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Der Detektiv, der mich liebte

von

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Prolog

Unaufhörlich tropfte das Wasser in die Pfütze am Boden der trostlosen kalten Lagerhalle. Es war ein leises stetes Geräusch, das gespenstisch in dem verlassenen Gebäude widerhallte. In einer der dunklen Ecken kauerte die Gestalt einer jungen Frau. Sie zitterte, ob wegen der Kälte oder der Schmerzen, die sie erleiden musste, da ihr Körper von blutigen Verletzungen gezeichnet war, die ihr zweifelsohne durch Gewalt zugefügt wurden. Sie wusste, dass derjenige, der sie hier festhielt nur mit ihr spielte, um einen besonderen Mann in der Stadt herauszufordern und wenn dieser Mann nicht bald hier auftauchen würde, würde dieses Spiel tödlich für sie enden…
 

Langsam hörte sie Schritte auf sich zukommen, ehe jemand vor ihr in die Knie ging und grob ihren Haaransatz packte, um ihr zerschundenes Gesicht sehen zu können. „Na, meine Süße? Glaubst du immer noch, dass er kommt, um dich zu retten?“, fragte eine belustigte Stimme. Die junge Frau hob trotzig den Blick und schaute ihren Entführer direkt an. „Ja, ich weiß, dass er kommen wird“, gab sie ungehalten zurück. „Ich hoffe für dich, dass du Recht behältst.“ Mit Entsetzen stellte die junge Frau fest, dass ihr Gegenüber ein Messer in der Hand hielt.
 

„Weißt du…er war noch nie sehr kontaktfreudig und aus seinen Mitmenschen macht er sich auch nicht viel. Wieso sollte er also so ein dummes kleines Mädchen retten?“ Die Stimme des Entführers war direkt neben ihrem Ohr und kurz darauf spürte sie, wie die Spitze des Messers über ihren Hals kratzte und ein blutiges Rinnsal hinterließ. „Er wird kommen“, beharrte sie. „Aber ich habe keine Lust mehr zu warten. Wir sollten dieses Spiel hier und jetzt beenden.“ Die Messerklinge drückte stärker gegen ihre Kehle. Panik stieg in ihr auf und ein verzweifeltes Schluchzen kam über ihre Lippen. Ohne ihn wäre sie verloren und würde als zerschundene Leiche in dieser trostlosen Lagerhalle enden.
 

„Bringen wir’s zu Ende“, flüsterte die Stimme des Entführers; sein Atem streifte ihre Haut, was ein Gefühl des Ekels in ihr aufsteigen ließ. Gleichzeitig wurde ihr jedoch bewusst, dass ihre Aussicht auf Rettung immer mehr schwand und vermutlich an ein Wunder grenzen würde. Verzweifelt schloss sie die Augen und wartete darauf, dass der Entführer sein grausames Werk vollenden würde. Sie wartete nur darauf, dass es endlich vorbei war, doch plötzlich hörte sie erneut Schritte in der Halle, die hastig auf sie zukamen.
 

Dann schrie eine vertraute Stimme ihren Namen. „KATIE!“ …

Eine schicksalhafte Nacht

Einige Monate zuvor…

Katie Miller seufzte frustriert, als sie die Einnahmen der vergangenen Tage, die sie in der Cocktailbar gearbeitet hatte, zu ihren bisherigen Ersparnissen legte. Missmutig blickte die junge Frau auf die bunte Blechdose, die in ihrer Kindheit immer zur Aufbewahrung von Keksen verwendet wurde. Jetzt diente sie Katie als Spardose, doch leider war sie als solche nicht einmal halb so voll, wie es ihren Wünschen entsprach. Vielleicht würde sich das Geld ja auf wundersame Weise vervielfältigen, wenn man es nur lange genug anstarrte. Die junge Frau schüttelte den Kopf, sodass ihr ihre langen braunen Haare ins Gesicht fielen. Sie war sicher wieder überarbeitet und hatte deshalb solche wirren Gedanken. Mit einem erneuten Seufzen wandte sie sich von ihren kargen Ersparnissen ab und ließ sich stattdessen auf ihr Bett fallen, das unter der plötzlichen Last leicht nachgab.
 

Nachdenklich schaute sie an die Decke. Wie lange sollte das noch so weitergehen? Tag für Tag schuftete sie in dieser Cocktailbar in der Innenstadt, oftmals bis spät in die Nacht und brachte doch keinen Cent zum anderen. Wenn das so weiterginge, konnte sie sich ihren Traum wirklich an den Hut stecken. Schon als Kind hatte Katie davon geträumt eines Tages einen eigenen Blumenladen zu besitzen, doch da ihre Eltern keine Millionäre waren, musste sie sich das Geld dafür mühsam zusammensparen und hatte daher den Job in der Cocktailbar in der Nähe des Piccadilly Circus angenommen. Vielleicht schaffte sie es ja eines Tages wirklich genug Geld zusammen zu haben, um ihren Traum zu verwirklichen. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, ehe ihr nach dieser anstrengenden Nachtschicht die Augen zufielen und sie schließlich einschlief.
 

Auch am folgenden Abend wurde Katie die Ehre zuteil, die Spätschicht in der Bar zu übernehmen, da überraschend jemand von ihren Kollegen ausgefallen war. Großartig, dachte sie, das hieß mal wieder bis in die frühen Morgenstunden zu arbeiten. Sie konnte es kaum erwarten!

Dennoch zog sie sich am frühen Abend ihre Arbeitskleidung über, die aus schwarzen Hosen und einem roten Poloshirt bestand und warf noch einmal einen prüfenden Blick in den Spiegel. In einer Stunde müsste sie in der Bar sein und es war höchste Zeit sich auf den Weg zu machen, wenn sie rechtzeitig ankommen wollte. Schnell warf sie sich ihre Jacke über und nahm die Wohnungsschlüssel von der Kommode, ehe sie ihre vier Wände verließ und sich auf den Weg zur Arbeit machte. Hätte sie gewusst, was für eine furchtbare Überraschung der Abend für sie bereithielt, hätte sie die Bitte für ihren Kollegen einzuspringen sicher abgelehnt…
 

Ihre Schicht in der Cocktailbar schien sich an diesem Abend ewig hinzuziehen. Katie fragte sich, ob die Gäste sich alle gegen sie verschworen hatten, da sie einfach nicht nach Hause gehen wollten und somit verhinderten, dass Katie in ihren wohlverdienten Feierabend gehen konnte. Seufzend lehnte sich die Braunhaarige gegen den Tresen und warf eines der Geschirrhandtücher über die Spüle. „Nimmt das denn gar kein Ende heute?“, fragte sie frustriert und strich sich einige vorwitzige Haarsträhnen hinter die Ohren. „Ich weiß, was du meinst“, stimmte ihr ihre Kollegin Sarah zu, mit der sie sich eigentlich ganz gut verstand. „Heute ist wirklich viel los und es scheint auch nicht so schnell Schluss zu sein.“ „Ja, leider“, murmelte Katie. „Naja, meckern hilft auch nicht. Lass uns weitermachen“, meinte Sarah dann und holte die nächsten Gläser aus dem Schrank, um darin Cocktails zu mixen. „Na, schön“, seufzte Katie und ging dazu über, die bereits benutzten Gläser zu spülen.
 

Nach weiteren drei Stunden hatten schließlich auch die letzten Gäste die Bar verlassen. Als Katie einen Blick zur Wanduhr warf, zeigte diese bereits drei Uhr morgens an. Na toll, bis sie hier alles in Ordnung gebracht hatten und sie den Laden endlich verlassen konnte, würde sie vor vier Uhr nicht zu Hause sein und dabei war sie wirklich müde. Sie konnte ihr Bett förmlich schreien hören. Dennoch trotzte sie ihrer Müdigkeit und half Sarah noch dabei, die ausgetrunkenen Gläser, die noch vereinzelt auf den Tischen standen, wegzuräumen. Wie Katie es vermutet hatte, war es bereits halb vier, als sie endlich fertig waren. „Endlich fertig“, stellte die Braunhaarige erleichtert fest. „Du sagst es. Lass uns nach Hause gehen, ich bräuchte dringend ein bisschen Schlaf“, stimmte Sarah zu und schulterte ihre Tasche. Katie nickte nur und folgte ihr schließlich nach draußen.

Kaum war sie auf die Straße getreten, schlug ihr sofort die kalte Nachtluft entgegen, was sie dazu veranlasste, den Kragen ihrer Jacke aufzustellen. „Soll ich dich noch ein Stück begleiten, Katie?“ Sarahs Stimme drang wieder an ihr Ohr. „Nein, ist schon in Ordnung. Du musst meinetwegen keinen Umweg machen“, winkte Katie ab. „Na gut, dann sehen wir uns morgen“, meinte ihre Kollegin, ehe sie sich verabschiedete und in der nebligen Nacht verschwand. Katie sah ihr nach und mit einem Mal hatte sie ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Irgendetwas sagte ihr, dass sie Sarahs Angebot besser angenommen hätte. „Sei nicht albern, Katie!“, rief sie sich selbst zur Ordnung. Sie war schon unzählige Male nachts alleine nach Hause gelaufen. Was sollte denn ausgerechnet heute passieren?! Kopfschüttelnd trat sie den Heimweg an.
 

Gedankenverloren lief Katie durch die nächtlichen Straßen von London. Obwohl es fast vier Uhr war, war immer noch jede Menge los. Vor allem Taxis waren noch unterwegs, um vermutlich die letzten Schnapsleichen einer durchzechten Nacht einzusammeln. Katie beschleunigte ihre Schritte. Mittlerweile war ihr kalt und sie wollte einfach nur noch ins Bett. Sie hatte ihre Wohnung schon fast erreicht, als sie plötzlich einen entsetzten Schrei hörte, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Einen Moment stand sie wie angewurzelt da und eine einzige Frage schoss ihr durch den Kopf. Woher war dieser markerschütternde Schrei gekommen?! Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren, während sie fieberhaft überlegte, was sie nun tun sollte. Sollte sie es ignorieren und einfach nach Hause gehen oder sollte sie der Ursache des Schreis auf den Grund gehen? Ihr Verstand sagte ihr, dass sie lieber nach Hause gehen sollte, doch leider war Katie viel zu neugierig und so lief sie in die Richtung, aus der der Schrei vermutlich gekommen war.
 

Es dauerte nicht lange, bis sie in einer dunklen Seitenstraße eine Gestalt ausmachte. Katie konnte die Person zwar nur schemenhaft erkennen, doch die schlanke, zierliche Silhouette verriet ihr, dass es sich vermutlich um eine Frau handelte. Katie konnte ob der Dunkelheit nicht viel sehen, doch die Person taumelte ein paar Schritte zur Seite und krümmte sich plötzlich. Da dies für gewöhnlich keine normale Körperhaltung war, ging die Braunhaarige davon aus, dass der Schrei von ihr gekommen war. Sie wollte gerade auf die Frau zugehen, um sie zu fragen, ob sie ihr irgendwie behilflich sein könnte, als das Auftauchen einer weiteren Person sie innehalten ließ.

Dieser Umriss gehörte eindeutig zu einem Mann. Katie kam der peinliche Gedanke, dass sie die beiden vielleicht gerade bei etwas Bestimmtem störte. Wie sehr sie sich doch irrte! Bevor sie diesen Gedanken noch weiter verfolgen konnte, drangen Gesprächsfetzen an ihr Ohr. „B-bitte tun Sie das nicht…“, schniefte die Frau, ihre Stimme klang völlig erstickt. „Es tut mir wirklich leid. Ich habe Ihrem Mann mehrmals gesagt, dass er das Geld rechtzeitig bezahlen soll und andernfalls härtere Maßnahmen nötig sind. Nun, ich bedaure es sehr, dass Ihr Mann der Zahlungsaufforderung nicht nachgekommen ist. Jetzt muss ich leider andere Seiten aufziehen“, erwiderte der Mann mit gespieltem Bedauern. „Bitte…geben Sie ihm noch eine Chance. Er wird das Geld sicher bezahlen, bitte…“ Die Frau hatte die Hände ineinander gelegt und streckte sie ihrem Entführer flehentlich entgegen. „Ich gebe keine zweiten Chancen“, zischte der Mann und zu Katies Entsetzen zog er eine Pistole aus seinem langen Mantel. Sofort richtete er sie auf den Kopf der Frau, die in der Zwischenzeit auf die Knie gesunken war. „Bitte nicht…“, hörte Katie sie noch flüstern, doch der Entführer verstand offensichtlich wirklich keinen Spaß.
 

Er achtete nicht weiter auf die flehende Frau zu seinen Füßen. Er spannte lediglich den Hahn der Pistole und richtete sie erneut auf sein Opfer, das jetzt nur noch ein Wimmern von sich gab. Dann herrschte kurz eine unheimliche Stille, ehe der Mann eiskalt den Abzug betätigte und die Waffe damit abfeuerte. Ein ohrenbetäubender Knall, der Katie fast das Trommelfell zerriss, erschütterte ganz London. Katie sah nur noch, wie augenblicklich das Blut in alle Richtungen spritzte und den dunklen Asphalt noch mehr befleckte, bevor die Frau zu Boden fiel und reglos liegen blieb.
 

Katie hatte das Szenario fassungslos beobachtet. Sie konnte es nicht glauben – dieser Typ hatte die Frau eiskalt umgebracht! Sie war soeben Zeugin eines eiskalten Mordes geworden! Augenblicklich schrillten alle Alarmglocken in ihr los. Ihr Verstand schrie sie an, so schnell wie möglich wegzulaufen, doch sie war unfähig sich zu bewegen; sie war einfach zu geschockt.
 

Erst als ihr bewusst wurde, dass sie verschwinden musste, bevor der Mörder sie womöglich noch entdeckte und auch noch auf sie Jagd machte, kehrte wieder Leben in ihren Körper zurück. So unauffällig wie möglich versuchte sie sich vom Ort des Verbrechens zu entfernen. Sie wollte gerade los laufen, als unglücklicherweise alles schiefging. Denn bevor sie in die Schatten der Seitenstraße zurückweichen konnte, wurde der Mörder auf sie aufmerksam. „Wer ist da?!“, rief er, als er ihren Umriss erkannte. Katie gab keine Antwort; stattdessen drehte sie sich um und rannte los, in der Hoffnung, dass sie die Hauptstraße lebend erreichen würde.
 

Sie wusste, dass der Mörder ihr folgte, denn sie konnte hören, wie seine Schritte auf dem Asphalt widerhallten. Panisch rannte sie auf die Hauptstraße zurück, wagte es jedoch nicht, zu ihrer Wohnung zu laufen, da sie dort sicher in der Falle sitzen würde. Also rannte sie zurück Richtung Innenstadt und hoffte, dass sie den Mörder abhängen und jemanden finden könnte, der ihr helfen würde.
 

Sie rannte so schnell ihre Beine sie tragen konnten und wechselte dabei immer wieder die Richtung. Müdigkeit und Angst machten ihr zu schaffen, sodass sie irgendwann einfach in jemanden hinein rannte, der sie überrascht auffing. Panisch schaute sie auf und blickte in ein fragendes Gesicht. Es war ein Mann, der sie besorgt musterte. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Katie schaute sich hektisch um, konnte ihren Verfolger aber nicht entdecken. „Brauchen Sie Hilfe?“, fragte der Mann erneut. Katie schaute wieder zu ihm auf. „Ja, bitte Sie müssen mir helfen. Da war dieser Mann und er hat diese arme Frau erschossen. Aber dann hat er mich gesehen und hat mich durch die halbe Stadt gejagt…oh Gott, bitte helfen Sie mir.“ Katie war den Tränen nahe.
 

Ihr Gegenüber wollte gerade etwas erwidern, wurde aber von seinem Begleiter unterbrochen. „Ein Mordfall und dann auch noch eine lebende Augenzeugin. Wie interessant.“ Katie blickte zum Besitzer dieser tiefen Stimme. Er war ein Stück größer als der andere, hatte lockige dunkle Haare und helle wachsame Augen, während der Rest von ihm in einen langen dunklen Mantel gehüllt war. „Sie finden es interessant? Soll ihr das vielleicht helfen, der Mörder hat sie gejagt und sucht vermutlich immer noch nach ihr“, bemerkte der andere. „Ja, eine natürliche Reaktion. Begleiten Sie uns doch, ich möchte mehr über Ihr nächtliches Erlebnis erfahren.“ Ohne eine Antwort abzuwarten setzte sich der Größere in Bewegung und sein Begleiter seufzte. „Kommen Sie, er erwartet, dass Sie mitkommen und bei uns passiert Ihnen auch nichts“, versprach dieser dann und schob sie sanft vor sich her.
 

Katie wusste zwar nicht, wem sie da in die Arme gelaufen war, aber sie hatte das Gefühl, dass sie den beiden vertrauen konnte und das war zumindest besser, als vor einem Mörder zu fliehen, der es jetzt auf sie abgesehen hatte. Also folgte sie den beiden Männern zu einem ihr unbekannten Ziel…

Willkommen in der Baker Street

Katie folgte den beiden Unbekannten durch die halbe Innenstadt, bis sie irgendwann in eine Straße einbogen. Die Braunhaarige erhaschte einen Blick auf das Straßenschild an einem der aus Ziegelsteinen erbauten Häuser und stellte fest, dass sie sich in der Baker Street befand. Die beiden Männer liefen zügig die Straße entlang; Katie hielt sich dicht neben demjenigen, der sie aufgefangen hatte und dessen Namen sie nach wie vor nicht kannte, ganz zu schweigen von dessen Begleiter. Obwohl sie bei den beiden offensichtlich in Sicherheit war, konnte sie nicht verhindern, dass sie immer wieder einen nervösen Blick über ihre Schulter warf, nur um jedes Mal erleichtert festzustellen, dass ihr der Mörder nicht mehr auf den Fersen war.
 

Schließlich blieben die beiden vor einer Tür stehen; offenbar waren sie an ihrem Ziel angekommen. Katie schaute zu dem Haus auf, vor dem sie zum Stehen gekommen waren. Es war ebenfalls aus Ziegelsteinen gebaut, da es allerdings recht groß wirkte, bezweifelte sie, dass die beiden alleine darin wohnten. Es musste sich also lediglich um eine Wohnung handeln, die sich die beiden nach Katies Auffassung anscheinend teilten. Direkt neben dem Haus befand sich ein kleines Café, das um diese Uhrzeit jedoch geschlossen war und seine Markise eingefahren sowie die Rollläden heruntergelassen hatte. Ihr Blick huschte zurück zu dem Wohnhaus. Auf der dunkelgrün angestrichenen Tür prangte in Messingziffern die Hausnummer 221B. Auf eben diese Tür ging der Größere nun zu und öffnete sie. Dann verschwand er im Inneren des Hauses und schien darauf zu warten, dass sie ihm folgen würden. Der andere seufzte nur und zog Katie schließlich mit sich, worauf sie ihm wohl oder übel folgte.
 

