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Der Weiße Phönix

Wichtelgeschichte für Decken-Diebin
von

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Liebes Wichtelchen!

Eigentlich hatte ich ja etwas ganz anderes geplant, aber das ist dann halt irgendwie so passiert. Ich hoffe, dir macht es nichts aus viel zu lesen, hehe :)

Das ist übrigens nur die kurze Version, da ich keine Zeit hatte, die zusätzlichen Szenen noch einzufügen. Außerdem konnte ich nur flüchtig drüberlesen, ich hoffe du verzeihst mir. Ich hab nicht damit gerechnet, dass das Ding so lang wird. Wenn ichs aber hochlade, kriegst du den Directors Cut der Geschichte mit zusätzlichen Szenen und so Zeugs :)

Ja... dann wünsch ich dir einfach viel Spaß!
 


 

Orientierungslos kämpfte sich Caleb durch die Wüstenlandschaft, die sich in schierer Endlosigkeit um ihn ausbreitete und nur von einzelnen Felsen oder trockenen Sträuchern unterbrochen wurde. Der Mann stöhnte jedes Mal, wenn er im Sand den Tritt verlor oder sich seine Beine in der weiten, ausgefransten Robe verhedderten, die er trug. Einige schwarze Federn hatten sich aus dem Schmuck gelöst, den er auf beiden Schultern trug, und hinterließen neben den Fußabdrücken im Sand eine Spur. Wenn man Caleb von weiten aus betrachtete, sah es aus, als würde eine Krähe groß wie ein Mann auf einen zukommen.

Wieder stolperte der dunkle Mann und schaffte es gerade noch so, auf den Beinen zu bleiben. Eile war geboten! Am nördlichen Horizont konnte er bereits das zarte Lila der ersten Sonne entdecken, die in kaum mehr als einer Stunde aufgehen würde. Ab da an dauerte es nicht lange, bis die zweite und dritte Sonne aufgingen und dann musste er seine Suche auf die nächste Nacht verschieben. Und das durfte auf keinen Fall passieren. Zehn Jahre hatte Caleb Nacht um Nacht damit verbracht, das Firmament zu beobachten und geduldig auf den Stern zu warten, der ihm seine Magie wieder schenken würde. Heute war nach endlosem Warten und einer Enttäuschung nach der anderen endlich der Tag gekommen. Der Rote Stern von Huraira, der dunklen Göttin aller Magie, war vom Himmel gefallen und ihm, Caleb, würde die Ehre zufallen, der nächste Jünger der Göttin zu werden. Mit ihr an seiner Seite würde er dem Königreich Akhtar endlich Gerechtigkeit bringen und den Phönixprinzen ein für alle mal von seinem Thron verbannen.

Wenn er diesen verfluchten Stein nur finden würde! Aus den uralten Schriften des Tempels hatte er in Erfahrung bringen können, in welchem Bereich der Stern fallen würde. Danach war Caleb dem Schweif gefolgt und als der Stern schließlich zu Boden gegangen war, hatte ein rotes Leuchten den Nachthimmel erhellt. Doch nicht lange genug, denn als der Magier die Hälfte des Weges hinter sich gelassen hatte, war das Strahlen erloschen und nun tappte er im Dunkeln. Krampfhaft hielt er die Augen offen, die inzwischen von den vielen Staubkörnern in der Luft brannten und als ihn ein Sandloch wieder überraschte, ging Caleb zu Boden. Seine Hände krallten sich wütend in den lockeren Sandboden, mit den Fäusten voller Sand erhob er sich und sah zum Himmel.

»Ist das eine weitere Prüfung für mich, Herrin?«, schrie er und aus beiden Händen rann der Sand wieder zu Boden, als er sie in seiner Verzweiflung schüttelte. »Habe ich meine Treue nicht schon genug unter Beweis gestellt?!« Seine Worte hallten in der weiten Wüste wieder und einige Herzschläge vergingen, bevor ein Beben seinen Körper erfasste, gefolgt von einem roten Blitz, der den Magier blendete. Instinktiv riss er sich beide Hände vor das Gesicht und erst da bemerkte er, dass das Licht aus seiner Hand kam. Obwohl ihn das Strahlen blendete, öffnete er seine Faust und wäre fast in hysterisches Gelächter ausgebrochen, als er den Gegenstand sah, der sich in seine Handinnenfläche schmiegte. Rund geschliffen und geschmeidig, als hätte ein Juweliermeister ihn behandelt, saß der Rote Stern von Huraira vor ihm und brachte Caleb dazu, an der Stelle, auf der er vor kurzem noch gelegen war, auf die Knie zu fallen und ein Stoßgebet an seine Göttin zu schicken.

»Ich danke Euch für diesen Segen, Allmächtige«, flüsterte er und spürte bereits, wie die Macht des Roten Sterns seinen Körper durchwallte. Neue Energie erfüllte ihn und mit der neugewonnen Kraft reckte er die geballte Faust in die Höhe. Zwischen den geschlossenen Fingern schoss das Licht in den inzwischen hellen Himmel und bildete eine dicke Lichtsäule, die einen Moment pulsierte, bevor sie wieder verblasste, als wäre sie nie da gewesen. Caleb aber wusste, dass das Zeichen gesetzt war. Kommende Nacht würde das ganze Königreich wissen, dass Huraira wieder einen Jünger erwählt hatte.
 

Von einem hohen Felsvorsprung aus beobachtete Emir, Phönixprinz und Regent des Königreichs Akhtar, die Streitmacht des Krähenkönigs Caleb. Wohl eher Schar, dachte sich der Krieger missbilligend und warf einen kurzen Blick über seine Schulter. Hinter ihm standen stramm und unbeweglich die Vier. Seit Emir vor sieben Jahren zum Phönixprinzen gekrönt wurde, trainierte er sich zusammen mit diesen vier Kriegern, die zuvor unter seinem Vater gedient hatten, in der Kampfkunst. Man sagte sich, dass die Göttin Abhirati selbst die Vier zur Welt gebracht und dann im Kampf unterrichtet hatte, weshalb sie unbesiegbar waren. Seit sie den Phönixprinzen jedoch Tag und Nacht begleiteten, wusste er es besser. Es stimmte, noch nie hatte er sie auch nur ein einziges Mal im Kampf besiegen können, doch er hatte sie bluten sehen. Emir aber behütete sich, diese Einzelheiten laut auszusprechen; wenn seine Gegner glaubten, mit Götterkindern zu tun zu haben, würde er diesen Vorteil nicht aufgeben. Sie waren jedoch mehr als einfache Krieger. Sie waren Meister ihres Handwerks und die treusten Gefährten des Prinzen.

»Was meinst du, wie viele das sind?«, fragte er Antar, den ältesten der Krieger, der ganz rechts stand.

»Kaum mehr als hundert«, antwortete er, ohne einen weiteren Blick auf das Lager zu werfen. »Die meisten davon irgendwelche Söldner und Vagabunden, die das Gold lockt. Der Rest sind wohl die Schergen von Huraira, die aus ihren dunklen Höhlen gekrochen kamen, als Caleb begonnen hat, seine wundersame Ernennung zum Jünger der dunklen Göttin herumzukrächzen.«

»Wie lange ist es her, dass man nichts mehr von Huraira und ihren Konsorten gehört haben?«

»Zu Zeiten Eures Urgroßvaters wurde die dunkle Göttin endgültig von Akhtars Antlitz getilgt«, antwortete ihm diesmal Mejahida, der wie sein Mitstreiter den Blick streng nach vorne gerichtet hatte. Vom Äußeren her konnte man die Krieger kaum voneinander unterscheiden. Alle hatten sie das Haar gänzlich abrasiert und trugen auch alle dieselbe Uniform: Eine feuerrote Pluderhose und Hemd derselben Machart, darüber einen bronzefarbenen Brustharnisch mit verschiedenen Ornamenten. Den Speer hatten sie alle als einheitliche Waffe auf dem Rücken, doch was an deren Hüfte geschnallt war, gab ihren persönlichen Waffengeschmack wider. Emir aber hatte im Laufe seiner Ausbildung und darauffolgende Regentschaft so viel Zeit mit diesen vier Männern verbracht, dass er sie inzwischen an ihrem Schnaufen unterscheiden konnte.

Ähnlich wie die Vier trug auch der Prinz Pluderhose und Hemd, jedoch war seine Kleidung nachtschwarz mit rotem Saum. Auf weitere Panzerung hatte der junge Prinz jedoch verzichtet. Dafür waren seine Haare mit einem Band nach hinten gebunden und Arme und Hände waren geschmückt mit Goldreifen und Malereien.

»Hm.« Der Prinz schnaubte und ließ seinen Blick wieder über das Lager gleiten. Die letzte Sonne war vor eine Stunde untergegangen und finsterste Nacht umgab den Prinzen und seine Vier Krieger. Kaum mehr als hundert ... Sie würden also keine Verstärkung brauchen, zumal die Krähe keine Wachen aufgestellt hatte. Hier und da sah man kleine Feuer brennen, ansonsten schien das Lager zu schlafen. »Gut, die Krähe hat bereits drei Dörfer überfallen. Es wird also Zeit, dass wir dem Ganzen ein Ende setzen.«

Emir griff nach seinem eigenen Speer und wiegte ihn einen Moment lang in beiden Händen, dann nickte er den Vier zu und gemeinsam stiegen sie den Hang hinab. Lautlos bewegten sie sich durch die Nacht, als ein Kribbeln über seine Haut kroch und einen Augenblick in seinem Körper widerhallte. Er warf einen Blick über die Schulter, doch die Vier zeigten keine Reaktion, so schüttelte er das ungute Gefühl ab und lief weiter, bis sie den Rand des Lagers erreicht hatten. Der Prinz nahm sich einen Moment, um sich zu sammeln.

Das war seine Prüfung, sein Moment! Wenn er Akhtar von dieser Bedrohung befreite, würden die Götter ihn sicherlich für würdig erklären und ihn zum König krönen. Sieben Jahre waren vergangen, seit sein Vater verstorben war und Emir den Thron bestiegen hatte, dennoch war ihm Titel des Königs nicht verliehen worden. Von jedem Phönixprinzen wurde verlangt, dass er seine Königswürde unter Beweis stellte, bevor ihm die Krone anvertraut wurde. Nach sieben Jahren war es nun endlich so weit und Emir würde sich beweisen.

