haben von weiteren Albträumen heimgesucht zu werden.

Nur die Gedanken und Gefühle schwirrten weiter in ihm herum und fraßen sich in sein Innerstes.
 

Mit einem Seufzen schob Andrew ein Bündel Socken in eine freie Stelle und legte einen Pullover darüber, drückte alles ein wenig fest.

Die Zeit in England war fast vorbei. Morgen Vormittag würden sie wieder zurückfliegen.

Fliegen...

Ihm grauste es jetzt schon wieder davor.

Ohne es zu merken, seufzte er abermals und legte ein T-Shirt neu zusammen, war ganz in Gedanken. Ein Hemd glitt ihm aus den Fingern und fiel zu Boden.

Schnell bückte er sich und hob es wieder auf, faltete es neu und wollte es gerade in den Koffer legen, als sich warme Hände von hinten auf seinen Bauch schoben und ihn an einen warmen Oberkörper zogen.

"Selbst beim Kofferpacken siehst du unwiderstehlich aus..."

Nukas warme Stimme ließ ihn lächeln.

Zufrieden legte er seinen Kopf zurück auf Nukas Schulter und sah ihm verträumt ins Gesicht.

"Danke, Nuka. Das ist lieb von dir."

Nukas Lippen legten sich zärtlich auf seine Haut und liebkosten sein Gesicht. Er wusste ganz genau, dass Andrew das immer genoss und dadurch unglaublich leicht in Schmusestimmung gebracht werden konnte.

"Hmm..."

Drew schloss entspannt die Augen. Das Hemd entglitt wieder seinen Fingern und lag kurz darauf wieder auf dem Boden.

"Hast du das Badezimmer schon fertig aufgeräumt...?"

Die Küsse wanderten über sein Kinn und zogen eine langsam heißer werdende Spur über seine Kehle. Die Lippen vibrierten leicht, als Nuka antwortete.

"Ja...Es war ja nicht besonders viel...Bist du mit den Koffern schon fertig...?"

Drew seufzte leise auf. Die Hände auf seinem Bauch schlüpften unter sein Sweatshirt und strichen die Brust hoch, legten sich über seine Brustwarzen und reizten sie auf sanfte, noch zurückhaltende Weise.

"Nur noch...der hier...deinen habe ich schon gepackt...Allerdings muss ich gleich noch mal kontrollieren, ob bei Rob alles reinpasst..."

"Ach ja...der Kleine wollte ja selbst packen..."

Er nickte vorsichtig, wollte den Kontakt der feuchtwarmen Zunge auf seinem Nacken nicht verlieren. Nukas Hüfte drängte sich gegen seinen Hintern und eine von Nukas Händen wanderte nach unten, um seinen Hosenknopf zu öffnen.

Andrew keuchte auf, als sich warme Finger in seine Shorts schlichen.

Lippen küssten seinen rechten Mundwinkel, brachten ihn dazu seinen Kopf zu drehen und Nuka leidenschaftlich zu küssen.

Die Hand auf seiner Brust schob das Shirt so weit nach oben, dass er praktisch dazu gezwungen wurde, es sich vom Kopf ziehen zu lassen.

Andrew merkte, wie es ihm langsam heiß wurde. Seine Hose rutschte von seinen Hüften und nun stand er halbnackt und erregt da, genoss die Liebkosungen, die Hand die sich in seinen Shorts auf seinen Hintern legte und diesen leicht knetete.

Nuka unterbrach den Kuss und stöhnte leise. Andrew erbebte, als er den vollen Klang dieser Stimme an seinem Ohr hören konnte.

Nun bemerkte er auch Nukas Erregung, die sich an seinen Po drängte. Sie liefen wirklich langsam heiß. Zu heiß vielleicht für die kurze Zeit, die sie hatten. Aber das war ihm im Moment egal.

Andrew verkrallte seine Finger in Nukas Hose und versuchte sie irgendwie zu öffnen.

Nuka kam ihm zuvor, nahm seine eine Hand von seinem Oberkörper und öffnete den Hosenknopf, gab ihm die Gelegenheit dazu sie samt seiner Boxershorts von seinen Hüften zu ziehen.

Andrew stöhnte auf und drängte sich gegen Nukas Unterkörper. Er bemerkte gar nicht, wie er Nukas Hand zwischen ihnen einklemmte.