Er führte sie eine schmale Treppe hoch in den zweiten Stock des Hauses, wo allem Anschein nach die gemeinsame Wohnung lag. Oben angekommen wartete der Dunkelhaarige bereits auf sie. Kaum waren sie eingetreten, schloss er auch schon die Tür hinter ihnen und drehte sich dann mit einem erwartungsvollen Blick zu Katie um. „Erzählen Sie mir die Geschichte und lassen Sie kein Detail aus“, forderte er sie auf. „Ähm, na schön…“, gab Katie etwas überrumpelt von sich und hörte sich dabei sicher wie eine komplette Idiotin an. Sie wollte gerade ansetzen, als sie von dem anderen unterbrochen wurde. „Also wirklich, Sherlock. Haben Sie denn gar kein Taktgefühl? Das Mädchen wurde von einem Mörder verfolgt und kann von Glück reden, dass sie gerade uns über den Weg gelaufen ist. Sie denken aber nur wieder an den Fall.“ Er schüttelte seufzend den Kopf. „Entschuldigen Sie, John. Ich dachte, ich überlasse es Ihnen, den Seelsorger zu spielen“, gab der Genannte trocken zurück. Na schön, dachte Katie, das erste Rätsel wäre also gelöst: Unbekannter Nummer 1 und 2 hießen also Sherlock und John. Jetzt blieb bloß noch zu klären, was die beiden taten, dass sie angeblich Glück hatte, auf sie zu treffen.
 

„Ja, das sieht Ihnen mal wieder ähnlich“, seufzte John in diesem Moment, ehe er das Wort an sie richtete. „Kommen Sie, setzen Sie sich erst einmal. Sie müssen wirklich verängstigt sein“, meinte er und hatte dabei nicht ganz unrecht; der Schreck saß ihr immer noch tief in den Knochen. Daher ließ sie sich bereitwillig von John zu einem Sessel führen, wobei ihr nicht entging, dass Sherlock die Augen verdrehte. „Sagen Sie uns doch erst einmal Ihren Namen“, meinte John, als sie sich setzte. „Mein Name ist Katie Miller“, antwortete sie daraufhin. „Schön, Sie kennenzulernen. Ich bin John Watson und das da ist mein Mitbewohner Sherlock Holmes“, stellte er sich vor und deutete auch auf den Dunkelhaarigen, der irgendwie ungeduldig wirkte.
 

„Ähm, es freut mich auch…“, murmelte Katie und fragte sich, ob sie wirklich in guten Händen war. „Ja, das ist alles ganz reizend“, mischte sich Sherlock ein. „Können wir nun über den Mord sprechen?“ „Nehmen Sie es ihm nicht übel. Er ist immer so“, meinte John, als er Katies irritierten Blick bemerkte. „Erzählen Sie ihm davon, er wird vorher sowieso keine Ruhe geben. Ich werde Ihnen in der Zwischenzeit einen Tee kochen. Der wird Ihnen sicher gut tun.“ Mit diesen Worten stand John auf und verschwand nach nebenan in die Küche. Katie blieb allein mit Sherlock im Wohnzimmer zurück.
 

Katie fühlte sich ein wenig unbehaglich, als sie allein mit ihm war. Er beobachtete sie genau, schien jedes Detail von ihr zu mustern, während seine hellen Augen auf ihr ruhten und sie durchdringend ansahen. „Worauf warten Sie noch? Brauchen Sie eine schriftliche Einladung? Erzählen Sie schon“, forderte er sie schließlich auf. „Also schön…ich hatte heute Nachtschicht, weil ich spontan für einen kranken Kollegen einspringen musste“, fing Katie an, wurde jedoch sofort wieder von Sherlock unterbrochen. „Sie arbeiten als Kellnerin in einer Cocktailbar, nicht wahr?“ Überrascht schaute Katie ihn an. „Woher wissen Sie das?“, gab sie dann zurück, bevor sie sich bei John bedankte, der ihr den Tee brachte und sich ebenfalls wieder setzte.
 

„Ihre Hände sehen im Bereich der Fingerknöchel rau aus und weisen zum Teil kleine Schnitte auf, was darauf hindeutet, dass Sie oft Geschirr spülen. Zu Hause würden Sie das höchstens ein- oder zweimal machen und zwar dann, wenn Sie zu Mittag und zu Abend essen. In diesem Fall würden Ihre Hände aber nicht so aussehen, da Sie sie zwischendurch schonen könnten. Diese Tatsache lässt darauf schließen, dass Sie in der Gastronomie tätig sind, wo man ja bekanntlich öfter mal mit schmutzigem Geschirr zu tun hat. Ihre Arbeitskleidung sieht ziemlich leger aus und kann daher nicht in einem Nobelrestaurant getragen werden, also eher in einer Bar. Auf Ihrem T-Shirt sind zudem verschiedene Rückstände von Getränken zu finden, vermutlich sind sie entstanden, als sie eingeschenkt wurden und dabei in Ihre Richtung gespritzt sind. Die Flecken haben unterschiedliche Farben, einige sind rot und wieder andere sind blau. Herkömmliche Getränke weisen solche Farben in der Regel nicht auf, Cocktails sind dagegen kunterbunt erhältlich, da ja alles Mögliche da rein gemischt wird. Ihre Schicht muss lang gewesen sein, das verraten die Anzahl der Cocktailflecken auf Ihrem Shirt und die Tatsache, dass Sie so spät noch unterwegs waren. Ist es nicht so, Miss Miller?“ Ein selbstzufriedener Ausdruck trat in Sherlocks Augen, als er sie nach wie vor musterte.
 

Katie konnte erst einmal gar nichts sagen, sie war viel zu perplex. „Wow…das war wirklich beeindruckend. Wie haben Sie das gemacht?“, fragte sie schließlich. „Er hat Sie gerade deduziert“, antwortete John an Sherlocks Stelle. „Und was bedeutet das?“, fragte sie nach. Sherlock holte gerade Luft und wollte etwas sagen, das sicher nicht nett gewesen wäre, doch dank Johns warnendem Blick verkniff er sich jeglichen Kommentar. „Er hat Sie sozusagen analysiert und das durch genaue Beobachtung. Das nennt man Deduktion“, erklärte John schließlich. „Schön, dass wir das jetzt geklärt haben. Erzählen Sie doch weiter, Katie“, meinte Sherlock und fixierte sie wieder, was der Braunhaarigen alles andere als angenehm war.
 

„Na gut…“, sagte sie dennoch. „Wie ich bereits sagte, musste ich heute für einen kranken Kollegen einspringen. Sie haben Recht, meine Schicht war lang, da die Gäste einfach nicht nach Hause gehen wollten. Meine Kollegin Sarah und ich verließen die Bar etwa gegen halb vier. Ich schlug ihr Angebot, mich nach Hause zu bringen, aus und machte mich auf den Heimweg. Doch kurz bevor ich meine Wohnung erreicht habe, hörte ich diesen durchdringenden Schrei.“ Bei der Erinnerung daran fingen Katies Finger, die sie um die warme Teetasse gelegt hatte, unwillkürlich an zu zittern. „Weiter“, forderte Sherlock sie auf und die junge Frau fühlte sich, als ob sie einen Aufsatz vorlesen müsste. „Ich wusste zuerst nicht, was ich tun sollte, doch schließlich siegte die Neugier. Ich wollte der Ursache des Schreis auf den Grund gehen…“, sprach sie weiter. „Das ist nur zu gut verständlich. Ich hätte an Ihrer Stelle genauso gehandelt“, wurde sie von Sherlock unterbrochen. „Ach wirklich?“ Irritiert schaute sie ihn an. „Aber natürlich. Erzählen Sie weiter“, lautete die Antwort. Die Braunhaarige holte noch einmal tief Luft, denn jetzt kam definitiv der schrecklichste Teil der Geschichte.
 

„Ich stand plötzlich in dieser dunklen Seitenstraße. Vor mir sah ich eine Person, die sich krümmte, als ob sie Schmerzen hätte. Ich konnte sie zwar nur schemenhaft erkennen, aber es war definitiv eine Frau…Ich wollte zu ihr gehen und sie fragen, ob sie Hilfe braucht, aber dann tauchte der Mörder auf…“ Katie brach ab und wurde stärker von dem Zittern erfasst, worauf John neben ihr beruhigend eine Hand auf ihrer Schulter ablegte. „Was ist dann passiert?“, drängte Sherlock, wobei er den tadelnden Blick seines Mitbewohners geflissentlich ignorierte. „Er sprach mit der Frau…ich konnte nicht alles verstehen, aber es ging offensichtlich darum, dass ihr Ehemann bei dem Mörder Schulden hatte, die er nicht bezahlen konnte. Deswegen schien er die Frau entführt zu haben“, murmelte Katie. „Sie haben das Ganze also aus einiger Entfernung beobachtet, sonst hätten Sie erstens nicht so lange in dieser Seitenstraße verweilt, da der Mörder sonst schon früher auf Sie aufmerksam geworden wäre und zweitens hätten Sie das ganze Gespräch gehört, wenn Sie näher dran gewesen wären“, schlussfolgerte Sherlock, worauf Katie zustimmend nickte.
 

„Sie hat ihn noch angefleht, sie am Leben zu lassen, aber er hat sie einfach eiskalt erschossen. Ich war so geschockt, dass ich mich zuerst überhaupt nicht bewegen konnte. Als mir bewusst wurde, was ich da gesehen hatte, wollte ich einfach nur noch weg von diesem schrecklichen Ort. Ich hätte es auch fast geschafft, aber leider hat er mich im letzten Moment doch noch gesehen. Natürlich verfolgte er mich sofort und ich habe versucht, ihm zu entkommen“, redete Katie weiter. „Dabei hat er Sie vermutlich durch die halbe Stadt gejagt, da an Ihren Hosen Schlammspritzer zu sehen sind, was darauf hindeutet, dass Sie schnell gerannt sind. Außerdem waren Sie ziemlich außer Atem, als Sie John in die Arme gelaufen sind, also mussten Sie bereits eine beachtliche Strecke hinter sich haben“, fügte Sherlock hinzu. „So ist es…ich bin einfach nur gerannt, in der Hoffnung, dass er mich nicht erwischen würde und mir jemand helfen könnte, bis ich Sie getroffen habe“, endete Katie.
 

„Das war wirklich sehr aufschlussreich“, sagte Sherlock schließlich, ehe er aufsprang und freudig durchs Zimmer lief. „Das ist großartig, endlich ein neuer Fall und ich dachte schon, London wären die Mörder ausgegangen. Sie haben mich wirklich vor tödlicher Langeweile gerettet!“ „Wie bitte?“, fragte Katie verwirrt. Sie hatte vor nicht einmal einer Stunde mit ansehen müssen, wie eine unschuldige Frau eiskalt ermordet wurde und dieser merkwürdige Typ freute sich darüber, als ob man einem Kind ein Überraschungs-Ei mitbringen würde! „Fragen Sie lieber nicht nach. Das macht er immer“, sagte John, als ob er ihre Gedanken lesen konnte. „Okay…gut zu wissen“, erwiderte Katie nur.
 

„Wir sollten jetzt alle etwas schlafen. Es ist schon spät“, entschied John dann und erhob sich aus seinem Sessel. „Sie können natürlich hier bleiben. Das Sofa steht Ihnen voll und ganz zur Verfügung“, sagte er dann an Katie gewandt. „Mein Sofa?!“, kam es sofort von Sherlock. „Wo steht Ihr Name? Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause, Katie“, erwiderte John und ignorierte das Gemecker seines Mitbewohners. „V-vielen Dank“, murmelte die Angesprochene. „Und Sie sehen zu, dass Sie jetzt ins Bett kommen“, wies er Sherlock an. „Und was ist mit dem Fall?“, gab dieser zurück. „Sie sollen ins Bett gehen“, beharrte John. „Na schön, aber später gehen wir sofort zu Scotland Yard und fragen bei Lestrade nach, ob er irgendwelche Hinweise dazu hat“, erwiderte Sherlock. „Meinetwegen, schlafen Sie gut, Katie.“ Mit diesen Worten wünschte John der jungen Frau eine gute Nacht, oder das, was davon übrig war und schob Sherlock vor sich her aus dem Zimmer.
 

Kurz darauf lag die Braunhaarige auf dem Sofa, das an der linken Wand stand. Eigentlich war sie hundemüde, doch an Schlaf war nicht zu denken. Immer wieder schossen ihr diese Bilder durch den Kopf, wie diese Frau regungslos am Boden lag, während sich ihr Blut auf der Straße ausbreitete. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, wie tief sie eigentlich in der Scheiße saß. Sie würde sich wohl nicht mehr auf die Straße trauen können, ohne befürchten zu müssen, dass sie im nächsten Moment ebenfalls erschossen würde, weil sie alles gesehen hatte. Sie hoffte nur, dass Sherlock und John ihr wirklich helfen konnten, auch wenn ersterer ziemlich schräg rüberkam…

Sie versuchte erneut zu schlafen, doch sie machte kein Auge zu, sie war einfach viel zu aufgewühlt. Außerdem fühlte sie sich alleine unwohl, da sie ständig die Befürchtung hatte, dass die Tür aufgehen und der Mörder hereinkommen würde. Seufzend setzte sie sich auf. Wo dieser merkwürdige Sherlock wohl schlief? Er war zwar seltsam, war aber irgendwie auch interessant. Ob sie ihn suchen und fragen sollte, ob sie nicht einfach bei ihm bleiben könnte? Moment mal, war sie jetzt komplett bescheuert?! Was dachte sie denn da?! Sie konnte doch nicht zu einem fremden Typen ins Bett schlüpfen, der Mordfälle so toll fand wie kleine Kinder den Weihnachtsmann! Dennoch war der Gedanke verlockend…
 

Katie wusste nicht, was in sie gefahren war, aber der Gedanke ließ sie nicht mehr los, bis sie irgendwann doch aufstand und sich auf die Suche nach seinem Schlafzimmer begab. Kurz darauf stand sie tatsächlich neben seinem Bett. Er schien sie nicht bemerkt zu haben, er hatte ihr den Rücken zugewandt und lag ganz still da. Katie zögerte zuerst, streckte dann aber langsam die Hand nach ihm aus. Sie wollte ihn gerade an der Schulter berühren, als er sich plötzlich regte.
 

„Was wollen Sie hier?“, fragte er ohne sich umzudrehen. Katie zuckte erschrocken zusammen und sagte erst einmal nichts. „Na los, sagen Sie schon.“ Er drehte sich zu ihr um und schaute sie mit seinen hellen Augen erwartungsvoll an. „Ähm also…i-ich kann nicht einschlafen, mir geht das Ganze nicht mehr aus dem Kopf und alleine fühle ich mich unwohl. Kann ich denn nicht bei Ihnen bleiben?“, fragte sie schließlich leise. Sherlock schaute sie fassungslos an. „Bitte was? Ist Ihnen das Sofa etwa nicht gut genug?“ „N-nein, das ist es nicht. Bitte…ich möchte nicht alleine sein…“, murmelte Katie, ihre Stimme zitterte. „Wieso sollte ich das tun? Glauben Sie nicht, dass ich Sie in den Arm nehme und tröste. Ich bin nicht wie John. Gehen Sie zu ihm, er ist der Seelsorger“, erwiderte Sherlock nicht gerade taktvoll. „Das ist mir egal. Hören Sie, ich habe echt eine scheiß Angst und wenn ich alleine bin, wird es noch schlimmer. Bitte…ich habe doch einfach nur Angst…“ Jetzt hatte sie doch angefangen zu weinen, doch Sherlock versuchte es zu ignorieren.
 

Als sie jedoch nicht aufhörte, gab er irgendwann doch nach. „Herr Gott noch mal, ist ja schon gut. Kommen Sie her, aber hören Sie verdammt noch mal auf zu weinen!“ Er war sichtlich genervt von ihrem Geheule, hob aber dennoch die Bettdecke an, um ihr zu bedeuten, dass sie zu ihm kommen konnte. Katie wischte sich kurz über die Augen und schlüpfte schließlich zu ihm unter die Decke. Sofort umfing sie eine wohlige Wärme und ein Gefühl der Sicherheit umgab sie, sodass das Weinen weniger wurde und schließlich ganz verstummte, bis nur noch ein leises Schniefen zu vernehmen war. „Danke…“, murmelte sie. „Ist schon gut. Schlafen Sie jetzt. Das war alles etwas viel für Sie“, erwiderte Sherlock leise, doch er war sich nicht sicher, ob sie ihn noch gehört hatte, denn als er wieder zu ihr schaute, stellte er fest, dass sie schon eingeschlafen war.
 

Es dauerte jedoch nicht lange, bis er spürte, dass sie näher zu ihm kam und sich schließlich ganz nah an ihn kuschelte, als ob er ihr den Schutz bieten könnte, den sie brauchte. Sherlock war maßlos über ihr Verhalten überrascht. Für gewöhnlich mieden ihn die Menschen eher, wenn sie nicht gerade Klienten, hilflose Polizeibeamte oder John waren. Er war noch nie sehr kontaktfreudig gewesen und wurde von einigen sogar als Freak oder Psychopath bezeichnet, aber dennoch schien sich dieses Mädchen mehr als wohl bei ihm zu fühlen. Sie hatte sich erstaunlich schnell beruhigt und schlief nun seelenruhig; dicht an ihn geschmiegt und mit dem Kopf auf seiner Brust liegend. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Vielleicht bist du noch merkwürdiger als ich, Katie Miller“, sagte er leise, ehe er sie unbewusst doch in den Arm nahm und schließlich auch wieder einschlief.

Das Mädchen und der Freak

Nachdem Katie in den frühen Morgenstunden zu Sherlock geschlüpft war, schlief sie bis zum späten Vormittag tief und fest. Sie fühlte sich wohl und sicher bei ihm, weshalb die Angst in der Nacht schnell verschwunden war, kaum dass sie sich zu ihm gelegt hatte. Nun lag sie immer noch neben ihm und hatte sich eng an ihn gekuschelt, während sie friedlich schlief. Auch der Dunkelhaarige schlief noch, er hatte wohl doch mehr Schlaf nötig, als er anfangs zugegeben hatte. Er hatte sie immer noch im Arm und behielt sie nah bei sich, wobei es den Anschein hatte, dass er sie im Schlaf noch näher gezogen hatte.
 