Vor der ersten Gestalt, die zusammen gerollt auf dem Boden lag, blieb der Prinz stehen. »Möge Abhirati deiner Seele gnägig sein«, sagte er, doch in dem Moment als er seinen Speer durch den Körper des vor ihm Liegenden stieß, löste er sich in dunklen Rauch auf, woraufhin die ganze Umgebung um ihn herum zu flackern begann.

Dunkle Magie!, schoss es Emir durch den Kopf. Hinter sich spürte er die Vier, die ausfecherten und das verblassende Lager durchsuchten. Minutenlang hörte man nur die Schritte der fünf Männer und als die Illusion des Lagers vollends verschwunden war, hörten sie das Geflatter von Flügelschlägen, als Calebs Krieger im Feld auftauchten und auf sie stürzten.

»Was ist das für verfluchte Hexerei?!«, schrie der Phönixprinz, umzingelt von den Schergen der Krähe. Von jeder Seite prasselten Schläge auf ihn ein und nur mit viel Mühe schaffte er es, die scharfen Waffen mit dem Schaft seines Speers abzuwehren, während er sich um die eigene Achse drehte auf der Suche nach den Vier. Sie waren alle voneinander getrennt worden und durch das ganze Gestöber von Federn und Waffen konnte er seine Krieger nur schwer erkennen. Wie eine Flut waren die Söldner und Scharlatane über sie gekommen und nun musste jeder einzeln kämpfen statt mit vereinter Kraft. Der größte Teil der Kämpfer hatte den Prinzen isoliert, während die besseren unter den Söldnern seine Krieger so beschäftigten, dass sie Emir ausschalten konnten.

Verdammt!, fluchte der Phönixprinz und duckte sich immer wieder unter Schlägen weg, während er Waffenhiebe parierte, doch er merkte schnell, dass er rein zahlenmäßig unterlegen sein würde, wenn ihm die Vier nicht bald zur Hilfe kamen. Flink duckte er sich unter einem Schwerthieb weg, ließ dabei aber seine Seite offen und einen Moment später erwischte ihn ein Hieb am Kopf, der ihn zu Boden zwang. Verschwommen sah Emir einen großgewachsenen Mann, dessen Kopf der einer Krähe war. Ein roter Punkt strahlte ihm entgegen und schien sich förmlich in seine Netzhaut zu brennen, bevor ein weiterer Schlag seinen Hinterkopf traf und die Welt um den Phönixprinzen herum schwarz wurde.
 

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Emir ging zu Boden und nur einen Wimpernschlag später war Yera an seiner Seite, um seinem Prinzen zu helfen. Mit der Kraft der Göttin mähten sie ihre Gegner nieder und beschützten den Phönixprinzen vor weiterem Schaden. Über die Köpfe seiner Feinde hinweg warf der Krieger seinen Mitstreitern in stummer Verständigung Blicke zu. Es hatte die Chance bestanden, dass das eine Falle war, doch die Vier Krieger waren nicht dafür da, für Emir seine Prüfung zu erledigen. Mit Rat und Tat standen sie ihrem Prinzen beiseite, aber es war ihnen nicht gestattet, ihre Meinung zu äußern, wenn sie nicht danach gefragt wurden.

Ein Knurren bildete sich in Yeras Kehle, als er seine Brüder näher kommen spürte, und vor ihnen steckten die Schergen Calebs ihre Waffen plötzlich ein. Sofort umkreisten die Vier den bewusstlosen Prinzen, während ein Murmeln durch die Schar der Söldner ging und einen Moment später Calebs Gestalt auftauchte. Jeden Körperteil hatte der verruchte Magier in Schwarz gehüllt, sodass er massiver wirkte, als er wirklich war. Auf beiden Schultern waren Federornamente befestigt, die über seinen Rücken hinab fielen und es so aussehen ließen, als hätte Caleb wirkliche Flügel. Das alles wurde von seinem Kopf gekrönt, auf dem er eine Krähenmaske trug.

Langsam schob er sie nach hinten und zum Vorschein kam sein dunkles, narbiges Gesicht, auf dessen Lippen ein fieses Grinsen lag. »Ich habe nicht vor, ihn umzubringen. Zumindest nicht jetzt«, sagte der Magier in einer tiefen, grollenden Stimme. »Das hier sollte ihn nur als eine Warnung dienen. Huraira hat mich geschickt, um ihren angestammten Platz in Akhtar wieder zu erobern.« Bei seinen Worten hob Caleb seinen rechten Arm und auf dem Stab, den er umklammert hielt, begann ein handtellergroßer, roter Edelstein hell zu leuchten.

»Huraias Stern«, flüsterte Antar neben ihm und das Lächeln des Magiers wurde noch eine Spur breiter.

»Genau«, antwortete Caleb und ließ den Stab wieder sinken. »Richtet das Eurem Prinzen aus. Er kann sein ganzes Königreich vor der vollkommenen Zerstörung retten, wenn er mir den Thron kampflos überlässt. Ansonsten werde ich mit meiner Armee kommen und alles niedertrampeln, was mir in den Weg kommt.« Der Magier warf beide Hände in die Höhe und im nächsten Moment zogen sich seine Kämpfer zurück. Die Krähe nahm sich einen Moment, um jedem der Vier in die Augen zu sehen, dann verschwand er mit einem roten Blitz und die Krieger blieben alleine auf dem leeren Platz zurück.
 

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Weißes Licht umgab Emir, der schwerelos durch eine Endlosigkeit trieb, unfähig auch nur einen Knochen zu bewegen. Doch das wollte er auch gar nicht, denn das Leuchten drang durch seine Haut in seinen Körper ein und füllte ihn mit einer wohligen Wärme, wie er sie seit langem nicht gespürt hatte. Er hätte ewig in diesem Zustand schweben können, aber er fühlte eine Präsenz in der Nähe, die seine Aufmerksamkeit verlangte. Im Kopf des Phönixprinzen entstand jedoch ein Pochen, wenn er sich zu konzentrieren versuchte und die Präsenz war so zart und unscheinbar, dass er es bevorzugte, sich in dem seltsamen Licht zu baden. Doch die unsichtbare Wesenheit wurde verlangender, bis sie schließlich das Licht überstrahlte.

Emirs Augen flogen auf. Die gleißende Gestalt einer jungen Frau stand vor ihm und erst in diesem Moment realisierte er, dass seine Füße einen unsichtbaren Boden berührten. »Dir fehlen die Augen des Phönix«, sagte das Wesen ohne Umschweife und der Prinz kniff die Augen zusammen, trotzdem konnte er nur die verschwommenen Umrisse einer Frau erkennen.

Die Augen des Phönix? Er war der Phönix, wie konnten ihm seine eigenen Augen fehlen? Emir öffnete den Mund, um seiner Verwirrung Worte zu verleihen, doch seine Stimmbänder verwehrten ihm den Dienst. Stattdessen sah er sie nur an und streckte eine Hand nach vorne. Die Frau flimmerte leicht, als seine Hand durch ihre Oberfläche trat, doch sie bewegte sich immer noch nicht.

»Der Weiße Phönix«, sagte sie, als wäre das die Antwort auf alle seine Fragen. »Du brauchst die Augen des Weißen Phönix. Sonst wirst du den Triumph über Hurairas Jünger nicht erlangen.«

Der Weiße Phönix, dachte sich Emir, aber wieder kam der Gedanke nicht über seine Lippen. Doch die Frau schien ihn zu hören, denn sie nickte und schwebte eine Armlänge nach hinten, sodass alle Wärme, die der Prinz bis eben noch gespürt hatte, wieder aus seiner Hand floss. »Sie ist in deinem Leben, du musst sie nur erkennen«, hauchte die Gestalt, dann verschwand sie und mit ihr das wärmende Licht, das den Phönixprinzen umhüllt hatte. Dunkelheit umgab ihn mit einem Mal, in der ihn aus der Ferne ein roter Punkt bedrohlich entgegenleuchtete.

Amala eilte durch die Gänge des Seraills. Jedes Mal, wenn ihr jemand in einem der Flure begegnete, senkte die junge Frau den Blick und versuchte, so untertänig wie möglich auszusehen. Auf gar keinen Fall wollte sie auch nur irgendwie auffallen. Sie hatte bereits die unsagbare Ehre erhalten, in den Flügel des Prinzen eingeladen zu werden, das Letzte, was sie wollte, war irgendjemandem auf die Füße zu treten und dadurch wieder ihre Palastrechte zu verlieren.

Schweren Herzens war Amala gezwungen gewesen, den Tempel der Muttergöttin Abhirati zu verlassen. Seit Wochen verfolgten die Frau Träume von einer dunklen Gestalt mit dem Körper eines Menschen und dem Kopf eines Vogels. In ihren Träumen betete sie dieses Wesen an und eine magische Anziehung erfüllte sie jedes Mal, wenn sie den roten Edelstein sah, der auf der Spitze eines gewundenen, knorrigen Stabes saß und sie warm anleuchtete. Danach war Amala stets schweißgebadet aufgewacht. Das ganze Schauspiel ging fast einen Mondlauf so, bevor die Frau sich schließlich an die Leiterin des Tempels wandte. Sie hörte der Frau stumm zu und Amala konnte sich noch genau daran erinnern, wie das Gesicht der alten Frau immer düsterer und düsterer wurde, je mehr ihre Erzählung voran schritt. Schließlich hatte sie nach dem Ende bedauernd den Kopf geschüttelt und sie zum Gehen aufgefordert, während sie sich mit den Ältesten des Tempels beriet. Amala zog sich wie befohlen zurück, nur um ein paar Stunden später die Nachricht zu erhalten, dass sie den Tempel verlassen musste. Zu einer solchen turbulenten Zeit konnten sie sich keine negative Energie leisten, die Abhirati womöglich erzürnen würde. Um nichts in der Welt wollten sie den Phönixprinzen bei seiner Queste behindern. Und somit wäre es das Beste, wenn Amala dem Tempel den Rücken zukehrte. Doch man hätte bereits für sie gesorgt, ließ der Bote verkünden, und zwar wäre sie als Frau mit der Ausbildung einer Priesterin für den Harem des Prinzen sehr wertvoll.

