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Haikyu - DaiSuga

von

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Grenzen (Daichi)

„Daichi...“

Widerwillig bleibe ich stehen. Warum tue ich das? Es ergibt eh keinen Sinn. Doch seine Stimme ist so bedrückt, ich halte es kaum aus. „Komm schon, rede mit mir.“

Ich drehe mich um und blicke Suga direkt an. Er verlagert das Gewicht auf sein linkes Bein, hat die Hände zur Brust gezogen und blickt traurig zu mir auf. Ich hasse es ihn so zu sehen, denn er ist nicht schwach. Warum also stellt er sich so unsicher vor mich, als wäre ich ein Wolf und er das Schaf, bereit von mir gerissen zu werden?

„Was bringt das schon?“, murre ich und drehe den Kopf zur Seite.

„Wenn du nicht mit mir redest, wie soll ich dich dann verstehen?“, kontert er und zieht die Augenbrauen zusammen.

Ich hebe die Hände und winke ab. „Lass es doch einfach.“ Warum gibt er sich überhaupt Mühe?

Er senkte den Blick, dann sieht er zurückhaltend zu mir auf. „Was ist denn nur mit dir? So kenne ich dich nicht...“

Ich mache einen Schritt auf ihn zu, so plötzlich und schnell, dass er zurückweicht. Er bricht mir das Herz. Hat er etwa Angst vor mir? „Was mit mir los ist? Natürlich bin ich das Problem.“ Er schüttelt den Kopf. „Ja... vielleicht ist es, weil du mich nicht kennst.“ Seine Schultern zucken zusammen, er sieht mich verletzt an. „Hör doch einfach auf.“ Es lohnt sich doch eh nicht.

„Aber das will ich nicht!“ Seine Stimme wackelt und ich spüre, wie sich mein Hals zusammenzieht. Ihn so zu sehen tut weh.

„Es geht aber nicht um dich!“ Meine Stimme ist viel zu laut, vollkommen unverhältnismäßig aggressiv.

„Was willst du denn?“, fragte er hilflos, ballt seine Hände zu Fäusten.

„Lass mich einfach...“, sage ich scharf und drehe mich weg. Ich bin es nicht wert, dass er sich anstrengt. Wofür auch?

Er kommt auf mich zu, legt die Hand auf meine Schulter. Ich fahre herum, drücke seinen Arm von mir weg. Er senkt den Kopf. „Das werde ich nicht tun.“ Ich sehe ihn wütend an. „Du fährst morgen ins Captain-Training. Ich will nicht, dass wir so auseinander gehen.“

„So?“, frage ich und ziehe eine Augenbraue hoch. „Was soll den ´so´ bedeuten?“ Ich verschränke die Arme vor den Brust und sehe ihn mit schmalen Augen an.

„Im Streit!“ Seine Augen glänzen feucht. Ja. Wir streiten. Dabei tun wir das nie. Weil er einfach nur immer alles hinnimmt. Das ist doch keine Lösung. So kann es nicht weitergehen. Irgendwann wird es doch zu viel. Irgendwann wacht er auf und erkennt, dass ich die Mühe nicht wert bin.

„Das hat doch keinen Sinn.“, knurre ich und drehe mich um, verlasse den Raum.

„Daichi!“, ruft er mir hinterher, doch ich gehe einfach weiter, verschwinde im Bad.
 

Heute Nacht verbringe ich auf der Couch, will nicht mit Suga in einem Raum sein. Ich seufze. Wir haben das Reden eingestellt, haben uns beim Abendessen nur angeschwiegen. Ich drehe mich auf die Seite, kann nicht schlafen. Alle meine Gedanken sind von ihm erfüllt. Ich habe ihn nicht verdient, das weiß ich. Wie hält er mich überhaupt aus? Ich kann ihn nicht glücklich machen... Dabei wünsche ich mir nichts mehr. Er bedeutet mir einfach alles.

Ich schlage die Hände vors Gesicht, atme unruhig durch. Die ganze Nacht wälze ich mich hin und her, kann einfach keine Antworten finden, auf die so vielen ungestellten Fragen.
 

Am nächsten Morgen stehe ich früh auf. Ich mache mich zügig fertig, kann es kaum erwarten die Wohnung zu verlassen. Ich nehme meine Sporttasche hoch, lege die Hand an die Klinke der Wohnungstüre.

„Ich bin weg.“, sage ich leise. Es klingt fast wie ein Seufzen.

„Warte.“ Ich drehe mich zu Suga um, der mir eine Bento-Box in die Hand drückt. „Hier. Mit extra viel Proteinen und wenig Fett.“ Er lächelt leicht.

Ich sehe die Box an. Sie ist mit einem mintfarbenen Tuch verschnürt. „Wir bekommen dort Verpflegung...“, merke ich seufzend an.

„Kann ja nicht schaden.“, lacht er. Ich drehe mich um zu gehen. „Viel Spaß.“

Ich nicke und verlasse das Haus.

Auf dem Weg zum Bus sehe ich die Box in meiner Hand an. Er ist extra früh aufgestanden, um mir noch etwas zu Essen zu machen, hat sich solche Mühe gegeben und ich schaffe es nicht mal mich bei ihm zu bedanken. Ich bin echt erbärmlich...
 

Beim Training schaffe ich es tatsächlich zeitweise abzuschalten, mich auf das Spiel zu konzentrieren. Bokuto und Kuroo passen sich mir spürbar an. Wir sind echt ein gutes Team und gewinnen ein Match nach dem anderen. Vor dem letzten Spiel des Tages machen wir eine Pause. Ich setze mich auf die Bank am Spielfeldrand.

„Hier.“ Ich sehe auf. Vor mir steht Kuroo und hält mir eine Flasche Energydrink hin.

„Danke.“ Ich nehme die Flasche und öffne den Stopfen.

„Alles klar bei dir?“, fragt er mit seinem üblichen kessen Tonfall, stemmt eine Hand in die Hüfte und sieht lässig zu mir runter. Ich stutze. Dass er das gemerkt hat. Dabei sehen wir uns so selten. Hätte nicht gedacht, dass ihm eine kleine Veränderung direkt auffällt. Gerade als ich antworten will, setzt sich Oikawa neben mich.

„Du bist heute nicht ganz bei der Sache.“, sagt er mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Hast du dich verletzt?“, fragt Kuroo und neigt sich runter.

„Nein. Es ist alles in Ordnung.“ Ich hebe abwehrend die Hände und lächle leicht.

Oikawa sieht mich ungläubig an. Kuroo grinst und klopft mir auf die Schulter.

„Gleich gibt es was zu Essen, dann wirst du dich direkt besser fühlen.“, sagt er mit geschlossenen Augen.

„Ja, eine ordentliche Portion würde mir auch gut tun.“ Oikawa lacht. Kuroo drückt sich an meiner Schulter ab.

„Na dann, komm. Noch eine Runde.“, sagt er motiviert und ich stehe auf, nehme einen großen Schluck und folge ihm auf das Spielfeld.
 

Nach dem Abendessen überreden mich Kuroo und Bokuto und wir gehen noch mit Oikawa in die Hotelbar. Eigentlich bin ich müde, doch es ist mir auch willkommen, noch nicht mit meinen Gedanken alleine zu sein.

„Ich geb eine Runde!“, ruft Bokuto und ist, noch bevor jemand etwas sagen kann, schon mit vier Gläsern Whisky zurück. Wie ist er denn da dran gekommen? Ich sehe zu ihm hoch, zu seinen breiten Schultern. Tatsächlich würde er wohl locker als älter durchgehen, vom Aussehen her zumindest.

„Super, du weißt wie man das Training ausklingen lässt!“, lobt ihn Kuroo und legt den Arm um seine Schultern.

„Hey hey hey!“, ruft dieser und hebt sein Glas in die Höhe. „Auf die besten Captains der Welt!“

Wir stoßen an und ich probiere zögerlich. Der Whisky ist scharf. So hartes Zeug ist nicht mein Favorit.
 

Es dauert nicht lange, vielleicht drei Runden, bis Oikawa in seinem Sessel zusammensackt und einpennt. Bokuto setzt sich auf seine Lehne und beginnt seine Haare zu flechten. „Wer als erstes einschläft, muss sich nicht wundern, wie er am nächsten Morgen aussieht.“, grinste er.

Kuroo wirft sich gegen die Lehne seines eigenen Sessels und lacht beherzt. Ich lächle leicht. So eine entspannte Atmosphäre tut wirklich gut.

„Ich hol noch ne Runde.“, ruft Kuroo plötzlich und steht auf.

„Warte, für mich reicht es.“, sage ich, doch er ist schon weg. Ich will aufstehen, doch alles dreht sich. Das war wohl etwas zu schnell. Ich sinke zurück in meinen Sessel.

„So, und jetzt noch etwas Deko.“, höre ich Bokuto sagen und sehe zu ihm und Oikawa rüber. Er steckt ein paar Cocktailschirme in Oikawas Zöpfe und ich muss lachen.

„Ah, schon viel besser.“, höre ich plötzlich Kuroo neben mir und sehe auf. Er hält mir ein Glas hin, welches ich annehme und sieht mich grinsend an.

„Was denn?“, frage ich knapp und ziehe eine Augenbraue hoch.

„Na, du lachst.“ Ich blinzele ihn an. „Das steht dir echt viel besser, als die Sorgenfalten, die du schon den ganzen Tag auf der Stirn mit dir rum trägst.“ Ich senke den Blick. Er stößt sein Glas gegen meines und ich sehe wieder hoch. „Prost.“ Sein charmantes Lächeln bringt mich dazu ebenfalls zu lächeln. Wir trinken einen Schluck und beobachten dann Bokuto, der sich weiter kreativ an Oikawa austobt.
 

Eine Weile später ist auch Bokuto eingeschlafen. Auch meine Augen fühlen sich ziemlich schwer an. Ich gähne, da schlägt mir Kuroo auf den Rücken. Ich verschlucke mich und muss husten.

„Hey, jetzt mach du mir nich auch noch schlapp.“ Er lacht.

„Ich sollte aber langsam ins Bett.“, lenke ich ein, als ich wieder Luft bekomme. „Der Bus zurück fährt morgen ziemlich früh.“

„Ach, ich dachte, wir genießen noch ein bisschen den Abend.“ Er grinst mich an und ich lächle zurück.

„Es war sehr schön.“ Ich nicke ihm zu und er schüttelt meine Schulter.

„Finde ich auch.“

Ich stehe auf und gerate ins Schwanken. Oha, das waren wohl ein bis zwei Gläser zu viel. Ich halte mich an der Lehne meines Sessels fest.

„Obacht, mein Freund.“, sagt Kuroo und tritt neben mich. „Alles ok?“

„Ja, ich brauche nur einen Moment.“ Ich spüre, wie der Alkohol durch meinen Körper jagt. Mein Herz klopft unangenehm schnell.

„Ok.“, sagt Kuroo und geht zu Oikawa und Bokuto rüber. Er schüttelt ihre Schultern, bis sie schwerfällig zu ihm aufsehen. „Ab ins Bett, ihr Memmen!“, ruft er und die beiden stemmen sich widerwillig, jammernd hoch. Ich lächle zu ihnen rüber.

Bokuto kann noch einigermaßen geradeaus gehen, doch Oikawa muss von Kuroo gestützt werden, als wir uns auf den Weg zu unseren Zimmern machen. Wir liefern erst Oikawa ab, dann Bokuto. Anschließend gehe ich mit Kuroo zu meinem Zimmer.

„Mein Zimmer ist gleich nebenan, wenn noch was ist.“, bietet Kuroo an und ich nicke ihm zu. „Alles klar, Hübscher, dann gute Nacht.“ Ich sehe ihn mit großen Augen an. Was hat er gerade gesagt? Ich versuche ´Gute Nacht´ zu sagen, doch es kommt kein Ton aus meinem Mund. Kuroo lacht. „Oh je, war es doch was viel?“ Ich sehe zu ihm auf. „Glaub nicht, es wäre mir entgangen, dass du dich auf dem Weg hierher an der Wand abgestützt hast.“

„Ja, erwischt.“, sage ich lachend. Er lacht ebenfalls. Ich mag sein Lachen. Es ist so unbekümmert.

„Bekommst du die Tür auf?“ Ich sehe ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Klar.“ Ich wende mich meinem Zimmer zu und suche meine Hosentasche nach dem Schlüssel ab. Wo ist er denn?

„Sicher?“ Er kommt näher. „Du suchst jetzt schon zwei Minuten.“

Echt? Ich habe anscheinend mein Zeitgefühl verloren. „Ich bin mir sicher, er ist in einer der Taschen.“, sage ich nachdenklich. Da spüre ich plötzlich, wie Kuroos Hand in meine linke Hosentasche greift. Ich werde rot, als sich seine Finger bewegen.

„Hier ist er doch.“ Er zieht seine Hand zurück und drückt mir den Zimmerschlüssel entgegen. Ich sehe ihn an. Er grinst. Erst als er blinzelt, merke ich, dass ich ihn eine ganze Weile angestarrt habe und sehe schnell weg. „Hm?“, macht er fragend. „Soll ich für dich aufschließen?“

Ich starre meine Hände an. Warum bewege ich mich nicht?

Er stellt sich hinter mich und greift an meiner Seite vorbei nach dem Schlüssel in meiner Hand, umschließt dabei mit seinen Fingern meine. Mein Herz klopft aufgeregt schneller. Als er den Schlüssel ins Schloss schiebt, höre ich ihn einatmen.

„Du riechst echt gut.“ Ich fahre herum und sehe ihn an. Er lächelt.

„Was soll das?“, frage ich unsicher, merke dass ich nervös werde.

„Was denn? Darf ich dir das etwa nicht sagen?“ Er legt den Kopf zur Seite. Ich blicke zwischen seinen Augen hin und her. Verwirrt senke ich den Kopf. Was passiert hier gerade? Er legt die Hand an mein Kinn und hebt es an, dass ich ihm wieder in die Augen sehen muss. „Du siehst gut aus und riechst toll. Was ist dabei?“ Ich merke, dass ich rot werde. Wir halten lange Blickkontakt, dann sehe ich, wie er sich auf die Lippe beißt. Was hat er? Wohl eher, was hat er vor? Ich stehe da wie angewurzelt, kann mich nicht aus seinem Blick befreien. Was ist das für ein merkwürdiges Gefühl? „Ich mag dich.“ Was? „Du bist ein toller Captain und ich freue mich jedes Mal auf dich, wenn wir uns sehen.“

„Ist... Ist das dein Ernst?“, frage ich unsicher.

Er nickt. Dann neigt er sich zu mir runter. Ich halte die Luft an, als er seine Lippen auf meine legt. Sofort beginnt mein Herz zu rasen und ein Rauschen legt sich auf meine Ohren. Er lehnt sich zurück und sieht mir betört in die Augen. Überfordert sehe ich ihn nur an, kann mich nicht bewegen. Er... Er hat...

Dann ist es plötzlich, als hätte man einen Schalter in ihm umgelegt. Er drückt sich gegen mich und meinen Körper gegen die Türe hinter mir. Seine Hand gleitet in meinen Nacken und er küsst mich einnehmend. Ich weiß nicht wie mir geschieht. Mir ist so warm und er... Er fühlt sich so... so gut an. Nein, ich sollte nicht...Ich versuche ihn weg zu drücken.

„Ah...“, dringt es aus meinem Mund, als seine andere Hand unter mein Hemd fährt und er meine Brust sanft kneift. Im nächsten Moment spüre ich seine Zunge an meiner. Mir bleibt regelrecht die Luft weg, mir ist total schwindelig.

Bevor ich mich wieder fangen kann, verschwindet die Tür in meinem Rücken. Er hat sie wohl aufgeschlossen. Wir taumeln in mein Zimmer und er drückt die Tür mit dem Fuß hinter uns ins Schloss. Gierig wandern seine Hände über meinen Körper. Dann knöpft er mein Hemd auf, während er meinen Hals küsst.

„K...Kuroo...“, versuche ich ihn aufzuhalten.

Er schiebt mich vor sich her, dreht mich mit sich zur Seite und drückt mich gegen den Schrank. Das Scheppern der Regalbretter hinter mir ist deutlich zu hören.

„Kuroo, ich...“, versuche ich mich mitzuteilen, klammere mich an seine Schultern, da küsst er mich. Das Rauschen in meinen Ohren wird lauter und ich kann mich kaum sicher auf den Beinen halten. Mir ist so verdammt schwindelig.

„Ganz ruhig. Ich sorge dafür, dass du dich gut fühlst.“ Seine Stimme ist verführerisch tief. Mein Herz schlägt schneller. Gut fühlen? Ich?

Er fährt mit seiner Hand über meine Hose.

„Schön, dass es dir gefällt.“, haucht er in mein Ohr und ich bekomme Gänsehaut. Unkoordiniert fahren meine Hände über sein Hemd, ich bin nicht Herr über meinen Körper. Was soll das? Ich kann doch nicht...

Er lehnt sich zurück und zieht sein Hemd über den Kopf aus. Sein großer, schlanker Körper ist von Muskeln definiert. Er sieht so heiß aus... Was denke ich hier?

Er fasst mich an den Schultern und dreht mich um. Ich drücke meine Hände neben dem Kopf an die Schranktür, höre wie meine Gürtelschnalle auf den Boden trifft. Mein Herz klopft wie wild. Er küsst meinen Nacken. Ich bin total berauscht, warum bin ich ihm so verfallen? Das darf nicht sein...

Ich höre seinen Reißverschluss. Plötzlich flacht die Panik in mir ab. Es knistert hinter mir, mir wird bewusst was gerade geschieht. Ich höre ein Reißen, weiteres Knistern. Er bewegt seine Hand und mir wird heiß. Es fühlt sich gut an. Dann fasst er mir an den Hintern, drückt sich leicht gegen mich.

„Willst du, dass ich es tue?“, fragt er hörbar angetan. Seine Finger bewegen sich mit angenehmem Druck über meine Gesäßmuskeln.

Ich merke, wie sich mein Mund öffnet. Ich will nicht aufhören. Ich hasse mich selbst. „Ja.“
 

***
 

Ich schrecke hoch, voller Panik, als mein Wecker klingelt. Ich sehe mich verwirrt um. Ich liege nackt im Bett eines Hotelzimmers. Das Trainingscamp. Ja. Ich bin in Tokio. Ich versuche meinen Atmen zu beruhigen, als ich mein Handy umdrehe, um den Schlummermodus zu aktivieren. Das Klingeln verstummt. Mit beiden Händen fahre ich mir durchs Gesicht. Mein Kopf fühlt sich schwer an und ich habe Bauchschmerzen. Stimmt. Wir haben gestern Alkohol getrunken. Auch nicht gerade wenig. Ich reibe mir durch die Augen. Ein Blick zur Seite und ich entdecke meine Klamotten im Eingangsbereich, auf dem Boden verstreut. Ein merkwürdig fremder Geruch hängt im Raum. Ist das Parfum? Nein, das ist Aftershave. Kuroos Aftershave. Kuroo. Mein Herz setzt spürbar einen Schlag aus. Ich sehe mich um. Ich bin alleine. Aber ich war es nicht, gestern Nacht. Mein Atem stockt.

Plötzlich klingelt mein Wecker wieder. Mechanisch drehe ich mich meinem Handy zu und nehme es in die Hand. Ich drücke auf das rote Kreuz und mein Wecker deaktiviert sich. Ich habe zwei neue Nachrichten. Eine ist von Kuroo, von heute morgen, gegen 6 Uhr. Mit zittrigen Fingern klicke ich die Nachricht an, um sie zu öffnen. „Hey, Hübscher. Das war wirklich eine wilde Nacht. Hat mir sehr gefallen. Bis dann.“ Ich weiß es. Ich weiß doch, was passiert ist. Und doch trifft es mich genau in diesem Moment wie ein Schlag ins Gesicht. Ein harter Schlag. Ich habe... Ich habe es tatsächlich getan... Ich habe...

Ich schnappe nach Luft, sehe mir die zweite Nachricht an. Als ich den Absender sehe, sticht es tief in meiner Brust. Suga. Seine Nachricht ist von gestern Abend um 23 Uhr. Ich brauche lange, bis ich meinem Finger erlaube seinen Namen anzuklicken, um die Nachricht aufzurufen. „Hallo Liebster. Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Das war ein wirklich blöder Streit gestern und es tut mir sehr leid, wie wir aneinander geraten sind. Hab noch einen schönen Abend. Ich freue mich, dich morgen wieder in die Arme zu schließen. Ich liebe dich.“ Ich erstarre. Meine Augen fahren immer und immer wieder über den letzten Satz. Und jedes Mal fühlt es sich an, als würde jemand ein langes dünnes Messer in meinen Rücken rammen, bis es mein Herz trifft. Was habe ich nur getan?!

Grenzen (Sugawara)

Wir streiten. Doch das ist nicht das Problem. Wir haben immer Lösungen und Kompromisse gefunden, um einen Streit schnell wieder beizulegen. Eigentlich lassen wir es nie soweit kommen, dass wir uns derart anzicken, wie gerade. Das Problem ist, dass ich keine Ahnung habe warum wir streiten. Und Daichi will es mir partout nicht sagen.

Ich sehe ihn bedrückt an. Warum ist er nur so wütend? Es kam von jetzt auf gleich, aus heiterem Himmel. Ich frage nach, versuche Verständnis zu zeigen, aber es ist ihm alles völlig egal. Er ist einfach sauer und und ich kann nichts dagegen tun. Ich fühle mich furchtbar. Egal was ich sage, er dreht mir alle Worte im Mund herum und lässt sie wie einen Angriff gegen sich wirken.

Er verlässt der Raum. Ich rufe seinen Namen, doch er dreht sich nicht um. Daichi...
 

In der Nacht zieht er ins Wohnzimmer auf die Couch. Ich liege in unserem Bett und blicke auf seine leere Seite. Morgen wird er zum Captaintraining nach Tokio fahren. Ich will nicht im Streit mit ihm auseinander gehen. Das wir überhaupt schlafen gegangen sind ohne den Streit beizulegen, setzt mir schon sehr zu. Ich kralle meine Finger in sein Kopfkissen, ziehe es an mich und atme seinen Duft ein. Ich vermisse ihn. Ich vermisse ihn unglaublich und dass, obwohl er nur hinter dieser Türe schläft. Ich schniefe und spüre wie die Tränen mein Gesicht hinunter laufen.
 

Ich stehe früh auf und mache ein reichhaltiges Frühstück. Daichi braucht heute viel Kraft, sicher ist das Training anstrengend. Ich packe alles in eine Bentobox und drücke sie ihm in die Hand als er gehen will. Ich zwinge mich zu lächeln. Ich will das es mein Lächeln ist, dass er als letzten Eindruck von mir mit nach Tokio nimmt. Er macht es mir schwer, doch ich halte durch, bis die Tür hinter ihm ins Schloss fällt. Es tut weh ihn gehen zu lassen. Ich reibe mir durch die Augen.
 

Als ich Abends im Bett liege, kann ich wieder nicht schlafen. Ich vermisse Daichi. Schniefend drehe ich mich auf die Seite und nehme mein Handy vom Nachttisch. Ich schreibe ihm, schreibe dass ich unsren Streit bereue und dass ich ihn liebe. Ich will einfach das er das weiß, weil... ich mir gerade nicht sicher bin, ob er es weiß...
 

***
 

Am nächsten Morgen gehe ich duschen. Daichi hat mir nicht geantwortet, aber das ist ja auch nicht nötig. In ein paar Stunden ist er wieder zu Hause. Ich hoffe sehr, dass wir dann endlich vernünftig reden können.

Ich lerne, räume auf und bereite das Mittagessen vor. Ich mache alles, was mich genügend ablenkt, bis die Zeit vergeht. Dann höre ich endlich den Schlüssel der Wohnungstüre.

„Ich bin zu Hause.“, dringt es leise an mein Ohr.

Ich laufe zum Eingangsbereich und lächle Daichi fröhlich an. „Willkommen zurück.“

Er stellt seine Tasche ab, doch sieht nicht zu mir auf, steht nur da und starrt vor sich hin.

„Was ist los?“, frage ich irritiert. Er zuckt zusammen, doch sagt nichts. Besorgt mache ich einen Schritt auf ihn zu, doch er weicht zurück. Ich schlucke. Es muss etwas passiert sein.

„Was hast du?“, frage ich hörbar ängstlich und ziehe die Hände zur Brust.

Als er den Mund öffnet zittern seine Lippen. Ich balle die Hände zu Fäusten, fürchte mich vor der Antwort.

„Ich...“, bringt er gebrochen hervor. „Ich habe...“ Seine Stimme ist wackelig. Mein Herz klopft aufgeregt. Dann sieht er auf, blickt mir für einen Sekundenbruchteil in die Augen, senkt den Blick wieder und beißt sich auf die Lippe. Was war das, dass ich in seinen Augen gesehen habe? Das habe ich sicher noch nie gesehen. Nervös schaue ich ihn an. Er atmet unruhig durch, ballt die Hände zu Fäusten. „Ich habe..“, setzt er erstickt an. „Ich habe...Ich habe dich betrogen.“

Mein Atem stockt und ich starre ihn an, mit weit aufgerissenen Augen.

„Was...?“, dringt es aus meinem Mund ohne mein Zutun. Meine Stimme ist leise, kaum mehr als ein Hauchen.