Genau so fand John sie eine halbe Stunde später vor, als er leise das Zimmer betrat. Er war schon eine Weile wach und hatte sich darüber gewundert, dass sein Mitbewohner noch nicht auf den Beinen war, wo er doch am liebsten schon in der Nacht zu Scotland Yard gegangen wäre, um Lestrade darüber auszuquetschen, ob er irgendwelche Hinweise zu dem Mordfall erhalten hatte. Da Sherlock aber um diese Uhrzeit offensichtlich noch im Bett lag, was äußerst selten vorkam, entschied John doch mal nach seinem Mitbewohner zu sehen. Als er jedoch sah, dass er nicht alleine in seinem Bett war, blieb er wie angewurzelt stehen.
 

„Großer Gott!“, rief er aus, als er sich von dem Anblick einigermaßen erholt hatte. „Wieso schreien Sie denn so?“, kam es verschlafen von Sherlock, der durch den Ausruf aufgewacht war. John gab jedoch keine Antwort, was den Dunkelhaarigen dazu veranlasste, die Augen aufzumachen und seinen Mitbewohner fragend anzuschauen. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen aus, als hätten Sie einen Geist gesehen“, stellte Sherlock fest. „Ja…ich glaube, das trifft es ganz gut. Geht es Ihnen gut oder muss ich mir Sorgen machen?“ Bei dieser Frage runzelte der Jüngere von beiden die Stirn.
 

„Es geht mir bestens, danke der Nachfrage.“ „Sind Sie sicher? Ich habe Sie noch nie mit einem Mädchen im Bett liegen sehen“, meinte John; die Fassungslosigkeit stand ihm immer noch ins Gesicht geschrieben. „Ach, das meinen Sie“, erwiderte Sherlock, als er merkte, worauf sein Partner hinaus wollte. „Sie stand plötzlich vor meinem Bett und hat mir etwas vorgejammert, von wegen sie hat Angst alleine zu sein und will bei mir bleiben. Ich konnte ihr Geheule irgendwann nicht mehr hören, deswegen ließ ich ihr ihren Willen. Es war lediglich Mittel zum Zweck. Glauben Sie bloß nicht, dass es etwas mit Gefühlen zu tun hatte“, stellte Sherlock sofort klar, wobei er das Wort „Gefühle“ aussprach, als handle es sich dabei um ein widerwärtiges Insekt, das man lieber nicht anfassen wollte. „Sie sind charmant wie immer. Es würde mir doch niemals in den Sinn kommen anzunehmen, dass Sie irgendwelche Gefühle für dieses Mädchen hegen könnten“, gab John zurück und seufzte innerlich. Sherlock würde sich wohl nie ändern.
 

„Erfahre ich eigentlich den Grund für Ihr Auftauchen in meinem Schlafzimmer?“, durchbrach Sherlock die aufgekommene Stille. „Es hat mich nur etwas gewundert, dass Sie noch nicht wach waren. Normalerweise sind Sie doch als erster auf den Beinen. Ich wollte mich nur vergewissern, dass alles in Ordnung ist“, antwortete John wahrheitsgemäß. „Wie gesagt – es geht mir bestens“, wiederholte der Dunkelhaarige seine Aussage von vorhin. „Schön, dann sollten Sie aufstehen. Mrs. Hudson war schon hier und hat das Frühstück vorbeigebracht.“ Mit dieser Information wandte sich John zum Gehen und ging zurück ins Wohnzimmer.
 

Kurz darauf stand auch Sherlock auf und gesellte sich zu seinem Partner; Katie ließ er in seinem Bett zurück. Als die Braunhaarige einige Zeit später aufwachte, setzte sie sich auf und schaute sich um, stellte jedoch fest, dass Sherlock tatsächlich verschwunden war. Auch sie schwang nun die Beine aus dem Bett und tapste hinüber ins Wohnzimmer.
 

Dort saßen die beiden Männer bereits an einem Tisch, der neben einem bereitgestellten Frühstück mit zahlreichem anderen Krempel beladen war. Als Katie den Raum betrat, schauten beide auf. „Guten Morgen. Kommen Sie zu uns“, forderte John sie freundlich auf und zog den Stuhl neben sich etwas zurück. Katie bedankte sich leise und setzte sich auf den ihr angebotenen Platz. „Essen Sie ruhig etwas. Mrs. Hudsons Frühstück ist wirklich wunderbar“, sagte John dann, worauf sich die Braunhaarige erneut bedankte und sich etwas zu essen nahm; sie bemerkte jetzt erst, was für einen Hunger sie eigentlich hatte.
 

Eine Weile herrschte Stille, bis Katie sie schließlich durchbrach. „Ich habe eine Frage.“ Damit wandte sie sich direkt an Sherlock, der ihr bis dahin wenig Beachtung geschenkt hatte. Als sie jedoch das Wort an ihn richtete, schaute er auf und sah sie abwartend an. „Fragen Sie“, lautete die knappe Antwort. „Sie haben gestern behauptet, dass ich Glück hatte, Sie getroffen zu haben. Wie war das gemeint? Ich meine, was tun Sie? Sind Sie so was wie ein Polizist?“ Die Fragen sprudelten nur so aus Katie heraus, doch Sherlock blieb ganz ruhig und legte lediglich die Fingerkuppen beider Hände aneinander. „Immer mit der Ruhe. Erstens war es John, der das behauptet hat. Zweitens meinte er damit, dass Sie bei uns in Sicherheit sind, da man mich für gewöhnlich nicht herausfordert. Drittens, ich verbitte es mir mit so etwas Untalentiertem wie einem Polizisten verglichen zu werden. Viertens, ich bin eine Art Privatdetektiv, besser gesagt ein sogenannter Consulting Detective, wohlgemerkt auch der einzige, da ich den Beruf erfunden habe. Ich werde hinzugezogen, wenn die Polizei nicht mehr weiter weiß, was eigentlich immer der Fall ist. Sind Ihre Fragen damit ausreichend beantwortet?“
 

Fragend schaute der Dunkelhaarige sie mit seinen durchdringenden Augen an. „J-ja, ich glaube schon“, stammelte Katie vor sich hin; sie fühlte sich mal wieder etwas überrumpelt. Doch dann fasste sie sich wieder und schaute ihn erneut direkt an. „Ach, übrigens…danke…“, murmelte sie und konnte nicht verhindern, dass sich ein leichter Rotschimmer auf ihre Wangen schlich. Ihr Gegenüber zog fragend eine Augenbraue hoch. „Wofür?“, fragte er dann. „Naja…dafür, dass ich heute Nacht bei Ihnen bleiben durfte“, murmelte Katie und hatte das ungute Gefühl, dass sich der Rotton noch verstärkte.
 

„Schon gut. Das hatte ohnehin keinerlei Bedeutung. Ich wollte lediglich, dass Sie mit diesem nervigen Geheule aufhören. Glauben Sie bloß nicht, dass ich das noch einmal zulasse“, stellte Sherlock klar und holte Katie damit aus allen Wolken. „N-natürlich nicht…“, murmelte sie; man konnte ihr ansehen, dass seine Worte sie getroffen hatten, doch Sherlock bemerkte es wie immer nicht, wenn er mal wieder jemanden mit seinen taktlosen Kommentaren verletzt hatte. „Na los, jetzt machen Sie sich fertig. Ich will so schnell wie möglich zu Scotland Yard“, sagte er nur und sah sie auffordernd an. „Sie wollen mich wirklich mitnehmen?“, fragte Katie nun wieder etwas hoffnungsvoller. „Natürlich, Sie sind die wichtigste und einzige lebende Zeugin in diesem Fall. Lestrade will Sie sicher kennenlernen. Also beeilen Sie sich“, gab Sherlock zurück und klang dabei wieder etwas ungeduldig. Katie kam seiner Aufforderung nun nach und verließ mit schnellen Schritten den Raum.
 

Als sie alleine waren, wandte sich John an seinen Mitbewohner. „War das jetzt wirklich nötig, Sherlock?“ „Was denn?“, gab der Angesprochene zurück, er war sich mal wieder keiner Schuld bewusst. „Das Mädchen wurde letzte Nacht von einem Mörder verfolgt und ist total verängstigt, was nur zu gut verständlich ist. Sie hat sich wirklich wohl bei Ihnen gefühlt, sonst hätte sie sich nicht so schnell beruhigt. Sie hat sich aufrichtig bei Ihnen bedankt, aber Sie haben nichts Besseres zu tun, als ihr an den Kopf zu werfen, dass ihr Geheule nervt und sie bloß nicht auf die Idee kommen soll, noch einmal bei Ihnen zu schlafen. Das hätte doch echt nicht sein müssen“, tadelte John, doch Sherlock zeigte sich unbeeindruckt. „Verschonen Sie mich mit diesem Gefühlskram“, meinte er nur und verdrehte die Augen. „Na schön, ich gebe es auf. Sie werden sich wirklich nie ändern“, seufzte John. „Wie schön, dass Sie das nun auch erkannt haben. Lassen Sie uns jetzt gehen. Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren.“ Mit diesen Worten stand Sherlock schließlich auf und ging zur Garderobe, um sich seinen langen schwarzen Mantel überzuziehen. John seufzte erneut, ehe er es dem Detektiv gleichtat und sich seine Jacke überwarf.
 

Zehn Minuten später stand Katie zusammen mit den beiden Männern auf dem Bürgersteig der Baker Street, direkt vor der Haustür mit den messinggearbeiteten Ziffern. Bei Tag sah die Straße schon viel belebter aus. Autos, Taxis und rote Sightseeing-Busse fuhren von einer Richtung in die andere. Passanten eilten geschäftig vorbei. Das kleine Café war geöffnet und beherbergte zurzeit einige Gäste, die beschlossen hatten, ihr Frühstück außerhalb der eigenen vier Wände einzunehmen. Katie beneidete ihre scheinbare Sorglosigkeit. Wie gerne wäre sie jetzt einer der Cafégäste und nicht Katie Miller, die von einem Mörder verfolgt wurde und nun auf dem Weg zu Scotland Yard war, um sich brav einem Inspector vorzustellen. Sie seufzte innerlich, hatte jedoch keine Zeit, um sich weiter selbst zu bemitleiden, denn in diesem Moment rief Sherlock ein Taxi, das augenblicklich am Straßenrand hielt. Der Dunkelhaarige öffnete die Tür und ließ sowohl John als auch sie einsteigen, ehe er selbst folgte und sich das Gefährt in Bewegung setzte.
 

Während der Fahrt herrschte weitestgehend Schweigen. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Als das Taxi schließlich vor Scotland Yard hielt, stieg Sherlock zuerst aus und wartete dann auf seine beiden Mitstreiter. Bevor sie das Gebäude betraten, schaute der Detektiv Katie wieder direkt an. „Wenn wir da drin sind, bleiben Sie am besten in meiner Nähe. Und lassen Sie sich nicht so von Anderson bequatschen. Der redet sowieso den ganzen Tag nur Müll“, sagte er dann mit ernster Miene. „Wer ist Anderson?“, fragte Katie irritiert. „Das werden Sie gleich herausfinden“, antwortete Sherlock. Es hörte sich so an, als ob zwischen ihm und diesem Anderson regelmäßig die Fetzen fliegen würden. „Kommen Sie“, meinte er dann und ging voraus; Katie und John folgten ihm.
 

Als sie in der richtigen Abteilung angekommen waren, wurden sie sofort von einer Polizeibeamtin angesprochen. „Sieh an, der Freak ist wieder da. Hallo, John.“ „Hallo, Sally“, erwiderte Letzterer; Sherlock schwieg. Solche Begrüßungen bekam er wohl öfter zu hören. Plötzlich stieß ein weiterer Polizeibeamter zu ihnen, dessen Gesichtsausdruck sofort härter wurde, als er Sherlock entdeckte. Der erwiderte den Blick mit einem selbstgefälligen Ausdruck in den Augen. Es schien einen unsichtbaren Schlagabtausch zu geben und Katie schloss aus diesem Verhalten, dass das wohl Anderson sein musste. „Ich wusste, dass das ein scheiß Tag werden würde, als mir heute Morgen meine Lieblingstasse aus den Händen gefallen ist. Aber dass er so beschissen werden würde, hätte ich nicht gedacht“, sagte Anderson schließlich. „Anderson, so primitiv wie eh und je, was? Was für ein scheiß Tag für Ihre Lieblingstasse. Aber ich gebe Ihnen Recht, auf Ihr dämliches Gesicht kann nun jeder verzichten“, gab Sherlock zurück.
 

Katie schaute ihn entsetzt an. Gegenüber einem Polizeibeamten nahm er sich ganz schön was raus. Anderson wollte gerade etwas erwidern, als diese Sally dazwischen ging. „Wie ich sehe haben Sie noch jemanden mitgebracht. Ist sie Ihre Freundin, John?“, fragte sie an Sherlocks Partner gewandt. Bevor dieser jedoch antworten konnte, zog Sherlock Katie zu sich und legte ihr einen Arm um die Schulter. „Nein, sie gehört zu mir und ist eine wichtige Zeugin in einem Mordfall. Wir müssen dringend mit Lestrade reden. Ist er in seinem Büro?“, erwiderte er an Johns Stelle. Katie konnte sehen, wie den beiden Polizeibeamten die Gesichtszüge entgleisten, als Sherlock sie in den Arm nahm. Die Braunhaarige war allerdings genauso fassungslos. Zuerst schärfte er ihr ein, dass sie nie wieder auf die Idee kommen sollte, bei ihm schlafen zu wollen und nun nahm er sie hier vor allen Anwesenden in den Arm und behauptete, sie gehöre zu ihm. Der Typ hatte sie doch echt nicht mehr alle!
 

Sally war die Erste, die ihre Sprache wiederfand. „J-ja, er ist in seinem Büro. Gehen Sie nur…“ „Vielen Dank.“ Sherlock schenkte ihr ein Lächeln und zog Katie dann mit sich. John seufzte nur und folgte den beiden. Die Braunhaarige hörte nur noch, wie Sally zu Anderson flüsterte „Was sagt man dazu! Das Mädchen ist tatsächlich mit diesem Freak zusammen!“, bevor Sherlock anklopfte und sie das Büro von Inspector Lestrade betraten.
 

Besagter Inspector saß hinter seinem Schreibtisch, der vor Akten fast überquoll und darunter zu zerbrechen schien. Als Sherlock mit John und Katie im Schlepptau hereinkam, schaute Lestrade auf. „Sherlock, Sie habe ich schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Was führt Sie diesmal her?“, fragte er dann und machte sich schon mal auf einen niederschmetternden Wortschwall gefasst, doch zu Lestrades Überraschung zog der Dunkelhaarige Katie vor sich und wuschelte ihr kurz durch die Haare. „Sie hat Ihnen etwas zu sagen. Katie hat einen Mord beobachtet und ist uns danach zugelaufen, nachdem der Mörder sie jagte“, meinte Sherlock daraufhin. Na toll, dachte Katie, er sprach von ihr wie von einer streunenden Katze. „Los, erzählen Sie ihm, was Sie mir erzählt haben. Sie können ihm vertrauen“, versicherte ihr Sherlock und stupste ihr fast schon sanft in den Rücken. Katie nickte nur und fing an, Lestrade die Horrorgeschichte zu erzählen.
 

Als sie geendet hatte, ergriff Sherlock als Erster wieder das Wort. „Was sagen Sie dazu? Haben Sie schon davon gehört?“ Abwartend schaute er Lestrade an. „In der Tat. Die Leiche der Frau wurde heute Morgen gefunden. Es trug sich genauso zu, wie Miss Miller es geschildert hat. Sie wurde aus nächster Nähe erschossen, vom Täter fehlt bisher jede Spur“, antwortete der Inspector. „Das ist ja nichts Neues“, murmelte Sherlock. „Danke für das Kompliment…wir wussten bis jetzt auch nicht, dass es eine lebende Zeugin gibt“, gab Lestrade zurück. „Wie denn auch, sie war die ganze Zeit bei John und mir. Wissen Sie, um wen es sich bei der Toten handelt?“, fragte Sherlock dann. „Dort sollte sie auch vorerst bleiben. Bei Ihnen ist sie wenigstens sicher. Die Tote heißt Mary Parker. Sie war die Ehefrau von Henry Parker, einem berühmten Banker. Leider hatte er hohe Schulden bei diversen Leuten…einer wollte wohl nicht mehr länger auf sein Geld warten und jetzt musste seine Frau dafür bezahlen“, seufzte Lestrade. „Verstehe…wo ist die Leiche jetzt?“, fragte Sherlock dann. „Sie wurde bereits zu Molly in die Pathologie gebracht“, erwiderte der Inspector. „Vielen Dank, das ist immerhin ein Anfang. John, wir fahren zu Molly“, ordnete Sherlock dann an.
 

Doch bevor sie gingen, drehte er sich noch einmal zu Lestrade um. „Ach ja, wie wäre es, wenn Sie Anderson eine neue Kaffeetasse spendieren? Dann hätte er zumindest einen Schock überwunden.“ Mit diesen Worten ließ Sherlock einen stirnrunzelnden Lestrade zurück und zog sowohl Katie als auch John mit sich. Im Vorbeigehen lächelte er Sally und Anderson noch einmal zu, die immer noch geschockt aussahen, ehe er das Gebäude wieder verließ und erneut ein Taxi rief, das sie kurz darauf zum Krankenhaus brachte.
 

An ihrem Ziel angekommen, führte Sherlock die beiden anderen direkt nach unten in die Pathologie, wo eine rothaarige junge Frau gerade ihrer Arbeit nachging. Als sie den Raum betraten, schaute Molly sofort auf. Katie konnte nur allzu deutlich sehen, wie sich ihre Miene aufhellte, als sie Sherlock erblickte. Als ihr Blick jedoch auf die Braunhaarige fiel, machte sich Enttäuschung in ihrem Gesicht breit. „Hallo, Molly. Es ist schon eine Weile her“, begrüßte Sherlock nun die junge Frau. Komisch, ihr gegenüber verhielt er sich ganz anders als bei den Polizeibeamten. Ob sie vielleicht seine tatsächliche Freundin war? Es war jedoch unwahrscheinlich, sonst hätte sie sicher nicht so enttäuscht ausgesehen, als sie feststellte, dass der Detektiv in weiblicher Begleitung war.
 

„Sherlock, wie schön Sie zu sehen. Wie ich sehe, haben Sie heute Verstärkung mitgebracht“, erwiderte Molly lächelnd. „Ja, das ist Katie. Sie hat einen Mord beobachtet und ich passe eine Weile auf sie auf, bis der Mörder es nicht mehr auf sie abgesehen hat“, gab Sherlock zurück. Sie wurde noch wahnsinnig mit dem Typ! Jetzt redete er wieder ganz anders über sie! Bevor sie sich jedoch in Gedanken noch weiter aufregen konnte, ergriff Sherlock wieder das Wort.
 