So geschah es, dass man Amala in den königlichen Seraill begleitete und sie in die Obhut des Harem gab. Fünf Monde war das jetzt her und die Frau hatte den Phönixprinzen kein einziges Mal gesehen. Doch das sollte sich heute ändern.

Das weiße Gewand wehte um ihre Arme und Beine, als die frühere Priesterin um eine Ecke bog und ihren Schritt beschleunigte, als sie den letzten Gang zum Zimmer des Prinzen hinauf eilte. Von Weitem konnte sie schon zwei der Vier Krieger sehen, die vor der Türe Wache standen. Vor den braungebrannten, in Orange gehüllten Kriegern blieb Amala stehen und verbeugte sich tief. »Ich bin die Heilerin, nach der gerufen wurde.«
 

Emirs Haut stand in Flammen. Das weiße Licht war schon lange erloschen und seither brannte jeder Teil seines Körpers, während er durch eine endlose Schwärze trieb. Doch ab und an wurde das Feuer, das selbst den Phönixprinzen zu verbrennen vermochte, von kühlen Händen vertrieben. Emir genoss diese Berührung, sie erinnerte ihn an die weiße Frau, der er immer wieder in seinen Träumen begegnete. Von Zeit zu Zeit hörte er auch ferne Stimmen, die manchmal zu ihm, meistens aber über ihn sprachen. Wenn er sich dann aufgebahr, hielt ihn etwas zurück, während die kühlen Hände ihn beruhigten. Wie viel Zeit vergangen war, konnte Emir nicht sagen, doch irgendwann, als jede Stelle seines Körpers von den heilenden Händen berührt worden war, flogen die Lider des Prinzen auf. Ihm entgegen blickten zwei große, braune Augen, die in einem weichen, runden Gesicht saßen, das verunsichert auf ihn herab sah.

Der Weiße Phönix! Kaum hatte er sie angesehen, wurde ihm klar, dass das die Frau aus seinen Träumen war. Bis auf Haut und Haar war die Frau in weiß gehüllt und ihre Berührung fühlte sich an wie das Licht, das ihn umgeben hatte.

Als sich Emir diesmal aufrichtete, hielt ihn niemand zurück. Er hob seine Hand und nahm sachte eine ihrer dunkelbraunen Locken zwischen die Finger. Erst da bemerkte er, dass sein ganzer Unterarm bandagiert war. Doch statt den Rest seines Körpers zu inspizieren, sah er noch immer die Frau vor ihm an, die verunsichert an Ort und Stelle verharrte. Eine tiefe Röte zierte bereits ihre Wangen, doch wagte sie es nicht, sich zu bewegen. Wie allen Frauen in seinem Harem hatte man ihr wohl beigebracht, den Phönixprinzen tun zu lassen, wie er wollte. Doch vor ihm stand der Weiße Phönix, der für seinen Sieg sorgen würde. Wie war es möglich, dass sie die ganze Zeit vor ihm gewesen war? Hätte Abhirati ihn doch nur früher erleuchtet, wäre ihr Volk bereits von dieser Gefahr befreit! Doch der Gedanke streifte ihn nur kurz, zu sehr war Emir von der Schönheit der Frau vor ihm fasziniert.

»Mein Prinz!«, hörte er hinter sich und Antar trat vor ihn. Emir ließ die Hand sinken und die in weiß gehüllte Frau wich sofort zurück in Richtung Tür.

»Bleib hier«, sagte der Prinz leise und sie blieb wie angewurzelt stehen. »Ich stehe tief in eurer Schuld«, wandte er sich an den ältesten seiner Krieger. »Wie lange war ich weg?«

»Mehr als einen halben Mondlauf«, antwortete Antar und reichte Emir die Hände, als dieser sich aufzurichten versuchte. »Der Einfluss der Dunklen Göttin muss bereits sehr stark sein, wenn sie sogar unsere Augen täuschen konnte.«

Die Muskeln in Armen und Bauch zitterten und schmerzten, als Emir aufrecht saß, doch das war nichts im Vergleich zum Schmerz, der ihn in der Dunkelheit verfolgt hatte. Dieser Schmerz sprach von Heilung. Die Fasern seines Körpers hatten sich wieder zusammen gesetzt und wollten bewegt werden. Es würde seine Zeit in Anspruch nehmen, bis der Prinz wieder bei vollen Kräften war, doch das war etwas, womit sich sein Kopf noch gar nicht beschäftigte. »Ich danke dir, Antar«, sagte der Prinz schließlich und mit einer Verbeugung zog der Krieger sich aus dem Gemach zurück. Einige Sekunden vergingen, in denen Emir nur den Atem der Frau hinter ihm hören konnte. »Tritt vor mich«, sagte er schließlich und ein Rascheln erfüllte den Raum, als sie sich vor ihn stellte, den Blick noch immer zu Boden gerichtet.

Ihre Gewandung war die einer Priesterin, obwohl sie die Kette trug, die jedes Mädchen seines Harems bekam. »Wie lautet dein Name?«, fragte der Phönixprinz und hob mit seinen Fingern ihr Gesicht, sodass er ihr in die Augen sehen konnte.

»Amala«, antwortete sie ihm und versuchte instinktiv, wieder den Kopf zu senken. Doch Emirs Griff war zu stark, so blieb ihr nichts anderes, als den Blick des Phönixprinzen zu erwidern.

Dir fehlen die Augen des Weißen Phönix, hallte es in seinem Kopf, während er ihr ins Gesicht blickte. »Und wie kommt es, dass eine Priesterin meiner Mutter in meinem Harem dient, Amala?« Ein belustigtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als Amala sichtlich errötete.

»Ich wurde aus dem Orden ausgeschlossen, Majestät. Mit meinen ausgeprägten, heilerischen Fähigkeiten wurde mir jedoch ein Platz an Eurem Hof angeboten«, sagte sie so leise, dass er sie kaum verstand. Überrascht zog Emir eine Augenbraue hoch. Sie wurde ausgeschlossen? Ihm fielen keine Gründe ein, warum man aus dem Orden verbannt wurde, ohne komplett entehrt zu werden. Abhirati selbst musste sie aus ihrem Dienst entlassen haben, damit sie ihren Weg zu ihm fand. Die Augen des Weißen Phönix ...

»Auch dir schulde ich meinen Dank«, sagte er schließlich und zog seine Hand zurück. »Deine heilenden Hände haben mich durch die endlose Schwärze geführt. Einen großen Teil meiner Genesung verdanke ich dir.«

»Ich bin Eurer Majestät Dank schuldig für seine Gnade«, begann die Frau, wurde aber mit einem Sch von Emir unterbrochen.

»Und du sollst nicht ohne Belohnung meine Seite verlassen. Sprich bei Tensun vor und schick ihn zu mir. Sage ihm, ich will, dass deine Kammer näher zu mir gelegt wird, damit du ab jetzt als meine Haupthetäre wirken kannst.« Als der Prinz geendet hatte, verneigte Amala sich tief und huschte aus seiner Kammer, warf ihm am Schluss jedoch noch einen schnellen, ängstlichen Blick zu. Die Türe fiel zu und Emir ließ sich zurück in sein Bett aus Kissen sinken.

Der Weiße Phönix ... Die Gestalt in seinen Träumen war so unnahbar gewesen und hatte so edel gewirkt, niemals hätte er geglaubt, dass er den Phönix in seinem Harem finden würde. Eigentlich hatte er sich die ganze Suche wirklich schwerer vorgestellt. »Abhirati, gütige Mutter, ich danke dir für deine Wegweisung«, murmelte er leise. Jetzt hatte sie ihm auch noch bei seiner Prüfung so sehr unter die Arme gegriffen, Emir nahm das als Zeichen, dass sie ihn wirklich auf dem Thron sehen wollte.
 

Amala sah sich in ihren neuen Gemächern um und fühlte sich noch immer überwältigt von den Geschehnissen der vergangenen Tage. Wie aufgetragen hatte sie Tensun aufgesucht, der sie in ihre Kammer geschickt hatte, die sie sich mit vier anderen Hetären teilte, um sie ihre Habseligkeiten zu sammeln. Keine Stunde später wurde sie abgeholt und in das neue Gemach geführt, das sie diesmal für sich alleine hatte. Es lag im gleichen Flügel wie die privaten Gemächer des Prinzen und wenn es auch nur den Bruchteil von der Größe der königlichen Gemächer hatte, so war die Heilerin überwältigt von dem Luxus, den ihr Prinz ihr geschenkt hatte. Der Boden war mit einem prunkvollen Teppich bedeckt, sodass Amalas Füße keinen Kontakt mit dem kühlen Steinboden hatten. Das war eines der vielen, ungewohnten Gefühle in diesem Raum. Das Bett war mit feiner Seide überzogen und auch die Kissen waren mit weichen Kaschmirüberzügen versehen. Und alles war in den Farben des Phönix gehalten: Gold und Orange.

Was Amala jetzt machen sollte, war ihr jedoch nicht klar. In ihrer Rolle als normale Konkurbine hatte sie sich bereits verloren gefühlt, aber sie war so weit unten in den Rängen eingestiegen, dass der Phönixprinz sie noch nie bemerkt hatte. Stattdessen hatte man für sie Arbeit im Palast gefunden, stets gab es jemanden zu heilen und manchmal durfte sie sogar dem Hohen Priester in den palasteigenen Messen unterstützen. Das waren die Momente, in denen Amala sich wieder wie sich selbst fühlte.