Er schnappt nach Luft, sein Körper beginnt zu zittern und ich sehe, wie Tränen seine Wangen entlang laufen.

Überfordert bewege ich meinen Mund, doch es kommen keine Töne heraus.

„Es tut mir so leid!“, ruft er tränenerstickt und schnieft. „Ich... Ich kann verstehen, wenn du mir das nicht verzeihen kannst..“ Er schnappt nach Luft. „Ich werde es mir auch niemals verzeihen...“

Ich starre ihn an, kann nicht glauben, was er da sagt.

„Es tut mir leid...“, wimmert er und krallt die Finger in den Bund seiner Jacke.

Jetzt holt mich der Moment langsam ein und ich realisiere den Augenblick. Mein Magen zieht sich zusammen und ich spüre, wie sich meine Augen mit Tränen füllen.

„Was ist passiert?“, bringe ich gequält hervor. Ich muss es wissen, auch wenn es mir das Herz zerreißt. Schwerfällig ringt Daichi nach Atmen, dann schluckt er und öffnet den Mund.

„Ich.. Ich habe mich furchtbar gefühlt. Ich verdiene dich nicht. Ich kann einfach nicht verstehen, was du an mir findest...“

Ich sehe ihn überrumpelt an. War das der Grund, warum er einen Streit angefangen hat. War es seine Absicht mich zu vergraulen?

„Nach dem Training... haben wir noch Whisky getrunken.“

Ich senke den Blick. Harter Alkohol ist nichts für ihn.

„Ich... Ich war so fertig. Ich wollte für einen Abend alles vergessen und habe mich mit den Jungs betrunken.“ Er schnappt nach Luft. Es fällt ihm nicht leicht. Ich sehe ihn bedrückt an. Mein Herz schmerzt. Es tut weh, wenn es schlägt.

„Wir haben Späße gemacht und ich habe mich so frei gefühlt...“

Ich balle die Hände zu festen Fäusten. Wieso braucht er Alkohol, um sich frei zu fühlen? Ich beiße mir auf die Lippe, will ihn nicht unterbrechen.

„Dann... Dann sind wir zu unseren Zimmern und als wir alleine waren, hat er begonnen mit mir zu flirten.“ Er atmet unruhig durch. „Als er mich geküsst hat, habe ich versucht mich zu wehren, aber...“ Er hält inne. Ich sehe zu Boden. „Dann habe ich mich nicht mehr gewehrt...“

„Ihr hattet Sex?“, frage ich mit fester Stimme. Jetzt will ich auch alles wissen.

„Ja...“, sagt er mit wackeliger Stimme.

Es tut weh, so unendlich weh. Ein Schluchzen entfährt meiner Kehle, doch ich fange mich direkt wieder. „Habt ihr euch geschützt?“ Er hebt kurz den Kopf, hält aber den Blick gesenkt. Dann nickt er. Immerhin. Aber das zeigt mir auch, dass wohl beiden ganz genau bewusst war, was sie taten.

„Es tut mir leid.“, bricht es aus ihm heraus und er schlägt die Hände vors Gesicht. „Wenn ich könnte... Wenn ich es nur könnte, dann würde ich es sofort ungeschehen machen.“ Er lässt die Hände sinken, presst sie als geballte Fäuste gegen seine Hüfte. „Ich würde einfach alles dafür geben.“ Ich blicke ihn an. Es schmerzt in meinem ganzen Körper ihn so zu sehen. „Ich liebe dich.“

Ich starre ihn mit überrascht großen Augen an. Was? Wie kann er jetzt so etwas sagen? „Ich liebe dich, von ganzem Herzen.“ Er drückte die rechte Faust an seine Brust. „Du bedeutet mir einfach alles... Und ich... Ich habe dir so, so Unrecht getan...“ Er schluchzt und weitere Tränen fließen. „Ich... Ich kann dir nicht mal in die Augen sehen...“, wimmert er und zieht die Schultern hoch, macht sich klein vor mir.

Jetzt weiß ich es. Reue. Das war es, was ich in seinen Augen gesehen habe. Tiefe, blanke Reue.

„Ich...“, setzt er an, als er sich wieder ein wenig gefangen hat. „Ich kann verstehen, wenn du willst, dass ich gehe.“ Ich erschrecke. „Ich nehme meine Sachen und verschwinde... irgendwo hin.“

Ich sehe ihn an, wie er dasteht. Ein Haufen Elend, bereit einfach alles aufzugeben.

Mein Herz klopft schnell. Dann bewegt sich mein Körper von alleine. Ich mache einen Schritt auf ihn zu und werfe meine Arme um seine Schultern. Er zuckt überrascht zusammen. Ich drücke ihn an mich. „Nein.“, sage ich fest. Ich spüre, wie er seinen Kopf zu mir dreht. „Ich will nicht, dass du gehst.“

„Was...?“, haucht er vollkommen überfordert.

Ich kneife die Augen zusammen, spüre die Tränen meine Wangen entlang fließen. „Ich liebe dich.“

Er zuckt, dann bricht er in Tränen aus, schnappt hörbar nach Luft.

Ich lehne mich zurück und sehe ihm in die verweinten Augen. „Das heißt nicht, dass ich dir verzeihe.“ Er nickt. „Das heißt, dass ich nicht aufgeben will.“ Er sieht mich ungläubig an, sichtbar erschöpft. „Ich will uns nicht aufgeben.“ Ich streiche mit dem Daumen über seine Wange, spüre weitere Tränen fließen.

„Warum?“, tritt es gebrochen aus seinem Mund. „Ich verdiene dich nicht.“

„Das ist nicht deine Entscheidung.“, sage ich überzeugt und er sieht mich überrascht an. „Es ist meine. Ich bin frei selber zu wählen mit wem ich zusammen sein möchte und das bist du.“ Seine Augen glänzen überfordert. „Hör auf mich zu bevormunden!“ Ich fasse seine Schultern und sehe ihm fest in die Augen. Er sieht mich verständnislos an. Dann kann ich beobachten, wie ihn die Erkenntnis trifft. Ich habe Recht. Das wird ihm gerade klar.

„Suga...“, haucht er überwältigt und zieht die Augenbrauen zusammen. „Es tut mir leid.“

„Ich weiß.“, sage ich leise und nicke. „Ich glaube dir.“ Er sieht mich überrascht an. „Du hättest mir das alles nicht sagen müssen. Du hättest lügen können oder einfach so tun, als wäre nichts passiert. Doch das hast du nicht. Du hast alles riskiert und mir sofort, ohne zu zögern die Wahrheit gesagt.“ Ich schließe kurz die Augen, bevor ich ihn wieder ansehe. „Das rechne ich dir hoch an.“ Er senkt den Blick. „Dennoch kann ich nicht so tun, als wäre nichts gewesen.“ Er nickt. „Ich brauche Zeit... Muss über ein paar Dinge nachdenken.“ Er nickt wieder. „Hältst du das aus?“

Er sieht auf und blickt mir in die Augen. „An deiner Seite halte ich alles aus.“

„Ok.“, sage ich und spüre ein bitteres Lächeln. „Lass uns kämpfen.“

Er nickt energisch. „Ja.“ Dann kippt er nach vorne, drückt den Kopf an meine Brust. Ich lege die Hand in seinen Nacken und atme durch. Es wird nicht einfach, doch ich bin gewillt es zu versuchen.

Konfrontation (Daichi)

Heute haben wir ein spontanes Trainingsmatch gegen die Nekoma. Sie hatten ein Spiel in der Nähe und sind anschließend zu uns durch gefahren, als Coach Ukai sie angeschrieben hat. Ich habe ein flaues Gefühl im Magen. Seit jener Nacht vor einer Woche, habe ich nicht mehr mit Kuroo gesprochen. Jetzt wird er gleich vor mir stehen. Ich weiß nicht wirklich, wie ich ihm begegnen soll.

Lange Zeit nachzudenken, habe ich nicht. Wir stehen alle weit verteilt im Raum, da kommen schon die ersten rot gekleideten Spieler der Nekoma durch die Türe der Sporthalle. Sofort sehe ich Kuroo, der auf mich zuschreitet. Ich sehe ihn an, doch als er vor mir steht, senke ich den Blick.

„Hey, Hübscher. Na, wie geht es dir? Schön dich zu sehen.“, sagt er lächelnd.

Ich wende den Kopf ab. „Kuroo... Lass das bitte.“ Meine Stimme ist leise.

„Hm?“, macht er irritiert und legt den Kopf zur Seite. Ich ziehe leicht die Schultern hoch, halte den Kopf gesenkt. „Sag bloß...“, fängt er mit überraschter Stimmlage an. „Bereust du etwa was zwischen uns geschehen ist?“

Ich drehe den Kopf zur Seite. „Ja, das tue ich.“ Ich balle die Hände zu Fäusten.

Ein kurzes Schweigen baut sich auf, das er dann schließlich bricht. „Das tut mir leid.“ Ich sehe zu ihm auf, sein Blick ist bedrückt. „Ich... Ich hatte nie die Absicht, dich etwas bereuen zu lassen.“, sagt er mit fester Stimme. Dann zieht er die Augenbrauen zusammen und dreht sich weg, geht los in Richtung der anderen.

Perplex sehe ich ihm mit großen Augen nach. Er hatte traurig ausgesehen. Wieso? Ich dachte, für ihn war es nur Spaß. Ein One-Night-Stand. Warum...? Warum ist er so niedergeschlagen? Ich schlage die Hand vor den Mund. Oh nein. Ist es für ihn etwa nicht nur ein Ausrutscher gewesen?

„Daichi.“ Ich sehe erschrocken auf, als Suga plötzlich neben mir steht. Er blinzelt mich an. „Alles ok?“ Ich starre ihn einen Moment an. Als mich sein besorgter Blick trifft, komme ich wieder zu mir und nehme seine Hand.

„Suga, können wir kurz reden?“

Er sieh mich überrascht an, dann nickt er. „Klar.“

Wir gehen in die Ecke der Turnhalle, neben der Bühne. Hier kann uns niemand hören. Er sieht mich erwartungsvoll an. Ich brauche einen Moment, um mich zu sammeln.

„Was hast du denn?“, fragt er schließlich und ich balle die Hände zu Fäusten.

„Es ist Kuroo.“ „Hm?“ Er sieht mich verständnislos an. Ich schlucke, nehme meinen Mut zusammen. „Ich... Ich habe mit Kuroo geschlafen.“

Der Schock steht Suga ins Gesicht geschrieben. „Kuroo...“, haucht er. Ich nicke. Er dreht den Kopf, sieht in Kuroos Richtung und ich senke den Blick.

„Ich habe dir nicht gesagt, mit wem ich fremdgegangen bin, weil ich nicht wollte, dass das in einem Match gegen die Nekoma dann zwischen uns steht.“ Er sieht mich getroffen an. „Tut mir leid.“

„Nein, schon gut.“ Ich blinzele ihn an. „Aus genau diesem Grund habe ich nicht gefragt.“ Ich beiße mir auf die Lippe. „Ich wusste ja, dass es ein Captain sein musste und auch, dass du... dass wir ihm irgendwann wieder begegnen...“ Schweigend sehe ich zu ihm auf. „Warum sagst du es dann jetzt doch?“

Ein deutliches Bild von Kuroos verletztem Gesichtsausdruck bildet sich vor meinem geistigen Auge. „Weil ich... Ich glaube, für ihn... war es nicht nur Spaß.“, gebe ich widerwillig zu. Als ich aufsehe, blickt mich Suga mit großen Augen an.

„Du meinst, er will was von dir? Also... mehr?“, meint er plötzlich überrascht.

„Das hatte ich auch nicht geglaubt. Nur eben, als ich ihn abgewiesen habe, da... sah er so... traurig aus.“, sage ich bedrückt.

Plötzlich verändert sich Sugas Gesichtsausdruck. Er sieht mich so ernst an, dass es mir unangenehm ist. „Und wie ist das bei dir?“ Ich sehe ihn entgeistert an. Dann wird mir einiges klar und ich fühle mich schlagartig schlecht. Noch schlechter als zuvor.

„Ich...“, sage ich ehrlich. „Ich habe ihn benutzt, um meine Bedürfnisse zu befriedigen.“ Wow. Das klingt echt elend. Ich bin wirklich der letzte Dreck.

„So hätte ich es nicht gesagt.“ Ich sehe zu Suga auf, als er zu sprechen beginnt. „Kuroo war einfach da, als du jemanden gebraucht hast und war bereit dir zu geben, was nötig war. Ok.. Vielleicht mehr als nötig.“ Ich verziehe das Gesicht. Dennoch ist es irgendwie schön, wie Suga es ausdrückt. Aber... es lässt mich nicht in besserem Licht stehen. Denn ich habe ihn verletzt. Und nicht nur ihn. Auch den Menschen, denn ich von Herzen liebe.

„Scheiße...“, zische ich machtlos.

„Was willst du jetzt machen?“, fragt Suga nach einer kurzen Pause.

„Ich weiß es nicht...“ Ich kratze mich am Kopf. „Ich kann ja schlecht zu ihm gehen und mich entschuldigen...oder? Das alles ging ja schließlich von ihm aus...“ Ich sehe fragend auf und Suga zieht die Augenbrauen hoch.

„Soll ich mal mit ihm reden?“ Ich sehe ihn entgeistert an, doch sein Blick ist fest.

„Das kommt doch total merkwürdig rüber. Als würde ich mich nicht trauen.“ „Traust du dich denn?“ Ich senke den Kopf, sehe zu Boden. „Nein...“

Plötzlich geht Suga einfach los. Überrumpelt folge ich ihm, will ihn am Arm fassen, um ihn aufzuhalten, doch kurz bevor ich ihn berühre, halte ich inne. Will ich das etwa?

„Kuroo.“ Sugas Stimme ist unerschüttert. Ich bleibe einen Schritt hinter ihm stehen, beobachte die Szene angespannt. Kuroo dreht sich um und sieht Suga überrascht an. Als er mich sieht, blickt er kurz zur Seite. War das abschätzig gemeint oder bringe ich ihn in Verlegenheit?

„Ja.“, antwortet er knapp. „Können wir reden?“ „Klar.“

Suga sieht sich um. Bis auf Kenma sind alle weit genug entfernt, dass sie uns nicht hören können. Kenma sieht kurz zu Kuroo, dann entfernt er sich in gebückter Haltung.

Kuroo sieht Suga erwartungsvoll an, dieser hält ihn fest im Blick.

„Ich sage es gerade heraus, bin ehrlich zu dir, also sei du es bitte auch, wenn du antwortest.“

Ich habe ein flaues Gefühl im Magen, sehe zwischen den beiden hin und her. Kuroos Blick ist ebenfalls einnehmend und er sieht ernst zu Suga hinunter, schweigt. „Bist du in Daichi verliebt?“

Ich werde sofort rot, starre Kuroo an, dessen Augen sich überrascht geweitet haben.

„Was..? Ähm...“, stammelt er mit leicht geröteten Wangen. Dann legt er die Hand in den Nacken. „Ich... Ich mag ihn.“ Oh nein. Er sieht zur Seite. Suga nickt.

„Weißt du...“, setzt er an und Kuroo sieht verlegen zu ihm rüber. „Ich mag ihn auch.“ Er blinzelt überrascht. „Wir sind zusammen. Seit zwei Jahren.“

Kuroos Augen werden groß, Überraschung schlägt in Schock um. „Was?“ Er dreht sich gerade zu Suga und hebt beschwichtigend die Hände. „Ich... Ich hatte keine Ahnung.“

Ich senke den Kopf.

„Ich habe mir schon gedacht, dass er dir das nicht gesagt hat, als ihr...“ Suga schließt die Augen.

Ich schäme mich. Natürlich habe ich ihm nicht gesagt, dass ich in festen Händen bin. Ich wollte ihn ja gar nicht abweisen... Meine Brust zieht sich zusammen.

„Du hast es ihm erzählt?“, wendet sich Kuroo nun mit leiser Stimme an mich. Ich beiße mir auf die Lippe, dann sehe ich bedrückt zu ihm auf und nicke. „Es tut mir leid. Hätte ich gewusst, dass ihr mehr als Teamkameraden seid, hätte ich es gar nicht bei Daichi versucht...“ Er seufzt.

„Das habe ich erwartet.“, antwortet Suga und Kuroo blinzelt ihn an. Er wirkt als wäre ihm die Situation unangenehm. Kann ich gut verstehen, mir geht es nicht anders.

„Es tut mir leid, Kuroo.“ Kuroo sieht mich überrascht an, als ich das Wort ergreife. Ich balle die Hände zu Fäusten. „Ich habe dich ausgenutzt...“, gebe ich reumütig zu.

„So würde ich es nicht sagen.“ Suga und ich sehen ihn beide gleich überrascht an. Er lächelt. „Für mich war es schön. Es war ein toller Abend und eine erfüllte Nacht.“ Ich schlucke, werfe einen Blick zu Suga, der Kuroo mit offenem Mund anstarrt. „Nichts, wofür du dich entschuldigen brauchst, Daichi.“ Er sieht mir lächelnd in die Augen und mein Herz schlägt schneller.

„Hey, stellt euch auf!“, brüllt Coach Ukai. „Wir sind hier zum Volleyballspielen, nicht zum Quatschen.“

Ich ziehe den Kopf ein und wende mich ab. Ich höre, wie Suga schnaubt und mir dann folgt.
 

Das Spiel ist abwechslungsreich. Ständig wechselt die Führung. Ich mache eine gute Annahme und gleich danach punktet mein Angriff.

„Du bist ja richtig gut in Form.“, sagt Kuroo durchs Netz. „Habe ich dich in Fahrt gebracht?“

Ich sehe ihn überrascht an und er grinst. Flirtet er mit mir? Ich schlucke und sehe einfach weg. Vielleicht ist es das beste, wenn ich ihn ignoriere. Ich sollte mich da nicht rein steigern.

Die nächsten drei Punkte holt die Nekoma. Können wir nicht endlich punkten? Es ist mir unangenehm, dass wir beide vorne am Netz stehen.

Der nächste Ball wird von Kuroo versenkt. Da ich zum Block hochgesprungen bin, stehen wir direkt vor einander. Er grinst mich nur an und ich drehe mich in die andere Richtung. Dann endlich schlägt unser Schnellangriff ein und das auch noch mehrfach hinter einander. Erleichtert gehe ich nach hinten und mache die Angabe. Ich schlage ein Ass.

„Yeah!“, jubeln mir die anderen zu.

„Na endlich zeigst du mal, was du kannst. Ich wusste, du hast es drauf.“ Ich sehe auf die andere Spielfeldseite. Das war Kuroos Stimme. „Der Wahnsinn.“, haucht er angetan und lächelt. Ich sehe weg. Plötzlich höre ich ein wütendes Grollen von links. Ich wende den Kopf und sehe, wie Suga von der Bank aufspringt und aufs Spielfeld stürmt. Er stößt einen hasserfüllten Kampfschrei aus und prescht mit geballten Fäusten auf Kuroo zu. Geschockt, bleibe ich stehen wie angewurzelt und verfolge ihn mit den Augen. Ich habe ihn noch nie so wütend gesehen.

„Du...!“, knurrt er und packt den überrumpelten Kuroo am Kragen, holt mit der rechten Faust aus. Ich ziehe erschrocken Luft ein und lasse den Ball fallen.

Exakt in diesem Moment schiebt sich Tanaka zwischen die beiden und drückt sie auseinander. „Hey!“, hallt Tanakas Stimme durch die Halle. Suga presst sich sofort wieder in die Gegenrichtung.

Er hält Kuroo im Blick fixiert, wie ein Raubtier. Tanaka wendet sich hinter Suga, greift unter seinen Armen nach Vorne und zieht ihn an den Schultern zurück. Kuroo steht nur da, mit geschocktem Geschichtsausdruck und hat schützend eine Hand vor die Brust gezogen.

„Suga! Komm wieder runter!“, ruft Tanaka und ihre Schuhe quietschen auf dem Boden. Suga stemmt sich mit aller Kraft nach vorne und brüllt. Tanaka wird mitgerissen. „Asahi!“

Asahi schreckt auf und bückt sich unter dem Netz durch. Dann packt der Suga am Arm und schiebt ihn rückwärts. Suga windet sich in ihren Armen.

„Lasst mich los!“, ruft er wütend und drückt sich nach vorne. „Diesem Mistkerl werde ich das Grinsen aus dem Gesicht schlagen!“

Es ist schockierend, wie stark Suga ist. Er schafft es immer wieder Tanaka und Asahi zurück zu drängen.

Jetzt spüre ich meinen Körper wieder. Ich renne rüber zu ihnen und stelle mich vor Suga, mit dem Rücken zu Kuroo.

„Suga, hör auf!“, fordere ich doch er sieht an mir vorbei zu Kuroo und knurrt, wütend, dass er sich nicht befreien kann. „Komm schon.“ Ich lege meine Hände an seine Wangen. „Sieh mich an.“

Fast widerwillig bewegen sich seine Augen auf mich zu, bis sich unsere Blicke treffen. Er funkelt vor Zorn. „Hey.“, sage ich sanft. Sein Atem geht schnell. „Das bist doch nicht du.“ Er sieht mich irritiert an. „Einfach so blindlings draufschlagen... Das ist nicht der Mann, den ich liebe.“

Seine Augen weiten sich überrascht, dann senken sich seine Schultern. Asahi und Tanaka nehmen wieder eine aufrechte Haltung an, denn Suga drückt sich nicht mehr gegen sie. Ihre Hände ruhen auf seinen Schultern, dann entfernen sie sich ein paar Schritte von uns.

„Daichi...“, sagt er betroffen. Anscheinend ist er wieder zu sich gekommen, denn er begegnet mir mit dem warmen Blick, den ich so sehr an ihm mag. Ich lächle sanft und lasse meine Hände sinken. „Ich...“ Er sieht an mir vorbei zu Kuroo. Dann ziehen sich seine Augenbrauen zusammen und er sieht mich gequält an. „Allein der Gedanke...Dass er dich hatte...“ Ich zucke zusammen, erinnere sofort die verführerisch fremden Hände auf meiner Haut. „Das er dich berührt und geküsst hat...“ Er presst die Faust an seine Brust und ich sehe ihn ohnmächtig an. „Das bringt mich um den Verstand.... Es macht mich wahnsinnig...“ Ich senke den Blick, weiß nicht, was ich sagen soll. „Entschuldige, dass ich dir hier eine Szene mache...“ Ich schüttele den Kopf. Er hat alles Recht dazu.

„Was soll das hier?“ Ich wende den Kopf. Coach Ukai steht mit verschränkten Armen an der Seitenlinie und sieht uns scharf an. „Sugawara...“

„Tut mir leid.“ Ich drehe mich um und sehe Kuroo an, der den Kopf gesenkt hält. „Ich hätte das alles nicht sagen sollen.“ Er sieht auf. „Ich habe ihn mit Absicht provoziert.“ Er reibt sich die Nase. „Vielleicht hat mich das alles doch etwas mehr mitgenommen, als ich mir eingestehen wollte.“

Ich seufze innerlich. Für keinen von uns ist es so gelaufen, wie geplant.

„Ich verstehe zwar nicht, was hier vor sich geht, aber ist das jetzt geregelt?“, fragt Ukai etwas genervt und blickt zwischen uns hin und her.

„Ja, Coach. Entschuldigung.“, sagt Suga kleinlaut und dreht sich um.

„Du drehst nach dem Spiel zwei extra Runden um den Block. Das sollte dein hitziges Gemüt abkühlen.“, schnaubt Ukai und Suga nickt.

„Ich werde mit ihm laufen.“, sage ich und Suga dreht sich zu mir um. Ich nicke leicht.

„Wenn Suga läuft, laufe ich auch.“, meint Tanaka plötzlich.

„Ich gehe auch mit.“ Asahi nickt uns zu.

„Dann will ich auch.“ „Ja, ich mache mit.“ „Ich auch.“, erklingen die Stimmen unserer Teamkameraden. Coach Ukai beginnt zu lachen und auch ich lächle breit.

***

Ausgepowert betrete ich die Wohnung und lasse meine Trainingstasche zu Boden fallen. Das Spiel war anstrengend und danach noch um den Block zu joggen, hat mir fast den Rest gegeben. Suga betritt hinter mir die Wohnung und schließt die Türe ab.

„Uff...“, seufze ich und streife die Schuhe von meinen Füßen. „Ich freue mich auf eine Dusche.“

Gerade als ich die Stufe zum Eingangsbereich hochsteigen möchte, spüre ich wie Suga mein Handgelenk umfasst. Ich drehe mich zu ihm um, da zieht er mich zu sich und küsst mich. Überrascht ziehe ich Luft durch die Nase ein. Er wirft seine Arme um meinen Nacken, drückt sich an mich, fährt mit der Zunge auffordernd über meine Lippen. Mein Herz schlägt schneller. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mich so bald wieder an sich ran lässt, war er es doch, der gesagt hatte, er brauche Zeit und Abstand, um nachzudenken. Doch die Vertrautheit, die ich empfinde wenn er mich küsst, berauscht mich derart, dass ich nicht darüber nachdenken möchte. Seine weichen Lippen, der Duft seiner Haut so dicht an meine gedrückt...Ich hätte nicht gedacht, dass sein Kuss immer noch so gut tut, nachdem... Aber es fühlt sich toll an, einfach richtig. Ich schließe die Augen, öffne meine Lippen und erwidere den Kuss. Er drückt mich nach hinten, ich stoße gegen die Stufe und muss mich an der Wand abstützen, um nicht hinzufallen. Gierig presst er mich an sich, fährt mir durchs Haar. Mir wird immer wärmer. Ich drücke meine Hände gegen seinen Rücken, halte ihn fest in den Armen. Sein Atem geht hörbar schneller, als sich unsere Zungen berühren. Ein heißer Schauer durchfährt mich. Er öffnet seinen Mund weiter, küsst mich intensiver. Ich kenne ihn so gut, ich weiß genau, wie das Enden wird. So küsst er mich, wenn er mit mir schlafen will.