„Untersuchen Sie gerade die Leiche von Mary Parker?“, fragte er und schaute Molly abwartend an. „Ja, wieso?“, gab sie etwas irritiert zurück. „Dann lassen Sie uns bitte einen Blick darauf werfen. Ich möchte sichergehen, dass es sich um die richtige Person handelt“, entgegnete Sherlock. „Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an“, gab Molly sofort nach; offensichtlich konnte sie dem Dunkelhaarigen keine Bitte abschlagen. Er bedankte sich bei ihr und trat zu einem der Obduktionstische, auf dem die Leiche lag. Er betrachtete sie einige Minuten eingehend, ehe er sich zu Katie wandte.
 

„Kommen Sie her“, forderte er sie auf. „W-was…?“, stammelte sie vor sich hin. „Kommen Sie her. Schauen Sie sie sich an. Ist das die Frau, die Sie in der Mordnacht gesehen haben?“ Sherlock wartete darauf, dass sie zu ihm kam, doch Katie machte keine Anstalten. Irgendwann seufzte er genervt und packte ihre Hand, ehe er sie zur Leiche schleifte. „Jetzt stellen Sie sich nicht so an und sagen Sie mir, ob das die richtige Leiche ist“, drängte Sherlock und wirkte dabei fast schon wie ein ungeduldiges Kind, dass seinen Lutscher nicht schnell genug bekam. Katie schluckte schwer. Sie wollte diese Frau nicht sehen, schon gar nicht als Leiche, doch sie wusste auch, dass Sherlock ihr keine Ruhe lassen würde. Deswegen trotzte sie ihrem Widerwillen und überwand sich schließlich doch hinzusehen.
 

Eine blasse Frau mit blond gefärbten Haaren lag vor ihr. Auf den ersten Blick sah es so aus, als ob sie schlafen würde, wäre da nicht diese hässliche Schusswunde mitten auf ihrer Stirn, die verriet, dass diese Frau tatsächlich tot war. Katie konnte sie nur entsetzt anstarren; sie war unfähig etwas zu sagen. „Na, was ist? Ist es diese Frau?“ Sherlocks Stimme riss sie aus ihrer Starre. „Ja…das ist sie…die Frau, die ich gesehen habe, hatte genau dieselbe Statur. Oh mein Gott…“, flüsterte Katie; ihre Stimme zitterte wieder und sie sah aus, als ob sie jeden Moment zusammenbrechen würde.
 

„John, gehen Sie mit ihr raus und warten Sie dort auf mich. Ich möchte noch kurz mit Molly reden“, sagte Sherlock, als er ihren Zustand bemerkte. John nickte nur und zog Katie sanft am Arm mit sich nach draußen. Kaum hatten sie das Krankenhaus verlassen, brach Katie in Tränen aus. „Beruhigen Sie sich doch…es ist alles in Ordnung“, versuchte John sie zu beruhigen, doch Katie schüttelte nur den Kopf und verbarg schluchzend ihr Gesicht an seinem Pullover. „Nichts ist in Ordnung…diese arme Frau…und dieser Mistkerl hat sie einfach umgebracht…verdammt…“, schluchzte sie. „Ich weiß, wie Sie sich fühlen…aber haben Sie keine Angst. Sherlock und ich finden ihn und bis dahin werden wir es nicht zulassen, dass Ihnen etwas passiert“, versprach John und fuhr ihr beruhigend über den Rücken. „Danke…“, murmelte Katie, während sie sich kurz über die Augen wischte.
 

Einige Zeit später stieß auch Sherlock zu ihnen. „Ich habe alles geklärt. Wir können nach Hause fahren“, verkündete er. „Gut“, stimmte John zu und ließ Katie los, die immer noch ziemlich mitgenommen aussah. „Übrigens, Katie…es tut mir leid. Ich hätte wissen müssen, was das für eine Belastung für Sie ist“, sagte Sherlock dann und versetzte damit sowohl die Braunhaarige als auch seinen Mitbewohner in Staunen. Katie schaute überrascht auf, konnte aber kein Anzeichen dafür entdecken, dass der Detektiv sich über sie lustig machte. Seine Entschuldigung war offensichtlich ehrlich gemeint. „Schon in Ordnung. Es geht mir schon wieder besser“, erwiderte sie schließlich lächelnd. „Wie schön. Dann sollten wir jetzt nach Hause fahren“, meinte Sherlock daraufhin und rief erneut ein Taxi, das sie zurück in die Baker Street brachte.
 

Den Rest des Tages verbrachten sie in der Wohnung. Sherlock informierte John darüber, was er in seinem Gespräch mit Molly herausgefunden hatte. Mary Parker war offensichtlich nicht sofort nach ihrer Entführung umgebracht worden. Molly hatte Hinweise darauf gefunden, dass die Banker-Frau anscheinend mehrere Tage irgendwo festgehalten wurde und dabei gefesselt war. Der Entführer hatte also ein schamloses Spiel mit Mary gespielt und ihren Mann damit sicher immer mehr unter Druck gesetzt, bis er an der Tatsache verzweifelte, dass er das Geld nicht bezahlen konnte und damit das Todesurteil für seine Frau unterzeichnet hatte.
 

Am Abend lauschte Katie den leisen Violinenklängen, die Sherlock seinem Instrument entlockte. Zum ersten Mal seit diesem Vorfall entspannte sie sich ein wenig und genoss einfach die Musik. In der Nacht lag sie jedoch wach und hing ihren Gedanken nach. Sie hatte es sich auf dem Sofa so bequem wie möglich gemacht, immerhin hatte Sherlock nur allzu deutlich gemacht, dass sie nicht mehr zu ihm kommen sollte. Nachdenklich schaute sie an die Zimmerdecke und dachte über den vergangenen Tag nach. Sie wurde einfach nicht schlau aus dem Detektiv. Einmal redete er über sie, als wäre sie seine Freundin, dann gab er sich wieder als Beschützer, nur um danach auf ihr herum zu trampeln und sich anschließend zu entschuldigen. Das war doch echt nicht mehr normal! Sie dachte an die entsetzten Gesichter von Sally und Anderson, als Sherlock behauptet hatte, sie gehöre zu ihm. War es wirklich so abwegig, dass Sherlock Holmes eine Frau an seiner Seite hatte? Jedenfalls würden sie den Beamten als das Mädchen und der Freak in Erinnerung bleiben. Ihr war nur nicht klar, wieso Sally Sherlock so genannt hatte. Vielleicht würde sie es ja irgendwann noch herausfinden, dachte sie müde, ehe ihr schließlich doch noch die Augen zu fielen.
 

Leider war der Schlaf jedoch alles andere als erholsam. Denn kaum war Katie eingeschlafen, träumte sie von Mary Parkers Leiche in der Pathologie. Unruhig warf sie sich von einer Seite auf die andere, bis sie irgendwann schreiend aus dem Schlaf schreckte. Sofort spürte sie zwei starke Arme, die sich um sie legten und sie an einen schlanken Körper drückten. Erschrocken zuckte sie zusammen, doch als sie die vertraute tiefe Stimme hörte, entspannte sie sich wieder ein wenig. „Ganz ruhig. Sie haben nur geträumt“, sagte Sherlock leise und strich ihr sanft durch die Haare. „Was machen Sie hier…?“, fragte Katie ebenso leise. „Ich bin durch Ihren Schrei aufgewacht und wollte sehen, was passiert ist“, antwortete er. Dann herrschte kurz Stille, bis der Dunkelhaarige erneut die Stimme erhob. „Kommen Sie. Sie können bei mir schlafen.“ „Was?“, fragte Katie fassungslos. „Sie haben schon richtig verstanden. Aber wenn Sie lieber auf der Couch bleiben wollen“, erwiderte Sherlock. „Nein, will ich nicht“, kam es sofort von der Braunhaarigen und sie glaubte ein Schmunzeln auf seinem Gesicht zu erkennen. „Dann kommen Sie, bevor ich es mir noch anders überlege.“ Mit diesen Worten stand Sherlock wieder auf. Katie tat es ihm gleich und folgte ihm in sein Schlafzimmer.
 

Dort angekommen ließ er sie zuerst ins Bett krabbeln, ehe er neben sie kam. Katie fühlte sich sofort wohler, doch an Schlaf war im Moment nicht mehr zu denken. „Sie sind jetzt wohl hellwach, was?“, meinte Sherlock, als sie sich hingelegt hatten. „Ehrlich gesagt schon…“, gestand Katie leise. „Was hilft Ihnen in solchen Fällen?“, fragte der Detektiv nach und schien ehrlich interessiert zu sein. „Naja…vielleicht reden wir einfach ein bisschen?“, schlug sie vor. „Reden? Mit so etwas Banalem können Sie wieder einschlafen?“, fragte er etwas überrascht. „Ich denke schon“, stimmte Katie zu. „Also gut, reden Sie.“ „Worüber?“, wollte die Braunhaarige wissen. „Erzählen Sie mir etwas über sich. Ich verspreche Ihnen auch, Sie nicht zu deduzieren“, versicherte ihr Sherlock und schaute sie abwartend an.
 

„Also gut…geboren und aufgewachsen bin ich in Edinburgh“, fing Katie an. „Sie sind also Schottin“, stellte Sherlock fest. „Sie wollten das nicht tun“, erinnerte ihn Katie. „Oh, tut mir leid. Fahren Sie fort.“ „Meine Eltern waren nicht sehr reich. Sie betrieben ein kleines Café, in dem ich immer den Köchen über die Schulter schauen durfte. Obwohl wir uns einiges nicht leisten konnten, waren wir glücklich mit dem, was wir hatten. Eines Tages mussten meine Eltern das Café jedoch schließen, da sie die Miete nicht mehr bezahlen konnten. Durch diesen Verlust konnten wir uns auch unser Haus nicht mehr leisten. Also verkauften wir es schweren Herzens und sind weggezogen“, erzählte Katie. „Und so sind Sie nach London gekommen“, vermutete Sherlock. „So ist es. Wir zogen in eine kleine Wohnung am Stadtrand; für mehr reichte es leider nicht. Meine Eltern arbeiteten fortan in einem Restaurant, um wenigstens ein bisschen Geld zu verdienen. Ich ging zur Schule, obwohl es mir wirklich nicht leicht fiel, mich zu etablieren. Es war alles so anders als in Schottland…aber dennoch fand ich bald einen Ort, an dem ich mich wie zu Hause fühlte“, berichtete Katie weiter.
 

„Und wo war dieser Ort?“, hakte Sherlock nach. „Im Regent’s Park. Als ich eines Tages auf Erkundungstour war, bin ich irgendwann in diesem Park gelandet. Ich war sofort von all den Blumen fasziniert, die ich dort fand. Alle nur erdenklichen Arten und Farben, vereint in gepflegten Beeten, die dem Park etwas Einzigartiges gaben. Ich habe mich schon immer für Blumen interessiert und durfte früher sogar darüber entscheiden, welche Blumen auf den Café-Tischen stehen sollten. Aber als ich die Blumen im Park sah, wusste ich auf einmal, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, was mein Traum ist. Ich wollte irgendwann einmal einen eigenen Blumenladen besitzen. Dieser Traum besteht bis heute“, erzählte Katie mit leuchtenden Augen.
 

„Sie wollen einen Blumenladen betreiben? Es macht Ihnen also Spaß im Dreck herum zu buddeln, sich an Rosendornen zu stechen oder Grabgestecke zu binden…? Hört sich langweilig an“, kommentierte Sherlock. „Vielen Dank. Aber ja, genau das will ich – meinen eigenen Laden. Deswegen arbeite ich ja in dieser Cocktailbar. Ich werde nicht aufgeben, bis ich das Geld für die Miete zusammenhabe. Und dann werde ich mir meinen Traum erfüllen“, erwiderte Katie entschlossen. „Sie haben wirklich Ehrgeiz. Das muss man Ihnen lassen“, gab Sherlock zurück. „Vielen Dank. Was ist mit Ihnen? Kommen Sie hier aus London?“, fragte sie dann und schaute ihn abwartend an.
 

„Ja, ich stamme von hier“, antwortete er. „Wie war Ihre Kindheit so?“, fragte Katie weiter. „Sie war gepflastert von regelmäßigen Auseinandersetzungen mit meinem Bruder“, erwiderte Sherlock. „Oh, Sie haben also Geschwister“, stellte die Braunhaarige fest. „Unnötigerweise“, gab er zurück und machte damit deutlich, dass er nicht weiter über seinen Bruder sprechen wollte. „Waren sie eigentlich schon immer Privatdetektiv?“, fragte Katie daher schnell. „Ich bin eigentlich Diplomchemiker. Aber diese Arbeit allein hat mir schnell nicht mehr ausgereicht. Es war langweilig nur in einem Labor zu sitzen. Heute dienen mir diese Kenntnisse bei der Aufklärung von Fällen“, entgegnete Sherlock. „Und wie wurden Sie dann zum Detektiv?“, wollte Katie wissen. „Ich bin zufällig an meinen ersten Fall geraten. Ich kenne Lestrade schon recht lange. Damals ließ er verlauten, dass er in einem Entführungsfall einfach nicht weiter kommt. Ich habe ihn gebeten, einen Blick darauf werfen zu dürfen und letztendlich habe ich ihm den Fall gelöst. Damals spürte ich, dass das genau das Richtige für mich ist. Nichts anderes auf der Welt gibt mir so einen Kick und treibt mir das Adrenalin ins Blut wie die Lösung eines Falls“, erzählte Sherlock. „Sie stehen also auf Leichen“, mutmaßte Katie. „Offenkundig“, erwiderte der Dunkelhaarige.
 

„Da gibt es noch etwas, das mich interessieren würde“, sagte Katie dann. „Was denn?“ Fragend schaute Sherlock sie an. „Wie stehen Sie zu dieser Molly aus der Pathologie?“ „Zu Molly? Sie ist manchmal ganz hilfreich bei einem Fall“, erwiderte er. „Mehr nicht? Sie ist nicht Ihre Freundin?“, fragte Katie nach. „Wie kommen Sie denn darauf? Das ist sie natürlich nicht“, gab Sherlock zurück. „Haben Sie überhaupt eine Freundin?“ „Nein, ich bin mit meiner Arbeit verheiratet. Liebe ist lediglich ein chemischer Defekt“, erwiderte Sherlock ungerührt. „Oh ja, natürlich“, erwiderte Katie und kam sich plötzlich albern vor.
 

„Wie kommen Sie eigentlich zu John als Mitbewohner?“, fragte sie dann. „Das war wohl eine Fügung des Schicksals…wir suchten beide einen Mitbewohner, obwohl wir wussten, dass wir unsere Eigenheiten haben. Wir ergänzen uns gut und um ehrlich zu sein, ist John eine der sehr wenigen Personen, denen ich blind vertraue. Außerdem konnte ich mir die Miete alleine nicht leisten“, erklärte Sherlock. „Verstehe…und wieso gibt es nur so wenige Menschen, denen Sie vertrauen?“, fragte Katie. „Weil man den meisten Leuten nicht trauen kann. Sie warten nur darauf, andere zu verraten und einen Vorteil für sich selbst daraus zu schlagen“, gab Sherlock zurück. „Ja, da haben Sie wohl Recht…“ Er spürte, dass sie aus Erfahrung sprach, doch er fragte nicht nach.
 

„Eins würde mich aber noch interessieren“, setzte Katie an. „Was?“ Fragend ruhten seine hellen Augen auf ihr. „Wieso hat diese Polizistin Sie als Freak bezeichnet?“ „Das ist das, was ich für sie bin. Ich verfüge über einen messerscharfen Verstand und beobachte meine Mitmenschen sehr genau, sodass ich innerhalb von Sekunden alles über sie weiß. Kaum einer kann mir das Wasser reichen, wenn überhaupt. Durchschnittliche Hirnleistungen, wie Sally Donovan sie besitzt sind meiner Brillanz nicht gewachsen und können meine Schlussfolgerungen nicht nachvollziehen. Daher bezeichnet sie mich als Freak. Alles was Menschen nicht verstehen, ist für sie unnormal. Ich mache ihr da keinen Vorwurf. Ihr Verstand ist einfach nur schwach ausgeprägt“, antwortete Sherlock. „Wow…Sie sind ganz schön von sich selbst überzeugt, wissen Sie das…?“, bemerkte Katie, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. „Danke, das höre ich öfter. Ich fasse es mittlerweile als Kompliment auf“, erwiderte Sherlock. „Sie sind unglaublich“, murmelte sie und schüttelte leicht den Kopf. „Das weiß ich.“ Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Dann herrschte Stille zwischen ihnen und Katie spürte, wie die Müdigkeit zurückkehrte.
 

„Versuchen Sie zu schlafen“, meinte Sherlock, als er es bemerkte. Die Braunhaarige nickte nur und kuschelte sich sofort an ihn. „Wieso tun Sie das…?“, fragte Sherlock leise. Er wurde aus diesem Verhalten immer noch nicht schlau. „Es beruhigt mich, wenn ich so nah bei Ihnen bin. Ich fühle mich wohl und sicher bei Ihnen“, murmelte Katie, während sie sich noch näher an ihn schmiegte. „Das verstehe ich nicht…wie kann man sich bei mir wohl fühlen…?“ Sherlock klang ernsthaft irritiert. „Ich kann es Ihnen nicht erklären. Ich kann Ihnen nur versichern, dass es so ist“, antwortete Katie. „Dann muss ich mich wohl damit zufrieden geben“, entgegnete er. „Es sieht ganz danach aus. Aber wenn Ihnen das unangenehm ist, nehme ich natürlich auch etwas Abstand.“ Katie wollte wegrücken, doch Sherlock hielt sie zurück, was ihn selbst überraschte. „Nein, bleiben Sie ruhig. Ich möchte nicht riskieren, dass Sie noch einmal schreiend aufwachen. Vielleicht hilft Ihnen das, ruhiger zu schlafen“, erwiderte er.
 

Katie schaute ihn verdutzt an, doch dann lächelte sie und kam wieder näher zu ihm. „Danke…“ „Schon gut und jetzt schlafen Sie“, gab er zurück. „In Ordnung. Gute Nacht, Sherlock“, murmelte sie und schloss die Augen. „Gute Nacht, Katie“, antwortete der Detektiv leise. Nachdem sie eingeschlafen war, beobachtete Sherlock sie noch eine Weile. Sie war ihm wirklich ein Rätsel und er war gespannt, wie sich das zwischen ihnen noch entwickeln würde. Wieder huschte dieses Lächeln über seine Lippen, ehe auch er die Augen schloss. Kurz darauf schliefen das Mädchen und der Freak tief und fest.