Doch jetzt würde so etwas nicht mehr vorkommen, denn jetzt war sie dem Prinzen ins Auge gefallen. Nicht mehr lange bis er sie in seine Gemächer holen würde, um mehr zu tun, als nur seine Bandagen zu wechseln. Bei dem Gedanken wurde der Frau abwechselnd warm und kalt. Sie war Priesterin, das war das einzige, was sie jemals gemacht hatte. Wie sollte sie ihrem Prinzen dienen, wenn sie ihren Körper doch der Göttin versprochen hatte. Dieses Versprechen erlosch nicht einfach, nur weil sie aus der Priesterschaft verbannt wurde. Doch Amala sah ein, dass sie keine Wahl hatte. Sie war jetzt Eigentum seiner Majestät und wenn er ihre Unschuld haben wollte, hatte sie dankbar zo sein, so wie es ihr beigebracht wurde.

In ihrer Verzweiflung hatte die junge Frau bei den erfahreneren Konkurbinen um Rat gesucht, doch ihre Bitten blieben ungehört. Viel zu groß war der Neid um die Gunst des Prinzen. Auch die Frau, die von Amala als die liebste Liebhaberin abgelöst wurde, verzog bei dem unerfahrenen Mädchen missbilligend das Gesicht. Sie hatte versucht, ihre Situation zu erzählen, dass sie den Prinzen nur geheilt und niemals die Absicht hatte, jemandem den Rang abzulaufen, doch im ganzen Harem stieß sie nur auf taube Ohren.

Abhirati hat mich verlassen ... Der Gedanke ließ Amalas Herz schwer werden vor Kummer. Und trotzdem ging sie in die Knie, um ein Gebet an die Muttergöttin zu richten. »Goldener Phönix, helft mir, Eurem Sohn bei seiner Prüfung beizustehen, gebt mir die Weisheit, ihm sinnvoll zu dienen und den Mut, Eurem eigenen Fleisch und Blut gegenüberzustehen«, flüsterte sie leise und wippte dabei im Takt ihrer Worte vor und zurück, ihr Gesicht von ihren Händen bedeckt. Auch wenn die Mutter sie verstoßen hatte, so war sie die Einzige, deren Hilfe sie erflehen konnte, und so verharrte sie in dieser Position und wiederholte ihre Worte, bis ihre Knie schmerzten und ihre Stimme ganz rau war, in der schmalen Hoffnung, die Gnade der Mutter zu bekommen.
 

Emir stand vor dem weiten Fenster in seinem Schlafgemach und streckte sich ausgiebig. Noch am selben Tag nachdem er aufgewacht war, hatte er mit dem Bewegungstraining seines Körpers begonnen, um so schnell wie möglich wieder an der Grenze seines Könnens zu agieren. Seine gnädige Mutter hatte den Weißen Phönix ja direkt in seine Kammer geschickt, so musste er nicht mehr tun, als herausfinden, wie er von ihr die Augen bekam, von denen ihm die Vision erzählt hatte. Und der Prinz hatte schon eine vage Vorstellung, wie er ihre Kraft bekommen würde. Er hätte nur nicht damit gerechnet, dass ihm das auch noch so viel Freude bereiten würde, wenigstens eine kleine Herausforderung hatte er sich erwartet. Ihr macht es mir zu einfach, Mutter, sagte er sich in Gedanken und ein Lächeln stahl sich dabei auf seine Lippen. Einige Male ließ Emir noch seine Schultern kreisen, dann drehte er sich vom Fenster weg.

Einige Schritte vor ihm stand Amala, die neuste Errungenschaft in seinem Harem (wobei Emir zugeben musste, dass er nicht wusste, wie neu sie wirklich war. Zugegebenermaßen könnte sie schon Jahre in seinem Harem dienen, ohne dass es ihm jemals aufgefallen wäre.) und die anziehendste Frau, die er je in seinen Bettgemächern gehabt hatte. Tensun hatte er angewiesen, Amalas Garderobe nur mit weißen Kleidungsstücken auszustatten. Ihr Kleid war heute wesentlich reizvoller als die Priesterroben, die sie das letzte Mal angehabt hatte. Es war zu beiden Seiten tief ausgeschnitten, vorne bis zum Bauchnabel und hinten bis knapp über das Becken, und der seidige Stoff schmiegte sich so eng an ihren Körper, als wäre er ein Teil der Haut. Ihre Brüste wölbten sich anzüglich unter dem Kleid und Emir war fasziniert. Nie hätte er sich vorgestellt, dass eine Priesterin so einen sinnlichen Körper besitzen konnte. Die braunen Augen hatte Amala niedergeschlagen, ihre vollen, schwarzen Haare fielen in Einem über ihre zierliche Schulter, und im Schein des Feuers vermischt mit dem der untergehenden Sonnen, glänzte ihre Haut bronzefarben. Während sein Blick immer wieder über Amala glitt, spürte er in seinen Lenden bereits ein Feuer erwachen.

Der Phönixprinz trat vor sie und legte eine Hand unter ihr Kinn, um ihren Blick zu heben. Sie wirkte verunsichert, als wüsste sie nicht, was als nächstes passieren würde, und aus irgendeinem Grund machte ihn das nur noch wilder. Er würde sie haben. Das musste ihr genauso bewusst sein wie ihm, und auch, dass es der Göttin Willen war. Aus keinem anderen Grund hätte sie den Weißen Phönix in seinen Harem geführt.

Emir wollte keine Zeit mehr verschwenden. Er legte seine zweite Hand auf ihre Hüfte und küsste sie. Unter seinen Händen spürte er sie zittern, doch seinen Kuss spürte er nur kaum erwidert. Wollte sie etwa mit ihm spielen? Doch dem Phönixprinzen war nicht danach. Alles, was er wollte, waren die Augen des Weißen Phönix, um Calebs Scharade ein für allemal ein Ende zu setzen. Seine Hand tastete sich über ihren Rücken und als er die Fäden fand, die Amalas Kleid zusammen hielten, löste er mit zwei kurzen Griffen den Knoten. Raschelnd glitt der Stoff zu Boden und Emir konnte ihren Körper in seiner vollen Pracht bewundern. So eine zarte Gestalt wäre an die Priesterschaft verschwendet. In seinem Harem hatte sie es doch viel besser. Doch trotz ihres weiblichen Körpers, der sich nur zaghaft an ihn schmiegte, fühlte Emir etwas Seltsames in sich vorgehen. Verlangen für diese Frau durchflutete ihn, und dennoch regte sich ... nichts. Der Prinz ließ seine Hände forschend über ihren Körper gleiten, umfasste ihre Brüste und kniff in ihre dunkle Brustwarze. Ein Keuchen kam von Amalas Lippen, aber ansonsten blieb sie steif wie zuvor, also suchten Emirs Hände weiter nach einem Punkt, der seine Lust entfachen würde.

Wollte sie denn gar nicht von ihrem Prinzen beglückt werden? Noch nie war es ihm untergekommen, dass sich eines seiner Mädchen nicht sofort auf ihn stürzte, wenn er nur die Hand ausstreckte. Er spürte das Feuer, die Begierde, und trotzdem wollte es nicht kommen. Mit einem Ruck wandte Emir sich von der Frau ab und setzte sich auf den Rand seines Bettes. »Entkleide mich«, sagte er mit einem Schnippen. Amala, noch immer stumm und mit einem roten Hauch auf den dunklen Wangen, kniete sich nieder und begann eher ungeschickt, den Gürtel zu lösen, um ihm dann die Hose abzustreifen. Doch kaum hatte sie diese Aufgabe erledigt, senkte sie wieder ihren Blick und verharrte in dieser Situation. Gnädige Mutter, dachte sich der Prinz und hielt das Ganze immer noch für ein Spiel. Sie wollte ihn verrückt machen, diese Priesterin, saß sie vor ihm in all ihrer anmutigen Schönheit und tat nichts, um seiner Lust Linderung zu verschaffen. »Befriedige mich mit dem Mund«, sagte der Prinz schließlich, Als sie unbeweglich vor ihm verharrte. Einen Moment sah er ihr in die Augen, die groß und verschüchtert zu ihm hinauf starrten, dann lehnte er sich zurück und gab sich der Hoffnung hin, ihre Berührung würde ihn entfachen. Doch egal wie lange er ihre weichen, feuchten Lippen auf seinem Glied spürte, es blieb weich, was hart werden sollte und als das so weiter ging, schrie der Phönixprinz wütend auf und stieß Amala von sich.

Die Frau stieß selbst einen leisen Schrei aus, als sie auf dem harten Boden landete und versuchte mit einer Hand, ihre Blöße zu bedecken. »Hat man dir nicht beigebracht, einen Mann zu befriedigen? Was für armen Kerlen bist du bitte beigelegen?!«, rief er wütend und sah vorwurfsvoll auf sie herab.

»Majestät ... Mein ganzes Leben habe ich im Tempel Eurer gnädigen Mutter verbracht, meinen Leib und Geist ihrem Dienst verschrieben. Ich bin noch unberührt, mein Prinz, bitte vergebt mir.« Sie kniete sich hin und brachte ihr Gesicht so nahe an den Boden, dass ihre Stirn den kalten Stein berührte, um demütig seine Vergebung zu erflehen.

Unberührt? Der Phönixprinz zog eine Augenbraue in die Höhe. Hatte man sie in seinen Harem geschickt, um ihn zu schmähen? Wahrscheinlich war dies das dunkle Treiben Hurairas, die ihr einen falschen Weißen Phönix unterjubeln wollte, um ihm zu spotten. »Geh mir aus den Augen«, murmelte er leise, dennoch zuckte Amala zusammen, als hätte er sie gerade geschlagen.

»Verzeiht mir, mein Prinz, ich will Euch dienen ... «

»Raus!«, schrie Emir und ließ dabei die Wände erzittern. Von Furcht vor dem Zorn des Prinzen gepackt, stand die junge Frau auf und flüchtete nackt wie sie war aus dem Zimmer.
 

Wärme umgab den Phönixprinzen und er fühlte seinen ganzen Körper entspannen. Er schwebte in der Leere und spürte wieder das weiße, prophetische Licht um ihn. Es pulsierte und drängte sich unter seine geschlossenen Augenlider. Doch Emir wollte die Augen nicht öffnen, hier war alles in Ordnung und er war nicht der Phönixprinz und kein Jünger Hurairas wartete auf ihn. Hier war er nur ein Mann, kein Prinz. Keine Prüfung, kein Versagen ... Trotzdem drängte das Licht weiterhin und schließlich spürte er einen Druck auf seiner Wange, dann flog sein Kopf schmerzhaft zur Seite.