Als diese Erkenntnis mich trifft, halte ich erschrocken die Luft an. Das kann doch nicht sein. Nicht nach so kurzer Zeit. Irgendwas stimmt nicht. Fordernd bewegt er die Lippen, als ich meinen Kuss einstelle. Er küsst mich wieder und wieder, doch ich gehe nicht auf ihn ein. Dann zieht er die Nase hoch und ich öffne reflexartig die Augen. Seine Augenbrauen sind traurig zusammengezogen, seine Wangen von Tränen überflutet. Erschrocken lehne ich mich zurück. Er schnappt nach Luft, krallt seine Finger in meine Jacke und senkt weinend den Kopf.

„Suga...“, kommt es perplex über meine Lippen. Was ist denn jetzt los? Warum weint er? Ich fasse ihn an den Schultern. „Was...Was ist denn?“, frage ich mit sanfter Stimme.

Er wicht sich hektisch ein paar Tränen aus dem Gesicht. „Daichi...“ Seine Stimme so erstickt und gebrochen zu hören, schnürt mir die Brust zu. Sicher bin ich der Grund für seine Tränen. „Ich habe Angst...“

„Was? Wovor hast du Angst?“ Sorge schwingt in meiner Stimme mit, als ich mich ein wenig runter beuge, um ihm in die Augen zu sehen.

„Ich habe Angst dich zu verlieren...“ Was? Ich blinzel ihn an. „Du entgleitest mir... ich kann es spüren...“, wimmert er und holt schwerfällig Luft.

„Wie kommst du darauf?“, entgegne ich und hebe sanft sein Kinn. Er sieht mir in die Augen.

„Du hast Gefühle für Kuroo...“

Ich schüttel den Kopf.

Er schnieft, hält meinem Blick trotz neuer Tränen stand. „Dann sieh mir in die Augen und sag, dass du nichts fühlst.“ Ich hole Luft. „Sag mir, dass du nichts fühlst, wenn er dich anlächelt.“

Ich halte inne. Allein die Erinnerung an sein Lächeln, lässt mein Herz schneller schlagen. Ich schlucke. Sugas Blick ist angespannt und erwartungsvoll. Ich muss etwas sagen, aber ich werde nicht lügen... oh, nein. Ich werde ihm weh tun. Egal was ich jetzt tue...

Ich öffne meinen Mund, doch es kommt kein Ton heraus. Jede Sekunde, die er auf meine Antwort wartet, sticht in mein Herz und ich weiß, es geht ihm genauso. Verdammt.

„Du kannst es nicht.“, sagt er schließlich und die Enttäuschung in seinem Gesicht trifft mich wie ein schlag in die Magengrube.

„So ist das nicht.“, beginne ich mich zu verteidigen. Er seufzt und lässt den Kopf hängen. „Ich fühle etwas, das ist wahr. Aber es ist anders.“ Suga vergießt bittere Tränen und ich spüre einen Kloß in meinem Hals. „Es ist...“ Ich sehe überlegend zur Decke, versuche Worte zu finden, die es beschreiben. „Es ist wie ein Reiz. Eine Reaktion. Wie ein Zucken, wenn man gekniffen wird.“

Er sieht zu mir auf, verletzt und überfordert.

„Das ist keine Liebe. Das ist nicht mal ein Verlangen. Es ist eine unwillkürliche Erinnerung. Mehr nicht...“ Ich seufze leise, habe große Angst, dass er das nicht versteht. Ich weiß, wie dünn das Eis ist, auf dem ich mich bewege und ich spüre, dass einer meiner Füße gerade eingebrochen ist.

„Ich kann das nicht.“ Seine Stimme klingt erschöpft.

Nein. Nein, nein, bitte nicht. Er schließt die Augen und dreht den Kopf weg. Nein, bitte... verlass mich nicht...

„Suga...“ Meine Stimme wackelt. Er sieht zu mir auf. Ich bewege die Lippen, doch kein Ton kommt heraus.

„Ist das die Wahrheit?“, sagt er unsicher. „Wenn er dich wieder küssen würde, dann...“

„Das würde ich nicht zulassen.“ Er sieht mich überrascht an. „Ich will das nicht.“ Ich nehme seine Hand und schließe sie in meine Hände, sehe ihn ernst an. „Suga, ich will nur dich. Ich will keinen anderen. Ich liebe dich.“ Sein Blick wechselt zwischen meinen Augen. „Ich weiß, es fällt dir schwer das zu glauben, aber es ist die Wahrheit.“ Ja, ich habe es auf die bittere Art lernen müssen. Doch als er gesagt hat, er will uns noch eine Chance geben, da habe ich tatsächlich Hoffnung geschöpft. Und ich werde nicht aufgeben. Nicht, bis er mir sagt, ich soll gehen.

„Lüg mich nicht an...“ Es klingt fast wie eine Bitte, als Suga meinen Kragen packt und den Blick senkt. Er lehnt sich nach vorne, bis seine Brust meine berührt. Ich kann spüren, wie hin und her er gerissen ist. Er will mich an sich ziehen und gleichzeitig von sich stoßen.

„Ich lüge dich nicht an. Das habe ich noch nie.“, sage ich leise, doch mit fester Stimme. Ohne mein Zutun legen sich meine Hände an seine Hüfte. Ihn so nah an meinem Körper zu fühlen, ist betörend.

Er ist so warm und strahlt eine wohlige Ruhe aus. Vertrautheit. Ich fühle mich... zu Hause bei ihm. Ich lege die Hand in seinen Nacken und er sieht zu mir auf. Seine nussbraunen Augen glänzen, die Wangen sind noch von den Tränen gerötet. Ich halte seinem Blick stand. Wir sehen uns lange an.

Dann presst er sich an mich und küsst mich zärtlich. Ich atme aus, nur um im selben Atemzug seinen berauschenden Duft einzuatmen. Ich schließe die Augen, halte ihn an mich gedrückt, während ich seinen Kuss erwidere.

„Geh duschen.“, sagt er leise als sich unsere Lippen verlassen. Ich nicke und er löst sich von mir. Nachdem er seine Tasche aufgehoben hat, geht er den Flur entlang und verschwindet in der Küche. Ich atme durch, gehe nachdenklich ins Bad. Eine kalte Dusche. Ja. Das wird mich ablenken.

Stimmung (Sugawara)

Ich hebe den Ball vor mir auf und halte in der Bewegung inne, als sich Daichi neben mich stellt. Erst als sich die anderen, die quer durch die Halle verteilt stehen, umwenden und alle in die gleiche Richtung blicken, bemerke ich das Coach Ukai spricht.

„So, wir beginnen das Training heute mit Angaben. Die Angabe ist der einzige Moment im Spiel, in dem ihr alleine...“ Meine Gedanken driften ab als ich Daichis Schuh neben mir auf dem Boden quietschen höre. Er hat die Hände in die Hüfte gestemmt und sieht den Coach aufmerksam an. Meine Augen wandern von seinem Gesicht über seinen Hals zur Schulter. Ich spiele mit dem Reißverschluss meiner Trainingsjacke, während ich Daichis definierte Armmuskeln betrachte. Schluckend sehe ich, wie sich sein Shirt über der Brust spannt. Ich mag seine Muskeln, die sich zwar unter dem lockeren Stoff nicht abzeichnen, doch ich weiß genau, dass sie unter dem weißen T-Shirt verborgen sind. An meiner Lippe knabbernd sehe ich seine Hände an. Breit und kräftig, doch ich weiß genau, wie sanft sie sein können. Mir wird wärmer und ich presse meine Finger gegen den Ball in meiner linken Hand. Im Hintergrund höre ich Coach Ukais Stimme, doch ich verstehe kein Wort, bin viel zu sehr damit beschäftigt Daichis trainierten Körper zu begutachten.

Er bewegt seine Finger und mein Puls steigt spürbar. Was würde ich darum geben, wenn seine Hände jetzt auf mir liegen würden. Ich weiß, diese Gedanken sind nicht angebracht, ist er mir schließlich fremd gegangen. Verziehen habe ich ihm das noch nicht, wenn ich es überhaupt je kann, doch...Die Erinnerung, wie er mich in den Armen hält, seine Hände über meine Haut fahren....Der süße Rausch der mich erfüllt, wenn er mich küsst...

Ich beginne an meinem Fingernagel zu kauen, kann den Blick einfach nicht von ihm abwenden. Mein Puls steigt weiter, sicher sind meine Wangen bereits gerötet. Ich muss damit aufhören, mir solche Sachen vorzustellen, wir sind schließlich nicht alleine, sogar mitten im Training. Ich lasse den Ball mein Bein hinuntergleiten und lege ihn tonlos auf den Boden. Wäre er doch nur Daichis Hand... Ich sehe hoch in sein Gesicht. Seine dunklen braunen Augen sind fokussiert und er nickt. Es ist mir vollkommen egal wozu er gerade zugestimmt hat, ich wünsche mir, er würde mir zunicken. Ich schiebe unterbewusst meine Hände in die Hosentaschen und ziehe meine Shorts somit ein Stück nach vorne. Der Stoff spannt an meinem Hintern und ich seufze ohne ein Geräusch von mir zu geben. Dieser Druck hinter mir... Das könnte Daichi sein. Ich mag es sehr, wenn er an meinen Rücken lehnt, mich von hinten umarmt und ich ihn spüren kann, meine sichere Wand im Rücken. Mein Atem geht tiefer als ich seine Shorts begutachte. Im Gegensatz zu unseren Trikots, sitzt seine Trainingsshorts an der Hüfte enger. Ich lasse meine Hände tiefer in die Hosentaschen gleiten und erschrecke als ich meine Erregung ertaste. Ich senke den Kopf. Ich muss schnell an etwas anderes denken, bevor mich jemand bemerkt. Woran soll ich denken?

Wieder quietschen Daichis Schuhe und ich sehe zu ihm auf. Er lacht leicht. Ich liebe sein Lachen. Es ist warm und schickt Ruhe durch den gesamten Raum. Seine Lippen sind gespannt unter dem sanften Lächeln... Diese weichen, zärtlichen Lippen.

Langsam nehme ich die Hände aus den Hosentaschen. Ich schlucke, dann drehe ich mich zu Daichi um, werfe meine linke Schulter gegen seine linke, senke den Kopf tief und atme stockend durch.

„Hm?“, höre ich ihn machen, doch er stemmt sich gegen meinen Druck, gibt nicht nach. Als ich mich nicht bewege, fasst er meine Schulter. „Suga, alles ok?“, flüstert er und seine Stimme läuft mir heiß den Rücken hinunter. Die Berührung seiner Hand entfacht mein Verlangen nur noch mehr. Er ist so sanft und doch fühle ich mich endlos geborgen in seinem Arm. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen und ich muss nochmal schlucken. Ich angel nach seiner freien linken Hand und lege sie auf meinen Bauch. Dann schiebe ich sie langsam runter...

Er zuckt zusammen, drückt mich am Rücken an sich. Ich merke, wie sich seine Muskeln anspannen, atme etwas schneller. Zögerlich drehe ich meinen Kopf zu ihm und hauche eine Kuss an seinen Hals.

„Nicht...“, keucht er bittend, doch seine Stimme wackelt. Der Griff seiner Hand festigt sich an meiner Schulter, ich spüre, wie sein Atem schneller geht als sich seine Brust hebt und senkt. Ich bin so erregt, dass ich die Hoffnung verliere, dass der Moment vorbei gehen wird, ohne dass ich eingreifen brauche. Ich muss etwas tun. Jetzt.

Ich krümme mich nach vorne. „Bauchschmerzen.“, sage ich halblaut und eile in gebückter Haltung aus dem Raum. Ich sehe mich nicht um, möchte nicht auf die Blicke der anderen treffen.

Mit schnellen Schritten laufe ich in den Clubraum, wo ich mich keuchend auf einer Stuhllehne abstütze. Verdammt. Ich beiße die Zähne zusammen und schiebe die Hand in meine Hose.

„Mh.“ Dieser Ort ist nicht mein favorisierter Platz für sowas. Was mache ich nur? Langsam bewege ich meine Finger und stöhne in mich hinein. Mein Verstand will das nicht, doch mein Körper verlangt nach mehr.

Ich ziehe die Schultern hoch, da höre ich, wie sich die Tür hinter mir öffnet und dann ins Schloss fällt. Ich drehe den Kopf und sehe mit großen Augen zu Daichi rüber, der mich mit geröteten Wangen ansieht. Sein Blick wirkt ratlos, fast etwas überfordert. Da es mir genauso geht, lasse ich den Kopf hängen. Warum ist er mir gefolgt? Ich denke nicht, dass er sich einfach nur Sorgen um mich gemacht hat, jedenfalls will ich das glauben.

Ich ziehe meine Hand zurück und drehe mich zu ihm um, spüre wie heiß sich meine Wangen anfühlen. „Ich muss runter kommen...“, sage ich leise, den Blick zum Boden gerichtet. Ich atme zittrig durch, sehe zu ihm hoch. „Hilfst du mir?“

Er sieht mich mit großen Augen an als sich unsere Blicke treffen. Ich kann sehen, wie er schluckt. Dann färben sich seine Wangen rot und er sieht verlegen zur Seite. Ich beiße mir auf die Lippe, will ihn so sehr, dass ich es kaum aushalten kann. Er zögert. Ok, dann fahre ich härtere Geschütze auf. Ich fasse meinen Reißverschluss, öffne meine Jacke und fahre mit der Hand unter mein Shirt, bis an die Brust, ziehe den Stoff mit dem Arm nach oben, dass mein Bauch frei liegt. Ich weiß genau, dass er meinen Bauch sehr mag, hat er mir das ständig gesagt. Dabei ist er einfach nur flach. Man sieht deutlich weniger die Muskeln unter der Haut als bei ihm selbst.

Ich sehe ihn auffordernd an, beobachte wie seine Augen über meinen Bauch wandern und er den Mund öffnet, um tiefer zu atmen. Komm schon. Gib auf. Hör auf dich zu wehren.

Ich ziehe den Stoff höher, fasse ihn mit den Zähnen und schiebe meine Schultern zurück. Er kommt auf mich zu. Ja, so ist es gut. Zittrig legen sich seine Finger auf meine Haut und er keucht auf. Gut so. Ich lege meine Hand in seinen Nacken, ziehe ihn zu mir bis sein Gesicht wenige Zentimeter vor meinem ist und lasse den Stoff zwischen meinen Zähnen los.

„Küss mich...“, hauche ich und er drückt sich ruckartig an mich. Endlich. Ich keuche erfüllt. Seine Hand schnellt in meinen Nacken und er presst stöhnend seine Lippen gegen meine. „Mh...“ Gewonnen.

Ich hab dich genau wo ich dich haben will. Ich gebe dich nicht wieder her...

***

Keuchend legt er sich über mich, lässt seinen Kopf auf meiner Brust liegen, versucht zu Atem zu kommen. Ich fahre ihm durchs Haar atme stockend durch. Ein kurzer Moment vergeht in dem nur unser unruhiger Atem die Stille durchbricht. Als er den Oberkörper aufrichtet, keuche ich auf und halte die Luft an. Es ist unangenehm, war er schließlich rupiger als sonst, doch das Gefühl vergeht sofort als er zu mir auf sieht und ich in seine wunderschönen dunkeln Augen blicke. Ich streiche ihm über die Wange und lächle liebevoll.

„So war das nicht geplant...“, haucht er noch immer außer Atem.

„Tja.“, sage ich und sehe ihn mit halb geöffneten Augen an. „Das Leben hält sich nicht an Pläne.“

Wir tauschen einen intensiven Blick aus, dann beugt er sich vor und küsst mich zärtlich.
 

Ich verbringe das Training auf der Bank. Tatsächlich fühle ich mich gerade auch nicht danach mit zu spielen, habe nun wirklich Bauchschmerzen. Ich drücke die Hand gegen meinen Unterleib und beobachte die Anderen. Diese Position kenne ich gut. Dennoch weiß ich auch, dass man von hier aus einen besseren Überblick auf das Spielfeld hat.

„Asahi, das war ein Schrittfehler.“, rufe ich ihm zu, als er bei der Angabe über die Linie tritt.

Er sieht sauer zu Boden. „Verdammt. Danke, Suga.“

Nach dem nächsten Block lässt Daichi seine linke Schulter kreisen. Er wirkt fast als hätte er dabei leichte Schmerzen. Ich beobachte ihn kritisch, sehe das er die Bewegung zwischen den Ballwechseln wiederholt.

„Sawamura.“, erklingt Coach Ukais Stimme und Daichi sieht zu ihm rüber. „Alles ok mit deiner Schulter?“ Ich sehe den Coach an. Er hat es also auch bemerkt.

Daichi winkt ab. „Ja, alles bestens. Ich bin wohl ein wenig verspannt.“

Ich lege den Kopf zur Seite und sehe zu, wie Tanaka zu ihm rüber geht. „Wo denn?“ Er legt die Hand an Daichis Schulter und übt Druck auf seine Muskeln aus. Daichi kneift die Augen zusammen und entzieht sich seiner Hand. Diese Berührung hatte wohl weh getan.

„Komm vom Spielfeld.“, höre ich den Coach sagen und Daichi trottet zu uns. „Würdest du dein Trikot ausziehen?“ Ohne zu zögern, streift Daichi sich das Shirt vom Oberkörper.

Ich erschrecke als ich die tiefblau angelaufenen Flecken auf seiner linken Schulter sehe. Die Haut darüber ist leicht eingerissen, es haben sich kleine, schmale, sichelförmige Krusten darauf gebildet. Das... Das sind die Abdrücke meiner Fingernägel! Bei dieser Erkenntnis, spüre ich die Röte auf meine Wangen schießen. Sofort schnellt mein Blick zu meinen Händen und ich entdecke die roten Spuren unter den Fingernägeln meiner rechten Hand. Ich balle die Hand zur Faust.

„Alter, Daichi. Hat dich ein Tier in die Schulter gebissen?“, fragt Tanaka mit großen Augen. Daichi stockt und legt die Hand über seine Wunden. „Die Zähne haben deine Haut aufgerissen. Da ist Blut.“ Ich sehe wie Daichi schluckt.

Ich schlage die Hände vors Gesicht. Oha, da hab ich wohl auch etwas die Kontrolle verloren. Ich hab zwar schon mal Kratzspuren auf seiner Haut hinterlassen und den ein oder anderen Knutschfleck, aber aufs Blut habe ich ihn noch nicht verletzt. Bisher. Er hat mir aber auch wirklich weh getan, natürlich nicht mit Absicht. Ich bin wohl auch ein wenig daran Schuld, dass er vorhin die Kontrolle verloren hat. Ich reibe mit der linken Hand über meinen Bauch, während die rechte Hand weiter meine Augen verbirgt. Daichi schweigt. Er hat wohl auch erfasst, woher die Verletzung stammt.

„Das sieht echt heftig aus.“, meint Asahi und streckt den Kopf zu uns rüber. „Was ist da...?“

„Wie auch immer.“, unterbricht ihn Nishinoya und packt sein Shirt im Rücken. „Das ist doch gar nicht wichtig.“, sagt er mit Nachdruck und zieht Asahi zwei Schritte zurück. Meine Augen folgen den Beiden, während ich zwischen den Fingern hindurch spinze.

„Was meinst du, Noya?“, flüstert Asahi und Noya zieht ihn zu sich runter.

„Weißt du noch, die blauen Flecken auf meinen Schultern?“ Noyas Stimme ist so leise, dass ich sie kaum verstehe. Sehr ungewöhnlich für ihn. „Im Geräteraum...“ Er sieht Asahi mit festem Blick an, der leise aufkeucht und die Hand vor den Mund schlägt. Noya nickt und deutet mit einer Kopfbewegung auf mich. Er hats begriffen. Asahi wird knallrot im Gesicht. Offenbar hat er es jetzt auch kapiert.

Ich vergrabe mein Gesicht tiefer in meiner Handfläche. Wie peinlich...

„Trainieren wir weiter.“, schlägt Noya nun mit gewohnt lauter Stimme vor und packt Tanaka am Ärmel, um ihn hinter sich her auf das Spielfeld zu schleifen.

„Achte drauf, dass es sich nicht entzündet, okay?“, höre ich Coach Ukai mit ruhigem Tonfall sagen und Daichi bestätigt ihn mit wackliger Stimme.

Als ich aufsehe, hat er sein Shirt bereits wieder an und ist auf dem Weg zu den anderen auf das Spielfeld.

„Ist dir wieder übel, Sugawara?“ Ich lasse meine rechte Hand sinken und sehe zu Coach Ukai hoch, der mich besorgt anschaut. „Du hältst dir ja immer noch den Bauch.“ Ich sehe runter zu meiner linken Hand, deren Fläche wärmend auf meinem Unterleib ruht. „Du kannst nach Hause gehen, wenn du möchtest.“

Ich schüttele den Kopf. „Nein, schon gut.“ Wenigstens scheint der Coach nicht verstanden zu haben, wo Daichis Verletzung herrührt. Das erleichtert mich ein wenig.

„Okay, aber übernimm dich nicht. Versprochen?“ Ich nicke. Oh man.
 

Als wir nach dem Training zu Hause ankommen, gehe ich sofort duschen. Ich lehne mich an die geflieste Wand und halte den Duschkopf über meinen Bauch. Der warme Wasserstrahl massiert meine verspannten Muskeln auf angenehme Weise. Genussvoll seufzend, schließe ich die Augen.

„Suga...“ Ich öffne die Augen wieder, als Daichis Stimme durch das Rauschen des Wassers hindurchdringt. Er steht in Boxershorts vor der Dusche und hält den Kopf gesenkt. „Kann.. Ist es ok für dich, wenn ich zu dir rein komme?“

Ich blinzel und streiche mir die nassen Haare aus der Stirn. „Mach ruhig.“, sage ich entspannt und hänge den Duschkopf in seine Halterung. Ich sehe ihm zu, wie er sich auszieht und zu mir in die Dusche steigt. Er sieht immer noch zu Boden, was mich nur noch mehr einlädt seinen Körper zu betrachten. Verdammt, warum sieht er so gut aus? Ich beiße mir auf die Lippe, während ein Ziehen durch meinen Bauch fährt und mich daran erinnert, die lüsternen Gedanken zu verdrängen, da ich eine zweite Runde wahrscheinlich nicht überstehen würde.

Er tritt näher an mich ran und sieht dann schließlich doch zu mir auf. Sein Blick ist geprägt von Bedauern. Überrascht weiten sich meine Augen. „Es tut mir leid, Suga.“ Er ballt die Hände zu Fäusten. „Ich... ich habe dir weh getan...“

Ich lächle schief. „Da sind wir wohl jetzt quitt.“ Mein Blick haftet auf den Blutergüssen an seiner Schulter.

„Das war auch meine Schuld.“ Er tätschelt seine Schulter und seufzt. „Ich habe die Kontrolle verloren.“ Sein Blick wandert zu Boden. „Du hast dich nur gewehrt.“

Ich habe versucht es zu ertragen, darum meine Fingernagelattacke. Doch das sage ich ihm jetzt besser nicht. Er ist so schon durch den Wind. Stattdessen gehe ich einen Schritt auf ihn zu und lege meine Hand an seine Wange. Er sieht zu mir auf. „Ist schon gut.“ Ich lächle ihn an.

Seine Hand schnellt nach oben und legt sich über meine als wollte er mich abhalten sie wieder von seinem Gesicht zu entfernen.

„Ich liebe dich.“ Seine Stimme läuft mir warm den Rücken runter.

Ich schließe die Augen, genieße das Gefühl der Wärme, das sich in mir ausbreitet. Mein Atem geht flach, da spüre ich seinen Kuss. Zärtlich, fast vorsichtig legen sich seine weichen Lippen auf meine. Betört atme ich ein und halte die Luft an. Der leichte Druck seiner Fingerspitzen wandert über meine Wange, bis seine Finger hinter meinem Ohr ankommen und seine Handfläche mein Gesicht berührt. Er küsst mich wieder. So sanft als wäre es unser erster Kuss, den wir damals im Clubraum geteilt hatten. So gefühlvoll als müsste er mich noch davon überzeugen, dass er es ernst mit mir meint. Seine Lippen bewegen sich, er haucht weitere Küsse auf meinen Mund als wäre er frisch verliebt und könnte nicht glauben, dass ich es zulasse, dass er mich erobert. Doch... Doch das tue ich. Ich atme aus und erwidere seinen Kuss im selben Atemzug.