Möge das Spiel beginnen

Am nächsten Morgen wachte Katie bereits früh auf. Sie erwartete auch an diesem Morgen alleine im Bett zu liegen, doch zu ihrer Überraschung spürte sie Sherlocks warmen Körper hinter sich und seinen Arm um ihren Bauch. Sie musste sich wohl irgendwann im Schlaf umgedreht haben, außerdem war sie sich sicher, dass er sie noch nicht im Arm hatte, als sie in der Nacht eingeschlafen war. Dennoch musste die junge Frau zugeben, dass es sich keineswegs unangenehm anfühlte in den Armen des Dunkelhaarigen zu liegen. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren hatte sie schon drei Beziehungen hinter sich und jedes Mal wurde sie enttäuscht, denn leider hatten sich bisher alle Männer, denen sie näher gekommen war, als Idioten herausgestellt. Sherlock war seit langer Zeit der erste Mann, bei dem sie sich wieder wohl fühlte, nur schade, dass Liebe für ihn nichts weiter als ein chemischer Defekt war, wie er es selbst ausgedrückt hatte.
 

Langsam drehte sich Katie zu dem Dunkelhaarigen um, ohne ihn dabei zu wecken, geschweige denn auch nur ansatzweise von ihm abzurücken. Nachdenklich betrachtete sie den schlafenden Detektiv, der in dieser Position überhaupt nicht wie ein neunmalkluger Angeber wirkte. Ihr Blick wanderte über sein Gesicht hinauf zu den dunklen Locken, die ihm im Schlaf sanft in die Stirn fielen. Bevor sie es verhindern konnte, hatte sie auch schon eine Hand danach ausgestreckt; sie konnte einfach nicht widerstehen ihm sanft durch die Haare zu streicheln und wenn sie seinen Worten über Liebe und Beziehungen Glauben schenken durfte, konnte sie davon ausgehen, dass das noch nie eine Frau zuvor getan hatte.
 

Gedankenverloren streichelte sie ihn weiter, während sie ihn wieder musterte. Sie wusste, dass hinter den geschlossenen Lidern helle wachsame Augen lauerten, die alles und jeden durchschauen und in Sekundenschnelle deduzieren konnten. Die hohen Wangenknochen gaben seinem Gesicht etwas Markantes und die leicht geschwungenen Lippen unterstrichen dieses Merkmal zusätzlich. Auch wenn er der größte Angeber war, den Katie jemals getroffen hatte, war er einfach verdammt attraktiv!
 

Was waren denn das schon wieder für Gedankengänge?! Sie kannte diesen Mann gerade einmal einen Tag und hörte sich fast so wie ein verliebtes Schulmädchen an, das jedes Mal einen Kicheranfall erlitt, wenn sein Schwarm vorbeilief und insgeheim hoffte, dass er endlich auf es aufmerksam werden würde. Aber dennoch…sie konnte nicht abstreiten, dass Sherlock Holmes einfach wahnsinnig gut aussah…Plötzlich regte sich der Detektiv. Katie hielt in ihren Streicheleinheiten inne und schloss schnell die Augen; vielleicht würde er ja annehmen, dass sie noch schlafen würde. Doch kaum schlug der Dunkelhaarige die Augen auf, hörte sie auch schon seine tiefe Stimme dicht neben ihrem Ohr.
 

„Ich weiß, dass Sie wach sind. Sie können die Augen wieder auf machen.“ Katie kam seiner Aufforderung nach und öffnete die Augen wieder. „Woher wussten Sie, dass ich wach bin?“, fragte sie. „Es war offensichtlich“, antwortete Sherlock lediglich. Damit konnte Katie zwar nicht sonderlich viel anfangen, aber sie beschloss, es dabei zu belassen. „Konnten Sie wenigstens für den Rest der Nacht gut schlafen?“, erkundigte sich Sherlock dann. „Ja, das konnte ich – dank Ihnen“, erwiderte sie lächelnd. „Keine Ursache. Aber jetzt sollten wir aufstehen. Das Frühstück steht sicher schon bereit und es gibt eine Menge zu tun.“ Mit diesen Worten schlug Sherlock die Bettdecke zurück und stand auf. Katie seufzte innerlich; eigentlich wäre sie viel lieber noch eine Weile mit ihm liegen geblieben, doch sie fügte sich ihrem Schicksal und folgte dem Dunkelhaarigen kurz darauf ins Wohnzimmer, wo schon Mrs. Hudsons Frühstück bereitgestellt war.
 

Kurz darauf gesellte sich auch John zu ihnen, der ihnen einen guten Morgen wünschte. Das Frühstück verlief weitestgehend schweigend, bis John irgendwann die Stille durchbrach. „Was steht heute an?“ Seine Frage galt Sherlock, der sich bis dahin eher wortkarg gezeigt hatte. Sofort schaute der Detektiv auf, antwortete aber nicht gleich. „Ich werde noch einmal zu Lestrade fahren. Ich möchte wissen, ob es bereits etwas Neues gibt“, sagte er schließlich. „Aber Sie waren doch gestern dort. Meinen Sie wirklich, dass die Polizei schon weitergekommen ist?“, warf Katie ein. „Normalerweise müsste sie das, aber wenn Anderson die Spurensicherung macht, bezweifle ich das“, erwiderte Sherlock. „Was haben Sie eigentlich gegen diesen Anderson?“, fragte Katie daraufhin. „Er ist einfach zu dumm für diese Welt“, gab Sherlock zurück. Ja, er war definitiv sehr charmant! „Wie dem auch sei. Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg. John, Sie werden auf Katie aufpassen, bis ich wieder da bin“, ordnete er dann an, worauf sein Partner nur zustimmend nickte, es hätte sowieso keinen Sinn etwas dagegen zu sagen.
 

Wie Sherlock es angekündigt hatte, verließ er nach dem Frühstück das Haus und fuhr mit einem Taxi Richtung Scotland Yard, während Katie mit John in der Baker Street blieb. „Was machen Sie, wenn er nicht da ist?“, fragte sie, als sie alleine waren. „Die Ruhe genießen, wobei ich das nicht böse meine. Verstehen Sie das nicht falsch. Sherlock und ich sind wirklich die besten Freunde, aber manchmal ist er eben ein wenig anstrengend“, antwortete John. „Ja, das glaube ich Ihnen gerne. Manchmal weiß ich wirklich nicht, woran ich bei ihm bin“, gestand Katie. „Das dürfen Sie ihm nicht übel nehmen. Sherlock war noch nie jemand, dem es leicht fiel, Kontakt oder Nähe zu anderen aufzubauen. Aber das heißt nicht, dass er Sie nicht mag. Wenn das der Fall wäre, würde er Sie niemals so nah an sich heranlassen, sondern hätte Sie schon längst rausgeworfen“, erwiderte John und Katie glaubte ihm aufs Wort. „Ja, ich glaube, da ist was dran. Jetzt fühle ich mich schon besser“, meinte sie lächelnd. „Wie schön.“ John erwiderte ihr Lächeln.
 

„Kann ich mich irgendwie nützlich machen?“, fragte die Braunhaarige nach einer kurzen Stille. „Sie müssen sich uns gegenüber wirklich nicht verpflichtet fühlen“, erwiderte John. „Aber ich möchte nicht nur ängstlich in einer Ecke sitzen. In einem Männerhaushalt gibt es doch eigentlich immer etwas zu tun“, gab Katie zurück. „Also schön, um ehrlich zu sein, müsste die Küche mal wieder aufgeräumt werden“, gestand John. „Kein Problem. Ich übernehme das gerne“, sagte sie sofort mit Feuereifer. „Na gut, wie Sie wollen. Das Chaos auf dem Tisch lassen Sie am besten so wie es ist. Sherlock hat dort alles für seine Experimente gelagert. Er mag es nicht sonderlich, wenn man darin herum kramt oder sogar etwas davon wegräumt. Ach ja, und erschrecken Sie nicht allzu sehr, wenn Sie in den Kühlschrank schauen sollten“, warnte John. „Ähm…okay…?“ Katie schaute ihn etwas verwirrt an, fragte aber nicht weiter nach. Was sollte denn an einem Kühlschrank so furchterregend sein? Würde ihr die Salami zähnefletschend entgegenkommen? Der Gedanke war fast lustig, aber Katie verkniff sich jeglichen Kommentar. „Na gut, ich mach mich dann mal an die Arbeit“, verkündete sie John lediglich und verschwand in der Küche.
 

Dort bot sich ihr ein grauenhafter Anblick; ein Schlachtfeld war wohl nichts dagegen. Überall türmte sich das Geschirr und halb ausgepackte Einkaufstüten standen dicht an dicht vor der Anrichte oder um den Tisch herum, der tatsächlich mit experimentellem Sch… überladen war. Oh ja…man merkte sofort, dass man sich hier in einem waschechten Männerhaushalt befand und es gab eine Menge zu tun. Also krempelte Katie die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit.
 

Es dauerte fast zwei Stunden, bis die Küche wieder wohnlich aussah. Zuletzt machte sie sich daran, die Einkaufstüten auszupacken. Nachdem sie einiges in den Schränken verstaut hatte, ging sie schließlich zum Kühlschrank, um die Lebensmittel darin unterzubringen. Als sie die Tür öffnete, schauten ihr sofort braune Augen entgegen. Moment, Augen?! Sie sah noch einmal genauer hin und weitete geschockt ihre eigenen Augen. Da lag doch tatsächlich ein menschlicher Kopf im Kühlschrank und schaute sie ausdruckslos an! War dieser Typ eigentlich komplett bescheuert?! Welcher normale Mensch lagerte denn bitte einen abgetrennten Kopf im Kühlschrank, jetzt wusste sie, wieso John sie gewarnt hatte. Aber wenn sie so darüber nachdachte, war Sherlock Holmes kein normaler Mensch. Da die Lebensmittel aber unbedingt gekühlt werden mussten, blieb ihr nichts anderes übrig, als den Kopf zu ignorieren und den Kühlschrank einzuräumen. Sie nahm sich aber gleichzeitig vor, John oder Sherlock noch einmal darauf anzusprechen.
 

Eine halbe Stunde später hatte die Braunhaarige alles erledigt und stieß wieder zu John, der im Wohnzimmer vor seinem Laptop saß. „Was machen Sie denn da?“, erkundigte sie sich, als sie ihm über die Schulter schaute. Offensichtlich war er in Gedanken, denn er antwortete nicht sofort. „Oh, tut mir leid. Ich war gerade so vertieft“, entschuldigte er sich dann. „Ich arbeite an meinem Blog.“ „Sie schreiben einen Blog? Worüber denn?“, fragte Katie interessiert. „Über unsere gemeinsamen Fälle. Ich schreibe alle gelösten Fälle nieder“, erklärte John. „Etwa auch meinen?“, fragte sie etwas erschrocken. „Nein, keine Sorge. Ich möchte Sie ja nicht in Gefahr bringen“, beruhigte sie John, worauf sie sich wieder entspannte. „Sie schreiben also alle Fälle auf…darf ich Ihren Blog vielleicht mal lesen?“, fragte sie dann; vielleicht würde sie ja so noch mehr über Sherlock erfahren. „Sicher, nur zu. Ich bin sowieso gerade fertig geworden“, stimmte John zu und machte ihr Platz. „Danke, aber da wäre noch eine Sache.“ John schaute sie fragend an. „Was zur Hölle macht dieser abgetrennte Kopf im Kühlschrank?“, fragte Katie. „Sie haben ihn also entdeckt. Sherlock verwendet ihn für seine Experimente“, erklärte John. „Es passiert öfter, dass er Leichenteile im Kühlschrank deponiert. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran.“ „Er ist echt irre…“, murmelte Katie daraufhin nur. „Von Zeit zu Zeit schon“, stimmte John zu. Die Braunhaarige lächelte nur verschmitzt, ehe sie sich hinsetzte und anfing, den Blog zu lesen.
 

Etwa eine Stunde später kam Sherlock wieder zurück. „Sie lesen Johns Blog?“, fragte er, als er Katie kurz über die Schulter schaute. Sie war so vertieft gewesen, dass sie den Dunkelhaarigen bis dahin gar nicht bemerkt hatte und deswegen erschrocken zusammenzuckte, als er sie ansprach. „Ähm ja…ich habe einige Ihrer Fälle gelesen. Es ist wirklich beeindruckend, wie Sie sie lösen konnten“, antwortete sie. „Vielen Dank, ich weiß, dass ich brillant bin. Dann lesen Sie ruhig weiter, aber achten Sie besser nicht allzu sehr auf Johns Überschriften. Die klingen manchmal wirklich idiotisch“, meinte Sherlock, ehe er in die Küche ging, wobei er es ignorierte, dass John ob seines Kommentars die Augen verdrehte. Katie sah ihm nach. Sie sah, wie er sich in der aufgeräumten Küche umschaute. Er sagte jedoch nichts, was vielleicht auch daran lag, dass er zufrieden feststellte, dass sie seine Sachen auf dem Tisch nicht angerührt hatte. Sie schaute ihm noch kurz zu, wie er anfing Tee zuzubereiten, da es mittlerweile schon Nachmittag war, bevor sie schließlich weiter las.
 

Zehn Minuten später kam Sherlock mit vier Teetassen ins Wohnzimmer zurück und stellte sie neben Katie auf dem Tisch ab. „Wieso haben Sie vier Tassen gemacht? Wir sind doch nur zu dritt. Oder kommt Mrs. Hudson vorbei?“, fragte John nach, der bis dahin die Zeitung nach Neuigkeiten durchstöbert hatte. „Nein, wir erwarten einen anderen Besucher…“, antwortete Sherlock. „Ich glaube, ich weiß wer es ist“, erwiderte John, als er den Gesichtsausdruck seines Partners bemerkte. Er hatte es kaum ausgesprochen, als es auch schon klingelte und sie unten die Schritte von Mrs. Hudson hörten, die eilig zur Tür lief, um sie zu öffnen und den Besucher eintreten zu lassen.
 

Kurz darauf betrat eben dieser Besucher das Wohnzimmer. Es war ein Mann, wie Katie feststellte. Er trug einen Anzug sowie einen Regenschirm bei sich. Sein dunkles Haar war wohl schon etwas zurückgegangen, was zumindest die hohe Stirn erklären würde. Er sah aus, als ob er einen wichtigen Posten bekleiden würde und hatte etwas Hochmütiges in seinem Blick. Als er sich kurz umschaute, bildete sich ein süffisantes Lächeln auf seinen Lippen, ehe er sich an Sherlock wandte.
 

„Du hast mich offensichtlich schon erwartet“, meinte der Unbekannte, als er die Teetassen bemerkte. „Nachdem du mir die SMS geschickt hast, war mir klar, dass du so schnell wie möglich her kommen würdest“, erwiderte Sherlock. „Wie schnell du doch immer deine Schlüsse ziehst. Das muss dann wohl Katie Miller sein.“ Als er die Braunhaarige direkt anschaute, zuckte diese zusammen und wich instinktiv hinter Sherlocks Rücken; sie fühlte sich unwohl unter seinem Blick. „Oh, ihr scheint euch schon angefreundet zu haben. Oder ist da etwa etwas, das ich wissen sollte? Ich habe noch nie zuvor gesehen, dass sich ein weibliches Wesen hinter deinem Rücken versteckt, als ob du sein persönlicher Beschützer wärst.“ Wieder lächelte er so süffisant, worauf Sherlock die Augen verdrehte, aber dennoch kurz sanft über Katies Finger strich, die sie in seinem Ärmel vergraben hatte. „Du redest schon wieder zu viel, Mycroft. Aber du hast Recht, das ist Katie Miller. Ich nehme an, diese Information hast du von Lestrade“, mutmaßte Sherlock. „Ja, ich war so frei, mich zu erkundigen“, stimmte Mycroft zu. „Offenkundig…“, gab Sherlock zurück, ehe er sich an Katie wandte, die sich wieder hinter seinem Rücken hervor gewagt hatte.
 

„Das ist übrigens Mycroft Holmes, mein älterer Bruder, von dem ich Ihnen bereits erzählt habe“, stellte er den bis dahin Unbekannten vor. Das sollte Sherlocks großer Bruder sein? Er war offensichtlich das krasse Gegenteil von ihm und langsam verstand Katie, wieso die beiden eine eher kühle Beziehung unterhielten. „Freut mich“, brachte Katie schließlich heraus. „Die Freude ist ganz meinerseits. Ich hoffe, mein Bruder passt gut auf Sie auf“, antwortete Mycroft. „Das tut er“, versicherte ihm Katie; sie hatte plötzlich das Gefühl, Sherlock gegen ihn verteidigen zu müssen. „Wie schön…“ „Wollen wir nicht langsam zum Tee übergehen?“, mischte sich John ein, um die Situation zu retten. „Eine gute Idee“, stimmte Sherlock zu und zog Katie mit sich zum Tisch, worauf sich auch die übrigen Beteiligten setzten.
 

„Dann lass mal hören. Wieso warst du bei Lestrade und hast dich über meinen Fall erkundigt?“, fragte Sherlock ohne Umschweife. „Als ich hörte, dass man die Frau von Henry Parker tot aufgefunden hat, wollte ich natürlich wissen, was vorgefallen war. Immerhin arbeitet Mr. Parker unter anderem für die Britische Regierung, da musste ich mich doch informieren. Bei der Unterredung mit Lestrade fiel der Name Katie Miller und er sagte mir, dass sie bei dir und John untergekommen wäre. Ich wollte die einzige lebende Zeugin gerne persönlich kennenlernen und mich davon überzeugen, dass sie wohlauf ist, wenn sie in deinen Händen ist“, antwortete Mycroft. „Wie du siehst, geht es ihr bestens“, erwiderte Sherlock und verdrehte die Augen. „Wie beruhigend…“, bemerkte Mycroft, bevor er sich direkt an Katie wandte. „Werden Sie mir erzählen, was sich zugetragen hat?“ Die Braunhaarige warf Sherlock einen zweifelnden Blick zu; sie war offensichtlich nicht sicher, ob sie ihm vertrauen konnte. Der Detektiv erwiderte ihren Blick und lächelte leicht.
 

„Sie können es ihm ruhig erzählen. Er weiß nämlich genau, dass er ein ganz großes Problem mit mir bekommt, wenn er irgendetwas weitergibt. Nicht wahr?“ Sherlock bedachte seinen Bruder mit einem gespielten freundlichen Lächeln, worauf es an Mycroft war, die Augen zu verdrehen. „Na schön“, stimmte Katie zu und fing an, die Geschichte von Neuem zu erzählen.
 

„Das war wirklich aufschlussreich, Miss Miller. Ich kann mir vorstellen, was passiert ist“, sagte Mycroft, als sie geendet hatte. „Wie wirst du jetzt vorgehen?“ Diese Frage galt Sherlock. „Ich werde den Mörder finden und dafür sorgen, dass Katie wieder in Sicherheit ist. Und nein, ich werde ganz sicher nicht mit dir zusammenarbeiten, nur weil Henry Parker für die Britische Regierung arbeitet“, erwiderte er. „Du weißt genauso gut wie ich, dass mich dieser Fall in dieser Hinsicht auch etwas angeht. Also solltest du noch einmal darüber nachdenken“, erwiderte Mycroft. „Nein, kein Interesse. Ich weiß mit meiner Zeit etwas Besseres anzufangen“, gab Sherlock sofort zurück. „Also gut, wie ich sehe, kann man mal wieder nicht vernünftig mit dir reden. Ich werde gehen, aber ich werde noch einmal auf dich zurückkommen“, verkündete der Ältere dann und stand auf. „Einen schönen Tag noch.“ Mit diesen Worten wandte er sich zum Gehen und war kurz darauf aus der Wohnung verschwunden.
 