»Du bist stark im Körper aber schwach im Geiste, junger Prinz«, sagte die ihm bekannte, weiße Gestalt. Ihre Hand war ausgestreckt und nur eine Fingerbreit von ihm entfernt. »Der Weiße Phönix wird nicht erobert, man bittet um seinen Segen und es steht ihm frei, ihn dir zu gewähren.«

»Ich bin der Phönixprinz Emir, entsprungen aus dem Schoß der Göttin selbst. Ich bitte niemanden um irgendetwas!«

Die Hand der Wesenheit streifte sacht seine Wange, doch traf es ihn wie einen Schlag. Wieder riss es seinen Kopf nach hinten und er fühlte sich benommen. Jegliche Linderung, die ihm das Licht einmal verschaffen hatte, war verschwunden. Stattdessen umgab ihn jetzt eine Aura des Zorns. Was war mit dem wunderschönen Wesen geschehen, das ihn durch die Dunkelheit begleitet hatte? »Du solltest aufpassen, dein Stolz wird dich noch deine goldenen Federn kosten, Phönixprinz. Du hast den Weißen Phönix gefunden, das war der einfache Teil. Die Augen zu bekommen, das ist eine Aufgabe des Geistes, der Körper wurde bereits jemand anderem versprochen und dieses Versprechen ist nicht gewaltsam zu brechen.« Langsam kam die zierliche Hand wieder näher und Emir zuckte bereits, doch diesmal war die Berührung so sanft wie er sie von früher in Erinnerung hatte. »Benutz deinen Kopf, Phönix, sonst wird Huraira über dich triumphieren.«
 

»Wirklich?« Amalas Herz begann wild zu pochen, als der Bote ihr die Nachricht überbrachte. Der Prinz verlangte ihre Anwesenheit in seinen Gemächern ... Nach dem, was sich das letzte Mal abgespielt hatte, hätte Amala niemals eine zweite Einladung erwartet. Was der Prinz wohl für Ansprüche an dieses Treffen haben mochte? Wollte er sie als seine Hetäre loswerden, so hätte er sicherlich nicht nach ihr schicken lassen. Wahrscheinlich wäre in diesem Fall eher Tensun zu ihr gekommen. Dass er sie wirklich wiedersehen wollte, musste etwas Gutes bedeuten. Das hoffte Amala zumindest mit ganzem Herzen.

Mit einer wackeligen Verbeugung bedankte sie sich und versprach, sich gleich auf den Weg zu machen. Zuerst aber wollte sie sich für einen Besuch beim Prinzen entsprechend zurecht machen. Diesmal kleidete Amala sich in etwas verhüllendere Kleider, was bei der ihr zur Verfügung gestellten Garderobe gar nicht so einfach war. Ihre Gedanken rasten dabei ununterbrochen.

Was der Prinz wohl diesmal von ihr wollte? Freude, ihrem Prinzen wieder dienen zu dürfen, und Furcht, abermals zu versagen, erfüllten sie zum gleichen Maße und jeder Schritt, der sie näher an die Kammer des Prinzen brachte, ließ ihre Nervosität steigen, sodass ihre Knie kaum mehr vermochten, ihr Gewicht zu halten. Bei der Wache vor der Türe meldete sie sich an und wurde einige Momente später Eintritt gewährt.

Wieder stand der Prinz am Fenster, blickte diesmal aber bereits in ihre Richtung. »Majestät ... «, hauchte sie und wollte sich verbeugen, merkte aber, wie die Angst ihre Beine so weich gemacht hatte, dass sie den Tritt verlor und fiel. Ein Schrei entrang sich ihrer Kehle und sie glaubte, den harten Boden bereits zu spüren, doch überraschenderweise landete sie sanft. In zwei großen Schritten hatte der Phönixprinz den Raum durchquert und hielt sie in seinen Armen. Die plötzliche Berührung mit Emir ließ die junge Frau wieder erzittern und vorsichtig auf dem Prinzen gestützt brachte er sie zu einem Stuhl in der Nähe. Jetzt hatte sie sich bereits das zweite Mal vor ihm in Verlegenheit gebracht! Die Furcht, wie er reagieren könnte, ließ ihr wieder ganz schwindelig werden, doch Amala biss die Zähne zusammen und versuchte durchzuatmen.

»Ich bitte vielmals um Vergebung, mein Prinz«, sagte sie schließlich leise und ließ den Blick zu Boden sinken. Einen Moment spürte sie noch eine Hand des Prinzen auf ihrem Oberarm, dann entfernte er sich und setzte sich auf den Stuhl gegenüber. Erst jetzt bemerkte Amala die reich gedeckte Tafel, die sich zwischen ihnen befand. Sofort als er sich gesetzt hatte, kamen zwei Bedienstete herbei und füllten ihre Gläser mit Wein.

»Trink einen Schluck und beruhige dich erst einmal«, sagte Emir und entließ mit einem Nicken die Bediensteten wieder. Sofort leistete die Frau seinem Befehl Gehorsam und nahm einen tiefen Schluck aus dem Becher. Süßer, dicker Rotwein floss ihre Kehle hinab und im nächsten Moment fühlte sie sich tatsächlich ein wenig ruhiger.

»Du brauchst dich nicht zu fürchten«, sagte der Prinz schließlich und griff dabei zu seinem eigenen Glas. »Ich ... hatte nicht vor, so harsch mit dir umzugehen. Schließlich habe ich dir meine Genesung zu verdanken.«

Schweigen kehrte ein und gab Amala das Gefühl, dass sie etwas sagen sollte. »Ihr braucht Euch für nichts zu entschuldigen, Majestät«, war das Erste, was ihr in den Sinn kam. »Ich bin hier, um Euch zu dienen.«

»Ich habe mich auch nicht entschuldigt«, antwortete er knapp und kühl, was in der Frau wieder ein leichtes Zittern verursachte. Schnell setzte sie ihr Glas wieder an die Lippen und nahm einen großen Schluck. »Diesmal möchte ich aber nur mit dir reden.« Mit diesen Worten stand Emir auf, hob seinen Stuhl auf und setzte sich dann wieder direkt vor Amala. »So sieh mich an und lass uns eine Weile lang vergessen, dass ich der Phönixprinz bin.« Bei der Aufforderung hob Amala ihren Blick. Ohne seinerseits den Augenkontakt zu unterbrechen, griff der Prinz zum Tisch und nahm sich einige lose Trauben von einem der vielen Teller.

»Der Grund, warum ich so viel Interesse an dir habe, ist eine Prophezeiung. Während der Zeit meiner Genesung sprach eine Stimme zu mir, sie erzählte mir vom Weißen Phönix. Seinen Segen muss ich erbitten, um den Krähenkönig zu besiegen. Und ich weiß, dass du dieser Phönix bist, auch wenn du es vielleicht selbst noch nicht weißt.« Wieder zog Stille ein und Amala wusste nicht genau, was sie ihm sagen sollte. Ein Weißer Phönix sollte sie sein? Das war kein Gott, der ihr bekannt war, keine der Geschichten erzählte von einem Weißen Phönix ...

»Das ist sehr schmeichelhaft, mein Prinz, aber ich weiß nicht, was Ihr meinen könntet. In meiner Ausbildung zur Priesterin ist mir noch nie die Gestalt des Weißen Phönix begegnet«, murmelte sie schließlich leise. »Ich wurde aus der Priesterschaft entlassen und bete seitdem jeden Tag um die Gnade der Götter.« Noch nie war es Amala so schwer gefallen, jemandem in die Augen zu sehen, aber wie Emir es verlangt hatte, hatte sie keine Sekunde den Blick gesenkt. In ihrer ganzen Karriere als Priesterin hatte sie sich niemals so ... eingeschüchtert gefühlt wie von ihrem Prinzen. Nicht nur waren seine gold-orangenen Augen ehrfurchtseinflössend, sie hatten auch etwas absolut hypnotisierendes an sich, das der Frau einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Obwohl sie ihren Prinzen verehrte wie jeder andere auch, hatte sie in diesem Moment das irrationale Gefühl, dass er ihr Ende bedeuten würde.

»Ich weiß nicht, was der Weiße Phönix ist oder wie du seine Kraft erlangen kannst, aber ich weiß, dass du mit meiner Hilfe diese Fähigkeit in dir entdecken kannst, damit du mir dann wieder helfen kannst. Wir müssen nur den richtigen Weg finden.«

Das stimmt nicht, dachte sich Amala. Das konnte gar nicht sein, sie war verstoßen und nicht mehr als eine der vielen Konkurbinen des Prinzen; und nicht einmal in dieser Beziehung konnte sie ihm dienen. Doch wollte sie ihrem Prinzen glauben schenken, war sie doch mit einer bedingungslosen Liebe zum Phönixprinzen aufgebracht worden. Zweifel war ein Gefühl, das in ihrem Herzen keinen Platz finden wollte. »Ich ...«, begann sie, unterbrach sich aber gleich wieder, als sie ihre Worte überdachte.

»Sprich ohne Furcht zu mir, Amala«, sagte Emir, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Es wird dir nichts passieren.«

Amala schluckte, setzte aber fort. »Ich verstehe nicht, was Ihr von mir wollen könntet«, sagte sie. »Ich bin nur eine einfache Dienerin und ich fürchte mich davor, dass ich Euch nicht dienen kann, wie Ihr es wünscht.«

Nach ihren Worten verfiel der Prinz in Schweigen und sah sie dabei nur an. »Du fühlst also nichts? Keine Kraft oder etwas dergleichen?«, fragte er schließlich, als sie fast schon glaubte, sie habe ihn doch verärgert. Sie antwortete ihm mit einem Kopfschütteln. »Gut, das ist dann wohl ein weiterer Teil meiner Prüfung. Das ändert aber nichts an meinem Vorhaben, dich kennenzulernen.«

 Amala wusste nicht genau, was er mit diesem Satz meinte, doch ihr war viel wichtiger, dass der Prinz sie nicht wieder verstoßen wollte. Mit einem Wink holte er einige Diener zu sich, die sogleich begannen, ein Festmahl aufzustellen, während der Phönixprinz sie mit allerlei Fragen löcherte. Anfangs antwortete Amala ihm stets schüchtern, doch mit der Zeit, die verging und dem Wein, der floss, lockerte sich die Zunge der Frau so weit, dass sie sich zum Schluss fast völlig ungezwungen mit Emir zu reden traute. Und als der Abend sein Ende fand, verabschiedete sich lediglich mit einem kurzen, warmen Kuss, den Amala auf dem ganzen Weg zurück zu ihrem Gemach auf ihren Lippen spürte.