Er lehnt sich zurück, atmet mit geschlossenen Augen durch. Ich sehe ihm zu, wie er ganz bei sich ist, den Moment genießt. Dann beugt er sich vor, legt seine Arme um meine Taille und lehnt seinen Kopf an meinen Hals. Ich schließe meine Augen und umarme ihn, lege die Hände mit leichtem Druck an seine Schultern und seufze leise. Es ist ein schönes Gefühl ihn im Arm zu halten. Seine Hände gleiten über meine feuchte Haut als er sich an mich kuschelt. Eine mir fremd gewordene Ruhe macht sich in mir breit bis ich vollkommen entspanne. Seine starken Arme und das spürbare Bedürfnis nach Zuneigung, das von ihm ausgeht, sorgen dafür, dass ich mich wohl fühle. Ich mag ihn. Ich mag ihn so sehr.

„Suga?“, murmelt er an meinen Hals. Ich nicke. „Wäschst... du mir die Haare?“ Mein Herz springt in meiner Brust auf und ab.

„Ja, ok.“, hauche ich und löse mich aus seinem Griff. Ich drehe mich um, angele nach dem Shampoo und schäume es zwischen meinen Händen auf. Er neigt den Kopf zu mir runter und ich beginne damit mit den Fingern durch sein Haar zu streifen. Vielleicht ist es merkwürdig, doch ich finde, jemandem die Haare zu waschen ist etwas sehr intimes. Zu sehen, wie er die Augen geschlossen hält, sein Gesicht so entspannt vor mir, dieses grenzenlose Vertrauen, was er mir gerade entgegen bringt, all das lässt mein Herz schneller schlagen. Ich massiere die Haut unter meinen Fingerspitzen und er seufzt genussvoll. Ein Lächeln zieht sich über meine Lippen. Dann nehme ich den Duschkopf von der Wand. Ich lege eine Hand wie einen Schirm über seine Augen und lasse mit der anderen Hand das Wasser über seinen Kopf laufen. Er lächelt und mir geht das Herz auf.

Als kein Schaum mehr über unsere Körper läuft nehme ich die Hand von seinen Augen und fahre mit ihr über seinen Kopf. Die kurzen Haare lassen die Wassertropfen durch die Dusche fliegen. Ich lache kurz auf und stecke den Duschkopf zurück in seine Halterung. Erst jetzt öffnet er die Augen und sieht mich verliebt an.

„Danke.“

Schmerz (Sugawara)

Ich ziehe gerade mein Trainingsshirt an, als eine fröhliche Stimme in den Raum schallt.

„Hallo zusammen.“ Nishinoya grinst breit und betritt gleichzeitig mit Tanaka den Raum.

„Schön, dann sind ja jetzt alle da“, stellt Daichi fest und dreht sich lächelnd zu den beiden um. Ich beobachte Nishinoya, wie er seine Tasche abstellt und lacht, während die meisten unserer Kameraden in sein Lachen einstimmen. Es ist wirklich schön, wie er mit seiner heiteren Art sofort alle ansteckt. Als er mir jedoch dann den Kopf zuwendet, erschrecke ich. Was ist das für ein dunkler Fleck auf seiner Wange, direkt unter dem Auge?

„Noya...“, tritt es über meine Lippen und er sieht mich an. Ich gehe auf ihn zu, beuge mich ein wenig runter und ziehe dann erschrocken die Hand zum Mund. „Was ist mit deiner Wange passiert?“

Spätestens jetzt drehen sich alle um und sehen Noya an.

Asahi tritt mit großen Augen an seine Seite und hebt zittrig die Hände. „Was..?“, bringt er erschüttert hervor.

„Ach...“ Noya beginnt verlegen zu lachen und fasst sich in den Nacken. „Das ist halb so wild. Sieht schlimmer aus als es ist.“

Daichi macht ein paar Schritte auf ihn zu und stemmt dann eine Hand in die Hüfte, mustert Noya mit einer erhobenen Augenbraue. „Wie ist das passiert? Du bist doch gar nicht der Typ, sich zu prügeln.“

„So war das nicht...“ Er schluckt und hält weiter, unangenehm berührt, sein Lächeln aufrecht, doch den Blick gesenkt.

„Das ist meine Schuld.“ Wir sehen rüber zu Tanaka, der sich entschuldigend vorbeugt. „Wir haben rumgealbert und ich habe ihn versehentlich mit dem Ellbogen getroffen.“ Er lächelt schief, scheint dieses Missgeschick ehrlich zu bedauern.

Ich seufze während Daichi den Kopf schüttelt und die Hand auf Nishinoyas Schulter legt. „Bist du dir sicher, dass du mit trainieren kannst?“ Noya nickt. „Wenn es anschwillt oder du Schmerzen bekommst, dann sag Bescheid, verstanden?“

„Jawohl, Captain“, sagt Noya fest und nickt ihm gewissenhaft zu, dass Daichi lächeln muss und sich auch über meine Lippen ein Lächeln zieht. Daichi würde einen prima Vater abgeben.

Daraufhin machen wir uns auf den Weg in die Sporthalle, während Noya und Tanaka in der Umkleide zurück bleiben, da sie sich noch umziehen müssen.

Ich beginne mit Daichi zusammen das Netz aufzustellen, doch als ich mich strecke, um die Kurbel zu erreichen, spüre ich ein Ziehen im Unterleib. Reflexartig beuge ich mich vor und fasse mir an den Bauch. Autsch.

„Suga...“, haucht Daichi und sieht mich besorgt an. „Hast du immer noch Schmerzen?“

Ertappt reibe ich meinen Bauch. „Ja...“, gebe ich widerwillig zu. Ich brauche wohl doch länger um zu heilen als erwartet, was mich gerade extrem frustriert. Seufzend richte ich mich wieder auf, sehe in Daichis betrübten Blick. „Ich werde mal im Clubraum gucken, ob wir Schmerzmittel da haben.“ Ich gehe los ohne Daichis Reaktion abzuwarten. Verdammt. Ich wollte doch heute wieder mit trainieren... Grummelnd steige ich die Treppen hinauf und strecke die Hand nach dem Türknauf aus, doch kurz bevor ich ihn erreiche, halte ich inne. Die Türe steht einen Spalt offen. Dabei habe ich sie selbst eben zu gemacht, da bin ich mir sicher. Zögernd schlucke ich als ich ein Atemgeräusch höre, dann ein Schniefen, was meine Augen groß werden lässt. Da weint jemand. Sanft berühre ich die Türe, drücke sie geräuschlos auf und schiebe sie hinter mir ins Schloss. Erst als das Klacken erklingt, hört das Schluchzen vor mir abrupt auf. Ich wende mich ihm zu.

„Asahi...“ Er steht mit dem Rücken zu mir im Raum, hat die Schultern hochgezogen und hält den Kopf tief gesenkt. Hektisch reibt er sich mit dem Handrücken durchs Gesicht. Ich mache eine Schritt auf ihn zu, berühre ihn sanft am Arm. „Hey...“ Er dreht den Kopf weg, will wohl seine Tränen vor mir verbergen, als meine Finger über die Haut an seinem Unterarm streichen. „Was ist denn los?“ Ich trete neben ihn und er wendet sich mir zögerlich zu. Als er aufsieht, blicke ich in seine geröteten Augen und er beißt sich auf die Lippe. Ihn so bedrückt zu sehen, tut mir in der Seele weh. Ich atme flach durch und drücke ihn zu den Stühlen, die weiter hinten im Raum stehen, manövriere ihn dort hin, bis er sich hinsetzte, setze mich schräg vor ihn und lege meine Hand auf sein Knie, warte. Es vergeht ein kurze Zeit, da sehe ich weitere Tränen fließen. „Hm?“, mach ich ermutigend und reibe sein Knie. „Was ist passiert?“

„Ich...“, beginnt er zögerlich, reibt sich die nachlaufenden Tränen aus dem Gesicht. „Ich habe gehört, wie Nishinoya und Tanaka über mich geredet haben...“

Ich sehe ihn erschrocken an. „Was?“ Blinzelnd senke ich den Blick. „Wieso sollten sie das tun?“ Tatsächlich traue ich ihnen nicht zu, dass sie schlecht über Asahi reden. Wieso auch? Dafür sind die beiden viel zu direkt.

„Sie..“ Er zieht die Nase hoch. „Sie haben nicht gemerkt, dass ich auch in der Toilette der Umkleide war...“ Oh. Dennoch erscheint mir das suspekt.

„Was haben sie denn gesagt?“, frage ich mit leiser Stimme, lasse meine Hand auf seinem Knie ruhen.

Er zuckt zusammen, sammelt sich aber sofort wieder. Herrje, er ist total durch den Wind. „Tanaka ist nicht für Noyas blaues Auge verantwortlich...“ Er schnieft und ich sehe ihn überrascht an. „...und es war auch kein Unfall...“ Sein Körper bebt und ich drücke die Fingerspitzen an seine Haut. Was meint er denn jetzt damit? Woher stammt seine Verletzung dann und warum lügen die beiden deswegen? Ich schlucke. Asahi schluchzt und ich sehe wieder zu ihm auf. „Wie... ist es dann passiert?“, frage ich vorsichtig nach.

Er presst die Lippen zusammen, sieht angestrengt zu Boden. „Noyas Vater hat ihn geschlagen...“ Meine Brust schnürt sich augenblicklich zusammen und Asahi verliert den Kampf gegen neue Tränen. „Er hat ihn geschlagen, weil... weil wir ein Paar sind...“ Weinend krümmt er sich nach vorne während ich ihn geschockt ansehe. Oh nein. „Warum...?“ Ich blinzele ihn an, wie er die Laute aus seinem Körper presst. „Warum hat er mir das nicht gesagt?“ Er reibt sich mit zitternden Händen durch die Augen. „Noya hat zu Tanaka gesagt, dass er mir das nicht sagen will... Warum?“ Er weint bitterlich und ich beginne sein Knie zu streicheln.

„Nun ja.“, erhebe ich meine Stimme und Asahi sieht mich schniefend an. „Vielleicht hatte er Sorge, dass du...“ Ich sehe ihm in die Augen, die meinen Blick erwartungsvoll erwidern. „...du genau so reagierst, wie du es gerade tust.“ Er blinzelt, was zwei weitere Tropfen über seine Wangen laufen lässt. „Das Noyas Vater nicht mit eurer Beziehung einverstanden ist, ist ein ziemlicher Schock.“ Er senkt den Blick. „Und Noya weiß genau, dass du dir sowas sehr zu Herzen nehmen würdest.“ Er schnieft. „Sicher wollte er dir diese Qual einfach ersparen...“

„Aber...“, setzt Asahi plötzlich an und ich lege den Kopf zur Seite. „Aber sowas geht mich etwas an.“ Meine Augen werden groß. „Warum muss immer Tanaka ihn retten...“ Was? „Als Noya die Treppe runter gefallen ist, hat Tanaka sein Schweigen gebrochen... und jetzt, wo sein Vater ihn schlägt, ist Tanaka es, der in sein Haus einbricht und ihn vor seinem Vater verteidigt...“ Ich sehe ihn überrumpelt an. Von all dem habe ich nichts gewusst. „Immer ist Tanaka sein Held, dabei bin ich doch sein fester Freund... Ich sollte sein Held sein....“ Ich blinzel, weiß nicht so Recht, wie ich darauf reagieren soll. „Noya sollte mit Tanaka zusammen sein und nicht mit mir...“

„Was redest du denn?“, frage ich sanft und er sieht überrascht zu mir rüber. „Das ist doch Quatsch.“ Ich lächle leicht. „Noya und Tanaka sind wie Brüder. Da ist keine Romantik.“ Er muss sehr aufgewühlt sein, um so was Abwegiges zu sagen. Ich seufze als mir etwas einfällt, was ihm vielleicht helfen könnte. „Weißt du...“, setze ich mit gesenktem Blick an. Mein Herz schlägt etwas schneller. „Ich bin jetzt seit zwei Jahren mit Daichi zusammen.“ Er sieht zu mir auf und ich beginne am Bund meiner Hose zu knibbeln. „Letztes Jahr sind wir in unsere gemeinsame Wohnung gezogen.“ Ich sehe ihn an. Sein Blick ist ruhig und aufmerksam, obwohl er das schon wusste. Ich seufze wieder. „Meine Mutter... sie glaubt bis heute, dass Daichi und ich einfach nur gute Freunde sind.“

„Was...?“, dringt es überrascht aus Asahis Mund. „Du hast es ihr nie erzählt?“ Ich schüttele langsam den Kopf, während meine Herz spürbar schwerer wird. „Warum?“

Ich atme tief durch und sehe hoch zur Decke. „Sie... Sie wünscht sich so sehr Enkelkinder...“ Ich spüre, wie mir die Tränen kommen, schlucke sie aber runter. „Und ich... werde ihr nie welche schenken...“ Ich höre ihn ausatmen, sehe weiter nach oben. „Wenn ich ihr das sage, bricht es ihr das Herz.“ Ich senke den Blick mit tränengefüllten Augen. „Das kann ich nicht. Das kann ich ihr einfach nicht antun.“ Ich atme zittrig durch. „Ich... kann Noya also sehr gut verstehen, dass er es dir nicht erzählen möchte...“, gebe ich zu und ziehe so leise ich kann die Nase hoch. Asahi sieht nachdenklich zu Boden. Ein Moment der Stille entsteht.

„Komm, lass uns zum Training gehen“, sage ich ermutigend und lächle ihn sanft an. Er sieht zu mir auf. „Sicher vermissen uns die anderen schon.“ Er nickt und reibt sich durch die Augen, Ich lege die Hände an seine und drücke sie runter. „Nicht reiben. Davon werden deine Augen nur rot.“ Er blinzelt mich verlegen an und ich nicke mutmachend.

„Ok.“

Verortet (Sugawara)

Wir stehen im Schlafzimmer vor dem Bett. Daichi drückt mich an sich, haucht mir lustvoll ins Ohr, während er meinen Hintern tätschelt. Es fühlt sich vertraut an, ihn so nah bei mir zu haben, innig, doch...

„Ich...“, sage ich zögerlich und lege die Hand auf meinen Bauch. „Ich kann dir gerade nichts bieten“, gebe ich widerwillig zu. Meine Bauchschmerzen sind noch nicht wieder verschwunden und wenn er jetzt die gereizten Stellen berührt, werde ich gewiss nicht lange Spaß daran haben, wenn überhaupt. Ich muss mich auskurieren.

Er fährt mit der Hand über meinen Nacken, zärtlich, anscheinend vollkommen unbeirrt durch meine Worte, doch im Augenwinkel sehe ich, wie er sich auf die Unterlippe beißt. „Wir.... wir könnten es auch anderes tun...“, schlägt er leise vor und ich ziehe verdutzt die Augenbrauen zusammen.

„Wie meinst du das?“, frage ich irritiert, will mich zurücklehnen, um ihn anzusehen, doch er hält mich an sich gepresst. Was hat er denn? Ist ihm das unangenehm?

„Wie wäre es, wenn... wenn du...?“. Er zögert kurz. „Wenn du die Initiative ergreifst...?“

Meine Augen weiten sich überrascht. „Was?“ Ich blinzel ein paar Mal, voller Erstaunen. „Du möchtest, dass ich dich...?“ Ich halte inne. Er nickt an meine Schulter und mein Atem stockt perplex. Das ist bisher nie eine Option gewesen. „Aber...“, setzte ich schließlich an, als ich meine Stimme wiedergefunden habe. „Aber du hast mir mal gesagt, dass du das nicht willst.“

„Wir könnten es ja mal versuchen“, bringt er ein und ich sehe verwirrt zur Decke auf. Es ist nicht so, als hätte ich noch nie darüber nachgedacht, doch woher kommt diese Wandlung seinerseits auf einmal?

Plötzlich trifft mich die Erkenntnis, sticht mitten durch meine Herz, dass mir die Luft einen Moment weg bleibt. „Daichi?“ Meine Stimme ist fest und er zuckt zusammen, lehnt sich dann zurück und sieht mir unsicher in die Augen. „Als du mit Kuroo geschlafen hast...“ Ich kann sehen wie der Schock ihm in die Glieder fährt und auch mein Magen zieht sich unangenehm zusammen. „Wie habt ihr es getan?“ Er schluckt und sieht zu Boden. „Weißt du, Kuroo wirkt auf mich nicht wie jemand, der sich dominieren lässt...“, mache ich weiter Andeutungen.

„Willst du das wirklich hören?“ Er sieht bedauernd zur Seite. „Es wird dich nur verletzen...“

„Er hat dich...“ Mein Atem stockt und ein kurze Pause entsteht, in welcher ich hart gegen den Kloß schlucke, der sich in meinem Hals gebildet hat. Er widerspricht mir nicht, also habe ich Recht. „Du willst das ich seinen Platz einnehme?“ Wie ein Ersatzteil? Ich spüre wie sich mein Hals zuschnürt und meine Wangen warm werden. Ein taubes Gefühl macht sich in meinen Armen breit. Wie kann er mich nur um so etwas bitten?!

Er schüttelt den Kopf. „Nein.“ Überrascht atme ich ein. „So etwas wie einen Platz hat er nie für mich besessen.“ Er sieht mir überraschend fest in die Augen. „Ich will es nur mit dir tun, Suga, verstehst du das?“

Ich schaue ihn mit schmalen Augen an, mustere seinen Blick kritisch. „Aber du willst, dass ich mache wie er.“

„Nein.“ Er fasst mich an den Schultern. „Ich will, dass du es tust, wie du...“ Wenig überzeugt sehe ich zu Boden. „Und auch nur, wenn du es möchtest. Wenn nicht, ist das vollkommen ok.“

Kopfschüttelnd gehe ich eine Schritt zurück, entziehe mich seinem Griff. „Er hat dich genommen, oder?“ Meine Stimme wackelt während ich spreche und er blinzelt mich ohnmächtig an. „Sag schon!“

Er atmet resignierend aus. „Ja...“

Ich ziehe die Nase hoch. „Dann hattest du dieses erste Mal mit ihm?“ Es zieht quer durch meine Brust als er schließlich nickt, ernüchternder Schmerz.

„Ich war nicht bei Sinnen, Suga. Sonst hätte ich mich nie darauf eingelassen...“

Wir schweigen uns einen Moment an, sehen beide zu Boden.

Ich schniefe. Stille. Dann steckt er seine Hand nach meiner aus, berührt meinen Handrücken nur für einen kurzen Moment mit dem Finger. Ich hebe den Kopf, sehe ihn an, wie er dasteht und bedrückt den Blick gesenkt hält.

„Es tut mir leid, Suga...“, sagt er leise, ballt die Hände zu Fäusten. „Es tut mir so leid...“ Seine Stimme ist kaum mehr als ein Hauchen.

Ich schlucke, erinnere mich an den Moment, in dem er mir gestanden hat, dass er mich betrogen hat. Er steht vor mir, wie ein Häufchen Elend, ein gebrochener Mann. Er kann nichts tun, hat keine Argumente in der Hinterhand, kann nur hoffen... hoffen, dass ich bereit bin einen Schritt zu machen, denn er weiß, dass er sein Recht darauf verwirkt hat. Daichi...

Mein Blick gleitet hoch zur Decke. Was erwarte ich denn eigentlich? Gerade in diesem Moment... hat er da überhaupt etwas falsch gemacht oder will ich einfach wütend sein? Ich habe ihn gefragt, er hat geantwortet. Ich wollte es doch so, obwohl er mich gewarnt hat, dass ich mich schlecht fühlen werde. Und jetzt ist es so. Ich fühle mich furchtbar und er... er auch. Ich atme tief ein, schließe die Augen und atme dann langsam aus.

Als ich meine Augen wieder öffne, sehe ich wie Daichi mit der Fassung ringt. Seine Fäuste zittern, er hält den Kopf tief gesenkt, atmet stockend durch den Mund. Ich mache eine Schritt auf ihn zu, dass ich direkt vor ihm stehe und lege meine Hand an seine Wange. Überrascht zuckt er zusammen, lässt zu, dass ich seinen Kopf hebe, um ihm in die Augen zu sehen. Als sich unsere Blicke treffen, fließen zwei große Tränen seine Wangen hinunter. Ich hab ihn zum Weinen gebracht... das wollte ich nicht.

„Es... Es ist in Ordnung“, tritt es über meine Lippen und ich spüre eine fremdartige Ruhe in mir aufsteigen.

Er blinzelt mich mit großen Augen an, dass weitere Wassertropfen über sein Gesicht rollen. „Was...?“, flüstert er ungläubig.

Ich horche in mich hinein, doch es ist tatsächlich die Wahrheit. „Es ist in Ordnung“, wiederhole ich mich. Er starrt mich an, kann mir wohl nicht glauben. Ich lege meine Hand in seinen Nacken und ziehe seinen Kopf zu mir, bis seine Stirn auf meiner Schulter liegt. „Ich wollte es wissen, jetzt weiß ich es.“ Ich tätschele seine Haare. „Es ist okay...“, hauche ich und er zuckt zusammen.

Zögerlich hebt er die Hände und legt sie an meinen Rücken, schluchzt an meine Schulter. Ich küsse sein Ohr, da lehnt er sich zurück, um sich die Tränen aus dem Gesicht zu reiben. Schniefend steht er vor mir, braucht einen Moment, ehe er mich wieder ansehen kann.

„Dann bin ich eben nicht dein Erster.“ Er sieht mich bedauernd an. „Solange ich dein Letzter bin, ist das okay für mich.“ Er lächelt bitter und nickt eifrig.

Aufbruch (Daichi)

Am nächsten Morgen sind Suga und ich schon früh an der Halle. Heute trainieren wir wieder vor der Schule und da ich die Sporthalle aufschließen muss, sind wir beide die ersten vor Ort.

„Ach, verdammt.“

Ich sehe Suga fragend an, der in seiner Sporttasche wühlt.

„Ich habe heute morgen meine Socken vergessen und sie nur schnell in meine Tasche gestopft. Sie sind noch im Clubraum“, grummelt er und will an mir vorbei gehen, da halte ich ihn am Ärmel fest, woraufhin er mich überrascht ansieht.

„Ich hole sie schnell“, schlage ich lächelnd vor und neige mich zu ihm, um ihn auf die Wange zu küssen. Suga lächelt mich an und mir wird warm ums Herz. „Kein Problem. Geh ruhig schon mal rein.“

Daraufhin eile ich aus der Halle.

Im Clubraum angekommen, muss ich feststellen, das Sugas Socken nicht in seiner Tasche sind. Wie merkwürdig. Ich beginne die Seitentaschen zu durchwühlen, doch ohne Erfolg. Nachdenklich lege ich die Hand ans Kinn und blicke im Raum umher, da entdecke ich ein Paar Socken, neben den Stiften, auf dem Tisch. Bestimmt hat er sie gedankenversunken dort abgelegt.

Lächelnd nehme ich die Socken an mich und steige die Treppen vor dem Clubraum hinunter, als ich Stimmen in der Ferne höre. Mein Blick schweift zu unserer Umkleidekabine, deren Türe offen steht. Wer spricht denn da mit einander? Gerade als ich die letzte Stufe hinunter steige, stürmt Nishinoya aus der Umkleide. Mit tief gesenktem Kopf, rennt er an zur linken Seite davon und biegt um die Sporthalle ab. Ich blinzel ein paar mal, doch bevor ich den Moment richtig erfassen kann, kommt Asahi aus der Umkleide gesprintet, folgt Noya, ohne mich zu bemerken. Was ist denn hier los?

Ich überlege kurz, ob ich den beiden folgen soll, doch entscheide mich dagegen, gehe zurück in die Sporthalle.

„Super, Danke dir!“, freut sich Suga und nimmt mir die Socken aus der Hand.

Ich sehe ihn nachdenklich an. „Hör mal, weißt du, ob Nishinoya und Asahi sich gestritten haben?“

Sugas Augen weiten sich geschockt. Er sieht aus, als wären seine Befürchtungen eingetroffen, was meine Frage wohl beantwortet.

„Nein, aber ich weiß, dass sie ein Problem hatten“, gibt er zu und ich lege den Kopf zu Seite während er seufzt. „Asahi war ziemlich fertig deswegen.“

Ach, das hat Suga die ganze Zeit bedrückt. Ich hatte schon das Gefühl, dass er sich Gedanken macht, habe jedoch nicht genauer nachgefragt.

„Noya hat... ihm was verheimlicht und Asahi hat´s raus bekommen.“ Mit bedrückter Stimme senkt Suga den Kopf.

Ich sehe zur Tür hinaus. „Dann haben sie sich wohl gerade darüber gestritten.“

„Was...?“

„Als ich eben aus dem Clubraum gekommen bin, sind mir die beiden entgegen gekommen, eher gerannt, Noya voraus und Asahi hinterher“, erzähle ich ihm und er sieht mich entgeistert an. Dann kratzt er sich nachdenklich am Kopf. „Vielleicht ist es gut, wenn sie sich aussprechen.“ Suga sieht zu mir auf und ich nicke, meine Aussage bekräftigend. „Wenn man zusammen ist, dann sollte man alles mit dem Partner besprechen können. Geheimnisse führen nur zu Enttäuschungen.“

Ein leichtes Lächeln bildet sich auf Sugas Lippen. „Da hast du Recht.“
 

Wir bauen zusammen das Netz auf, da kommen Hinata und Kageyama, dicht gefolgt von Yamaguchi und Tsukkishima in die Halle. „Guten Morgen“, hallen unsere Stimmen durch den Raum, vermischen sich zu einem einzigen, leicht wirren Geräusch.