Am späten Abend saßen Sherlock und John noch im Wohnzimmer und dachten über den Fall nach. Katie war ebenfalls bei ihnen, allerdings war sie irgendwann eingeschlafen. Im Schlaf war sie Sherlock wieder näher gekommen, bis sie sich irgendwann nah an ihn gekuschelt hatte und friedlich schlief. Der Detektiv hatte sich mittlerweile daran gewöhnt und so ließ er es einfach zu, wobei er sie irgendwann zusätzlich in den Arm nahm, da er wusste, dass sie so auf jeden Fall ruhig bleiben würde und er somit in Ruhe nachdenken konnte. Johns fassungslosen Blick hatte er dabei einfach ignoriert.

„Was halten Sie mittlerweile davon?“, fragte John in die aufgekommene Stille hinein. „Ich habe das Gefühl, dass dieser Fall langsam größere Ausmaße annimmt, als ich anfangs dachte“, antwortete Sherlock. „Wie meinen Sie das?“, fragte sein Gegenüber weiter. „So wie ich es sage. Mittlerweile gibt es einfach zu viele Dinge, die mit diesem Fall zusammenhängen, als dass es ein einfacher Mord sein kann“, erwiderte Sherlock, während er Katie nachdenklich die Haare aus der Stirn strich. „Und was steckt Ihrer Meinung nach dahinter?“, wollte John wissen. Er hasste es, wenn Sherlock so weit ausholte und das Schlimmste daran war, dass John wusste, dass der Detektiv genau das in vollen Zügen genoss, weil er dann umso mehr seine Intelligenz unter Beweis stellen konnte.
 

„Überlegen Sie doch mal, John. Das kann doch nicht so schwer sein. Katie beobachtet rein zufällig diesen Mord und läuft anschließend genau uns beiden in die Arme. Ausgerechnet wir beide helfen ihr und nehmen sie bei uns auf, um sie zu schützen. Als wir bei Lestrade und Molly nachfragen, finden wir heraus, dass die Tote die Frau eines Bankers ist, der direkt der Britischen Regierung untersteht. Er genießt also Ansehen und kann sich sicher einiges leisten. Seine Frau wurde jedoch nicht sofort umgebracht, sondern zuvor einige Tage festgehalten, während der Mörder ein nettes kleines Psychospiel mit ihrem Mann spielt. Und jetzt taucht auch noch Mycroft auf und will, dass ich ihn in meine Ermittlungen involviere, nur weil er der Meinung ist, es gehe ihn etwas an, da Henry Parker mehr oder weniger für ihn arbeitet. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?“ Abwartend schaute Sherlock seinen Partner an.
 

„Ehrlich gesagt nicht…“, gestand John. Der Detektiv seufzte resigniert. „Ich wusste ja, dass Sie einen relativ geringen Verstand haben, aber dass er so klein ist, hätte ich nicht gedacht.“ „Wie schön, dass Ihr Verstand so groß ist, dass er für uns beide reicht“, gab John zurück und verdrehte die Augen. Er machte sich schon lange nichts mehr aus solchen Bemerkungen. Mittlerweile kannte er Sherlock so gut, dass er wusste, dass er es keinesfalls böse meinte und dies seine Art war, anderen mitzuteilen, dass er sie mochte. „Verraten Sie mir jetzt, was Sie damit sagen wollen?“, fragte John noch einmal nach, als Sherlock keine Anstalten machte, seine Erklärungen weiter auszuführen. „Ja, natürlich. Tut mir leid, ich war mit meinen Gedanken gerade woanders“, gab Sherlock zu. „Das ist mir aufgefallen. Also – schießen Sie los“, forderte John ihn auf, worauf der Dunkelhaarige nickte.
 

„Na schön. Ich fange noch einmal von vorne an. Katie hat diesen Mord beobachtet und läuft anschließend ausgerechnet uns in die Arme“, fing Sherlock an. „Sie meinen, es war Absicht, dass sie uns begegnet ist?“, fragte John, der langsam ahnte, worauf der Detektiv hinaus wollte. „So ist es“, bestätigte dieser dann. „Aber warum gerade sie?“, fragte John, der daraus offensichtlich nicht so ganz schlau wurde. „Das hat nichts mit ihr zu tun. Zumindest nicht direkt. Katie wurde willkürlich ausgesucht, aber der Mörder hat beabsichtigt, dass er beobachtet wird, da ihm klar war, dass ich darauf aufmerksam werde. Er hat Katie bewusst in unsere Richtung gehetzt, vermutlich wusste er, dass wir noch unterwegs waren und ihr helfen würden. Somit hat er ein Spiel in Gang gesetzt, das wir zwangsläufig mitspielen“, erklärte Sherlock. „Aber weiß der Mörder dann nicht, dass Katie bei uns ist?“, warf John ein. „Vermutlich weiß er es. Aber er wird sich ganz sicher nicht trauen hier aufzutauchen“, erwiderte Sherlock. „Ja, da haben Sie wahrscheinlich Recht“, stimmte John ihm zu.
 

„Haben Sie noch mehr herausgefunden?“ „Allerdings…Mary Parker war die Frau eines Bankers, der für die Regierung arbeitet. Das lässt vermuten, dass der Täter nach Macht strebt und so versucht mehr davon zu bekommen, um das ganze System in seinen Grundfesten zu erschüttern. Er liebt die Kontrolle und will diese unbedingt für sich haben. Außerdem spielt er gerne, was daran deutlich wird, dass er sie nicht gleich umgebracht, sondern zuvor noch festgehalten hat. Er spielt sein Spiel mit einer besonderen Strategie und beendet es auf brutalste Weise. Die Tatsache, dass Mycroft sich jetzt eingeschaltet hat, kann unter Umständen auch von Vorteil für den Mörder sein, da er sich erhofft, über ihn Informationen über mich oder die Regierung zu bekommen. Ich fasse also zusammen – der Mörder spielt ein Spiel, in dem er alle Register zieht und die Möglichkeiten genau abwägt, um als Sieger daraus hervorzugehen. So erhält er Kontrolle und erlangt Macht. Indem er Katie als Zeugin ausgewählt hat, hat er sie zu seiner Gejagten gemacht. Er wird sich Stück für Stück an sie herantasten und die überflüssigen Figuren einfach aus dem Spiel werfen, um am Ende sie als König Schachmatt zu setzen. Und ich bin derjenige, der dieses Spiel stoppen muss, bevor er Katie umbringen wird“, endete Sherlock. John schaute ihn einen Moment wortlos an. „Wie sind Sie darauf gekommen?“, fragte er schließlich. „Es war einfach sich das zu erschließen. Es sind einfach zu viele Faktoren, die ineinander greifen und alle Spuren enden bei mir. Das Ganze ist in gewisser Weise eine Herausforderung bzw. eine Aufforderung zum Spielen an mich“, antwortete Sherlock.
 

Einen Moment herrschte Stille, bevor John wieder das Wort ergriff. „Wenn ich mir das so anhöre, könnte man fast meinen, dass Moriarty dahinter steckt.“ Sherlock schaute ihn nur an und John erwiderte seinen Blick fassungslos, als ihm klar wurde, worauf der Dunkelhaarige hinaus wollte. „Sie meinen, dass er tatsächlich dahinter steckt? Aber wie ist das möglich? Ich dachte, er sei tot…“ Die Fragen sprudelten nur so aus ihm heraus. „Das dachte ich auch. Aber langsam glaube ich, dass er doch noch am Leben ist. Alles deutet darauf hin, dass er wieder da ist und offenbar hat er seine Vorliebe fürs Spielen noch nicht verloren…“, antwortete Sherlock. „Und was machen wir jetzt…? Wenn er wirklich dahinter steckt, wird er nicht eher Ruhe geben, bis er Katie erwischt hat“, meinte John und wirkte sichtlich beunruhigt. „Das weiß ich…aber ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas passiert. Es wird ihm kein zweites Mal gelingen, meinen Ruf zu ruinieren und die Menschen zu bedrohen, die mir nahe stehen. Dieses Mal bin ich auf ihn vorbereitet“, versicherte Sherlock ihm. „Das hört sich gut an. Zumindest klingt es so, als hätten Sie einen Plan“, erwiderte John. „Vielleicht nicht direkt, aber wenn es darauf ankommt, werde ich einen haben“, entgegnete der Detektiv. Dann herrschte kurz Stille zwischen ihnen, bevor Sherlock wieder das Wort ergriff. „Wir sollten uns ein wenig hinlegen. Heute können wir sowieso nicht mehr viel ausrichten“, meinte er, bevor er aufstand und die schlafende Katie kurzerhand auf den Arm nahm. „Sie haben Recht“, stimmte John ihm zu und stand ebenfalls auf, ehe sie sich noch eine gute Nacht wünschten und sich schließlich zurückzogen.
 

Als Sherlock Katie sanft auf dem Bett ablegte, öffnete diese die Augen. „Was ist denn los?“, fragte sie verschlafen. „Ich habe Sie ins Bett gebracht. Sie können ruhig weiter schlafen“, erwiderte er, während er neben sie kam. „Na gut…“, murmelte Katie und kuschelte sich sofort wieder an ihn, als sie ihn nah neben sich spürte. Er ließ es zu und nahm sie wieder in den Arm. „Sherlock…?“, fragte Katie dann leise. „Was denn?“, gab er zurück. „Werden Sie es wirklich nicht zulassen, dass mir etwas passiert?“, murmelte die Braunhaarige, während sie sich noch näher an ihn schmiegte. "Sie haben das gehört?“ Der Detektiv klang überrascht. „Ja…ich war vorhin kurz wach und habe mitbekommen, dass Sie das gesagt haben“, antwortete Katie. „Verstehe…aber ich habe das ernst gemeint. Ihnen wird nichts passieren, nicht solange ich auf Sie aufpasse und Sie beschütze“, versprach er ihr. „Danke…“, murmelte Katie daraufhin und lächelte leicht. „Schon in Ordnung. Schlafen Sie jetzt, es ist spät“, erwiderte Sherlock. Katie nickte und schmiegte sich noch näher an seine Brust, ehe sie die Augen wieder schloss. „Gute Nacht“, murmelte sie noch. „Gute Nacht“, gab Sherlock zurück. Kurz darauf war die Braunhaarige wieder eingeschlafen. Sherlock beobachtete sie noch eine Weile, während er ihr sanft durch die Haare streichelte. „Haben Sie keine Angst, Katie. Ich werde Sie auf jeden Fall beschützen“, flüsterte er dann und küsste sie sanft auf die Stirn, ehe auch er die Augen schloss und kurz darauf eingeschlafen war.
 

Am nächsten Morgen wurde Sherlock durch das Schrillen der Klingel geweckt. Verschlafen schaute er sich um und entdeckte sofort Katie, die sich noch näher an ihn gekuschelt hatte, als er es in Erinnerung hatte. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, während er ihr sanft eine Haarsträhne aus der Stirn strich, doch als er plötzlich die Stimme von Inspector Lestrade im Treppenhaus hörte, verschwand es gleich wieder. Wenn er hier auftauchte, musste etwas passiert sein. Vorsichtig löste er sich von Katie, um sie nicht zu wecken, ehe er aufstand und sich seinen blauen Morgenmantel überwarf, bevor er ins Wohnzimmer ging.
 

Dort standen bereits John und Lestrade, der von Anderson und Sally begleitet wurde; beiden war anzusehen, dass der Grund für den morgendlichen Besuch nicht gerade erfreulich war. „Guten Morgen, Sherlock. Tut mir leid, dass ich Sie so früh schon störe“, begrüßte ihn Lestrade. „Was ist passiert?“, fragte Sherlock unvermittelt, ohne auf die Begrüßung einzugehen. „Wir haben eine zweite Leiche…in der Nähe vom Regent’s Park. Werden Sie mitkommen und sich die Sache ansehen?“ Fragend und gleichzeitig bittend schaute er den Dunkelhaarigen an. „Macht Anderson etwa die Spurensicherung, weil er mal wieder an Ihrem Rockzipfel hängt?“, fragte Sherlock mit einem spöttischen Unterton in der Stimme. „Ich bin auch nicht begeistert Sie zu sehen, glauben Sie mir“, gab Anderson grummelnd zurück. „Dann sind wir uns ja ausnahmsweise mal einig“, erwiderte Sherlock. „Ich unterbreche diese kleine Diskussion wirklich nur ungern, aber würden Sie mir vielleicht eine Antwort geben?“, mischte sich Lestrade wieder ein. „Ja, natürlich. Ich werde mir die Sache selbstverständlich ansehen. Aber ich komme nach. Sie wissen genau, dass ich nicht in einem Streifenwagen zu einem Tatort fahre“, antwortete Sherlock. „Das ist mir bekannt. Es hätte mich auch gewundert, wenn Sie diese Gewohnheit mittlerweile abgelegt hätten. Aber gut, ich sehe Sie dann vor Ort.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Lestrade und verschwand kurz darauf gefolgt von seinen beiden Polizeibeamten.
 

John und Sherlock blieben allein im Wohnzimmer zurück und warfen sich einen vielsagenden Blick zu. „Glauben Sie, dass ein Zusammenhang besteht?“, unterbrach John die Stille. „Da besteht ganz sicher ein Zusammenhang. In Anbetracht der Umstände kann dieser zweite Mord kein Zufall sein“, erwiderte Sherlock. „Das ist anzunehmen. Denken Sie wirklich, dass Moriarty dahinter steckt?“, fragte John weiter. „Ich denke es, aber sicher bin ich mir noch nicht oder besser gesagt, ich hoffe, dass es nicht so ist. Aber das ist jetzt erst einmal nebensächlich. Ein Tatort wartet auf uns“, gab Sherlock zurück. „Sie haben Recht. Wir sollten Lestrade nicht allzu lange warten lassen“, stimmte John zu. „Wir treffen uns in einer viertel Stunde unten vor der Haustür“, ordnete Sherlock dann an, ehe er wieder in seinem Zimmer verschwand.
 

Eine viertel Stunde später stieß Sherlock gemeinsam mit Katie zu John, der schon auf dem Bürgersteig vor dem kleinen Café auf sie wartete. Der Detektiv hatte die Braunhaarige geweckt, als er in sein Schlafzimmer zurückgekehrt war. Er wusste zwar nicht genau warum, aber er wollte Katie auf keinen Fall alleine lassen, deswegen zog er es vor sie zum Tatort mitzunehmen. Kurz darauf saßen sie auch schon in einem Taxi und waren auf dem Weg zum Regent’s Park, wo Lestrade bereits auf sie wartete.
 

Als sie an ihrem Ziel angekommen waren, konnten sie schon von weitem das weiß-gelbe Absperrband sehen, mit dem der Tatort abgetrennt worden war. Katie spürte sofort einen unangenehmen Knoten in der Magengegend, der sich immer mehr zusammenschnürte, je näher sie dem Ort des Verbrechens kamen. Instinktiv griff die Braunhaarige nach Sherlocks Hand, in der Hoffnung, dass er es zulassen würde. Der Dunkelhaarige warf ihr jedoch nur einen kurzen Blick zu und umschloss ihre Finger schließlich mit seinen eigenen. Er wusste selbst nicht, wieso er so reagierte, aber seit die Braunhaarige ihm mehr über sich erzählt hatte und aufgrund des beobachteten Mordes so aufgewühlt war, fühlte er sich auf unerklärliche Weise zu ihr hingezogen. Er vertraute ihr schon beinahe so sehr wie John und das sollte etwas heißen, wo er doch als nicht sehr kontaktfreudig, arrogant und gefühlskalt galt. Aber dennoch löste Katie etwas in ihm aus, wodurch er das Gefühl hatte sie beschützen zu müssen. Aus diesem Grund ließ er es auch zu, dass sie seine Hand nahm.
 

Kurz darauf blieben sie direkt vor Lestrade stehen, der ihnen mit ernster Miene entgegenblickte. „Gibt es vorab etwas, das ich wissen sollte?“, fragte Sherlock unvermittelt. „Das hier haben wir neben der Leiche gefunden“, meinte Lestrade und reichte dem Dunkelhaarigen einen kleinen Zettel, der sorgfältig zusammengefaltet worden war. Sherlock nahm ihn entgegen und entfaltete ihn langsam. „Was steht drauf?“, fragte John, als der Detektiv den Papierfetzen nur wortlos anschaute. „Wer kann von 5 rückwärts zählen?“, las Sherlock daraufhin laut vor. „Was soll das denn bedeuten?“, fragte John und runzelte irritiert die Stirn. „Das haben wir leider noch nicht herausgefunden. Wir sind uns zwar sicher, dass diese Nachricht vom Mörder stammt, aber wir wissen leider nicht, was sie zu bedeuten hat…“, warf Lestrade ein. „Wo ist die Leiche? Ich möchte mir das Ganze etwas näher ansehen“, mischte sich Sherlock wieder ein. „Da drüben, kommen Sie“, erwiderte Lestrade und ging voraus, worauf die anderen drei ihm folgten.
 

An der entsprechenden Stelle angekommen, löste sich Sherlock sanft aus Katies Griff. „Bleiben Sie bei John. Sie müssen sich das nicht ansehen“, sagte er dann zu ihr, worauf sie nickte und zu John ging, der ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter legte. Sherlock warf ihr noch einmal einen kurzen Blick zu, ehe er schließlich zur Leiche trat.
 

Bei diesem zweiten Opfer handelte es sich um einen Mann. Offensichtlich besetzte auch er eine höhere Position, was darauf zurückzuführen war, dass er Anzug und Krawatte trug sowie eine Aktentasche bei sich hatte, aus der jedoch allem Anschein nach nichts entwendet wurde, denn die Tasche war unversehrt und verschlossen. Des Weiteren musste der Mann bereits Anfang bis Mitte 50 sein, was das ergraute zurückgehende Haar sowie das etwas zerfurchte Gesicht zeigte. Weiterhin erkannte Sherlock sofort, dass er offenbar mit seinem Mörder gekämpft haben musste, da er Verletzungen an beiden Händen aufwies. Leider war der Mörder stärker als er, andernfalls würde er jetzt nicht tot vor dem Detektiv liegen. Als Sherlocks Blick über den leblosen Körper glitt, entdeckte er auch sofort die vermeintliche Ursache für den Tod des Mannes. In dessen Bauch klaffte eine übel aussehende Stichwunde. Der Mörder hatte offensichtlich ganz gezielt zugestochen und dabei beabsichtigt, dass der Stich auf jeden Fall tödlich sein würde. Zu diesem Zweck musste er das Messer noch einmal umgedreht haben, als es bereits in der Wunde steckte, um sicherzugehen, dass der Angriff auch wirklich den gewünschten Effekt erzielen würde. Wer auch immer diesen Mann auf dem Gewissen hatte, hatte ganz genau gewusst, wie und warum er so vorging.
 