Amalas Lachen erfüllte den ganzen Raum. Hätte Silber eine Stimme, dann würde sie genau so klingen, dachte sich Emir und nahm beide ihre Hände in seine. »Das kann ich mir bei Euch gar nicht vorstellen«, sagte sie noch immer schmunzelnd.

»Aber so war das. Yera ist richtig an mir verzweifelt. Er meinte, es wäre ihm noch nie passiert, dass er einen Prinzen angeschrien hätte«, antwortete er und zog sie an sich, um ihr einen zarten Kuss auf die Lippen zu hauchen. Amala stellte sich auf die Zehen, um diese Verbindung so lange wie nur möglich anhalten zu lassen und ihr enttäuschter Gesichtsausdruck, als Emir ihr die Hände auf die Schultern legte und sie von sich schob, weckte eine ungestillte Begierde in ihm. Sie wollte es doch auch! Dennoch erinnerte er sich an die Worte seiner Träume und widerstand. Bevor er nicht hinter das Geheimnis ihrer Kraft kam, waren ihm die Hände gebunden.

Der Prinz musste aber zugeben, dass Amala mehr hatte als nur weibliche Kurven. Sie war belesen, clever und nachdem sie die erste Schüchternheit überwunden hatte, war sie bei ihren Besuchen richtig aufgegangen und hatte ihn mit ihrem Intellekt tatsächlich beeindruckt. Es wurmte Emir zwar, dass er nicht weiter gehen durfte, aber es war jetzt nicht das Ende der Welt; War es ihm doch immer ein unverschämtes Vergnügen, sich mit ihr zu unterhalten.

Einen Moment drückte er Amala an sich, ihr süßer Duft stieg ihm dabei in die Nase, dann führte er sie zur Türe. »Wie wäre es mit einem Spaziergang am Abend?«, fragte er zum Abschied.

Die Frau nickte mit leuchtenden Augen, dann hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich umdrehte und sich in einer der Wachen zu ihrem Zimmer begleiten ließ.

Als der Prinz sich umdrehte, stand Mejahida im Zimmer und verbeugte sich vor ihm. »Majestät«, grüßte der Krieger ihn und Emir winkte ungeduldig. Das plötzliche Auftauchen des Kämpfers erinnerte ihn wieder daran, dass nicht mehr nur jenseits der Mauern ein Kampf auf ihn wartete. Fast einen ganzen Mondlauf hatte er nur mit Amala verbracht, die eine beruhigende Wirkung auf ihn hatte. Nicht ein Mal waren seine Gedanken zu Caleb oder dem bevorstehenden Krieg gewandert. Zwar hatten Emir Nachrichten erreicht, dass ein Dorf nach dem anderen in Calebs Klauen fiel, aber noch sah der Phönixprinz keinen Grund zur Sorge. Noch war die Krähe weit weg von der Hauptstadt und sobald Emir erst einmal den Segen des Weißen Phönix erhalten hatte, würde es ein Leichtes sein, die gefallenen Dörfer und Städte wiederzuerobern. Caleb musste fallen und die ganzen Vagabunden, die er um sich gescharrt hatte, würden zusammen fallen wie ein Kartenhaus. Emir hätte Zeit ... Würde jetzt nicht auch noch sein eigenes Volk zu den Waffen greifen.

»Es gibt weitere Randale in der Bevölkerung, Majestät«, sagte Mejahida wie auf Kommando und der Prinz seufzte.

»Die Kurzfassung bitte«, sagte er, während er vor das große Fenster in seiner Kammer trat, von dem aus man die ganze Stadt überblicken konnte.

»Die Arbeiter haben zu den Fackeln gegriffen und fast den halben Kornspeicher des Militäralgers am Stadtrand angezündet. Wegen der noch andauernde Dürreperiode haben wir zusätzlich noch einiges an vorrätigem Trinkwasser verloren.«

Emir brummte leise, sagte aber sonst nichts. In der Ferne glaubte er, noch einige Rauchfahnen erkennen zu können. »Und was wollen sie von mir, Mejahida? Wie setze ich dem ein Ende?«

»Eure Untertanen haben Verwandte und Freunde in den Dörfern, die von Caleb überrannt werden. Sie fürchten sich und das Einzige, was sie von ihrem Phönixprinzen hören ist, dass er sich eine Bettgespielin gesucht hat«, antwortete der Krieger nach einem Moment des Schweigens.

»Ist Amala in Gefahr?«, war der erste Gedanke, der Emir durch den Kopf ging, und ihm wurde dabei eiskalt. Er drehte sich zu Mejahida um, um ihm in die bronzefarbenen Augen zu blicken. Nicht umsonst war der Krieger unter den Viern als der Weise bekannt, Emir traute seinem Urteil wie sonst keinem.

»Zurzeit besteht keine Gefahr, der Großteil Eurer Untertanen hält Euch nach wie vor die Treue. Sie werden nur zunehmend nervöser. Der Krähenkönig kommt näher und näher und sie fürchten sich vor Hurairas dunkler Magie.«

Dem Phönixprinzen hatten sich alle Haare aufgestellt. Der Gedanke, dass Amala irgendetwas passieren könnte, hielt sich hartnäckig in seinem Hinterkopf, auch nachdem Mejahida bereits gegangen war. Wieder spürte Emir den ganzen Druck auf seinen Schultern lasten und sah einen Weg, ihn zu erleichtern. Niemand mit dem er seine Sorgen teilen konnte ...

Langsam lief dem Prinzen die Zeit davon. In der Stadt brachen die ersten Krawalle aus, während jenseits der Mauern die Krähe sein Unwesen trieb. Er musste hinter das Geheimnis des Weißen Phönix kommen und zwar bald, sonst würde sein Reich zusammen mit ihm in Hurairas Dunkelheit versinken. Zusammen mit Amala ...

»Mutter, schenke deinem blinden Sohn Einsicht, um deinem Volk zu dienen«, murmelte er leise und senkte dabei demütig den Kopf. Emir musste die ganzen Rätsel um ihn herum lösen, sonst war alles umsonst.
 

Amala brauchte keine fünf Minuten mit ihrem Prinzen, um zu wissen, dass ihn etwas bedrückte. Untypisch verhalten führte er sie durch den riesigen Palastgarten, in dem sich außer ihnen sonst niemand befand. Über die letzten Tage und Wochen waren Emir und sie sich auf einer Ebene näher gekommen, von der die Frau gar keine Vorstellung gehabt hatte, dass sie überhaupt existierte. Die meiste Zeit hatten sie nur geredet. Er hatte sie über ihre Zeit im Tempel befragt und im Gegenzug hatte er ihr erlaubt, ihn zu fragen, was sie wollte. Zwischen ihm und ihr sollte kein Unterschied herrschen. Und dennoch hatte es einige Abende gebraucht, bis sie endgültig aufgetaut war.

Der Prinz hatte auch nie wieder versucht mit ihr zu schlafen, wofür Amala ungemein dankbar war, zumindest anfänglich. Doch inzwischen spürte sie immer mehr und mehr die Reize des Prinzen. Ein angenehmes Kribbeln rieselte jedes Mal durch ihren Körper, wenn er sie küsste. Weiter ging es aber nie und an und für sich war Amala auch wirklich froh darüber, so würde sie ihr Versprechen gegenüber Abhirati halten können. Wäre da nur nicht dieses Kribbeln, jedes Mal, wenn Emir sie berührte ...

Schweigend gingen sie nebeneinander zurück zum Seraill, der Prinz hielt dabei ihre Hand in seiner und hauchte ihr abwesend einen Kuss darauf. Als sie schließlich in seinen Gemächern ankamen und er sie mit hinein bat, fasste sie sich ein Herz. »Mein Prinz, Ihr wirkt so bedrückt, dass mir ganz schwer zumute wird«, sagte sie und sah ihn dabei eindringlich an. Emir hatte ihr gesagt, dass sie ohne Furcht zu ihm sprechen konnte und seinen Worten bis jetzt immer die Treue bewiesen. So kam es, dass Amala keine Angst hatte, obwohl ihr Prinz sie nun ernst ansah. Wieder ergriff er ihre Hand und setzte Amala auf den Rand seines Bettes, wo er dann neben ihr Platz nahm. Er legte einen Arm um sie und zog sie ganz nah an sich heran. So hielt er sie eine Weile lang, ohne etwas zu sagen und als Emir schließlich doch sprach, erschrak die Frau leicht. Seine Berührung war so beruhigend, dass sie tatsächlich kurz weggenickt war.

»Die letzten Wochen waren wie ein Traum, Amala. Doch meine Pflichten als Phönixprinz mussten mich irgendwann wieder einholen. Ich werde bald wieder losziehen und Caleb zum Kampf herausfordern.« Emir seufzte und zog Amala noch näher an sich heran. »Das Volk wird ungeduldiger mit jedem Dorf, das Caleb an sich reißt, aber ich kann nichts tun ohne die Augen des Weißen Phönix.«

Bei seinen Worten wurde Amala ganz kalt. Der Prinz hatte immer wieder vom Weißen Phönix gesprochen und von seiner Überzeugung, dass sie dieser Phönix sein sollte. Doch egal wie sehr sie in sich ging, so wollte diese Kraft in ihr nicht aufgehen. Alleine ihre prophetischen Träume waren seit ihrem Verhältnis mit dem Prinzen verschwunden, aber mehr war in ihr nicht passiert.