Ich blicke noch einen Moment länger zur Türe und werde für meine Ungeduld belohnt als Nishinoya die Sporthalle betritt. Noch in der Türe stehend, dreht er sich um, streckt die Hand nach hinten und ich sehe, wie diese von einer größeren Hand umschlossen wird. Asahi folgt ihm in die Halle, die Finger fest mit seinen verschlungen. Beide lächeln.

Ich drehe zufrieden den Kopf zu Suga, der die beiden schon bemerkt hat und auf dessen Gesicht sie auch schon ein Lächeln hervorgebracht haben.

Nacht (Sugawara)

„Schlaf schön.“, flüstert Daichi und küsst mich zärtlich.

„Du auch. Gute Nacht.“, erwidere ich sanft und küsse ihn zurück. So ist es, unser Ritual bevor wir einschlafen. Die Matratzenfedern knirschen leise unter seiner Bewegung. Es ist zu dunkel als dass ich sehen könnte, wie er sich umdreht, doch ich kann es hören.

Ich packe die Bettdecke und ziehe sie zu meinen Schultern hoch, während ich mich von ihm abwende und auf die Seite drehe. Ich seufze müde, während ich schon langsam in den Schlaf drifte.

Gerade als ich fast eingeschlafen bin, spüre ich eine Bewegung auf der Matratze, die mich zurück in den Moment holt. Was macht er denn da? Kann er nicht schlafen? Meine Bettdecke bewegt sich und ein leichter Druck baut sich an meiner Seite auf. Ich spüre, wie sich sein Arm um meine Hüfte legt und er mich zu sich zieht. Huch. Möchte er etwa noch kuscheln? Ich lächle leicht, bereit mich auf ihn einzulassen, doch in bin so müde, dass ich mich nicht bewege. Soll er sich so an mich legen, wie er mag, das ist mir recht.

Seine Hand gleitet an meinen Po und greift mit leichtem Druck zu. Ich spüre die Wärme auf meine Wangen schießen. Will er etwa doch nicht nur kuscheln? Er drückt seine Hüfte gegen mich und ich spüre sein Verlangen deutlich. Mein Atem geht tiefer. Noch bevor ich reagieren kann, schiebt er seine Hand unter den Bund meiner Shorts und tätschelt die Haut an meinem Po.

Jetzt ist mir klar, dass er mehr will.

Dann zieht er seine Hand zurück und entfernt auch seinen Körper ein Stück von mir. Irritiert warte ich einen Moment ab, bis ich ein Knistern höre. Was macht er da? Gerade will ich mich zu ihm drehen, da fasst er meine Schulter und drückt mich zurück in meine Ausgangsposition, auf der Seite liegend, von ihm abgewandt. Ohne Widerstand gleiten seine Finger über meinen Hintern. Hat er etwa nachgeholfen? Mein Verlangen holt mich ein und ich höre auf, darüber nachzudenken, genieße einfach, was er tut. Er kommt mir wieder näher und ich fühle, wie er sich positioniert. Aufgeregt schlägt mein Herz schneller. Das ist vergleichsweise wenig Vorspiel zu sonst, doch ich bin bereit.
 

***
 

Ich brauche einen Moment ehe ich wieder zu Atem gekommen bin, dann drehe ich mich erschöpft auf den Rücken.

„Das war der Wahnsinn.“, hauche ich und strecke meine Hand nach ihm aus. Schemenhaft kann ich in der Dunkelheit erkennen, dass er neben mir im Bett sitzt. Ich tätschle seine Wange, doch als sich seine schmalen Finger über meine Hand legen, macht sich ein mulmiges Gefühl in meinem Magen breit.

„Das finde ich auch.“ Meine Bewegung friert ein und ich spüre, wie der Schock mir in die Glieder fährt. Das ist nicht Daichis Stimme. Das ist nicht sein Gesicht. Das ist nicht er!

Ich entreiße ihm meine Hand, setze mich auf und schlage auf der Wand umher, bis ich endlich den Lichtschalter gefunden habe. Unangenehm gleißend dringt das Licht in meine weit aufgerissenen Augen als ich erkenne, wer neben mir im Bett sitzt. Es ist Kuroo.

Ein Zucken fährt durch meinen Körper, der sich so schwer anfühlt, wie lange nicht. Ich merke, wie mich Hände an den Schultern fassen. Dumpf dringt eine Stimme in mein Ohr. Sagt sie meinen Namen? Es ist so dunkel. Sind meine Augen geschlossen? „Suga.“ Das ist Daichis Stimme. „Suga. Baby, wach auf.“, sagt er sanft und fest zugleich. Mein Atem geht schnell, als ich die Augen aufschlage. Es ist dunkel im Zimmer. Ich liege im Bett und Daichi beugt sich mit besorgtem Gesichtsausdruck über mich. Ich kann ihn gut erkennen, meine Augen scheinen an die Dunkelheit gewöhnt zu sein. „Hey...“, macht er mit warmer Stimme. „Ist ja gut. Es war nur ein Traum.“ Ich blinzel ihn an, als ich erkenne, dass wir beide in unserem Schlafzimmer im Bett liegen. Mein Herz schlägt noch aufgeregt schnell. „Du hattest einen Alptraum, hast plötzlich zu schreien angefangen.“ Ich sehe ihn erschrocken blinzelnd an. Der Traum... er hat sich so real angefühlt, dass ich sogar in der echten Welt geschrien habe?

Er umarmt mich sanft. „Alles ist gut. Ich bin hier. Niemand kann dir etwas tun.“

Langsam weicht der Schock aus meinem Körper und ich lege die Hände an seinen Rücken. Nichts davon ist wirklich passiert. Oh, Gott sein Dank. Ich kuschel mich an ihn, mir ist vor Erleichterung zum Heulen zumute. Warum träume ich so etwas wildes? Warum träume ich von Kuroo?!

Angenehm überträgt sich Daichis Körperwärme auf mich. Es ist schön, ihn bei mir zu haben. Ich habe seine starken Arme schon immer sehr genossen, wenn sie sich um mich legen. Doch allmählich macht sich Unbehagen in mir breit. Wir sind uns so nah, kuscheln, küssen uns und schlafen mit einander, so wie früher. Doch es ist nicht wie damals, bevor er mir das Herz gebrochen hat. Dieser Traum hält mir wieder vor Augen, wie sehr meine Psyche belastet ist und je mehr ich darüber nachdenke, umso bewusster wird mir, dass ich ihm nicht verziehen habe. Ich bin nicht darüber hinweg, dass Daichi mich betrogen hat. Vielleicht werde ich das nie sein.

Diese Erkenntnis lässt den Kloß in meinem Hals noch stärker anschwellen.

Kann ich so leben?

Dass ich die Antwort auf diese Frage nicht weiß, ist wohl Antwort genug.

Ich lehne mich zurück, halte einen Moment den Kopf gesenkt als mich seine Wärme verlässt. „Daichi...“, setze ich zögerlich an, dann sehe ich zu ihm auf. Sein Blick ist fragend, er rechnet nicht mit dem, was ich sagen werde. „Es tut mir leid, aber...“ Angst beginnt seinen Blick einzunehmen und ich balle die Hände in meinem Schoß zu Fäusten. „... ich kann das nicht.“

„Was... kannst du nicht?“ Seine Stimme ist leise, von Unbehagen durchzogen.

Ich versuche ihn so fest anzusehen, wie es mein unruhig schlagendes Herz zulässt. „Ich kann nicht mit dir zusammen sein.“ Er blinzelt, schluckt. „Ich möchte...“ Es fällt mir schwer die Worte über die Lippen zu bringen. „Ich möchte, dass du ausziehst.“ Seine Augen weiten sich geschockt. „Ich brauche Abstand, um Nachzudenken. So lange du bei mir bist, werden meine Gefühle nicht zur Ruhe kommen. Und ich brauche Ruhe, um mich zu vergewissern, was ich wirklich will.“

Daichi atmet hörbar aus, während ich meine Fingernägel in die Handflächen presse. Ich bin so unsicher, dass ich weinen möchte. Doch genau das bestätigt mir doch nur, dass ich eben nicht davon überzeugt bin, das Richtige zu tun.

„Wenn es das ist, was du willst, dann werde ich deinem Wunsch folgen.“ Seine Stimme ist fast trocken, wirkt ein wenig traurig, doch nicht wirklich überrascht. Er steht auf, nimmt sein Bettzeug über den Arm. „Ich werde auf der Couch schlafen. Morgen früh werde ich gehen.“ Ohne sich nochmals umzuwenden, geht er aus dem Schlafzimmer und schließt die Türe hinter sich. Mit leerem Blick sehe ich ihm nach. Er hat nicht gegen argumentiert, hat nicht widersprochen, nicht mal versucht mich zu überzeugen, ihn nicht weg zu schicken. Sein Wille ist gebrochen, nur noch der meine zählt für ihn. Er fügt sich, weil er sich kein Recht zuschreibt, etwas zu erwidern. Der starke, immer liebevolle, mutige Beschützer ist nur noch ein Schatten seiner selbst. So ist es. Und es ist unerträglich. Ihn so zerstört zu sehen, zerreißt mir das Herz.
 

Als ich am nächsten Morgen aufstehe, hat Daichi das Frühstück gemacht. Doch gedeckt, ist nur für eine Person. Was das bedeutet, ist mir sofort klar. Als mein Blick in den Flur schweift, erkenne ich, dass er bereits seine Sachen gepackt hat. Ich liege richtig mit meiner Vermutung. Er wird nicht zum Essen bleiben. Etwas verloren steht er im Eingangsbereich, sieht runter zu seiner Tasche, die er mit beiden Händen vor den Oberschenkeln hält. Dieser Anblick gefällt mir gar nicht. Ich will nicht, dass er geht, doch ich kann auch seine Anwesenheit nicht ertragen.

„Möchtest...“, setzt er unsicher an, sieht nur verhalten zu mir auf. „Möchtest du nur körperlichen Abstand zu mir oder... auch emotionalen...“ Was meint er damit? Ich presse die Lippen zusammen. Diese Situation schnürt mir die Brust zu. „Willst du... Schluss mit mir machen?“ Ich schlucke. So ausgesprochen, klingt es einfach nur grausam. Ich soll entscheiden, ob unsere Beziehung beendet ist? Das will ich nicht. Doch, wenn ich es nicht tue, kann ich dann überhaupt einen Abstand zwischen uns bringen? Oder wird es sein wie als wäre Daichi verreist? Ich atme zittrig durch, dann nicke ich. „Ok.“, haucht er und schließt kurz die Augen. Dann sieht er mich an und ich drohe sofort im dunklen Braun zu versinken, muss mich zusammenreißen, nicht alles zu widerrufen. „Sag mir noch einmal, dass ich gehen soll und ich werde gehen.“ Ich beiße mir auf die Lippe, sehe ihn unsicher an. „Ich liebe dich, Suga.“ Mein Herz macht einen holprigen Sprung in der Brust. „Doch wenn ich jetzt gehe, dann ist es aus.“ Ich balle die Hände zu festen Fäusten, kämpfe gegen die Tränen an, die sich spürbar in mir aufbauen. „Wenn du mich danach bitten solltest zurück zu kommen, dann werde ich dich abweisen.“ Was? Ich starre ihn mit großen Augen an. Er lächelt sanft, doch schmerzerfüllt. „Wenn du mich ein zweites Mal bittest, werde ich dich wieder zurückweisen.“ Ich schlucke. „Aber wenn du mich ein drittes Mal fragst, zu dir zurück zu kehren...“ Er holt tief Luft und ein Glänzen schießt durch seine Augen. „... dann renne ich in deine Arme. Ich werde dich an mich drücken und dich nie wieder los lassen. Dann werde ich dich lieben, vollkommen und bedingungslos, bis ich sterbe.“ Ohne dass ich es verhindern kann, laufen Tränen über meine Wangen. „Also bitte. Sag es. Sag es, damit der Anfang vom Ende beginnt.“ Daichi... Ich liebe dich.

„Ich will, dass du gehst.“, kommt es zittrig über meine Lippen und Daichi nickt betroffen.

„Ich wünsche dir vor Herzen, dass du findest, wonach du suchst.“ Mit diesen sanften Worten tritt er durch die Türe und verlässt unsere Wohnung. Lange sehe ich die geschlossene Türe vor mir an, bis sich der Gedanke in meinem Kopf manifestiert hat, vor dem ich lieber davon gelaufen wäre, als ihm entgegen zu treten. Ich bin alleine in meiner Wohnung.

Zwischendrin (Daichi)

Mit einem mulmigen Gefühl steige ich die Stufen von Asahis Haus hoch. In den Händen trage ich die Reisetasche, in der ich das Nötigste zusammengepackt habe, bevor ich Suga in der Wohnung zurück lies. Zwei Jahre waren wir nun zusammen, immer ein Herz und eine Seele. Ich kann es noch nicht wirklich glauben, doch es ist aus. Es wird eine ganze Weile dauern, ehe ich ihn wieder berühren, drücken, küssen... darf, wenn es überhaupt dazu kommt. Ich schüttel den Kopf, um diesen Gedanken los zu werden. Ich bin mir sicher, dass Suga mich zurück nehmen wird, doch wenn es soweit ist, dann soll er sich wirklich und absolut sicher sein. Wenn ich dafür von ihm getrennt sein muss, dann ist es eben so. Auch wenn es unbeschreiblich weh tut.

„Daichi.“ Asahis warme Stimme dringt besorgt in mein Ohr. Ich sehe auf und er steht vor mir in der geöffneten Haustüre. Betrübt senke ich den Blick. Ich habe ihn angerufen, diese Nacht, ihn gefragt ob ich eine Weile bei ihm wohnen darf. Er hat es nur bejaht. Über mehr haben wir nicht gesprochen. Alleine daran zu denken, es aussprechen zu müssen, den Grund hierfür, schnürt mir die Brust zu. „Komm doch bitte rein.“ Ich nicke, lasse mich in den Flur bringen, wo ich Tasche und Schuhe abstelle, um mit ihm in sein Zimmer zu gehen. Erst als er die Türe hinter uns schließt, ergreift er wieder das Wort. „Ich habe einen Gäste-Futon. Du kannst mit mir in meinem Zimmer schlafen.“

Er ist so nett zu mir, dass mein Herz schneller schlägt. Ich würde mich so gerne ein wenig freuen, Zeit mit ihm zu verbringen, doch ich will einfach nur nach Hause. Ich will zu Suga. Mein Atem geht unregelmäßig und als ich merke, dass ich die Fassung verliere, schlage ich schnell die Hände vors Gesicht. Ich höre, wie Asahi betroffen ausatmet. Dann spüre ich seine Hand an der Schulter. Ohne nachzudenken, drehe ich mich zu ihm und werfe die Arme um ihn. Bitterlich weinend drücke ich mich an seine Schulter. Er zuckt kurz zusammen, dann legt er seine starken Arme um mich, gibt mir den Halt, den ich gerade ersehne, bereitwillig. Geduldig wartet er ab, lockert seinen Griff keinen Moment, bis ich mich schließlich ein wenig zurücklehne. „Danke, dass ich hier sein darf.“, kommt es mit gebrochener Stimme aus meinem Mund.

„Natürlich.“ Asahi sieht mir fest in die Augen und nickt. „Was auch immer passiert ist, wir sind Freunde, Daichi. Ich bin für dich da.“ Ach, Asahi. Ich schniefe. Ob er das immer noch sagen wird, wenn ich ihm gestehe, was ich getan habe? Ich schlucke, senke den Blick. „Du brauchst es mir nicht sagen. Wenn es dich so fertig macht, dann ist es sicher heftig. Aber wenn du willst, höre ich dir auch gerne zu. Wie du möchtest.“ Er nickt mir zu und ich reibe mir ein paar Tränen aus dem Gesicht.

„Doch. Du solltest wissen, was für einen Menschen du hier beherbergst.“ Asahi sieht mich verwirrt an. „Wenn du es nicht erträgst, dann sag es ruhig. Ich gehe dann sofort.“

„Daichi.“ Er fasst mich fest an den Schultern, dass ich erschrecke. Sein Blick durchbohrt mich förmlich. „Du bist mein Freund. Egal was passiert ist.“ Ich lächle ihn schief an, ergriffen von so viel Loyalität, dann weist er auf sein Bett. Etwas unruhig setzte ich mich und er nimmt neben mir Platz, sieht mich erwartungsvoll an. Ich atme tief durch.

„Ich...“ Ich kralle die Finger in meine Jeans. „Ich habe Suga betrogen.“

„Was?“, haucht Asahi ungläubig. Ich kann es eigentlich selbst nicht glauben. Wie konnte ich nur so blöd sein?

„Als ich in Tokio beim Captain-Training war... habe ich mit Kuroo geschlafen.“

Aus Asahis Mund tritt nur ein undefinierbares Keuchen. Ich traue mich nicht in seine Augen aufzusehen, doch der Schock ist klar in diesem Laut erkennbar.

„Ich war dumm und betrunken, habe mich einfach verführen lassen, mich ihm hingegeben....“ Darüber zu sprechen, zeigt mir nur nochmals deutlich, was für ein Idiot ich bin. „Ich habe es Suga sofort erzählt... dass ich einen riesigen Fehler gemacht habe.“ Ich sehe ihn vor mir, wie er weint, doch sich dann an meine Brust drückt. So voller Hoffnung, dass mein Herz beginnt zu schmerzen, wenn es schlägt. „Er wollte mich dennoch nicht aufgeben und wir haben versucht, wie vorher mit einander umzugehen.“ Ich schniefe. „Doch es hat nicht geklappt...“

„Daichi...“ Asahi klingt so besorgt, dass der Kloß in meinem Hals noch weiter anschwillt. „Das ist ja furchtbar.“ Da hat er Recht. „Ihr seid so ein schönes Paar.“ Tränen laufen über meine Wangen. „Das muss sich einfach wieder einränken.“, beteuert er und reibt meinen Rücken.

„Ich liebe ihn so sehr.“, hauche ich und krümme mich gequält nach vorne, vergrabe das Gesicht in den Händen.

Warm ruht Asahis Hand auf meinem Rücken. „Suga liebt dich auch. Wenn er das einsieht, dann wird alles wieder gut.“ Ich hoffe so sehr, dass er Recht hat, dass es einem Gebet gleich kommt.

„Findest du mich nicht abstoßend? Ich habe etwas schreckliches getan...“, sage ich leise als ich mich wieder ein bisschen beruhigt habe.

Seine warme Hand verweilt immer noch an meinem Rücken. „Mmh.“, verneint er. „Wir sind Menschen und Menschen machen Fehler.“

„Aber diesen hier kann ich vielleicht nie wieder gut machen.“ Ich atme zittrig ein, presse die Hände in meinem Schoß gegen einander. Was wenn Suga mir nicht verzeihen kann? Ich schlucke, merke, dass Asahi zögert, mir zu antworten. „Was... Was würdest du tun?“, frage ich vorsichtig, weiß nicht ob er mir antworten möchte. Seine Finger bewegen sich ein winziges bisschen an meinem Rücken. „Wenn dein Partner mit einem anderen geschlafen hätte?“ Asahi atmet hörbar ein. „Könntest du ihm vergeben?“ Seine Finger drücken sich fester an mich. „Könntest du damit umgehen?“ Eine kurze Pause entsteht. Er scheint ehrlich darüber nachzudenken, will wohl nicht voreilig antworten. Oder ist es ihm unangenehm? „Entschuldige. Du musst natürlich nicht antworten.“, rudre ich schnell zurück, habe Sorge, dass Asahi sich unwohl fühlt. Es war gemein ihn das zu fragen.

„Wenn...“, setzt er dann doch plötzlich an und ich sehe zu ihm auf. Sein Blick ist an die Zimmerdecke gerichtet und er wirkt konzentriert. „Wenn es ihm aufrichtig leid tut und er mich von ganzem Herzen liebt und an seiner Seite haben will, dann würde ich ihm verzeihen.“ Mit großen Augen beobachte ich Asahi, auf dessen Lippen sich ein sanftes Lächeln legt. „Weil ich ihn liebe, mehr als alles andere auf der Welt. Ich will, dass er glücklich ist. Und wenn er davon überzeugt ist, dass ich sein Glück bin, dann... dann will ich mit ihm zusammen sein.“

Mit Herzklopfen seufze ich leise, angetan von seinen schönen Worten. „Wow.“

Er bemerkt meinen erstaunten Blick und beginnt verlegen zu lachen. „Ist das kitschig? Klingt vielleicht ein bisschen naiv.“, gibt er lächelnd zu. „Aber so empfinde ich.“ Ich lächle leicht. „Ob ich allerdings damit klar komme, ist eine andere Frage.“ Seufzend sieht er zum Fenster raus, dann lässt er den Kopf hängen. „Es muss ja einen Grund gegeben haben, dass er fremd gegangen ist.“ Ein Stich fährt mir durchs Herz. Ich weiß, dass er gerade nicht von mir spricht, dennoch fühle ich mich adressiert. „Selbst wenn der andere Typ einfach nur gut aussieht... vermutlich würde ich anfangen mich mit ihm zu vergleichen und dann... feststellen, dass ich kläglich gegen ihn verlieren würde. Vielleicht... ist er sogar besser für meinen Partner als ich...“ Betrübt sieht er zu Boden.

Ich richte mich neben ihm auf. „Asahi, nicht traurig sein. Das ist nur Theorie.“, sage ich schnell und er blinzelt mich überrascht an.

„Stimmt.“ Er lacht kurz auf. „Stimmt, entschuldige.“

Dennoch kurbeln seine Worte meine Gedanken an. Suga hat mir im Streit vorgeworfen, dass ich will, dass er wie Kuroo ist. Aber hat er etwa auch mit dem Gedanken gespielt, dass ich Kuroo lieber an meiner Seite hätte als ihn? Ich sehe ihn vor mir, mit Tränen in den Augen, wie er zu mir sagt, dass er Angst hat mich an Kuroo zu verlieren, weil ich Gefühle für ihn habe. Dann ist die Antwort wohl Ja. Als Kuroo Anspielungen gemacht hat, dass er mich attraktiv findet, ist Suga ausgerastet. Er wollte ihn sogar schlagen. Suga war noch nie vorher eifersüchtig gewesen, aber in diesem Moment hatte er auch das erste mal einen Grund dazu. Er konnte sich nicht mehr sicher sein, weil er... mir nicht mehr vertraut. Verdammt.
 

Am nächsten Tag kommt Suga nicht zur Schule. Auch fürs Training sagt er ab. Den Tag darauf, das selbe. Ich habe den anderen nichts von unserer Trennung erzählt, sie glauben er sei krank. Nur Asahi weiß es besser, doch er schweigt wie ein Grab. Seufzend und zunehmend besorgt gehe ich nach dem Training den Schulflur entlang, hole meine Laufschuhe aus dem Klassenraum, die ich zuvor dort vergessen habe. Ich habe nichts von Suga gehört. Keine Nachricht, nichts über die anderen erfahren. Nur Coach Ukai hatte uns mitgeteilt, dass er sich beim Training entschuldigen lässt. Mit den Schuhen in der Hand mache ich mich auf den Weg zum Ausgang, spiele mit dem Gedanken ihm zu schreiben, als ich vertraute Stimmen höre.

„Was, wie kommst du denn darauf?!“ Das ist Nishinoyas Stimme. Er ist hörbar aufgekratzt.

„Ist doch egal, ich will deine Antwort hören.“, entgegnet ihm Asahi unsicher. Ich bleibe stehen, um nicht in ihre Unterhaltung zu platzen. Asahi steht am Ausgang des Gebäudes, wo wir uns verabredet haben, um gemeinsam zu ihm nach Hause zu gehen. Ich lehne mich mit dem Rücken an die Wand. Eigentlich will ich nicht lauschen, das geht mich nichts an. Aber neugierig bin ich schon. Worum es wohl geht?

„Es ist doch eine berechtigte Frage... schließlich gibst du doch zu, dass du auf Shimizu stehst. Das weiß jeder.“ Asahis Stimme wackelt.

„Ja, aber das ist doch was ganz anderes.“, kontert Noya.

„Wieso?“, gibt Asahi zurück, mit ernster Stimmfarbe. „Wenn sie auf dich zukommen würde und dir sagt, dass sie sich in dich verknallt hat, würdest du sie nehmen, oder?“

Meine Augen werden groß. Asahi... Macht dir das wirklich Sorgen? Ob das meine Schuld ist, weil ich ihn so egoistisch nach seinem Rat gefragt habe? Ich senke betrübt den Blick.

„Natürlich nicht.“ Noyas Tonlage ist fast wütend, was ungewöhnlich für ihn ist. Vorsichtig neige ich mich ein wenig vor, um die beiden zu sehen. Asahi steht in leicht gebückter Haltung vor Noya, der mit verschränkten Armen, ihm seitlich zugewandt steht. Jetzt dreht er sich jedoch zu ihm, legt die Hände an Asahis Schultern, das er zu ihm aufsieht. „Ich will nur dich. Das weißt du.“ Seine Stimme ist so warm, dass sogar ich Herzklopfen bekomme. „Vertraust du mir?“

Asahi nickt. „Ich habe nur Angst, dass du erkennst, dass du es besser haben kannst.“ Er beißt sich auf die Unterlippe.