„Und haben Sie schon etwas herausgefunden?“ Als er Johns Stimme hörte, schaute der Detektiv auf. Sein Partner stand gemeinsam mit Katie hinter ihm und schaute ihn fragend an. „Ja, einiges. Der Mann ist Anfang bis Mitte 50. Seiner Kleidung nach zu urteilen besetzte er eine höhere Position. Seiner Aktentasche wurde nichts entwendet, sonst wäre sie offen und würde nicht so makellos aussehen. Bevor er starb, muss er mit seinem Mörder gekämpft haben, was die Verletzungen an beiden Händen erklärt. Außerdem hat die Stichwunde an seinem Bauch höchstwahrscheinlich zum Tod geführt. Wenn Sie mich fragen, wurde er auch von seinem Mörder überrascht. Er ahnte vermutlich nicht, was ihm bevorstand, denn für ihn war wahrscheinlich alles wie immer“, antwortete Sherlock. „Woher wissen Sie, dass für ihn alles wie immer war? Haben Sie ihn etwa gekannt?“, fragte John etwas überrascht. „Nein, habe ich nicht. Aber wenn er ein Spaziergänger wäre, hätte man ihn sicher auf einem der abweichenden Kieswege gefunden. Aber er liegt auf dem Hauptweg, der direkt durch den Park führt. Viele Leute benutzen ihn als Abkürzung auf ihrem Nachhauseweg von der Arbeit“, erwiderte Sherlock. „Sie ziehen Ihre Schlussfolgerungen schnell wie immer“, bemerkte Lestrade anerkennend, der gerade wieder zu ihnen getreten war.
 

Sherlock wollte gerade etwas erwidern, als sich plötzlich Katie zu Wort meldete. „Schauen Sie mal. Da wurde etwas in den Sand gemalt“, meinte sie und zog Sherlock am Ärmel, damit er darauf aufmerksam werden würde. Sofort schaute der Dunkelhaarige auf und stellte fest, dass sie Recht hatte; direkt neben der Leiche war etwas in den Sand unter dem Kies gezeichnet worden. Augenblicklich trat Sherlock noch einmal näher an die Leiche heran. „Was steht da?“, fragte Katie, als sie ihm über die Schulter schaute. „Eine 5“, gab Sherlock zurück. „Eine 5? Was hat das zu bedeuten?“, fragte John irritiert.
 

Einen Moment herrschte Stille, bevor Sherlock plötzlich die Lösung einfiel. Schnell kramte er noch einmal den Zettel aus seiner Manteltasche hervor. „Wer kann von 5 rückwärts zählen…“, murmelte er vor sich hin, ehe er sich umdrehte und sowohl Katie als auch John mit ernster Miene fixierte. „Es ist ein Countdown“, sagte er dann. „Ein Countdown?“, wiederholte John fassungslos, als er begriff, was Sherlock ihm sagen wollte. „Genau, ein Countdown, der mit 5 beginnt und dann runtergezählt wird“, bestätigte Sherlock. „Das Spiel des Mörders hat begonnen!“

Konfrontation

„Es ist ein Countdown, der mit 5 beginnt und runtergezählt wird?“, wiederholte Katie, „was hat das zu bedeuten?“ „Ganz einfach – es wird noch vier weitere Opfer geben und wenn das letzte tot ist, wird sich der Mörder sein eigentliches Ziel schnappen“, antwortete Sherlock. „Sein eigentliches Ziel? Was wollen Sie damit sagen?“, fragte Lestrade. „Ist das denn nicht offenkundig? Mein Gott, ich habe es heute mal wieder nur mit Idioten zu tun“, seufzte Sherlock, worauf Lestrade die Augen verdrehte. „Würden Sie mich dann freundlicherweise aufklären?“, fragte er dann ruhig; er war diese Kommentare längst gewöhnt. „Ja, natürlich. Sein eigentliches Ziel ist ganz klar Katie“, erwiderte Sherlock. „Sie meinen, dass es derselbe Täter war?“, fragte der Inspector. „Ganz genau. Er spielt mit uns und hat nun diesen Countdown gestartet. Es ist eine Art Warnung, damit wir wissen, dass er sich die einzige lebende Zeugin holen wird, sobald der Countdown bei 0 angekommen ist“, erklärte Sherlock.
 

„Und was tun wir jetzt?“, mischte sich John wieder ein. „Wir müssen herausfinden, wo er als nächstes zuschlagen wird und ob er nach einem Muster vorgeht und natürlich müssen wir sehr gut auf Katie aufpassen“, antwortete Sherlock und zog die Braunhaarige zu sich, die im Moment aussah, als hätte man ihr ins Gesicht geschlagen. „Bringen Sie die Leiche zu Molly. Ich werde sie dann um weitere Details bitten. Fürs Erste ist es wohl am besten, wenn ich Katie erst einmal nach Hause bringe. Sie sehen ja selbst, dass es ihr im Moment nicht gerade gut geht“, sagte der Dunkelhaarige dann, während er Katie im Arm behielt, damit diese nicht zusammenklappen würde. „Ja, gehen Sie nur. Ich lasse es Sie wissen, wenn es Neuigkeiten gibt“, erwiderte Lestrade daraufhin. „Ich erwarte Ihre Nachricht.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Sherlock von dem Inspector und zog Katie sanft mit sich zurück zur Hauptstraße; John folgte ihnen.
 

Kurz darauf kamen sie wieder in der Baker Street an. In der Wohnung sorgte Sherlock dafür, dass Katie sich auf das Sofa setzte, bevor er sich an John wandte. „Würden Sie ihr vielleicht einen Tee machen? Möglicherweise beruhigt sie das ein wenig.“ „Ja, natürlich“, stimmte John sofort zu, ehe er in der Küche verschwand. Sherlock schaute ihm kurz nach, bevor er sich schließlich zu Katie setzte.
 

„Geht es Ihnen gut?“, fragte er nach kurzem Schweigen. „Ob es mir gut geht? Sie fragen mich allen Ernstes, ob es mir gut geht und das nach dieser Sache im Park? Nein, verdammt noch mal! Es geht mir nicht gut! Ein Irrer bringt meinetwegen wahllos Menschen um und will mich selbst auch um die Ecke bringen und Sie haben nichts Besseres zu tun, als mich zu fragen, ob es mir gut geht! Ich habe eine scheiß Angst, wenn Sie es genau wissen wollen!“ Katie war immer lauter geworden und schließlich in Tränen ausgebrochen. Verzweifelt vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen, während ihr Körper immer wieder von einem Schluchzen geschüttelt wurde.
 

„Sie sind mal wieder sehr taktvoll“, bemerkte John, der gerade mit dem Tee zurückgekommen war. „Tun Sie etwas. Das kann man ja nicht mit ansehen.“ Sherlock verdrehte bei diesem Kommentar nur die Augen, legte Katie aber dennoch einen Arm um die Schulter und drückte sie sanft an seinen schlanken Körper. „Es tut mir leid…hören Sie auf zu weinen“, sagte er leise und strich ihr beruhigend über den Rücken. „Ich kann nicht mehr…wieso kann dieser Albtraum nicht einfach aufhören?“, schluchzte Katie und verbarg verzweifelt ihr Gesicht an seinem Hemd. „Beruhigen Sie sich, wir werden den Mörder fassen“, versprach Sherlock und zog sie noch etwas näher an sich. „Ich kann mich nicht beruhigen. Ich habe verdammt noch mal Angst.“ Ihr Weinen wurde noch heftiger und der Detektiv wusste sich nicht anders zu helfen, als sie festzuhalten und ihr weiterhin sanft über den Rücken zu streicheln.
 

Es dauerte eine ganze Weile, bis Katie sich wieder beruhigt hatte und sich schließlich von Sherlock löste. „Hier, trinken Sie einen Schluck Tee, das wird Ihnen gut tun“, sagte John und reichte ihr die Tasse, die sie dankend annahm. Sofort nahm sie einen großzügigen Schluck von der warmen Flüssigkeit, die gleich ein wohliges Gefühl in ihr auslöste, wodurch sie sich schließlich einigermaßen entspannte. „Geht es Ihnen jetzt besser?“, erkundigte sich John. „Ja, vielen Dank“, erwiderte Katie und wischte sich kurz über die Augen, um auch noch die letzten Tränenspuren zu beseitigen. „Wie schön. Dann sollten Sie sich ein wenig hinlegen, das war sicher etwas viel für Sie. Sherlock überlässt Ihnen dazu bestimmt gerne sein Bett, nicht wahr?“ Abwartend schaute John den Dunkelhaarigen an, der ergeben seufzte. „Meinetwegen“, stimmte er zu. „Gut, dann bleiben Sie bestimmt auch gerne bei ihr“, fügte John hinzu. „Was? Was ist mit Ihnen? Ich wollte eigentlich noch zu Molly fahren und mit ihr über das neuste Opfer sprechen“, widersprach Sherlock. „Das können Sie auch später noch machen. Katie braucht jemanden, der bei ihr bleibt. Ich bin in einer halben Stunde verabredet, also bleiben nur noch Sie“, gab John zurück. „Sie sind verabredet? Das haben Sie sich doch gerade ausgedacht.“ Sherlock bedachte seinen Partner mit einem misstrauischen Blick. „Nein, habe ich nicht. Ich habe Ihnen doch davon erzählt“, erwiderte dieser. „Wann?“ „Heute Morgen beim Frühstück, aber Sie haben mir offensichtlich mal wieder nicht zugehört. Wie auch immer, ich muss jetzt los.“ Mit diesen Worten stand John auf und zog sich seine Jacke über. „Könnte spät werden“, sagte er noch, ehe er die Wohnung verließ und Katie und Sherlock allein im Wohnzimmer waren.
 

„Tut mir leid, dass Sie meinetwegen nicht weg können…“, murmelte Katie in die Stille hinein. „Schon gut. Kommen Sie, Sie sollten sich wirklich etwas hinlegen“, erwiderte Sherlock und stand auf. Katie tat es ihm gleich und folgte ihm in sein Schlafzimmer. Kurz darauf lag die Braunhaarige in seinem Bett unter der Decke, während sie sich aufatmend in die Kissen kuschelte; Sherlock blieb neben ihr sitzen.
 

Es herrschte Stille zwischen ihnen, bis Katie sie irgendwann durchbrach. „Sie können ruhig zu Molly fahren, wenn Sie wollen“, sagte sie. „Und was ist mit Ihnen?“, fragte Sherlock daraufhin. „Ich komme schon klar. Ich werde einfach hier bleiben und mich ausruhen. Hier bin ich doch sicher, oder nicht?“ Fragend schaute sie ihn an. „Natürlich sind Sie das. Hier kann Ihnen nichts passieren“, bestätigte Sherlock. „Dann können Sie ruhig fahren. Es ist in Ordnung“, versicherte Katie ihm. „Also schön. Mrs. Hudson ist unten, wenn etwas ist und Sie versprechen mir, die Wohnung auf keinen Fall zu verlassen“, sagte der Dunkelhaarige daraufhin und schaute sie eindringlich an. „Ja, ich verspreche es Ihnen.“
 

Damit wollte Sherlock aufstehen, doch Katie hielt ihn zurück, indem sie seine Hand ergriff. „Tun Sie mir noch einen Gefallen?“, fragte sie leise. „Was ist denn noch?“ Abwartend schaute er sie an. „Bleiben Sie noch bei mir, bis ich eingeschlafen bin?“ Bittend erwiderte sie seinen Blick. „Also gut, ich bleibe solange hier“, willigte er ein, worauf sich Katie bedankte und die Augen schloss, wobei sie immer noch Sherlocks Hand in ihrer eigenen hielt. Der Detektiv blieb einfach neben ihr sitzen und streichelte sanft über ihre Finger, wobei er sich fragte, wieso er das tat, während er darauf wartete, dass sie einschlafen würde. Es dauerte auch nicht lange, bis er ihre tiefen, gleichmäßigen Atemzüge vernahm, was ihm verriet, dass sie schlief. Er blieb noch einen Moment sitzen, bevor er schließlich aufstand, ihr noch einmal durch die Haare strich und die Wohnung kurze Zeit später verließ, um sich auf den Weg zum St. Barts Hospital zu machen.
 

Als Katie wieder aufwachte, war es draußen bereits dunkel. Weder Sherlock noch John waren offensichtlich schon wieder da, denn in der Wohnung war alles mucksmäuschenstill. Langsam stand Katie auf und ging in die Küche, um sich dort einen Tee zu machen. Kurz darauf ging sie mit ihrer Teetasse ins Wohnzimmer, wo sie sich auf einem der Sessel niederließ und den Fernseher einschaltete.
 

Sie verfolgte das Fernsehprogramm eine ganze Weile, bis sie plötzlich ein Geräusch vernahm, das aus ihrer Jackentasche kam. Es war eindeutig ihr Handy gewesen, das soeben ein Lebenszeichen von sich gegeben hatte. Sofort stand sie auf und kramte ihr Mobiltelefon aus der Jackentasche hervor. Mit flinken Fingern entriegelte sie die Tastensperre und entdeckte sofort eine neue SMS, die vor wenigen Sekunden an sie gesendet wurde. Zuerst dachte sie es wäre Sherlock, der ihr sagen würde, dass es noch etwas dauern würde, bis er zurückkam, doch dann stellte sie überrascht fest, dass es ihre Kollegin und Freundin Sarah war, die ihr geschrieben hatte. Schnell öffnete Katie die SMS und überflog die Nachricht. Sarah wollte wissen wie es ihr ging, nachdem sie drei Tage nichts von ihr gehört hatte und sie auch nicht zur Arbeit erschienen war. Weiterhin ließ sie fragen, ob sie sich nicht heute Abend im Regent’s Park zu einem kleinen Spaziergang treffen wollten, da sie überraschend frei bekommen hatte.
 

Katie schaute nachdenklich auf die SMS. Sie wusste, dass sie Sherlock versprochen hatte, die Wohnung nicht zu verlassen und eigentlich behagte ihr die Vorstellung nicht, an den Ort zurückzugehen, wo vor wenigen Stunden eine Leiche gefunden wurde, aber dennoch sehnte sie sich danach, Sarah wiederzusehen und wenigstens für einen Abend eine Freundin um sich zu haben, der sie von ihren Problemen erzählen konnte. Sie überlegte noch kurz, doch dann siegte schließlich der Wunsch ihre Freundin sehen zu wollen, weshalb sie sich kurzerhand ihre Jacke überzog und die Wohnung verließ.
 


 

Kurz darauf war Katie im Regent’s Park angekommen. Suchend schaute sie sich nach Sarah um, konnte aber zunächst niemanden entdecken. Vielleicht verspätete sie sich ja oder Katie war zu früh. Sie beschloss zu warten. Die Minuten tickten dahin und Sarah tauchte nicht auf. Möglicherweise war ihr ja doch etwas dazwischen gekommen und sie hatte vergessen abzusagen. Katie wartete noch einige Minuten, doch als von Sarah immer noch jede Spur fehlte, beschloss sie zurück in die Baker Street zu gehen. Vielleicht war Sherlock mittlerweile wieder da und bei ihm würde sie sich sicher wohler fühlen als in dem dunklen verlassenen Park, der vor wenigen Stunden zum Tatort geworden war.
 

Sie wollte gerade gehen, als sie plötzlich Schritte hinter sich hörte. „Es ist doch wirklich erstaunlich, wie leicht man normale Menschen reinlegen kann. Wo willst du denn hin, Katie?“ Erschrocken drehte sich die Braunhaarige um. Hinter ihr stand ein Mann, den sie nicht kannte, zumindest glaubte sie, dass sie ihn nicht kannte. Er trug einen Anzug, als ob er gerade von einer wichtigen Sitzung käme. Auf den ersten Blick machte er einen normalen Eindruck, doch auf eine unheimliche Weise lag etwas Wahnhaftes in seinen Augen, was Katie einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
 

„Woher kennen Sie meinen Namen?“, brachte sie schließlich heraus. „Deine kleine Freundin aus der Cocktailbar hat ihn mir verraten. Sie ist wohl sehr leicht zu beeindrucken, was? Ich musste ihr nur schöne Augen machen und schon hat sie mir deinen Namen und deine Handynummer gegeben“, antwortete der Fremde. „Dann waren Sie es, der mir in Sarahs Namen die SMS geschickt hat“, vermutete Katie. „Sehr richtig, sie war so freundlich mir ihr Handy zu leihen. Wie nachlässig von Sherlock, dich heute Abend alleine zu lassen und Dr. Watson hatte auch keine Zeit, um auf dich aufzupassen, wie bedauerlich“, sagte ihr Gegenüber dann mit einem leisen Seufzen. „Sie kennen Sherlock und John? Woher?“, fragte Katie und hatte langsam ein ungutes Gefühl in der Magengegend. „Sagen wir es mal so: Wir sind alte Freunde. Aber nun zu uns beiden, mein hübsches Kind. Ich wollte dich unbedingt wiedersehen, nachdem du bei unserer ersten Begegnung in der Seitengasse so schnell verschwunden warst“, antwortete der Fremde.
 


 

Katie wollte gerade etwas erwidern, als sie plötzlich innehielt. Ihre erste Begegnung in der Seitengasse? Mit einem Mal wurde ihr bewusst, wen sie da vor sich hatte. Entsetzt weiteten sich ihre Augen. „Oh mein Gott…Sie haben diese Frau dort erschossen“, sagte sie tonlos. „So ein schlaues Mädchen. Mary Parker war mit der Zeit lästig und als Druckmittel taugte sie nicht viel, deswegen habe ich sie beseitigt. Was für ein Pech für dich, dass du alles gesehen hast“, meinte der Fremde. „Dann haben Sie auch diesen Mann umgebracht, der heute hier gefunden wurde…“, mutmaßte Katie. „Gut kombiniert. Fast so scharfsinnig wie Sherlock“, grinste ihr Gegenüber, bevor er näher zu ihr kam. „Du weißt sicher, was ich mit dir vorhabe, Katie. Leider kann ich es nicht zulassen, dass Zeugen zurückbleiben. Deswegen muss ich dich leider auch umbringen. Dann habe ich mir vier weitere Morde gespart. Es ist ja so anstrengend, ein geeignetes Opfer zu finden. Aber natürlich werde ich dich nicht einfach so erschießen oder erstechen. Das wäre langweilig und einfallslos“, meinte der Fremde grinsend.
 