"Drew, ich halt es nicht mehr aus...Möchtest du mit mir...?"

Er brauchte einen Augenblick, bis er den Sinn der Worte verstanden hatte, aber dann nickte er sofort, suchte eine Möglichkeit, wie sie sich aufs Bett legen konnten, ohne mit großem Aufwand den Koffer herunternehmen zu müssen.

Der weiche Stoff von Nukas Pullover schmiegte sich an seinen empfindlichen Rücken, als der ihn noch näher an sich zog.

"Wo..."

Nuka biss ihm sanft in den Nacken um seine Frage zu unterbrechen.

"Hier auf der Stelle."

Ein Beben fuhr durch Andrews Körper, als ihn die Vorstellung daran, was gleich passieren würde, praktisch gefangen nahm.

"Warte, ich suche kurz..."

Nuka löste sich von ihm, doch schnell hatte Drew ihn gepackt und festgehalten. Er wollte diese Wärme jetzt nicht missen müssen.

"Nein. Es geht auch ohne...Komm her..."

Nuka seufzte leise und zog ihm die Shorts von den Hüften, sodass er daraus heraus steigen konnte.

"In Ordnung...Ich werde vorsichtig sein, du musst sagen, wenn..."

Ein lautes Klopfen unterbrach ihn. "Drew! Ich bin mit Packen fertig!"

Andrew schrie erschrocken auf und griff nach unten, um wieder in seine Anziehsachen zu steigen, während Nuka einen Satz nach hinten machte und beinahe panisch nach etwas suchte, das er sich vor den Unterleib halten konnte.

"Nicht reinkommen!"

Andrews Stimme war beinahe schrill. Sein Kopf glühte regelrecht.

Aber Nuka ging es auch nicht besser. Er verzog sich schnell mit seiner schon beachtlichen Erektion, seinem rot angelaufenem Gesicht und seinen Klamotten im Bad und schloss hastig die Tür hinter sich.

/Verdammt! Verdammt! Verdammt!/

Andrew fiel kein anderes Wort für diese Situation ein, während er sich wieder anzog.

Frustriert setzte er sich neben den Koffer aufs Bett und vergrub das Gesicht in den Händen.

"Kann ich jetzt reinkommen?!"

Andrew knurrte etwas, hob dann aber wieder seine Stimme.

"Ja."

Die Zimmertür öffnete sich leise und ein breit grinsender, aber auch ein wenig rot angelaufener Rob betrat das Hotelzimmer.

Andrew sah ihm mit einem tomatenähnlichen Gesicht und wütend funkelnden Augen entgegen.

"Verdammt!"

Rob begann nur zu kichern.