Noya lächelt ihn sanft an. „Ich liebe dich.“ Er streichelt sanft Asahis Wange, streckt sich dann zu ihm hoch und küsst ihn. Ich spüre Wärme auf meinen Wangen. „Sei nicht immer so unsicher. Du bist das Beste, was mir passieren konnte. Ich will niemand anderen als dich. Ok?“

Asahi lässt die Finger über Noyas Wange gleiten, mit dem herzlichsten Lächeln, dass ich je gesehen habe. „Ich liebe dich auch.“

„Dann ist ja alles gut.“ Noya grinst ihn an und auch Asahi entkommt ein leichtes Lachen.

Ich freue mich für die beiden und bin gleichzeitig ein bisschen neidisch. Ich vermisse dieses geturtel, was auch Suga immer sehr gemocht hat.

„Daichi braucht aber lange.“, stellt Asahi fest und ich bemerke, dass er ja auf mich wartet.

Ich gehe einen Schritt zurück und biege dann schwungvoll um die Ecke, auf die beiden zu. Sie stehen vor einander und halten sich an der Hand. Auch als ich näher komme, lösen sie die Finger nicht von denen des anderen. Ein Statement, das ich wohl gerne sehen darf. „Da bin ich. Tut mir leid, dass du warten musstest.“, richte ich mich an Asahi, der mir lächelnd zunickt.

„Lernt ihr zusammen oder warum gehst du mit zu Asahi?“, fragt Noya plötzlich und schickt mir damit unbewusst einen kalten Schauer über den Rücken.

Asahis Blick trifft meinen fragend und ich seufze. „Ich schlafe bei Asahi.“, sage ich mit gedrückter Stimme.

„Schon seit drei Tagen, ich weiß.“, kontert Noya und drückt Asahis Hand, während wir gemeinsam losgehen. „Du hast... dich mit Suga gestritten, oder?“ Noyas Stimme ist leise und klingt besorgt.

Ich schlucke. Eigentlich hätte ich mir denken können, dass er als erster dahinter kommt, schließlich blockiere ich quasi seinen Freund. Ich atme durch. Dann ist es wohl an der Zeit auszupacken.

„Mehr als das.“, gebe ich zu.

„Das tut mir leid, zu hören.“, sagt Noya schnell, bevor ich weiter reden kann. „Ihr benehmt euch schon ne Weile komisch.“ Ach ja? „Als Suga Kuroo verprügeln wollte, habe ich schon vermutet, dass es Schwierigkeiten bei euch gibt.“ Hm. Das war wohl ziemlich eindeutig. „Aber als ihr danach Sex hattet, dachte ich, dass es sich wieder eingerenkt hat.“

Mir schießt die Röte ins Gesicht und auch Asahi wird feuerrot um die Nase. „Noya, sag das doch nicht so einfach heraus...“, meint Asahi und fuchtelt wild mit seiner freien Hand.

„Wieso? Ist euch das unangenehm?“ Er sieht zwischen uns hin und her. Wir senken beide peinlich berührt den Blick. „Also echt. Wir sind alle lang genug in Beziehungen, dass wohl klar sein sollte, was wir hinter verschlossenen Türen machen.“

„Das schon.“, lenke ich mit spürbar roten Wangen ein. „Dennoch posaunen wir es nicht rum.“

Noya sieht Asahi an, der mir zustimmend nickt. „Ok. Entschuldigung.“ Noya verneigt sich leicht meint es eindeutig ehrlich. Ohne mein Zutun stiehlt sich ein Lächeln auf meine Lippen.

Vor Asahis Haustüre verabschiedet sich Noya. „Ich wünsche euch, dass ihr euch bald wieder versteht.“, sagt Noya an mich gerichtet. „Ihr seid uns beide sehr wichtig.“

Ich sehe ihm staunend nach, wie er davon läuft. „Da hat er Recht.“, meint Asahi und ich blicke in sein Lächeln.

„Ich hoffe es auch.“, sage ich gedankenversunken und gehe mit Asahi ins Haus.

Zwischendrin (Sugawara)

Das Gesicht gegen meine Knie gedrückt, sitze ich zusammengekauert im Bett. An den Bauch drücke ich Daichis Kissen, habe es fest in die Arme geschlossen. Nach unzähligen Stunden kommt nur noch ein vereinzeltes Wimmern über meine Lippen, meine Tränen sind längst versiegt. Ich kann mich nicht daran erinnern, mich jemals so schlecht gefühlt zu haben. Mein gesamten Körper tut weh, ich kann nicht anders als verkrampft auf der Stelle zu hocken, habe seit Tagen weder gegessen noch getrunken. Mein einziger Gefährte ist das Handy, dass ich zwischen Kissen und Brust an mich drücke. Immer wieder stehlen sich meine Blicke auf das Display, dessen Sperrbildschirm mich und Daichi im Trikot zeigt, kurz nach dem Sieg über die Aoba Josai beim Frühlingsturnier. Glücklich lachend drücken wir die Wangen an einander für dieses Sieger-Selfie. So lange ist das noch gar nicht her gewesen, doch es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Immer wieder erreichen mich Nachrichten von meinen Freunden, die sich erkundigen, wie es mir geht. Ich sage ihnen ich habe Migräne. Seit fast einer Woche bin ich nicht zur Schule gegangen, geschweige denn zum Training. Wie soll ich die Kraft dafür finden, wenn ich es nicht einmal schaffe aus dem Bett aufzustehen? Zudem könnte ich es nicht ertragen Daichi zu begegnen. Ihn zu sehen, mit ihm zu trainieren, seinen Duft wahrzunehmen... das ist zu viel für mich. Als ich den Kopf zu den zugezogenen Gardinen drehe, wird mir schwindelig. Mein Kreislauf ist im Keller, ich sollte dringend zumindest etwas trinken. Langsam rutsche ich zur Bettkante, hebe mich auf die wackeligen Beine. Daichis Kissen und mein Handy behalte ich an mich gedrückt, trage sie vor mir her bis in die Küche. Auf der Spüle steht ein Glas, welches ich gedankenlos mit Wasser aus der Leitung fülle und in einem Zug austrinke. Sofort schießt ein wenig Leben durch meine Adern. Das war mehr als nötig.

Es klingelt an der Türe.

Müde drehe ich den Kopf in die Richtung aus der das schrille Geräusch gekommen war. Wie viel Uhr haben wir überhaupt? Ich suche zwischen dem Stoff und den Federn vor meiner Brust nach meinem Handy, während ich mit schlurfenden Schritten durch den Flur laufe. 19:30 Uhr. Ein wenig spät für Post. Vor der Türe bleibe ich stehen, überlege, sie nicht zu öffnen. Ich schrecke zusammen als es nochmal klingelt. Nachdenklich betrachte ich die Türe, drücke das Kissen fester an mich.

Ein kurzer Moment vergeht.

Ob die Person aufgegeben hat? Dann klingelt mein Handy. So laut und plötzlich, dass ich wieder heftig zusammenzucke. Da ich es noch in der Hand halte, erkenne ich den Anrufer schnell. Es ist Tanaka. Ich räuspere mich, atme durch, dann gehe ich ran. „Ja?“ Meine Stimme ist kratzig, wirkt als wäre ich gerade erst aufgewacht. Verständlich allerdings, wenn man bedenkt, dass ich seit Tagen kein Wort geredet habe.

„Hallo, Suga“, sagt Tanaka mit ruhiger Stimme. „Bist du gar nicht zu Hause?“

Ich zögere. Wie kommt er denn darauf? „Doch“, murmel ich und sehe die Türe vor mir an.

„Ah, ok. Würdest du mir dann bitte die Türe aufmachen?“ Erstaunt atme ich ein. Also steht er gerade auf der anderen Seite.

„Mh... Mir geht es nicht so gut...“, sage ich unsicher, starre die helle Türe an.

„Oh, schon klar. Ich will dich gar nicht belästigen. Dann... stelle ich es einfach hier hin und du nimmst es dir rein, wenn du die Kraft dafür findest.“ Ich höre ein Rascheln auf der anderen Seite der Türe. Er hat mir etwas mitgebracht? Wie lieb von ihm. Ich beginne an meiner Lippe zu knabbern, lege zögerlich die Hand an die Türklinke. Es ist Tanaka. Was soll schon passieren, wenn ich ihn sehe? Ich schüttel den Kopf, dann entscheide ich mich dafür die Türe zu öffnen.

Überrascht sieht er zu mir auf, wollte gerade die Griffe der Tüte loslassen, die er auf die Fußmatte gestellt hat.

„Suga.“ Ein breites Lächeln zieht sich über sein Gesicht und er richtet sich vor mir auf. „Schön dich zu sehen.“ Ich versuche mich an einem Lächeln, doch meine Mundwinkel fühlen sich verspannt an. Sieht sicher merkwürdig aus. Tanaka geht nicht weiter darauf ein, hebt die Tüte vor sich an. „Ich habe dir Onigiri mitgebracht und Ramune-Limonade.“ Ich blinzel erstaunt. „Wenn es dir so schlecht geht, dann kochst du bestimmt nicht. Und du musst ja was essen, um schnell wieder fit zu werden. Also...“ Er kratzt sich am Kopf.

Diese kleine Geste ist so süß von ihm. Damit kann ich gar nicht umgehen gerade. Ohne mein Zutun füllen sich meine Augen mit Tränen. Hätte ich doch bloß nichts getrunken. „Danke...“, hauche ich fast tonlos und Tanaka sieht mich erschrocken an.

„Oh, nicht doch“, sagt er mitleidig und legt die Hand an meine Schulter. Als ich den Kopf tiefer senke, um meine Tränen zu verbergen, fährt sein Arm um meine Schultern und er drückt mich beherzt an sich. Die Erleichterung, welche die Tränen und seine Umarmung mit sich bringen, lässt mich das Kissen loslassen und stattdessen die Arme um Tanakas Mitte schlingen. Ganz sachte schaukelt er mich hin und her, was mich tatsächlich beruhigt.

„Entschuldige“, wimmere ich an seine Schulter gedrückt und er legt die Hand zwischen meine Schulterblätter, drückt mich etwas fester an sich.

„Schon ok.“ Meine Knie beginnen zu zittern, was ihm wohl nicht verborgen bleibt. „Du bist echt schlecht dran, oder? Hast länger nichts gegessen, kann ich mir vorstellen.“ Ich nicke an ihn gelehnt. Er schiebt einen Arm um meine Taille und geht mit mir zusammen bis zur Couch im Wohnzimmer, wo wir uns neben einander hinsetzen. „Ich mach dir was fertig.“ Er lächelt mir zu. Bevor ich etwas erwidern kann, geht er in die Küche.

Es dauert nicht lange und er kommt mit den angerichteten Onigiri und der geöffneten Flasche Ramune zurück zu mir, stellt alles auf den Couchtisch. Ich nicke ihm dankend zu und knabbere ein paar Reiskörner von der Spitze eines Onigiri. „Ich weiß, dir ist nicht danach zumute, aber ohne Energie wirst du nicht gesund.“ Er legt die Hand an meinen Rücken und streicht fürsorglich auf und ab.

„Das ist wirklich lieb von dir, Tanaka“, sage ich gerührt und trinke einen Schluck der süßen Limonade. Dann ist es eine ganze Weile still.

Während ich langsam kaue, sehe ich zu ihm rüber, wie er mit gesenktem Blick da sitzt und schweigt. Sein leicht angespanntes Gesicht verrät mir, dass er tausende Sachen sagen möchte, doch er entscheidet sich schweren Herzens für die Stille. Sicher will er mich nur nicht unter Druck setzen oder verletzen. Tanaka... umsichtig wie immer.

„Ich bin gar nicht wirklich krank“, gebe ich leise zu und er wendet mir überrascht den Kopf zu. Seine grauen Augen ruhen erwartungsvoll auf mir, während ich seufzend durchatme. „Ich habe Liebeskummer...“

Ein schreckliches Gefühl. Das wünsche ich nicht mal meinem Feind. Meine Gedanken schweifen zu Kuroo und ich hasse mich im gleichen Moment dafür. Er kann doch nichts dafür, ist gar nicht mein Feind. Wie gemein von mir so etwas auch nur zu denken.

„Daichi und du...“, setzt Tanaka zögerlich an. „Ihr... habt euch getrennt... oder?“ Er spricht so vorsichtig, als könnten seine Worte mich nur durch seinen Atemstoß von der Couch fegen. Ich nicke und der Kloß in meinem Hals lässt mich das Kauen einstellen. „Wenn es dich so traurig macht... hat... hat dann er mit dir Schluss gemacht?“ Mein Herz schlägt spürbar langsamer. Ich sehe, wie er an seinen Fingern knibbelt. „Du musst es nicht sagen...“, rudert er schnell zurück.

„Schon gut.“ Ich schlucke. „Nein. Ich habe ihn gebeten auszuziehen.“

„Oh“, macht Tanaka betroffen. „Und jetzt bereust du es?“

Ich schnappe nach Luft, kaue an der Innenseite meiner Lippe während sich mein Blick trübt. „Ich... Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn so sehr vermisse, dass... dass es weh tut.“ Tränen laufen über meine Wangen. Warm spüre ich Tanakas Hand auf meinem Rücken. „Ich... Ich liebe ihn so sehr...“ Ich lasse meinen Gefühlen freien Lauf, weine bitterlich, während ich die nachlaufenden Tränen von meinen Wangen reibe. Tanaka nimmt mir das Onigiri aus den Händen, legt es auf den Teller auf dem Tisch. Er dreht sich zu mir und schließt die Arme fest um mich. Dankbar fahren meine Hände seinen Rücken hinauf und ich kralle die Finger in seinen Pullover, drücke ihn an mich, weine hemmungslos. Seine Wärme zu spüren tut gut, ebenso wie sein starker Halt. Das Mädchen, was mal in seinen Armen ruhen darf, hat es wirklich gut.

„Verrätst du mir, warum du Daichi rausgeworfen hast?“, fragt Tanaka leise, drückt mich ein bisschen fester an sich. So angenehm. Eigentlich gibt es doch gar keinen Grund, es geheim zu halten. Tanaka kann ich vertrauen, er wird es nicht rum erzählen.

„Weil ich es noch nicht geschafft habe, ihm zu verzeihen“, gebe ich traurig zu, rede gegen den Stoff an seiner Schulter.

„Verzeihen?“, murmelt Tanaka, hält mich weiter fest im Arm.

„Ja.“ Als ich die Augen schließe rollen zwei große Tropfen über meine Wangen. „Er ist mir fremdgegangen.“

Tanaka zuckt in meinen Armen zusammen. Damit hat er nicht gerechnet. Genauso wenig wie ich.

„Ich... das ist ja heftig...“, sagt er nach einer kurzen Pause mit irritierter Stimme.

„Er war betrunken und es tut ihm leid. Wirklich sehr leid“, führe ich weiter aus. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Daichi es ehrlich meint. Er bereut aufrichtig was geschehen ist. Ich seufze leise, da wird der Griff um meine Schultern fester.

„Dass er getrunken hat, ist keine Entschuldigung.“ Ich nicke an Tanakas Schulter, als seine Stimme überraschend fest erklingt. „Also ich würde ihn nicht zurück nehmen.“ Mein Herz setzt einen Schlag aus. Nie wieder mit ihm zusammen zu sein, ist keine Option für mich gewesen. Es soll nur eine Pause sein, doch diese andere Möglichkeit so offen ausgesprochen zu hören, ist beängstigend. „Es gibt doch keine Garantie dafür, dass so was nicht wieder passiert.“ Da hat er Recht.

„Eine Garantie gibt es nie“, kontere ich unbewusst und Tanaka lehnt sich ein Stückchen zurück, bis wir uns in die Augen sehen können. Traurig liegt sein Blick auf mir.

„Die Grenze ist doch schon überschritten. Es ist sicher einfacher, beim zweiten Mal.“

Ich beiße mir auf die Lippe, will nicht hören, dass ich Daichi womöglich ein zweites Mal verlieren könnte. Kopfschüttelnd schlucke ich angespannt. „Nein. Er hat mir versichert, dass er nur mich will.“

„Und du glaubst ihm das?“ Ich nicke heftig. Tanaka sieht nachdenklich zu Boden, dann blickt er mich fest an. „Wenn du keinen Zweifel hast, warum willst du dann Abstand?“

Ich blinzel langsam. „Auch wenn ich mir sicher bin, dass er mich liebt und dass er mir von nun an treu sein wird, so ist doch mein Herz gebrochen. Ich bin traurig und verletzt.“ Wie viel Wahrheit in diesen Worte steckt, wird mir erst klar als ich sie ausspreche.

Tanaka nickt und streichelt über meine Schulter. „Verstehe.“

Zwischendrin 2 (Daichi)

Müde strecke ich mich auf dem Futon vor Asahis Bett. Seit fünf Tagen lebe ich mit in seinem Haus. Auch in dieser Nacht habe ich nicht wirklich gut geschlafen. Meine Gedanken hängen an Suga und dass er sich nicht meldet, macht es nicht einfacher für mich. Ich frage mich, was er tut, wie es ihm geht, ob er vernünftig isst. Wenn er sich bis heute Abend nicht meldet, dann schreibe ich ihm, beschließe ich und nehme mein Handy in die Hand. Eine neue Nachricht, doch nicht von Suga. Irritiert ziehe ich eine Augenbraue hoch. Sie ist von Kuroo.

Seit Suga so ausgerastet ist und ihn verprügeln wollte, haben wir uns nicht gesehen, auch keine Nachrichten geschrieben. Was könnte er wollen?

Ich öffne seine Nachricht, fliege über die kurze Zeile. „Hi... Können wir reden?“, lese ich leise vor. Reden? Was gäbe es zwischen uns zu besprechen? Außerdem irritieren mich die drei Punkte. Sie verdeutlichen mir ein Zögern, völlig unüblich für ihn.

„Guten Morgen, Daichi“, dringt Asahis Stimme freundlich in mein Ohr.

Ich sehe ruckartig zu ihm hoch, war so in Gedanken, dass mich sein Gruß erschreckt hat.

„Guten Morgen“, bringe ich schnell hervor und Asahi mustert mich aufmerksam.

„Was ist los?“

Ich sehe auf mein Handy, lese die Nachricht nochmal. „Kuroo möchte mit mir sprechen.“

Asahi schreckt zusammen, zieht die Augenbrauen besorgt zusammen. „Was?!“ Als ich seiner Reaktion mit Schweigen begegne, kratzt er sich im Nacken. „Willst du dich etwa mit ihm treffen?“ Mein Blick wird fokussierter, dann nicke ich. „Oh... denkst du, das ist eine gute Idee?“ Seine Stimmfarbe verrät mir sofort, dass er gegenteiliger Meinung ist.

Seufzend blicke ich ins Display in meiner Hand. „Wenn er mit einem Problem zu mir kommen möchte, dann... höre ich ihm zu.“ Ist das naiv von mir? Im Grunde genommen spricht doch nichts dagegen, dass wir uns treffen. Wir haben uns immer gut verstanden. Bis wir uns zu gut verstanden haben...

„Aber...“, meint Asahi mit wackliger Stimme. „Es ist Kuroo...“

Mein Blick schießt zu ihm nach oben. Asahis Gesichtsausdruck ist voller Sorge. „Ich will nichts von ihm. Es wird nichts passieren“, sage ich fest. „Mag sein, dass ich mich einmal auf ihn eingelassen habe, doch das werde ich kein zweites Mal. Das eine Mal hat mir viel zu viel kaputt gemacht... Das riskiere ich nie wieder.“

„Ich weiß nicht...“, zeigt sich Asahi wenig überzeugt. „Wenn euch jemand sieht, wird es Gerede geben.“

„Trotz allem sind wir Freunde“, sage ich eindringlich, dass Asahi eingeschüchtert den Blick abwendet. „Wäre es nicht viel verdächtiger, wenn ich ihn abweise?“ Er blinzelt überrascht. „Das würde doch erst beweisen, dass es einen Grund gibt, ihn nicht zu treffen.“

Ich setze mich auf, während Asiahi mich beunruhigt ansieht. Heute ist Samstag und wir haben erst Nachmittags Training. Ich tippe auf meinem Handy, schreibe Kuroo zurück. „Ja. Wann und wo?“, flüstere ich leise. Zu meiner Überraschung, vibriert mein Handy keine 3 Sekunden später. Er muss seines bereits in der Hand gehabt haben, um derart schnell antworten zu können.

„Und?“, fragt Asahi mit wackliger Stimme.

Ich blinzel mein Handy an. „Er ist im Park, bei der Schule.“

„Was macht er in Miyagi?“ Asahi hat sich hingesetzt und sieht nachdenklich zum Fenster hinaus. Das finde ich in der Tat auch ein wenig seltsam. Vielleicht etwas familiäres. Jedenfalls will ich mir nicht einbilden, er könnte wegen mir hier sein. „Soll ich mitkommen?“

Ich sehe überrascht zu ihm auf, wie er die brauen, schulterlangen Haare in einen flüchtigen Zopf bindet. Möchte er die Anstandsdame spielen oder macht er sich tatsächlich nur Sorgen um mich? Ich lächle leicht. Beides würde für ihn sprechen. „Wenn du magst, kannst du gerne mit zum Park kommen. Mit ihm reden, möchte ich aber alleine.“

Asahi nickt mir zu und wir machen uns fertig.

Gegen Mittag kommen wir an der Schule an. Wir biegen um die Ecke mit der niedrigen Mauer, von wo man den Park bereits sehen kann, doch Asahis Blick wandert in die andere Richtung. Ich lächle leicht, wohl wissend, dass Nishinoya in seiner Blickrichtung wohnt.

„Wir sehen uns später“, sage ich nickend und Asahi winkt mit lächelnd zu, dann trennen sich unsere Wege.

Im Park angekommen, laufe ich unter den blühenden Bäumen hindurch bis zum Brunnen in der Mitte des Geländes. Es ist ein warmer Tag, die Sonne steht einsam am wolkenlosen Himmel. Ob Suga auch gerade draußen ist? Ich wage es zu bezweifeln. Mit gesenktem Kopf sehe ich mich um. Ich warte etwa 10 Minuten, da erscheint Kuroo am Ende des Weges. Zu seiner rechten geht Kenma in der üblichen, leicht gebückten Haltung. Beide sind komplett in schwarz gekleidet. Ich schlucke. Es sieht aus, als kämen die beiden von einer Beerdigung.

Auf halbem Weg zu mir, wendet sich Kuroo seinem Teamkameraden zu und fasst ihn an den Schultern. Kenma sieht kurz zu ihm auf, als er etwas sagt, was ich aufgrund der Distanz nicht verstehen kann. Dann wendet sich der blondgefärbte Zuspieler ab, verschwindet auf dem Weg zwischen den dichten Bäumen. Ich bemerke, dass ich an meiner Unterlippe knabbere, als Kuroo weiter auf mich zu schreitet. Was macht mich so nervös? Ich denke, es ist die Situation, hoffe, es liegt nicht an Kuroo selbst. Ich schweige bis er direkt vor mir steht, sehe ihn erwartungsvoll an.

„Hallo, Daichi“, sagt er mit warmer Stimme, schenkt mir ein leichtes Lächeln.

Meine Nervosität überspielend, versuche ich mich auch an einem Lächeln. „Kuroo“, antworte ich knapp.

„Danke, dass du dich bereit erklärt hast, dich mit mir zu treffen.“ Er kratzt sich verlegen am Hinterkopf. „Ich war mir nicht sicher, ob du mich sehen möchtest.“

So zurückhaltend habe ich ihn noch nie erlebt. Etwas scheint ihn sehr zu beschäftigen. „Wie kommt es, dass du hier in Miyagi bist?“, beginne ich erst mal Smaltalk, um uns beide ein wenig aufzulockern.

Er sieht zu Boden. „Die Schwester von Kenmas Tante, welche hier in Miyagi gelebt hat, ist leider verstorben.“ Bedrückt senke ich den Blick. So etwas hatte ich vermutet. „Ich begleite ihn zur Beerdigung.“ Ich nicke.

„Tut mir leid, das zu hören. Bitte richte ihm meine Anteilnahme aus“, sage ich leise und neige mich leicht zu ihm vor.

Er hebt den Blick wieder. „Danke. Das werde ich tun.“

Ein kurzes Schweigen baut sich auf, unsere Blicke weichen einander aus. Dann fasse ich Mut und sehe ihn direkt an. Es dauert nicht lange, da trifft sich unser Blick doch. „Worüber möchtest du mit mir reden?“, frage ich überraschend direkt.

Kuroo sieht mich an, seine sonnenfarbenen Augen lassen nicht von meinen ab. Er atmet tief durch, während sein Blick einnehmender wird. „Ich habe das von dir und Sugawara gehört.“

Mein Herz schlägt augenblicklich schneller. Woher weiß er es und warum will er deswegen mit mir sprechen? Ich schlucke nervös. „Ihr habe euch getrennt... Stimmt das?“

Ich senke den Kopf. Es so ausgesprochen zu hören, jagt einen Schmerz durch meine Brust. „Ja“, antworte ich knapp, so fest es meine Stimme zulässt.

Ich höre, wie er atmet, scheint auch aufgeregt zu sein. „Wegen mir?“

Mein Blick hebt sich wieder. Es fällt mir schwer, doch ich sehe ihm in die Augen. Er wirkt bedrückt.