»Es tut mir Leid, wenn ich Euch nicht von Nutzen bin, mein Prinz ...«, begann Amala, wurde aber sogleich vom Prinzen unterbrochen.

»Das ist nicht dein Fehler, Amala, versteh' mich nicht falsch.« Emir nahm ihr rundliches Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie ganz zart. »Das ist meine Prüfung, in der ich für den Thron würdig beweisen muss. Wenn ich es nicht geschafft habe, diese Kraft in dir zu finden, dann ist das nicht deine Schuld. Im Gegenteil, ich habe Dinge von dir gelernt, die ich mir nie hätte vorstellen können.« Er lächelte und Amala erwiderte es von ganzem Herzen. Nie hatte sie sich vorgestellt, dass sie dem Phönixprinzen jemals so nahe sein würde.

»Ich ...«, begann sie, wurde aber mit einem sanften Sch erneut unterbrochen. Wieder küsste er sie, diesmal aber leidenschaftlicher und die Frau krallte sich in das lose Gewand des Prinzen.

»Viel habe ich an meinem Körper gearbeitet ohne den Geist zu trainieren, im Glauben, dass ich mir mit genug Kraft nehmen könnte, was ich will. Doch du hast mir das Gegenteil gezeigt. Als ich hörte, dass es Randale in der Stadt gab, war das Einzige, an das ich denken konnte, deine Sicherheit«, sagte Emir zwischen zwei Küssen und brachte Amala wieder ein wenig auf Abstand. »Und dass er mir ein Grauen wäre, dich nicht mehr in meinem Leben zu haben. Amala ...« Seine Hand fuhr leicht über ihre Wange hinab auf ihren Nacken, wo sich ihr in Erwartung alle Härchen aufstellten. »Ich liebe dich.«
 

Der erste Mal mit Amala zu schlafen, hatte der Prinz sich anders vorgestellt. Als er gehört hatte, dass Amala ins Visier des zornigen Volks gekommen war, war ihm klar geworden, wie viel mehr sie war als der Weiße Phönix und der Segen, den er sich erhofften. Sie war seine Gefährtin geworden, seine Vertraute ... Und wer weiß, vielleicht war gerade dass der Segen, der ihm gefehlt hatte. Die Liebe zu einer Frau, an der er mehr gewachsen war als an den ganzen Stunden mit den Geistlichen im Tempel.

Dieses Mal ging Emir auch behutsamer vor Er ließ Amala die Führung. Als sie schließlich bereit war und ihm erlaubte, in sie einzudringen, erfüllte ihn eine Wonne, wie er sie noch nie erlebt hatte. Die gemeinsamen Minuten dehnten sich zu endlosen Stunden aus, bis die beiden schließlich erschöpft nebeneinander liegen blieben, bis die ersten Sonnenstrahlen durch die dünnen Vorhänge sickerten.
 

Mit jedem Schritt, den Amala tat, fühlte sie sich, als würde sie gleich abheben. Er liebte sie! Ihr Prinz hatte ihr seine Liebe gestanden und die Frau damit gestern Nacht über die Wolken katapultiert. Keine Sekunde hatte sie gezögert, als es beide nach mehr verlangte. Abhirati würde ihr verzeihen, hatte sie doch ihrem eigenen Sohn ihre Unschuld gegeben. Das erste Mal seit Amala den Tempel verlassen musste, fühlte sie sich wieder wohl in ihrer Haut, wieder richtig am Platz, als hätte alles wieder einen Sinn.

Heute Abend würde sie ihn wiedersehen. Am Morgen war ein Bote mit einer handgeschriebenen Einladung bei ihr aufgetaucht, in der stand, dass Emir eine Überraschung für sie hatte Ein Kribbeln entstand in ihrem Bauch, das sich sternförmig ausbreitete und Amala breit grinsen ließ. Doch bevor sie noch eine Nacht beim Prinzen verbrachte, musste sie davor in den Tempel. Nichts an der Nacht hatte sich falsch angefühlt, aber dennoch wollte die Frau um den Segen der Mutter bitten.

Die Sonnen hatten bereits ihren Zenit überschritten und obwohl sich die meisten Bewohner vor der Nachmittagshitze in ihre Häuser flüchteten, so waren doch ungewöhnlich viele Leute auf der Straße. Amala fielen die Krawalle ein, die Emir erwähnt hatte, und so versuchte sie, größere Menschenmassen zu vermeiden. Sie zog sich ihren Schal über den Kopf, doch mit ihren weißen Gewändern fiel sie in der bronzenen Stadt zwangsläufig auf. Kurz bevor Amala den Tempel erreicht hätte, wurde sie von einem Passanten aufgehalten.

»Ihr seid die Hetäre, mit der sich der Phönixprinz herumtreibt!«, rief er, während er sie mit einer Hand zurück hielt.

»Ihr verwechselt mich, verehrter Herr«, murmelte Amala und versuchte, sich von dem starken Griff des Mannes zu lösen.

»Hey, ich hab' die Hure des Prinzen gefunden! Das ist sie doch, oder?« Der Mann hab nichts auf die leisen Einwände der Frau, und um sie herum scharrten sich auch immer mehr Menschen, die seinem Ruf folgten. »Die Hure! Wegen dir müssen unsere Familien sterben!« Die Rufe drangen von allen Seiten auf Amala ein und die Menge wob sich immer dichter um sie. Jemand entriss ihr den Schal und sie versucht noch, nach einer der Stadtwachen zu rufen, als sie ein Schlag in der Magengrube erwischte und sie vorne über kippte. Die Frau schrie auf, als wütende Füße auf sie eintraten, und der metallische Geschmack von Blut füllte ihren Mund, welches sie im nächsten Moment aushustete.

Emir!, flehte Amala in Gedanken, bevor ein weißer Nebel ihren Verstand umhüllte und sie das Bewusstsein verlor.
 

Wein ergoss sich auf dem Boden, als der Phönixprinz in seinem Zorn den Becher gegen die Wand warf und das irdne Gefäß in tausend Stücke zerbarst. »Wurden die Verantwortlichen gefasst?«, fragte er den Kommandanten der Stadtwache, nachdem er einige Male tief ein- und ausgeatmet hatte. Emir musste sich zur Ruhe zwingen.

»Es waren zu viele daran beteiligt, Majestät, doch wir haben die Verursacher isolieren können. Sie erwarten Euer Urteil.«

»Und du hast sie aus der Menge gerettet?«, fragte er die Wache, die einige Schritte hinter dem Kommandanten stand. »Was hast du gesehen?«

»Jawohl, Majestät. Ich bemerkte, wie sich eine Menge bildete, die immer lauter wurde, und als ich mich in das Zentrum der Leute gedrängt hatte, lag sie auf dem Boden und ein weißes Leuchten umgab sie, das die Schläger daran hinderte, ihr weiteren Schaden zuzufügen.« Am Ende des Berichts räusperte die Wache sich kurz, doch als ihn Emirs zorniger Blick traf, senkte er sofort sein Haupt.

»Ich danke dir für deine Hilfe, das Haus des Phönix wird dir das nicht vergessen«, sagte er dennoch und entließ die Wache mit einem Winken. Als die Türe hinter ihm wieder ins Schloss fiel, wandte sich Emir an den Kommandanten. »Wo ist sie jetzt?«

»Sie ist wieder in Seraill, Majestät, im Krankenzimmer im Haremsflügel.«

Emir warf Antar einen Blick zu und dieser nickte verstehend, bevor er dann ebenfalls verschwand. »Meine Krieger übernehmen den Rest. Auch dir gilt mein Dank.«

Der Kommandant verneigte sich, verharrte aber einen Moment an Ort und Stelle. Ungeduldig sah der Prinz ihn an. »Gibt es noch etwas?«

»Majestät, niemals würde ich es mir erdreisten, Euch zu nahe zu treten, aber die größten Unruhen entstehen durch die öffentliche ... Begünstigung dieser Hetäre. Vielleicht wöre es besser, sie etwas weniger zu ... beachten.«

»Kommandant«, sagte Emir bedrohlich leise und trat nahe an den Mann Dieser schien bereits zu bereuen, etwas gesagt zu haben. »Diese Hetäre wird am Ende dieses Krieges deine Königin sein. Also achte darauf, wie du von ihr sprichst.«

»Verzeiht, Majestät«, murmelte der Mann und verbeugte sich erneut, bevor auch er sich aus dem Besprechungszimmer zurückzog.

Emir blieb mit seinen Sorgen alleine und lief nervös auf und ab, bis es wieder an der Türe klopfte und Antar den Raum betrat. »Mein Prinz, ihr Zustand ist kritisch, aber stabil. Die Heilerin meinte, sie wäre ansprechbar, rät aber dringend davon ab, sie zu verlegen.«

Der Prinz nickte und raufte sich mit beiden Händen die Haare. »Gut ... Sie wird überleben«, beruhigte er sich selbst, dann wandte er sich an seinen Krieger. »Ich will, dass der Haremsflügel geräumt wird. Tensun soll ihnen allen irgendeine andere Arbeit suchen, ich brauche sie nicht mehr. Sieh zu, dass niemand mehr Zugang zum Flügel hat außer die Heilerinnen und jene, die meine ausdrückliche Erlaubnis haben. Und lass mir eine Kammer neben dem Krankenzimmer bereitstellen.«

»Sehr wohl, mein Prinz«, antwortete Antar und verschwand genauso schnell wie er aufgetaucht war.
 

Ihre Kehle schmerzte wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Aber das war nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die durch den Rest ihres Körpers jagten. Amala hustete und kurz darauf spürte sie, wie ihr jemand einen Becher an die Lippen setzte und kaltes Wasser langsam in ihren Mund floss. Behutsam schlug sie die Augen auf und erst nach einigen Sekunden nahmen die verschwommenen Formen die Gestalt von Emirs Gesicht an, der sie besorgt ansah. Amala streckte ihre Hand nach ihm aus, die er sogleich in seine nahm und sanft küsste.

»Was ist passiert?«, fragte die Frau so leise, dass Emir sich ein Stück nach vorne beugen musste.