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Kommentare zu dieser Fanfic (23)
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Von:  Zeckchen
2009-05-21T09:28:48+00:00 21.05.2009 11:28
bitte bitte bitte weiter schreiben^^
Von:  _Saya_
2008-05-31T09:59:20+00:00 31.05.2008 11:59
Das is fies...
xD
Hoffe mal das du iwann weiterschreibst, das Datum lässt ja anderes vermuten >.<
Ich find die Story einfach gut und würde wirklich gern wissen wie´s weitergeht ._. büdde? *dackelblick aufsetz*
LG
Saya
Von:  _Saya_
2008-05-21T18:09:56+00:00 21.05.2008 20:09
Ich weiß nich wie lange es her is, seit ich diese Geschichte gelesen hatte (oder auf welcher Seite^^")
Aber ich kann dir jetzt zumindest sagen das deine Geschichten bleibenden Eindruck hinterlassen xD
Ich las den Namen Nuca und die ganze Story rollte sich in meinen Gedanken wieder auf (zumindest so weit, wie ich sie gelesen hatte...)
Schön dassu sie hier hochgeladen hast da kann ich in aller Ruhe weiterlesen x3
LG
Saya
Von:  kalenowo
2007-02-25T18:42:37+00:00 25.02.2007 19:42
Warum???
Warum sind Autoren immer so gemein und hören an der besten Stelle auf? Und das für ein Jahr! Die Story ist so guuuuut!!! Dein Stil fesselt den Leser ungemein.
Tja, wenn man denkt man hat alles unter Kontrolle, kommen die blödesten Sachen raus! Armer Andrew, aber auch armer Nuka! Wird ihm der Ron noch Ärger bereiten? Was ist mit dem Gerichtstermin? Wird man den ekligen Vater noch kennenlernen oder stirbt der noch einen schönen qualvollen Tod (will ihn leiden lesen!!![sehen kann ich ja nicht])
Also wie ist es? Dürfen wir uns auf eine Fortsetzung freuen?
*Liebe Augen machen**klimper,klimper* Biiiiiittttteeee!
read You
Karen
Von:  kalenowo
2007-02-25T18:41:32+00:00 25.02.2007 19:41
Warum???
Warum sind Autoren immer so gemein und hören an der besten Stelle auf? Und das für ein Jahr! Die Story ist so guuuuut!!! Dein Stil fesselt den Leser ungemein.
Tja, wenn man denkt man hat alles unter Kontrolle, kommen die blödesten Sachen raus! Armer Andrew, aber auch armer Nuka! Wird ihm der Ron noch Ärger bereiten? Was ist mit dem Gerichtstermin? Wird man den ekligen Vater noch kennenlernen oder stirbt der noch einen schönen qualvollen Tod (will ihn leiden lesen!!![sehen kann ich ja nicht])
Also wie ist es? Dürfen wir uns auf eine Fortsetzung freuen?
*Liebe Augen machen**klimper,klimper* Biiiiiittttteeee!
read You
Karen
Von:  kalenowo
2007-02-25T18:28:50+00:00 25.02.2007 19:28
Jippy!!!
Habe diese Geschichte schon woanders angefangen zu lesen. Bin aber nur bis Kap. 5 oder 6 gekommen.
Die Idee ist gut. Ein Patient, der einen Psyhologen heilt, Spitze!! Deine Ideen sind gut. Und schön verwickelt! Ich liebe solche Plots!!
Mach bitte auch nach einem Jahr Pause weiter!!!!
^__^
Von: abgemeldet
2006-08-01T09:53:22+00:00 01.08.2006 11:53
Hä?
wie kommst du dazu, dass es mit nem gasherd länger dauert?
mit einer elek. kochplatte braucht man viel mehr zeit!
guk, dad Katzenvieh
Von: abgemeldet
2005-12-19T13:34:00+00:00 19.12.2005 14:34
Hey!
Also, wie versprochen, nun mein Kommi!Noch mal danke! Hat ein bissi länger gedauert, war im Extremstress! Kennen wir ja alle!

Deine Story gefällt mir immer besser und deine Ideen werden auch immer origineller, also echt super!

Bin schon gespannt wies weiter geht!
kuss HAIR
Von: abgemeldet
2005-06-27T19:05:59+00:00 27.06.2005 21:05
hallöchen!
endlich komm ich auch mal dazu ein kommi zu schreiben... ich versteh gar nicht, wieso es noch so wenige sind... ich hab ja eine entschuldigung: ich kopier mir sämtliche stories auf word... speicher sie auf cd ab und nimm sie dann mit zu meiner studienwohnung (da hab ich leider - oder gott sei dank, weil ich muss ja lernen - kein internet), lies da dann immer wieder wenn ich zeit habe ein paar stories/kapitel und wenn ich dann wieder daheim bin (also mit internet zugang), könnte ich dann meist nur schreiben: toll wars... aber die details sind dann meist schon ein wenig verschwommen...

ich find die storyline einfach nur genial, deinen schreibstil faszinierend (vor allem, da er sich seit dem anfang der story verbessert hat - kann mich da nicht genauer festlegen... ist einfach so *grins*) und die handlung (meist) lebensnah... ich hab erst bis zum kapitel todestag gelesen (mir fehlen also noch 4...) und fand es voll fies von dir, als du nach dem sprung von drew einfach eine andere handlung weitergeführt (bzw. angefangen) hast... und dabei hatte ich mich so gefreut, als ich gesehen habe, dass was neues online ist... aber ich wurde ja entschädigt *big smile*

tja, dann kann ich nur noch sagen: weiter so und lass uns nicht zu lange auf eine fortsetzung warten...

lg kizuna
Von: abgemeldet
2005-06-19T16:03:45+00:00 19.06.2005 18:03
Hey ^ ^
Ich liebe deine FF einfach.
Genial geschrieben^ ^
Großes Lob!!!
*knuddel*
Ba ba
Yasa-Chan


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