„Nein.“ Überrascht weiten sich seine Augen. „Wir haben uns getrennt, wegen dem, was ich gemacht habe.“ Er sieht mich einen Moment perplex an, dann nickt er. Ich lege den Kopf zur Seite. „War das der Grund, weswegen du mit mit reden wolltest? Hattest du Sorge, dafür verantwortlich zu sein?“

Kuroo schweigt, sieht zu Boden.

„Auch“, dringt es nach einem Moment der Stille aus seinem Mund. Ich sehe ihn fragend an, beobachte dann, wie er seine Finger in den Bund seines Hemdes drückt. „Ich...“, setzt er an, dann sieht er zu mir auf. So plötzlich, dass ich leicht zusammenzucke. „Ich denke jeden Tag an dich.“

Ein warmer Schauer läuft mir den Rücken runter, während Kuroos Blick etwas Bedrücktes annimmt. „Daichi... Ich mag dich. Ich mag dich wirklich sehr.“ Mit weit geöffneten Augen sehe ich ihn an. „Für mich war es nicht nur ein One-Night-Stand. Ich habe gehofft, aus uns könnte mehr werden.“ Er drückt die Hand an seine Brust und mein Magen zieht sich unangenehm zusammen. „Ich weiß, du hattest andere Gründe, meine Nähe nicht abzuschlagen, nur... Ich habe mich gefragt...“ Sein Blick hält meinen gefangen. Gegen meinen Willen, schlägt mein Herz schneller. „Habe... Habe ich eine Chance?“

Mein Mund steht offen, während ich ihn nur anstarren kann. Sein Blick ist suchend, die Wangen gerötet. Er... hat mir gerade ein Liebesgeständnis gemacht. Mehr als das. Er fragt ob wir zusammen sein können?

Kuroo... es tut mir so leid, was passiert ist. Ich habe dir Hoffnungen gemacht. Das war mir nicht klar.

„Nein“, sage ich ehrlich, auch wenn es verdammt hart rüber kommt. So sehr, dass Kuroo zusammenzuckt. „Suga und ich machen eine Auszeit. Aber wir tun das, um wieder zu einander zu finden und nicht, um uns zu verlassen.“

„Oh...“, macht Kuroo leise, wendet den Blick ab.

„Ich liebe ihn.“ Er senkt den Kopf. „Ich liebe ihn von ganzem Herzen. Für mich gibt es niemand anderen, den ich an meiner Seite wissen, lieben und beschützen will. Du kannst nichts tun, um mich vom Gegenteil zu überzeugen, weil ich mir noch nie im Leben so sicher bei etwas war, wie bei dieser Tatsache.“

Kuroo senkt den Kopf noch tiefer. Was bin ich für ein Monster? Warum sage ich ihm das so gnadenlos ins Gesicht, obwohl ich weiß, dass er Gefühle für mich hat?

Ich kenne die Antwort. Weil es die Wahrheit ist. Und er hat die Wahrheit verdient, auch wenn es weh tut. Vielleicht ist es sogar gut, wenn es weh tut. Das könnte es ihm etwas leichter machen. „Ok“, sagt er mit wackliger Stimme, dass es mir die Brust zuschnürt. Er dreht sich um, bis er mir den Rücken zuwendet, hebt den Kopf, sieht wohl in den blauen Himmel über uns hinauf. „Ich wünsche dir, dass es klappt.“

Seine Stimme ist so gebrochen, dass ich mich entschuldigen will. Ich denke, ich habe ihn zum Weinen gebracht. Fest drücke ich meine Lippen aufeinander, unterdrücke das Gefühl ihm Unrecht zu tun. Er setzt sich in Bewegung, entfernt sich mit langsamen Schritten. Ich sehe ihm bedrückt nach, halte alle Worte zurück, die ich ihm hinterher rufen will.

„Es ist gut so“, flüstere ich mir selbst zu als Kuroo schließlich um die Ecke verschwindet, an welcher Kenma abgebogen war. Ich nicke, dann atme ich tief durch.

Zwischendrin 2 (Sugawara)

„Ok, ich hole uns was zu trinken“, meint Tanaka lachend und entfernt sich winkend von mir. Schon stehe ich alleine auf dem Kiesweg, umgeben vom wohligen Duft der Bäume, welche um diese Jahreszeit in voller Blüte stehen. Tanaka hat mich überredet mit ihm in den Park zu gehen. Nach einer Woche voller Abgeschiedenheit, die ich einsam in meiner Wohnung verbracht habe, sei es an der Zeit für einen Tapetenwechsel, meint er. Tatsächlich geht es mir ein bisschen besser hier draußen. Die frische Luft tut gut. Auch die Sonne, welche eine angenehme Wärme auf meine blasse Haut legt, fühlt sich schön an, auch wenn ihr unverhangener Anblick, am wolkenlosen Himmel, ziemlich schadenfroh auf mich wirkt. Das Wetter ist das absolute Gegenteil meiner Gefühlswelt. Mit langsamen Schritten bewege ich mich auf eine Bank zu, um dort auf Tanakas Rückkehr zu warten, doch noch bevor ich sie erreiche, entdecke ich ein bekanntes Gesicht am Ende des Weges. Überrascht stelle ich fest, es ist Kenma. Mit gebeugtem Rücken läuft er langsam auf mich zu, ohne mich zu bemerken. Seine hellbraunen Augen sind fest auf das Display des Spieles gerichtet, welches er in beiden Händen vor sich her trägt.

Einem aufgeregten Impuls folgend, verlasse ich eilig den Weg, um mich hinter einem Baum hinter der Bank zu verstecken. An die Rinde gedrückt, beobachte ich ihn dabei, wie er sich auf das helle Holz vor mir setzt, vollkommen in sein Spiel versunken.

Ich weiß nicht warum, aber ich möchte nicht mit ihm sprechen, vielleicht aus Sorge, er könnte von Kuroo reden, was ich wohl nicht ertragen könnte. Andererseits würde er mich wahrscheinlich gar nicht von sich aus ansprechen, so wie er nun mal ist. Was macht er überhaupt hier? Und heißt seine Anwesenheit nicht, dass auch... Ruckartig bewege ich den Kopf, sehe mich im Park um. Lange brauche ich nicht zu suchen, da entdecke ich tatsächlich Kuroo. Er befindet sich auf dem Weg, welcher in die Mitte des Parks führt, zum Springbrunnen. Unterbewusst folge ich seiner Gehrichtung mit den Augen. Mein Herz macht einen holprigen Sprung als ich sein Ziel entdecke. Direkt vor dem Springbrunnen, in seine Richtung gedreht, steht Daichi. Ganz offensichtlich wartet er dort auf Kuroo. Mir stockt der Atem. Was soll das? Warum treffen sie sich? Ich... ich will nicht, dass sie sich treffen. Meine Finger pressen sich unangenehm fest an die harte Baumrinde meines Versteckes, während mein Herz aufgebracht klopft. Ich habe ihn erwischt. Erwischt, dass er sich mit seinem One-Night-Stand wieder trifft. Was bedeutet das? Ich will nicht, dass es etwas bedeutet. Doch... Erwischt ist wohl das falsche Wort.

Er darf treffen, wen er will. Daichi und ich haben uns getrennt. Wenn sie sich jetzt küssen, dann... ist es nicht mal fremdgehen. Ein Stich fährt durch meine Brust. Wenn sie sich jetzt küssen, dann habe ich ihn für immer verloren... Ich schlucke, dann fokussiere ich die beiden, die sich nun unterhalten. Kuroo drückt die Hand auf seine Brust und sieht Daichi bedrückt an. Dieser steht vor ihm, felsenfest und verzieht keine Miene. Die Entfernung zwischen uns, macht es mir unmöglich zu hören, was sie sagen. Zu gerne würde ich ihre Worte verstehen, wissen, worüber sie sprechen. Daichi wirkt erstaunt als Kuroo ihn fragend ansieht, kehrt aber dann in seinen festen Gesichtsausdruck zurück. Was hat er ihn gefragt? Während Daichi antwortet, kann ich zusehen, wie Kuroo seinen Kopf immer tiefer hängen lässt. Was auch immer Daichi sagt, scheint ihm nicht zu gefallen. Schließlich dreht er sich um, wendet meinem Geliebten den Rücken zu, sagt etwas zum Himmel blickend und... geht, entfernt sich von ihm.

Überrascht wechselt mein Blick zwischen Kuroos Rücken und Daichi, der ihm mit geballten Händen, doch entschlossenem Gesichtsausdruck, nachsieht. Dieses Treffen verlief so gar nicht, wie ich es erwartet hätte. Etwas verwirrt bleibt mein Blick dann doch an Daichi hängen, der sich irgendwann auch abwendet und in Richtung unserer Schule bewegt. Erst als der Kies hinter mir knirscht, fahre ich erschrocken herum. Kuroo steht neben Kenma, der noch immer in sein Spiel starrt. Mit geröteten Wangen presse ich mich an den Baum, verberge mich vor ihnen, in der Hoffnung, sie bemerken mich nicht.

„Ich bin zurück, Ken“, sagt Kuroo leise.

Ich hatte erwartet, das seine Stimme Bauchschmerzen bei mir verursachen würde, doch sie ist gerade so gedrückt, dass sie eher Besorgnis in mir auslöst. Kenma hebt den Blick und sie sehen sich kurz in die Augen, bis der Dunkelhaarige den Kopf zur Seite dreht und den Blick senkt. „Er hat mir einen Korb gegeben.“

Mein Herz schlägt schneller. Kenma blinzelt zu ihm hoch. Als er sieht, dass Kuroo auf seiner Unterlippe kaut und sichtbar mit der Fassung ringt, lässt er das Spiel in seinen Händen los. Er steht von der Bank auf und wirft die Arme um seinen Kapitän, während das Spiel mit einem dumpfen Aufprall auf den Boden schlägt. Kuroo drückt den kleinen Kenma fest an sich.

„Er will mich nicht“, wimmert er mit zitternder Stimme während Tränen über seine Wangen fließen. Daichi... Du hast Kuroo abblitzen lassen obwohl du ihn hättest haben können? Ich schlage die Hand vor den Mund.

Kenma lehnt sich zurück und fasst Kuroo überraschend fest an den Armen.

„Vergiss ihn, Kuroo“, fordert er und sieht ihm entschlossen in die Augen. Kuroo blinzelt ihn perplex an, hat wohl nicht mit so einer bestimmten Reaktion seines Freundes gerechnet, ist es schließlich untypisch für Kenma offen zu sprechen. „Ich war von Anfang an dagegen, dass du ihm hinterher läufst.“

„Kenma...“, erwidert Kuroo überrascht.

Der Blick des Blonden wird eindringlicher, auch wenn es ihn wohl ziemlich anstrengt. „Es tut mir leid, dass es nicht so gelaufen ist, wie du es dir gewünscht hast. Ich will, dass du glücklich bist, Kuroo. Darum habe ich auch zugestimmt, als du ihn treffen wolltest. Du warst so überzeugt davon, dass er dein Glück ist... Dem wollte ich nicht im Wege stehen.“ Wieder entgegnet Kuroo ihm nur mit erstauntem Blinzeln. „Aber... Du sollst mit jemandem zusammen sein, der dich liebt.“ Er fasst seine Arme fester. „Du hast es einfach verdient, geliebt zu werden.“

Kuroos Gesicht entspannt sich allmählich und gleitet in sein sanftes Lächeln. „Das ist wirklich lieb von dir, Ken.“

Kenma steckt sich zu Kuroo hoch, schlingt die Arme um seinen Hals und drückt ihn fest an sich, woraufhin dieser seine Wange gegen Kenmas Kopf schmiegt.

Ich lehne mich mit dem Rücken an den Baum, sehe zu den Blättern hinauf, die von Sonnenstrahlen durchbrochen werden. Daichi will Kuroo nicht. Es gibt keinen anderen Grund ihn abzuweisen. Also bedeutet das im Gegenzug, dass sein Seitensprung tatsächlich einen Fehler für ihn darstellt.

All das wusste ich schon, warum fühle ich mich dennoch erleichtert?

„Suga?“ Ich drehe den Kopf zum Weg als ich Tanakas Stimme höre. Er steht vor der Bank, zwei Dosen in den Händen und sieht sich irritiert um. Kuroo und Kenma sind verschwunden. Wie lange habe ich in den Himmel gestarrt?

Mit flinken Schritten eile ich zu ihm.

„Hier“, melde ich mich und er dreht sich überrascht zu mir um, dann beginnt er zu lachen.

„Sorry, dass du warten musstest. Anscheinend ist der einzige Automat in diesem Park, ganz am Anfang beim Eingang.“ Er kratzt sich verlegen am Kopf, reicht mir dann ein kühle Dose, welche ich dankend annehme.

„Ist was Schönes passiert?“, fragt er so plötzlich, dass ich ihn überrascht anblinzle. Wie kommt er denn darauf? „Du lachst.“, beantwortet er mir die ungestellte Frage fröhlich und ich bemerke jetzt erst das Lächeln auf meinen Lippen.

„Ja, tatsächlich“, gebe ich zu und lächle etwas breiter. Tanaka legt fragend den Kopf zur Seite. „Ich habe Kenma und Kuroo gesehen.“

„Hab ich mich also doch nicht verguckt“, meint Tanaka und sieht Richtung Ausgang des Parks. „Beide in Schwarz gekleidet.“ Ich nicke, dann sieht er skeptisch zu mir rüber. „Warum freut dich das? Ich wäre wohl wütend, wenn er mir begegnet.“ Er öffnet seine Dose und setzt sich auf die Bank. Ich tue es ihm gleich, sehe dann zum Himmel hinauf.

„Kuroo hat sich hier mit Daichi getroffen.“

„Was?!“

Er setzt sich so abrupt auf, das ein Schwall der Limonade aus der Dose über seine Hand läuft. Mit weit aufgerissenen Augen starrt er mich an als hätte ich komplett den Verstand verloren.

„Kuroo hat ihm seine Liebe gestanden.“ Ich sehe wie Tanaka schluckt. Mein Herz schlägt schneller und ich drücke die Handfläche gegen meine Brust. „Daichi hat ihn abgewiesen.“ Ich keuche leicht auf. „Er hat ihn abgewiesen“, wiederhole ich mich und Tanaka lächelt schief.

„Natürlich hat er das.“ Natürlich. „Daichi liebt eben dich.“ Natürlich.

Einen Moment lang sitzen wir schweigend neben einander, dann ergreift Tanaka das Wort.

„Weißt du worüber ich fast pausenlos nachdenke?“ Ich sehe zu ihm rüber, sein Blick ist in den Himmel gerichtet, schweift weit weg. „Wenn er dich doch so offensichtlich liebt, warum... warum zum Teufel ist er dir überhaupt fremd gegangen?“ Ich blinzel ihn erstaunt an, habe nicht mit dieser Gesprächswendung gerechnet. „Ich raff das nicht, ganz ehrlich.“

Ich senke den Blick, beobachte, wie ein Wassertropfen an der Seite meiner Dose hinunterläuft. „An dem Vorabend haben wir uns ziemlich heftig gestritten.“ Tanaka setzt sich neben mir aufrecht hin und beugt sich leicht zu mir rüber, während ich erzähle. „Er war so wütend und ich konnte nichts tun, um ihn zu besänftigen.“

„Weißt du, warum er wütend war?“ Ich sehe ihm kurz in seine grauen Augen, die mich aufmerksam fokussieren, dann senke ich den Blick wieder.

„Nein.“ Er atmet überrascht ein. „Ich habe ihn gefragt, habe versucht es herauszufinden, doch er wollte es mir einfach nicht sagen.“ Sofort sehe ich ihn wieder vor mir, wie er abweisend weg läuft und ich ihn verzweifelt verfolge.

„Da muss doch irgendwas passiert sein“, meint Tanaka und legt nachdenklich den Kopf zur Seite während ich ihn bedrückt ansehe. Ich wüsste nicht was. „Wart ihr unterwegs vorher?“

Ich sehe auf, gehe den Tag im Kopf durch. „Wir waren morgens bei meinen Eltern, zum Frühstück“, erinnere ich mich.

„Und was ist da passiert?“

Ich ziehe die Augenbrauen zusammen, versuche mich angestrengt zu erinnern.

„Wir haben gegessen und sind wieder gegangen.“ Und davor? „Vorher saßen wir beide in der Küche und haben meiner Mutter beim Schneiden der Zutaten geholfen.“ Alles nichts Ungewöhnliches.

„Worüber habt ihr gesprochen?“ Tanaka hält die Augen geschlossen, stellt sich die Szene wohl vor.

Ich seufze. „Belanglose Sachen.“

„Vielleicht auch über euch?“

Etwas in mir zuckt zusammen. Ja. Wir haben tatsächlich über uns gesprochen, jetzt wo ich genauer darüber nachdenke. „Ja. Wir sprachen über das Team und unsere Qualifikation für...“ Moment. War dies das Wichtigste? Nein. „Wir haben über... Asahi und Noya gesprochen.“ Stimmt, Daichi hat es angesprochen. „Darüber, dass die beiden ein Paar sind. Das hat Daichi gesagt, ohne ihre Namen zu nennen.“

Tanaka sieht mich überrascht an. „Was für ein ungewöhnliches Gesprächsthema für den Frühstückstisch.“ Ich nicke leicht geistesabwesend. „Was hat deine Mutter gesagt?“

Wieder zuckt es in mir, als hätte ich eine heiße Herdplatte berührt.

„Sie..“, beginne ich zögerlich. „Sie fand das nicht gut.“ Tanaka gibt einen überraschten Laut von sich. „Sie ist sehr traditionell und hält nicht wirklich was von Beziehungen zwischen Menschen des gleichen Geschlechts.“

Er nickt verstehend. Dann sieht er mich irritiert an. „Aber zu euch hat sie nichts blödes gesagt oder?“

Ich drücke die Dose in meinen Händen. „Sie weiß nichts von uns.“

„Was?“ Er lehnt sich kurz zurück, dann wieder dicht zu mir. „Du.. ihr habt es ihr nicht erzählt? Ich meine, ihr seid doch jetzt schon... zwei Jahre zusammen. Ihr wohnt zusammen.“

Ich hole tief Luft und seufze leise. „Ja, trotzdem.“

Innerlich bin ich erleichtert, dass Tanaka mich nicht fragt, warum wir es ihr nicht gesagt haben.

„Wie ging das Gespräch weiter?“, kommt er auf die Erinnerung zurück, die wir gemeinsam durchgehen. Ich überlege.

„Sie meinte, dass unsere Teamkameraden ja noch jung sind und wohl was ausprobieren würden, was ja auch zur Jugend dazu gehört.“ Aber abgeneigt war sie trotzdem hörbar. „Dann meinte sie, dass sie sicher auch bald eine Freundin finden würden.“ Hat sie das so formuliert? Ich weiß es nicht mehr genau. „Jedenfalls meinte sie, dass da jeder seine eigenes Tempo hat und wir...“ Mit läuft es unangenehm den Rücken hinunter. „Dass wir ja auch noch keine Beziehung führen würden.“ Stimmt, sie hat das vollkommen direkt ausgesprochen. „Sie stand mit dem Rücken zu uns und hat Daichi angesprochen, ihn gefragt ob sie Recht hat.“ Ich sehe vor meinem inneren Auge, wie er erschrocken ist und mich ansah als müsste ich die Antwort darauf geben. „Er hat mich fragend angesehen und ich... ich habe nur panisch mit dem Kopf geschüttelt.“ Ich wollte nicht, dass sie von uns erfährt.

„Wie hat Daichi reagiert?“

Ja, wie hat er reagiert? Er sah mich an und...

„Er hat traurig gelächelt, den Kopf gesenkt und ihr zugestimmt.“

Ich schlage die Hand vor den Mund. Ich habe ihn lügen lassen, ihn verleugnen lassen, dass er der Mann an meiner Seite ist, den ich liebe. Ich schlucke schwer. Und das war nicht das erste Mal gewesen, dass ich dies getan habe.

Ich erinnere mich sofort an die Worte, die gefallen sind, als er mir seinen Seitensprung gestanden hat.

„Ich verdiene dich nicht“, wiederhole ich seine Worte und mir schießen Tränen in die Augen. „Ich kann einfach nicht verstehen, was du an mir findest...“, meine Stimme bricht.

Es ist so offensichtlich, dass es weh tut. Ich habe ihm das Gefühl gegeben, dass er nicht gut genug für mich ist und er... er hat es mir geglaubt. Doch was er mir auch geglaubt hat, ist dass ich ihn liebe. Also konnte er mich nicht einfach verlassen. Er... Er musste mir einen Grund geben, ihn zu verlassen. Er musste mir das Herz brechen. Oh nein...

„Suga...“, höre ich Tanaka hauchen und spüre seine Hand auf meinem Rücken, während ich mich verzweifelt, weinend vorbeuge und nach Luft schnappe.

„Es war meine Schuld...“, hauche ich mit dünner Stimme. „Das alles war meine Schuld...“

„Getan hat Daichi es am Ende“, sagt Tanaka mit ruhiger Stimme und ich sehe ihn von der Seite an, wie er wieder zum Himmel blickt. „Er hat nur auch direkt gemerkt, dass es ein Fehler war. Er wollte mit dir zusammen sein. Rückblickend hat er sich selbst ins Bein geschossen.“

Ich schluchze und reibe mir die Tränen von den Wangen während seine Hand fürsorglich über meinen Rücken streichelt. „Das wird schon wieder“, meint er mit warmer Stimme und ich fange mich allmählich wieder. Ja, wir müssen das einfach wieder hin bekommen.

Einen kurzen Moment verbringen wir in andächtigem Schweigen, bis mein Handy vibriert, was mich zusammenschrecken lässt. Ich fische es aus meiner Hosentasche, merke, dass mich Tanaka dabei beobachtet, während er einen großen Schluck aus seiner Limodose trinkt. Eine Nachricht von Daichi. Ich erstarre.

„Was ist los?“ Tanaka lehnt sich zu mir rüber, bis er ebenfalls auf mein Handydisplay schauen kann, drückt seine Schulter gegen meine. „Daichi?“ Ich nicke. „Habt ihr gesprochen seit...?“ Ich schüttel den Kopf. Er lehnt sich wieder zurück. „Mach ruhig.“ Ich sehe überrascht zu ihm rüber und er nickt lächelnd. Na gut, nur Mut. Ich drücke auf seinen Namen und die Nachricht öffnet sich.

„Hallo Suga...“, lese ich leise vor. „Ich hoffe, es geht dir gut. Wir haben uns nicht gesehen und ich mache mir Sorgen, dass du nicht richtig isst. Du neigst dazu, also... Bitte lass mich wissen, dass es dir gut geht.“ Daichi. Wie Recht er hat. Sicher macht er sich schon länger Gedanken, doch hat nichts gesagt, weil er mich in Ruhe lassen wollte. Doch jetzt, ist es soweit, dass er es nicht mehr aushält.

„Was denkst du?“, fragt Tanaka mit ruhiger Stimme und ich sehe zu ihm rüber.

„Ich vermisse ihn wirklich schrecklich“, sage ich mit wackliger Stimme.

Er blinzelt langsam, fokussiert dann meinen Blick so eindringlich, dass sich meine Muskeln anspannen. „Willst du ihn zurück?“

Ich nicke. „Ja.“ Ich nicke abermals.

Tanaka lächelt zart und die Anspannung in mir verfliegt. „Dann solltest du ihm das sagen, denkst du nicht?“

Mein Blick wandet zurück auf das Display in meinen Händen. „Hallo Daichi...“, flüstere ich während ich tippe. „Mir geht es nicht gut...“ Ich lösche den letzten Satz wieder. „Ich vermisse dich schrecklich... Der Abstand tut weh.“ Ich seufze. „Ich will dich zurück.“ Ich schicke die Nachricht sofort raus, ohne nochmal drüber zu lesen und ohne nachzudenken, denn ich weiß genau, dass ich sie einfach wieder löschen würde, ihm nicht antworten würde, wenn ich es täte. Mit festem Griff umklammere ich mein Handy, starre das Display an. Tanaka wartet schweigend neben mir, beobachtet mich, doch ich wende mich ihm nicht zu.

Ein Vibrieren und eine Nachricht erscheint im Display. „Daichi“, hauche ich und öffne sie schnell. „Ist schon gut, Suga. Bleib ganz ruhig“, lese ich leise vor und es fühlt sich an als würde er vor mir stehen, mich sanft anlächeln, die Hand auf meine Schulter gelegt. „Bitte gib dir noch etwas mehr Zeit und denk in Ruhe nach. Ich will, dass du dir sicher bist. Ich weiß es ist schwer, doch du schaffst das. Halt durch.“ Ich beginne auf meiner Lippe zu kauen, da legt Tanaka den Arm um mich. Ich sehe zu ihm auf, betrachte sein Profil, wie er in die Ferne schaut.

„Er hat Recht. Du schaffst das.“ Er drückt mich an sich und ich beginne langsam zu nicken.

Zurück (Daichi)

„Halt durch“, wiederhole ich, was ich Suga geschrieben habe, sage es aber auch zu mir selbst. Das war das erste Mal, dass er mich gebeten hat zurück zu kommen. Wie versprochen, habe ich ihn zurück gewiesen. Es fällt mich nicht leicht, im Gegenteil. Doch ich werde das durchstehen, für ihn, für mich, für uns beide.