Katie antwortete nicht. Sie ließ ihr Gegenüber nicht aus den Augen und überlegte fieberhaft, wie sie wieder heil aus dieser Sache herauskommen könnte. „Lass uns ein wenig spielen, Katie. Ich genieße es gerne, wenn ich meine Opfer beseitige, daher hoffe ich, dass du mitspielst. Ich bin gespannt, wie schnell du rennen kannst.“ Wieder grinste er und kam noch näher zu ihr. „Was soll das heißen…?“, fragte Katie und versuchte, die aufkommende Panik so gut es ging zu unterdrücken. „Wir beide werden ein bisschen Fangen spielen. Du läufst los und ich versuche, dich wieder einzufangen. Du gewinnst, wenn du es schaffst mir zu entkommen, also hast du immer noch eine Chance zu überleben. Aber ich gewinne, wenn ich dich treffe…“
 

Erschrocken stellte Katie fest, dass er eine Pistole aus seinem Anzug zog. „Das Spiel kann beginnen. Ich lasse dir sogar zwei Minuten Vorsprung. Und nun lauf…lauf um dein Leben, Katie Miller.“ Der Fremde lachte und trat ein paar Schritte zurück. Katie war starr vor Angst, doch wenn sie nicht weglaufen würde, würde er sie sicher an Ort und Stelle erschießen. Andernfalls hätte sie wenigstens den Hauch einer Chance, um zu überleben. So schnell sie konnte rannte sie los und stürzte den Kiesweg entlang, in der Hoffnung, dass sie dem Fremden auch wirklich entkommen konnte.
 

Katie hetzte durch den Park, wobei sie sich immer wieder hektisch umschaute, aus Angst der Fremde wäre schon hinter ihr und im Begriff sie über den Haufen zu schießen. Sie hatte den Hauptweg schon längst verlassen und rannte die Kieswege entlang, die direkt an den Blumenbeeten vorbeiführten. Nicht selten streifte ihre Hand einige der Blumen, wobei die Dornen schmerzhafte Risse in ihrer Haut hinterließen, doch sie ignorierte den Schmerz und rannte weiter.
 

Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich und die Stimme des Fremden rief ihren Namen. Er schien schon ganz nah zu sein! Panik stieg in Katie auf und Tränen der Angst sammelten sich in ihren Augen, die ihr zum Teil die Sicht nahmen, während sie blindlings weiterstürzte. Sie spürte, dass ihre Kräfte nachließen, doch sie musste weiter rennen. Wenn dieser Irre sie einholen würde, wäre alles vorbei. Aber vielleicht konnte sie sich ja irgendwo verstecken und dann unbemerkt aus dem Park gelangen. Sie glaubte zwar nicht daran, aber einen Versuch war es zumindest wert.
 

Hektisch schaute sie sich nach einem Versteck um und entdeckte eine Brücke, die zu einem anderen Teil des Parks führte. Schnell rannte sie darauf zu und versteckte sich darunter, in der Hoffnung, dass ihr Verfolger sie nicht finden würde. „Katie, wo bist du denn, meine Süße?!“, hörte sie ihn da auch schon rufen. Angespannt hielt sie den Atem an und betete inständig, dass er weiterlaufen würde.
 

Die Sekunden schlichen dahin und kamen Katie wie eine Ewigkeit vor, doch dann hörte sie, dass er sich entfernte. Sie atmete erleichtert auf und blieb noch einen Moment sitzen. Schließlich wollte sie aufstehen und den Park so schnell wie möglich verlassen, doch da hörte sie erneut Schritte. Schritte, die direkt auf die Brücke zukamen!
 

Starr vor Schreck blieb Katie wo sie war. Hatte er ihren Trick durchschaut und kam nun zurück?! Die Schritte kamen näher und näher und mit Entsetzen stellte Katie fest, dass es zu spät war, um jetzt noch wegzulaufen. „Jetzt ist alles aus…“, dachte sie und schloss verzweifelt die Augen.
 

Im nächsten Moment legten sich zwei Hände auf ihre Schultern. „Katie, es ist alles gut. Sie müssen keine Angst mehr haben.“ Als sie die vertraute tiefe Stimme hörte, schaute sie auf und sofort machte sich Erleichterung in ihr breit. Doch im nächsten Augenblick wurde sie von ihren Gefühlen regelrecht überrannt, sodass sie ihrem Retter in die Arme fiel und in Tränen ausbrach. „Sherlock…“, schluchzte sie und drückte sich verzweifelt an ihn. Der Detektiv ließ es zu und hielt sie fest, während sie sich bei ihm ausweinte. „Oh Gott…ich hatte solche Angst…“, schluchzte sie und kam noch näher zu ihm. „Ist ja gut. Sie sind in Sicherheit. Es ist alles gut…“ Er redete beruhigend auf sie ein, während er ihr sanft über den Rücken streichelte. „Kommen Sie, wir gehen nach Hause.“ Vorsichtig zog er sie auf die Beine und legte ihr einen Arm um die Schulter, bevor er sie schließlich aus dem Park führte. Der Fremde hatte sie aus einiger Entfernung beobachtet und schaute ihnen mit einem Grinsen auf den Lippen nach.
 

Es dauerte nicht lange, bis Sherlock und Katie wieder in der Baker Street angekommen waren. Der Dunkelhaarige wies sie an, sich aufs Sofa zu setzen, während er ihr etwas zu trinken holte. Als er wieder zu ihr kam, reichte er ihr ein Glas und setzte sich ihr gegenüber. „Trinken Sie das, das beruhigt Ihre Nerven“, meinte er. „Was ist das?“, fragte sie, als sie die orange-braune Flüssigkeit betrachtete. „Brandy“, lautete die Antwort. „Trinken Sie ruhig.“ Katie nickte und nahm einen Schluck. Sherlock hatte Recht, es beruhigte tatsächlich.
 

„Danke, dass Sie mir geholfen haben. Ich glaube, wenn Sie nicht gekommen wären, würde ich jetzt nicht hier sitzen“, murmelte Katie. „Ist schon gut. Wissen Sie jetzt, wieso ich Sie gebeten habe, die Wohnung nicht zu verlassen?“ Fragend schaute Sherlock sie an. Katie senkte schuldbewusst den Blick. „Es tut mir wirklich leid. Ich weiß, dass ich Ihnen versprochen habe hier zu bleiben, aber als ich sah, dass die SMS, die ich bekam, vermeintlich von Sarah kam, hatte ich plötzlich den Wunsch, wenigstens für einen Abend eine Freundin um mich zu haben...“, erklärte sie leise. „Und dann sind Sie direkt dem Mörder in die Arme gelaufen“, endete Sherlock, worauf sie betreten nickte. „Verstehe…erzählen Sie mir von dieser Begegnung. Wie hat er ausgesehen?“ Abwartend schaute er die Braunhaarige an. Katie fühlte sich sichtlich unwohl dabei, sich an das Spiel auf Leben und Tod zu erinnern, doch sie wusste auch, dass Sherlock nicht locker lassen würde. „Er war etwa so groß wie Sie und hatte dunkle Haare. Er trug einen Anzug, in dem er übrigens eine Pistole versteckt hatte. Aber etwas war wirklich komisch…“, murmelte Katie. „Und was?“, hakte Sherlock sofort nach. „Er behauptete, dass er Sie und John kennen würde. Er meinte, Sie wären alte Freunde“, erzählte sie und bemerkte, dass sich der Dunkelhaarige kaum merklich anspannte.
 

„Oh nein…“, murmelte er dann. „Was denn…?“ Katie gefiel seine Reaktion ganz und gar nicht. „Sie sind also tatsächlich Moriarty begegnet. Hat er Sie aufgefordert mit ihm zu spielen?“ Fragend schaute er sie an. „Ja…er wollte, dass ich mit ihm Fangen spiele. Wenn er mich eingeholt hätte, hätte er mich gnadenlos erschossen…“; sagte Katie leise. „Moriarty ist gnadenlos“, erwiderte Sherlock. „Und wer ist Moriarty?“, fragte Katie, auch wenn sie es eigentlich lieber nicht wissen wollte.
 

„Ein kriminelles Genie, von dem ich dachte, es wäre tot“, antwortete der Detektiv. „Wie meinen Sie das…?“ Man konnte ihr anhören, dass sie verwirrt war. „Vor drei Jahren hatten wir schon einmal das Vergnügen…Moriarty ließ damals verschiedene Leute für sich arbeiten, um sich die Hände nicht schmutzig zu machen. Er selbst zog die Fäden im Hintergrund. Irgendwann ruinierte er gewissermaßen meinen Ruf, sodass es aussah, als ob ich mir die Lösungen meiner Fälle nur ausgedacht hätte und ich letztendlich selbst für Verbrechen verantwortlich wäre. Ich habe sein Spiel durchschaut, ihn aber leider unterschätzt. Er zwang mich damals dazu vom Dach des Krankenhauses zu springen, andernfalls hätte er John, Inspector Lestrade und Mrs. Hudson umbringen lassen“, erzählte Sherlock.
 

„Jetzt verstehe ich das mit dem gnadenlos…Sie sind da wirklich runter gesprungen und haben es überlebt?“ Erstaunt schaute sie ihn an. „Ja, ich habe es geschafft, meinen Selbstmord zu fingieren, wodurch ich die, die mir wichtig sind, retten konnte“, erwiderte Sherlock. „Krass…“, murmelte die Braunhaarige. „Die Frage ist nur, wieso er jetzt wieder da ist, denn eigentlich hat er sich damals vor meinen Augen erschossen“, gab Sherlock zu bedenken. „Was?! Wie kann er dann wieder in London sein…?“, fragte Katie beunruhigt. „Ich habe keine Ahnung“, gestand der Dunkelhaarige. „Aber offensichtlich ist ihm damals auf dem Dach dasselbe gelungen wie mir…er hat es tatsächlich geschafft, seinen scheinbaren Selbstmord ebenfalls vorzutäuschen…aber wie auch immer, Sie müssen mir jetzt noch einmal versprechen nicht alleine nach draußen zu gehen und Sie müssen sich daran halten, denn er wird Sie garantiert weiter jagen.“ Er zog sie nah zu sich heran und Katie hatte das Gefühl, dass er ernsthaft Angst um sie hatte. „Ich verspreche es Ihnen“, antwortete sie und lehnte sich gegen seine Schulter.
 

Sie saßen noch eine ganze Weile auf dem Sofa. Katie hatte sich dank dem Brandy wieder beruhigt, dafür war sie jedoch deutlich lockerer geworden, da es nicht bei einem Glas geblieben war. Irgendwann hatte sie sogar Sherlock dazu überredet mit ihr zu trinken, sodass am Ende beide weit davon entfernt waren nüchtern zu sein. Das Ganze ging so weit, dass die Braunhaarige irgendwann kichernd auf seinem Schoß saß und ihm dabei ziemlich nah gekommen war.
 

„Wissen Sie, Sherlock, Sie sind wirklich ein besonderer Mensch“, kicherte sie und rückte noch näher an ihn heran. „Wie kommen Sie darauf?“, fragte er; er hatte sich noch besser unter Kontrolle als sie, aber dennoch spürte er, dass der Alkohol mittlerweile auch seinen Verstand verklärt hatte. „Naja…Sie sind wirklich ein totaler Angeber und Sie sind scheiße arrogant, aber ich habe noch nie einen Mann getroffen, der so brillant ist und dabei auch noch so verdammt gut aussieht“, kicherte Katie und kam ihm so nah, dass sich ihre Nasenspitzen berührten. „Und deswegen werde ich Sie jetzt küssen“, verkündete sie flüsternd, ehe sich ihre Lippen tatsächlich sanft auf seine legten.
 

Sherlock war darüber maßlos überrascht und normalerweise hätte er eine derartige Nähe wohl kaum zugelassen, doch da der Alkohol ihn nach wie vor fest im Griff hatte, zog er Katie näher an sich und erwiderte den Kuss. Zuerst war dieser noch sanft und beinahe zaghaft, doch dann wurde er leidenschaftlicher und immer fordernder. Mit der Zeit zog Sherlock die Braunhaarige noch näher zu sich und strich sanft über ihre Lippen, die sie sofort bereitwillig öffnete. Augenblicklich drang seine forsche Zunge in ihren Mund ein und erkundete ihn ausgiebig. Katie genoss das Gefühl; sie schloss die Augen und gab sich dem Detektiv voll und ganz hin. Sherlock ließ den Kuss unterdessen noch fordernder und intensiver werden. Er stupste ihre eigene Zunge an, um sie zu einem leidenschaftlichen Spiel herauszufordern, worauf sie ohne zu zögern einging. Ihre Zungen fochten einen kleinen Kampf aus, doch der Dunkelhaarige behielt die Oberhand und vertiefte den Kuss nur noch mehr. Erst nach einer ganzen Weile lösten sie sich wieder voneinander, jedoch nur um kurz zu Atem zu kommen und dann den Kuss erneut aufzunehmen.
 


 

Während sie sich immer inniger küssten und dabei noch näher kamen als beide es vermutlich jemals für möglich gehalten hätten, bekamen sie es möglicherweise gar nicht richtig mit, wie sie sich eng umschlungen von dem Sofa erhoben und sich langsam aber sicher Richtung Flur bewegten. Katie ließ es ohne Weiteres geschehen, dass der Detektiv sie sanft, aber dennoch bestimmt vor sich her schob, bis sie irgendwann vor seiner Schlafzimmertür angekommen waren. Kurz darauf befanden sie sich auch schon auf seinem Bett, während sie sich immer noch küssten. Katie hatte ihren Verstand mittlerweile komplett ausgeschaltet. Sie konnte sich nur noch daran erinnern, wie sich ihre Finger verlangend in seine dunklen Locken krallten, ehe sie sich ihrer Leidenschaft hingab und schließlich gänzlich darin versank.

Ein mörderischer Tanz

Am nächsten Morgen wurde Katie durch die Sonnenstrahlen, die durchs Fenster fielen, geweckt. Verschlafen machte sie die Augen auf und schaute sich in dem Zimmer um, das lediglich durch das Licht der Morgendämmerung beleuchtet wurde. Jetzt erkannte sie, dass sie sich in Sherlocks Schlafzimmer befand, aber wie war sie in der vergangenen Nacht hergekommen? Die Erinnerungen waren nur schemenhaft, aber dennoch wusste sie, dass alles mit einem Glas Brandy angefangen hatte. Nun da sie darüber nachdachte nahm sie an, dass es wohl nicht bei einem Glas geblieben war. Aber was war noch in der Nacht passiert? Katie hatte das Gefühl, etwas Entscheidendes übersehen zu haben, doch was verdammt noch mal war es?!
 

Sie war so in Gedanken versunken, dass sie gar nicht merkte, dass Sherlock neben ihr lag. Erst als er sie näher zu sich zog, bemerkte sie, dass er noch neben ihr war. Sie lächelte leicht und kuschelte sich instinktiv an seine nackte Brust. Plötzlich stutzte sie. Moment mal…wieso nackt?! Wo war sein Schlafanzug geblieben, den er in den vergangenen Tagen immer getragen hatte?! Sofort fuhr ihr der Schreck in die Glieder, als ihr langsam bewusst wurde, was sich wohl zwischen ihnen ereignet hatte. Vorsichtig hob sie die Bettdecke an, nur um sie gleich wieder fallen zu lassen. Ihre schlimmsten Befürchtungen waren soeben wahr geworden, denn wie sie feststellen musste, waren sie beide vollkommen unbekleidet.
 

„Oh mein Gott…!“, stieß die Braunhaarige hervor. „Was haben Sie denn?“, antwortete Sherlocks verschlafene Stimme; er war offensichtlich gerade aufgewacht. „Was ich habe…? Schauen Sie mal unter die Decke…oder wissen Sie noch, was letzte Nacht passiert ist?“, gab Katie zurück. „Nicht so richtig…ich kann mich noch an den Brandy erinnern“, überlegte Sherlock. „Das ist zumindest mal ein Anfang…dann schauen Sie mal unter die Decke…“, forderte Katie ihn auf. „Wenn es Sie glücklich macht.“ Mit einem Seufzen kam er ihrer Bitte nach. Er warf einen kurzen Blick unter die Decke und ließ sie dann schweigend wieder fallen.
 

„Oh…“, lautete schließlich sein Kommentar. „Das können Sie laut sagen…offensichtlich haben wir…na, Sie wissen schon“, murmelte Katie, worauf ihr sofort die Röte in die Wangen schoss. „Miteinander geschlafen, ja“, vervollständigte Sherlock ihren Satz; er sagte das so beiläufig, als ob sie gerade vereinbart hätten, bei diesem herrlichen Wetter einen Spaziergang zu unternehmen. „Das scheint Sie ja nicht sonderlich zu schocken“, stellte Katie fest, die immer noch feuerrote Wangen hatte. „Wieso sollte es das? Außerdem können wir es jetzt auch nicht mehr rückgängig machen“, erwiderte Sherlock. „Naja, da haben Sie auch wieder Recht“, gab die Braunhaarige zu.
 

„Aber vielleicht sollten wir in Anbetracht der Umstände diese Förmlichkeiten beiseitelassen“, schlug der Detektiv vor. „Wie meinen Sie das…?“, fragte Katie verwirrt. „Ganz einfach. Nachdem wir nun so vertraut miteinander sind, können wir dieses ‚Sie’ auch genauso gut weglassen“, erklärte Sherlock. „Oh, das meinen Sie, ich meine du. Okay, ich bin damit einverstanden“, stimmte Katie zu. „Wie schön, dann sollten wir jetzt aufstehen“, meinte der Dunkelhaarige dann. „W-was?“ Verwirrt schaute sie ihn an. „Willst du etwa ewig hier liegen bleiben? Es gibt viel zu tun, also los“, drängte Sherlock und stand auf. Katie seufzte ergeben und tat es ihm schließlich gleich.
 

Kurz darauf saß die Braunhaarige gemeinsam mit Sherlock und John im Wohnzimmer, wo sie Mrs. Hudsons Frühstück zu sich nahmen. Der Arzt unter ihnen war auffallend still, was auch Sherlock nicht entging. „John, ist alles in Ordnung mit Ihnen? Fühlen Sie sich nicht wohl?“ Fragend schaute der Detektiv seinen Partner an. „W-was? Oh…doch. Mir geht es gut“, antwortete der Angesprochene schnell und anhand dieser Reaktion wurde Sherlock klar, was offensichtlich mit seinem Mitbewohner los war.
 

„Lassen Sie mich raten“, fing der Dunkelhaarige an und faltete die Zeitung zusammen, die er soeben nach Neuigkeiten durchforstet hatte. „Sie sind gestern Abend vermutlich erst nach 23 Uhr nach Hause gekommen, sonst wären Sie jetzt etwas ausgeschlafener. Man merkt, dass Sie noch ein wenig mi