„Schreibst du mit Suga?“, meint Asahi mit ruhiger Stimme, während wir zusammen zu ihm nach Hause laufen. Ich nicke. „Und...?“, fragt er zurückhaltend.

„Er leidet...“, sage ich leise und es schnürt mir die Brust zu.

„Verstehe“, meint Asahi und legt kurz die Hand an meine Schulter, da kommen wir bei ihm zu Hause an.
 

Donnerstag. Ich stehe, wie jeden Morgen, mit Asahi neben dem Schulgebäude. Hier warten wir auf Tanaka und Nishinoya. Auch wenn wir nicht in der selben Klasse sind, so haben wir uns das irgendwie angewöhnt und es ist eine willkommene Morgenroutine geworden. Normalerweise komme ich schon mit Suga hier an, doch die ganze Woche... komme ich mit Asahi und vermisse Suga...

Wir unterhalten uns über belanglose Dinge, da höre ich Tanakas Stimme.

„Guten Morgen!“, ruft er fröhlich und ich wende ihm den Kopf zu. Sofort schlägt mein Herz schneller, denn neben ihm läuft nicht nur Nishinoya, sondern auch Suga. Er trägt seine Tasche mit beiden Händen vor der Hüfte und lächelt leicht.

„Suga...“, hauche ich und ein angenehmes Kribbeln breitet sich in mir aus. Ich bin so froh, ihn zu sehen. Endlich.

„Suga“, sagt Asahi fröhlich und macht einen Schritt auf ihn zu als sie bei uns zum Stehen kommen. „Schön, dass es dir wieder besser geht.“ Er lächelt aus vollem Herzen und auch Tanaka grinst zufrieden.

„Ja, es geht mir besser.“ Seine Stimme läuft mir warm den Rücken hinunter. „Bitte entschuldigt, dass ich euch Sorgen bereitet habe.“

Ich mache einen Schritt zu ihm. „Wir sind einfach froh, dass du wieder da bist“, sage ich glücklich und neige mich zu ihm. Noch bevor mein Körper seinen erreicht, halte ich inne.

Was mache ich denn hier? Mein Arm ist zu ihm ausgestreckt und mein Kopf leicht zur Seite geneigt, während meine Brust auf seine zugesteuert hat. Ich wollte ihn umarmen. Ich drehe ihm den Kopf zu, sehe, wie sich sein ganzer Körper angespannt hat. Es ist ihm nicht recht, damit hätte ich rechnen müssen. Schnell lehne ich mich wieder zurück.

„Tut mir leid. Ein Reflex.“ Ich senke betroffen den Kopf.

„Kein Problem.“

Als ich zu ihm aufsehe, lächelt er mich an und mein Herzschlag verdoppelt sich. Suga. Ich habe ihn so sehr vermisst.

Nach dem Unterricht gehen wir alle zusammen zum Training. Ich bin froh, dass Suga auch hier wieder dabei ist, auch wenn mir aufgefallen ist, dass er im Unterricht darauf geachtet hat, nicht allzu oft in meine Richtung zu sehen. Vielleicht habe ich dies aber auch nur gemerkt, weil ich die Augen nicht von ihm lassen konnte. Ich muss mich zusammenreißen, will ihn schließlich nicht bedrängen, auch nicht mit Blicken.

Beim Aufwärmen hält er wieder sichtlich Abstand zu mir, was ok ist. Ich weiß ja, dass er es nicht böse meint, das Gegenteil ist der Fall.

„Gut, beginnen wir mit einem Trainingsmatch“, meint Couch Ukai und teilt uns in zwei Mannschaften ein. „Sugawara, du spielst im blauen Team zu Tanaka und Sawamura.“, beendet er die Aufstellung und ich schlucke.

Ein Blick zu Suga genügt mir, um zu erkennen, dass er sich unwohl fühlt, kaut er kaum sichtbar an seiner Lippe, doch ich sehe es sofort.

„Coach.“ Ich hebe die Hand und Coach Ukai sieht mich an. „Ich denke es wäre besser, wenn Suga in Hinatas Team spielt.“ Er blinzelt mich an und auch die anderen werfen mir irritierte Blicke zu. „Hinata sollte lernen ohne Kageyama zurecht zu kommen und auch Kageyama wird es gut tun mal andere Strategien als den Schnellangriff zu trainieren.“

„Guter Einwand.“ Er sieht Sugawara an. „Ist das ok?“

„Natürlich, Coach.“ Er nickt, wirft mir dann einen flüchtigen Blick zu. Ich nicke, da bildet sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Ich habe wohl die richtige Entscheidung getroffen.

Das Spiel verläuft hitzig. Es ist richtig schön, wie motiviert alle sind, sicher auch, weil die Mannschaft diese Woche zum ersten Mal wieder komplett ist.

Mein Team gewinnt. Ich schlage mit meinen Teamkameraden ein, dann laufe ich am Netz entlang, um auch mit dem temporär gegnerischen Team abzuklatschen. Als ich vor Suga stehe, halte ich inne. Seine Hand ist zu mir ausgestreckt und er sieht mich fragend an. Ob es ok für ihn ist, meine Hand zu berühren? Unsicher verweile ich an meinem Platz, da lächelt er mir zu. Direkt beflügelt er mein Herz mit dieser kleinen Geste. Er kommt mir entgegen.

„Du hast gut gespielt“, lobt er mich mit warmer Stimme und schlägt seine Handfläche gegen meine, viel sanfter als er es bei den anderen getan hat.

Ich blinzel überrascht, dann zieht sich auch über meine Lippen ein Lächeln. „Danke. Du auch.“
 

Am nächsten Tag in der Schule ist Suga schon deutlich mehr aufgetaut. Er redet mit anderen, wenn auch nicht direkt mit mir, dafür weicht er meinen Blicken nicht mehr aus. Er lächelt sogar kurz, wenn er mich dabei erwischt, wie mein Blick auf ihm haftet. Das tut so gut.

In der Mittagspause hole ich mein Bento aus der Tasche als ich im Augenwinkel sehe, dass jemand vor meinem Tisch stehen geblieben ist. Ich sehe auf und blinzel überrascht. Es ist Suga.

„Daichi.“ Mein Herz klopft schneller, so sanft wie er meinen Namen ausspricht. „Hast du Lust mit mir zusammen zu Essen?“ Wie ein verliebter Teenager in Mangas, kann ich spüren, dass meine Wangen erröten. Er will mit mir essen?

Ich nicke mit kleinen Bewegungen. „Ja, sehr gerne.“

„Schön.“ Er lächelt, streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Mit klopfendem Herzen folge ich ihm hinauf zum Dach. Hier haben wir schon immer gerne zusammen die Pausen verbracht. Als wir oben ankommen, öffne ich ihm die Türe und mache eine einladende Geste. Er lacht auf, ganz kurz und leise, aber es jagt mir einen warmen Schauer über den Rücken. Als ich mich umsehe, entdecke ich am anderen Ende des Daches auch Asahi und Nishinoya, die gemeinsam zu Mittag essen. Sie lachen vergnügt. Es tut mir leid, dass ich Asahi so sehr belagere, dass die beiden nicht so viel Zeit wie üblich mit einander verbringen können. Natürlich hoffe ich, dass dies nicht mehr lange der Fall ist, auch weil Suga anscheinend mir gegenüber langsam wieder seinen Platz zu finden scheint, was mich sehr glücklich macht. Wir setzen uns an den Rand, dort wo wir sonst auch die Pausen zusammen verbracht haben. Es fühlt sich ein bisschen an wie früher, doch ich kämpfe dagegen an. Ich darf nicht in alte Muster verfallen, es ist nur ein Mittagessen.

„Was hast du dabei?“, fragt mich Suga und lehnt sich leicht zu mir, um in meine Bentobox zu schauen. Ich werde rot. Er ist so nah.

„Asahis Mutter hat mir auch eine Box gemacht“, gebe ich zu und kratze mich verlegen am Hinterkopf. Es ist mir ein bisschen peinlich, dass ich mich verhätscheln lasse, aber sie hat darauf bestanden und als Gast möchte ich dies natürlich nicht ablehnen.

„Viel Eiweiß und Proteine.“, murmelt er mit einem Lächeln auf den Lippen während er mein Essen betrachtet.

Ich nicke. „Du kannst gerne was abhaben“, biete ich an und Suga greift sich beherzt ein Stück Ei mit seinen Stäbchen.

„Das ist echt lecker“, meint er.

Ich beobachte ihn, wie er kaut, dann fällt mein Blick in seine Bentobox. Reis und Makrele. Ich schlucke. Das ist das Essen, was er immer gekocht hat, wenn es ihm nicht gut ging.

Dieser Moment, er hat sich so normal angefühlt, war richtig schön. Doch sein Essen erinnert mich daran, dass im Grunde nichts in Ordnung ist. Er lächelt und gibt sich Mühe, doch eigentlich ist er an seinem Limit und erträgt es nun noch. Ich beiße mir auf die Lippe. „Darf ich das Fleisch probieren?“

„Natürlich“, sage ich, versuche so freundlich wie möglich zu klingen, auch wenn mir gerade das Herz ein wenig schwer wird. Suga schnappt sich ein Stück und kaut genüsslich.

Ein kurzes Schweigen baut sich auf, dann sieht er wieder in meine Box.

„Nächsten Samstag ist ein Hanamifest am Hafen.“ Ich sehe ihn überrascht an. Was will er mir damit sagen? „Tanaka hat mir erzählt, dass die anderen wohl überlegen zusammen hin zu gehen.“ Er sieht zu mir auf und mein Herz klopft schneller. „Wollen wir auch hingehen?“

Ich halte meine Stäbchen etwas fester, blinzel, um damit aufzuhören ihn anzustarren.

„J-Ja. Das würde ich sehr gerne“, gebe ich zu und wir sehen uns in die Augen. Er nickt, dann lächelt er sanft. Mit Herzklopfen geleitet mein Blick wieder zu unserem Essen. Auch wenn die anderen dabei sein werden, es fühlt sich doch ein bisschen an als hätten wir uns zu einem Date verabredet.

Fest (Sugawara)

Ich sehe in den großen Wandspiegel im Schlafzimmer, richte meinen Yukata. Heute Abend ist Hanami und das Team geht gemeinsam hin. Ich freue mich tatsächlich ein bisschen drauf, auch auf das Feuerwerk, aber wohl am Meisten darauf, es mit Daichi zusammen zu sehen. Seit etwas über einem Monat leben wir nun getrennt. Der Abstand hat furchtbar weh getan, doch allmählich hat es sich eingependelt und ich fühle mich nicht mehr als würde es mir den Boden unter den Füßen wegziehen, wenn ich ihn sehe. Wirklich gut fühle ich mich dennoch nicht. Es ist einfach nicht richtig, ich weiß, dass wir zusammen gehören. Zweimal habe ich Daichi nun gebeten mich zurück zu nehmen und er hat mich abgewiesen, wie er es mir prophezeit hatte. Mit dem dritten Mal habe ich mir jetzt über zwei Wochen Zeit gelassen. Eigentlich warte ich nur noch auf die richtige Gelegenheit, denn ich bin mir jetzt sicher. Ich liebe ihn, mehr als ich mit Worten ausdrücken könnte.

Es klingelt und ich eile zur Tür. Tanaka und Nishinoya stehen auf der anderen Seite und grinsen mich an.

„Suga! Du siehst toll aus!“, ruft Noya begeistert und greift nach meinem Ärmel, um ihn genauer zu betrachten. Mit dem Finger fährt er die dunkelblauen Steifen auf dem weißen Stoff entlang.

„Ja, voll!“, bestätigt ihn Tanaka, reißt die Hände in die Höhe, dass sein grüner Yukata ein Stück hoch rutscht.

„Danke“, sage ich lächelnd, freue mich zu sehen, wie euphorisch die beiden sind. Tanakas grüner Yukata und auch Nishinoyas orangefarbener Yukata stehen den beiden sehr gut. Wir sollten sowas wirklich öfter tragen.

Ich gehe mit den beiden zum Park, wo Asahi, Hinata und Kageyama auf uns warten.

„Tsukishima und Yamaguchi sind schon da, wir treffen uns dort“, meint Asahi als ich mich suchend umgucke.

„Jemand eine Limo?“ Mit einem beherzten Lächeln drehe ich mich zu der Stimme um, die ich eigentlich gesucht hatte. Daichi kommt um die Ecke, die Arme mit Limodosen bepackt und grinst uns an. Sein blauer Yukata ist ganz ordentlich gebunden. Er sieht toll aus.

„Oh, super! Du bist der beste, Kapitän!“, ruft Tanaka und beginnt die Getränke zu verteilen. Ich sehe lächelnd zu Daichi, bis er sich mir zuwendet.

„Für dich auch?“ Ich nicke und gehe zu ihm rüber. „Für dich habe ich Pfirsich“, sagt er mit warmer Stimme und schickt damit einen angenehmen Schauer über meinen Rücken. Er weiß, dass dies mein Lieblingsgetränk ist. Natürlich weiß er das.

„Danke“, sage ich lächelnd und lasse zu, dass sich unsere Finger berühren als ich die kalte Dose aus seiner Hand annehme. Wir sehen uns einen Moment tief in die Augen.

„Und wo sind Narita, Ennoshita und Kinoshita?“, fragt Kageyama und Daichi wendet sich ihm zu. „Die sind auch schon am Hafen.“ Er legt den Kopf zur Seite. „Ich glaube Coach Ukai wollte auch später kommen.“

„Voll cool“, meint Nishinoya und Tanka wirft grinsend den Arm um seine Schultern.

„Ja, alle Mann beisammen“, lacht er und wir stimmen ein, machen uns auf den Weg.
 

Das Hanami ist wirklich sehr schön inszeniert. Es gibt jede Menge verschiedene Gerichte, auch ausgefallene Teesorten, die man probieren kann. Zudem kann man Goldfische angeln, wobei vor allem Nishinoya und Tanaka ihren Spaß haben, auch wenn sie nicht sehr erfolgreich sind.

„Asahi, bitte fang du mir einen. Ich kriegs nicht hin!“, grummelt Nishinoya und Asahi hockt sich lachend zu ihm runter ans Becken.

„Du musst nur ganz ruhig tun.“ „Mach ich doch!“ „Noch ruhiger...“ Asahi legt seine Finger um Noyas wodurch die kleine Hand des Liberos fast vollständig in Asahis verschwindet. Mit einer Engelsgeduld manövriert er Nishinoyas Papierring unter einen Fisch und hebt ihn ganz vorsichtig in die Schale.

„Direkt beim ersten Versuch“, meint Tanaka grinsend, der die beiden auch beobachtet hat.

Noya sieht mit strahlenden Augen zu Asahi auf, der ihn anlächelt. „Du bist der Beste.“ Er neigt sich zu ihm und küsst seine Wange flüchtig. „Danke.“ Asahi blinzelt ihn mit hochrotem Kopf an und ich muss lachen. Sie sind so süß die beiden.

Wir holen uns Takoyaki und begeben uns in Richtung Wasser, als es dunkel wird.

„Ich glaube, von hier kann man gut sehen“, meint Hinata und steigt auf die unterste Stufe des Geländers. Er hält eine Hand über seine Augen und sieht weit aufs Meer hinaus.

„Ja, das ist ein guter Platz.“, bestätigt Ennoshita und schiebt die Hände in seine Ärmel.

Allmählich wird es voller. Wir sind nicht die Einzigen, die bemerkt haben, dass man von hier aus gut auf den Hafen blicken kann.

„Gleich geht’s los!“, meint Tanaka und sieht auf seine Armbanduhr. „Noch 5 Minuten.“

Alle sehen gebannt in Richtung Meer, da spüre ich eine Hand im Rücken. Ich sehe zur Seite und entdecke Daichi, der mich leicht nach vorne drückt. Ich sehe ihn fragend an und er lächelt verlegen. „Es war schön mit den anderen unterwegs zu sein.“ Ich nicke ihm zu, das finde ich auch. „Siehst du den kleinen Vorsprung?“ Er deutet mit dem Kopf auf einen Felsvorsprung hinter uns, ein paar Meter entfernt. „Kommst du mit mir dahin, für das Feuerwerk?“ Mein Mund steht überrascht offen. „Ich... würde das Feuerwerk gerne mit dir genießen. Wenn das ok für dich ist.“

Jetzt zieht sich ein Lächeln über meine Lippen und ich nicke ihm zu. Ich möchte wirklich gerne mit ihm zusammen ein wenig Abstand zu den Menschen um uns herum aufbauen. Er nickt freudig und nimmt meine Hand, um mir hinauf zu helfen. Ich lasse mich halten, komme sicher an, nur um dann ihm hoch zu helfen, was ein breites Grinsen auf sein Gesicht zaubert. Dicht nebeneinander stehend, wenden wir uns dem Meer zu als ein erstes Zischen ertönt. Kurz darauf erhellen rote Lichtblitze die sternenklare Nacht.

„Das war ein wirklich schöner Tag“, sage ich andächtig, sehe das Daichi nickt. „Es hat wirklich gut getan, dass wir her gekommen sind. Alle sind so fröhlich und frei.“

„Ein schönes Gefühl“, meint Daichi und ich lächle bestätigend.

Grüne und gelbe Lichter strahlen vor uns auf, dann ein paar mehrfarbige Feuerkugeln. Es ist ein traumhaft schöner Anblick und Daichi an meiner Seite fühlt sich einfach richtig an.

„Suga?“ Schwerfällig wende ich mich von der Pracht vor mir ab und sehe in Daichis Gesicht auf dem sich die Lichter stumpf widerspiegeln. Ich stelle fest, dass auch dies ein erstrebenswerter Anblick ist. Er ist so hübsch. Daichi sieht runter, angelt meine Hand. Ein wenig überrascht überlasse ich sie ihm, woraufhin er sie sanft ergreift. Dann plötzlich sinkt er vor mir runter, auf ein Knie, hält meine Hand mit beiden Händen. Ich sehe ihn mit großen Augen an als er zu mich hoch blickt. „Suga, ich liebe dich.“ Mein Herz schlägt schneller. „Ich liebe dich mehr als alles andere auf dieser Welt.“ Daichi. Ein warmes Rauschen macht sich in mir breit. Es tut so gut das aus seinem Mund zu hören. „Die Zeit ohne dich hat mir noch deutlicher gemacht, dass ich nie mehr von dir getrennt sein will.“ Er drückt meine Finger sanft und ich bekomme eine Gänsehaut. „Ich will deine Hand halten, egal ob die Sonne scheint oder ob es regnet, sogar bei Sturm und dem heftigsten Gewitter. Ich will an deiner Seite sein. Immer.“ Mir steigen Tränen in die Augen. „Darum greife ich jetzt einfach vorweg, in der Hoffnung, du spürst, was ich auch fühle.“ Ich schlucke, lege meine Finger um seine. „Suga, ich will wieder mit dir zusammen sein. Ich möchte dein fester Freund sein.“ Seine Augen glänzen und ich kann sehen, wie sich weitere bunte Feuerbälle darin reflektieren. „Nimmst du mich zurück?“

Oh, Daichi. „Ja.“ Es gibt nichts, das ich lieber täte. „Ja, ich will mit dir zusammen sein.“

Ein freudiges Lächeln legt sich auf Daichis Lippen, dann steht er wieder auf, um mich in die Arme zu schließen. Ich werfe die Arme um seinen Hals, drücke ihn fest an mich.

„Bist du dir sicher?“, fragt er nach einer kurzen Weile und ich lehne mich zurück, um ihm in die Augen zu sehen, ein strahlendes Lächeln auf meinen Lippen.

„Ja. Ich liebe dich“, sage ich fröhlich und er lacht erleichtert auf. Wir sehen uns in die Augen und schließlich nähere ich mich seinem Gesicht, bis meine Lippen auf seinen liegen. Zärtlich erwidert er meinen Kuss und sieht mich anschließend verliebt an. Eine letzte Rakete steigt in die Luft, dann beginnen alle zu klatschen. Mit roten Wangen senke ich den Blick, genieße es zu spüren, wie mich Daichi immer noch an sich drückt. Er hat sich einen schönen Moment für sein Liebesgeständnis ausgesucht.

„Weißt du...“, sage ich leise und er wendet mir den Kopf zu. „Ich habe kurz gedacht, du machst mir einen Antrag.“ Mein Herz klopft etwas schneller, dann traue ich mich ihn anzusehen.

Er lächelt sanft. „Das geht leider noch nicht.“ Ich sehe ihn fragend an. „Dafür benötige ich noch den Segen deiner Mutter.“ Sein Blick ist so voller Wärme, dass die Zweifel in mir mich nicht übermannen. Sie weiß nichts von uns und ich weiß auch nicht, ob ich es jemals übers Herz bringe ihr davon zu erzählen.

„Es kann sein, dass du darauf noch lange warten musst...“, sage ich und senke den Blick woraufhin Daichis Hand an meine Wange fährt.

Er lächelt mich an. „Das ist ok. Hauptsache ich habe dich an meiner Seite. Alles andere ist nur ein Bonus.“ Er grinst mich breit an woraufhin sich auch über meine Lippen wieder ein Lächeln zieht. Er reicht mir die Hand und wir klettern zurück zu den anderen nach unten.

Als wir bei ihnen ankommen, lässt Daichi seine Hand auf meiner Hüfte liegen, zieht mich leicht zu sich als wollte er möglichst wenig Raum zwischen uns bestehen lassen. Das freut mich sehr. Ich lehne mich leicht zu ihm. Die anderen drehen sich zu uns um. Tanaka öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch Nishinoya kommt ihm zuvor.

„Daichi, Suga, habt ihr euch vertragen?“, meint er mit großen, funkelnden Augen und beugt sich zu uns vor. Ich blinzel überrascht. „Seid ihr wieder zusammen?“

Ich drehe mich zu Daichi, der mich anlächelt und grinse dann in Noyas Richtung. „Ja.“

Ich erschrecke mich als er plötzlich aufquietscht und uns beide herzlich umarmt. „Oh, endlich!“

„Das wurde Zeit“, bestätigt ihn Tanaka und legt die Arme um uns drei. Ich blinzel irritiert und Daichi lacht.

„Wisst ihr, ihr seid uns beide verdammt wichtig.“ Ich spüre ein leichte Röte auf meinen Wangen als nun auch Asahi seine Arme um uns schlingt.

„Ja. Euch so leiden zu sehen war fast unerträglich“, meint Noya und kuschelt seinen Kopf an meinen Arm.

Ich schlucke. Mir war bis gerade gar nicht so bewusst gewesen, dass nicht nur Daichi und ich daran zu knabbern hatten. Ich sehe ihn an und er tätschelt meinen Kopf. „Ich bin auch froh.“

Ein breites Lächeln zieht sich über mein Gesicht. „Ja. Ich auch.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Damit findet die Fanfic ihr Ende^^

Vielen herzlichen Dank an alle, die bis hier her mit meinen Charas und mit mir gelitten und gefiebert haben!^^
Ich hoffe sehr, es hat euch gefallen!

Für mich war dieses Ausmaß an Drama eine neue Erfahrung, doch ich bin froh, dass ich es ausprobiert habe. Denn bei all dem Herzschmerz hat es dennoch Spaß gemacht, die Characktere zu beobachten und zu sehen, wo sich die Story hin entwickelt. Ja, ein paar Sachen waren so nicht geplant^^° Aber am Ende bin ich recht zufrieden.^^ Ich hoffe, ihr auch.

Viele liebe Grüße
Die Scharon Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Kurama_Kitsune
2022-11-14T17:58:42+00:00 14.11.2022 18:58
Also mir gefällt die Geschichte sehr sehr gut.
Ich mag deine Art zu schreiben eh sehr gern und den Sichtwechsel von Kapitel zu Kapitel.
Es ist jedesmal spannend zu lesen, wie die selbe Situation von verschiedenen Charakteren wahrgenommen und interpretiert wird und das bringst du toll rüber und immer sehr passend zu den Charakteren.
Die triffst du in ihren Aktionen und ihrem Verhalten meiner Meinung nach richtig gut.
Was ich sogar mag, ist, dass eben mal nicht alles eitel Sonnenschein ist und zu lesen, wie die beiden mit Drama umgehen.
Und die kleinen Verknüpfungen zu den anderen Geschichten sind gut zu entdecken, sowas gefällt mir auch, wenn dann der Gedanke kurz aufkommt "ah, das hab ich gelesen! Ich weiß, was er meint!", die Geschichte aber nicht von Vorwissen abhängt. ^^

Also Drama kannst du definitiv und ich leide grad innerlich mit beiden so mit, weil man so überzeugend ihre Gefühle nachempfinden kann. ;_;
Antwort von:  Scharon
15.11.2022 09:27
Aw^^ Vielen lieben Dank für deinen Kommi! Das geht ja runter wie Öl ❤️ Ich bin mega glücklich, dass dir meine Art zu erzählen gefällt. Danke für dein ausführliches Feedback^^ Ist interessant zu schreiben, wie unterschiedlich Momente wahrgenommen werden und es freut mich sehr, dass dir die Blickwinkel gefallen:D Dass du ihre Gefühle nachvollziehen kannst, bedeutet mir viel, denn das ist mein Ziel und dass du die Referenzen erkennst, macht mich nochmal zusätzlich glücklich und ich bin froh, dass du sie so einschätzt.
Vielen Dank nochmal, das motiviert mich und ich hoffe, du hast auch weiterhin gefallen an der Story ^^


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