»Du bist angegriffen worden, meine Liebste, und wurdest schwer verletzt«, sagte er und seine andere Hand streichelte währenddessen unablässig über ihre Haare. »Du hast das Schlimmste hinter dir, bist aber noch nicht außer Gefahr.«

Amala versuchte, seine Hand zu drücken, doch das kostete sie so viel Kraft, dass sie die Schweisstropfen auf ihre Stirn treten spürte. So gab sie sich damit zufrieden, ihrem Prinzen bloß anzusehen. Er hatte wieder diese Falten um den Mund wie jedes Mal, wenn er sich Sorgen machte. »Habt keine Angst um mich«, sagte sie und brachte dabei ein Lächeln zustande.

»Ich muss bald wieder in den Krieg ziehen«, antwortete Emir und küsste erneut ihre Hand. »Wegen mir bist du verletzt worden. Ich muss Caleb die Stirn bieten und zwar jetzt. Aber ich konnte nicht herausfinden, wie ich die Augen des Weißen Phönix erlange. Oder ob ich sie schon die ganze Zeit über hatte. Vielleicht kam der Segen zusammen mit dir in mein Leben. Ich habe Angst, dass ich nicht mehr zurück komme ... « Er machte eine Pause, in der er versuchte zu lächeln. »Die Verursacher der Krawalle wurden festgenommen und ich stelle es dir frei, über deren Strafe zu entscheiden.«

Es wurde ruhig, als Amala über die Worte des Prinzen nachdachte, über ihre Angreifer und wie es überhaupt zu dieser Situation gekommen war. »Schickt sie nach Hause zu ihren Familien«, sagte sie schließlich und hörte nur ein erstauntes Keuchen von Emir.

»Amala ... «

»Lasst sie nach Hause gehen«, unterbach sie den Prinzen mit nicht mehr als ein Murmeln »Sie können nichts dafür, mein Prinz, sie fürchten um ihre Familie. Wenn wir Auge um Auge strafen, wir bald niemand mehr das Licht der Sonnen genießen.«

Während sie sprach, veränderte sich etwas in Emirs Gesicht. Er wirkte mit einem Mal ... erleichtert? Glücklich? Was war gerade passiert?

 »Du hast Recht, Liebste«, sagte er und diesmal war sein Lachen nicht zögerlich sondern echt. Ein letztes Mal küsste er den Rücken ihrer Hand, dann stand er auf und winkte einen Mann zu sich. Flüsternd wechselten sie einige Worte, dann wandte er sich wieder zu Amala um. »Ich danke dir für einen Segen, mein Weißer Phönix. Sobald ich zurück komme, mache ich dich zu einer Königin.«

Der Phönixprinz fühlte sich wie in einem Déjà-vu, als er umgeben von den Vier hinter einer Felsformation stand und immer wieder zu Calebs Lager hinüber blickte. Die Zahl seiner Anhänger hatte sich seit der letzten Konfrontation mehr als verdoppelt und Emir fragte sich, wie viele dieser Mitstreiter wohl Kriegsgefangene waren. »Aber nicht mehr lange«, murmelte er und wandte sich zu seinen Kämpfern um. »Diesmal sind wir uns sicher, dass das keine Falle ist?«

Antar neigte leicht den Kopf. »Wenn Ihr mit Eurer Vermutung richtig liegt, dürfte das Lager bis auf ihre Waffen ungeschützt sein.«

»Der Weiße Phönix hat mich mit seinem Blick gesegnet. Das ist mehr als nur eine Vermutung.« Emir sah jedem der Vier einen Moment lang in die Augen, dann wandte er sich um und nahm seinen Speer in die Hand. »Lasst alle, die sich ergeben am Leben. Sie fürchten sich vor Hurairas dunkler Magie und wussten sich in ihrer Verzweiflung nicht anders zu helfen. Ich will mich direkt bis zur Krähe schleichen und das Böse an seiner Wurzel angreifen.«

Hinter sich hörte Emir das leise Rascheln von Stahl gegen Leder und als er nur noch seinen eigenen Atem hören konnte, zog er los.
 

Caleb! Der selbsternannte König spürte, wie jemand ihn in seinen Gedanken zu erreichen versuchte. Er riss die Augen auf, gerade noch rechtzeitig um der Speerspitze auszuweichen, die sich dort in den weichen Sandboden bohrte, wo vorher sein Kopf gelegen war. »Abhiratis Bastard!«, knurrte die Krähe, als sie den Speer erkannte und kam flink auf seine Füße. Draußen hörte er bereits Getümmel und ging davon aus, dass die Vier bereits sein Lager aufräumten. Huraira hilf ihnen, dachte sich Caleb, sonst sind sie nicht mehr als bewaffnete Bauern. Er griff nach dem Roten Stern und wollte ihn in die Höhe reißen, doch das selbstgefällige Grinsen des Prinzen ließ ihn wertvolle Sekunden zögern. Erst jetzt fiel der Krähe auf, dass bis auf die erste Attacke kein weiterer Angriff vom Prinzen gekommen war.

»Versuch nur, deine Göttin anzurufen, Caleb, es wird dir nichts nützen«, sagte er noch immer grinsend und schnitt mit seinem Speer ein Loch in die Zeltplane. Als das Stück Stoff wegglitt, durchflutete die grellen Mittagssonnen das Zelt und ließ Caleb kreischen. »Solange die Symbole meiner Mutter am höchsten Punkt des Himmels stehen, bist du blind für Hurairas Hexerei!«

Caleb war das bereits aufgegangen, als die ersten Sonnenstrahlen seine Haut berührten. Wie hatte der Phönixprinz das herausfinden können? Hurairas Macht war ein Geheimnis, dass sich nur ihm offenbart hatte. »Wie konnte ...«, begann er, doch der Rest seiner Worte ging in einem Gurgeln unter, als der Phönixprinz ihm die Speerspitze in den Hals rammte.

»Ich habe genug gehört«, sagte Emir und wischte seinen Speer im Sand ab. Einen Moment lang sah er dem sterbenden Krähenkönig an, der sich auf dem Boden wandte, dann entriss er ihm den Stab mit Hurairas Stern. Den Edelstein brach er aus dem Holz und warf den Stock auf den Boden, während er den Roten Stern einsteckte. Dann riss er die restlichen Zeltplane vom Gerüst, sodass das licht aller SOnnen auf Caleb prallte, der sich nicht mehr regte, und ohne noch einmal nach hintern zu sehen, verließ der Phönixprinz das Lager.
 

Tosender Jubel brach aus, als der Phönixprinz und die Vier durch das Tor der Hauptstadt ritten. Auf seinem Speer hatte Tarik den Kopf des toten Krähenkönigs aufgespießt und trug ihn wie eine Trophäe vor sich. Doch das erste Mal in seinem Leben war Emir nicht danach, sich in seinem Ruhm zu sonnen. Das Gefühl der Erleichterung, das sich der Prinz mit dem Tod seines Feindes und die damit verbundene erfolgreiche Bewältigung seiner Prüfung erhofft hatte, war ausgeblieben. Stattdessen verfolgte ihn ein Schatten, vom dem er nicht wusste, woher er kam. Er würde noch heute zum König gekrönt werden, warum freute er sich also nicht?

»Yera, ich will, dass du dem General Bescheid gibst und dass noch heute die Truppe ausströmen, um sich um die besetzten Dörfer zu kümmern. Lass den Kopf der Krähe auf der Stadtmauer aufspießen, Tarik, und Mejahida, eile zum Tempel. Die Priester sollen alles für die Zeremonie vorbereiten. Sobald ich aus dem Seraill zurückkomme, wird der Phönixkönig gekrönt.« Die Krieger nickten und strömten aus, nur noch Antar blieb an der Seite des baldigen Königs. Im Hof des Seraills stieg Emir ab und eilte sofort in den Flügel, wo Amala auf ihn wartete. Eine seltsame Schwere hing in der Luft, die den Prinzen zu weiterer Eile trieb, und als ihm der Geruch von Weihrauch in die Nase stieg, legte er den Rest des Weges rennend zurück.

»Was ist passiert?«, bellte er laut und die Wände um ihn herum vibrierten dabei. Vor dem Zimmer standen zwei Wachen stramm und ein Priester kam gerade aus dem Zimmer. In den Händen hielt er eine ellenlange hölzerne Truhe. »Nein, nein, nein ...«, flüsterte Emir, als er das Behältnis erkannte. Mit einem Satz stand er vor dem Priester und hatte ihn beim Kragen gepackt. Wütend hob er ihn eine Handbreit vom Boden auf und rammte ihr gegen die massive Holztüre hinter ihm. »Du hast gesagt, sie sei außer Gefahr!«, schrie der Prinz und unter seinen Händen zappelte der Priester zu Tode verängstigt. Erst als Antar den Griff des zornigen Prinzen löste, fiel der Heiler zu Boden und schnappte panisch nach Luft.

»Erkläre dich vor dem König«, sagte der Krieger ruhig aber nicht weniger intensiv und legte eine beruhigende Hand auf Emirs Schulter. Er spürte den Prinzen zittern.

»Es tut mir unendlich Leid, Majestät«, stammelte der weiß gewandete Mann. »Nachdem Ihr gegangen wart, fiel Eure Königin in einen tiefen Schlaf. Wir versuchten alles erdenkliche, um sie zu wecken. Doch ihr Puls wurde immer schwächer, bis ihr Herz schließlich gestern zum Zenit der Sonnen zu schlagen aufhörte.«

Mit jedem Wort, das der Priester sprach, verminderte sich Emirs Zorn, bis er schließlich ganz verebbte und nur noch eine allumfassende Leere in ihm übrig blieb. »Ich will sie sehen«, sagte er nach einer Weile des Schweigens und wurde sogleich ins Zimmer geführt.

Das Zimmer war komplett abgedunkelt, nur der Schein einer einzelnen Kerze fand ihren Weg durch die dicken Weihrauchschwaden, die in der Luft hingen. Sie hatten Amala auf dem Bett aufgebahrt. Sie trug die Priesterroben, in denen er sie kennen geernt hatte.

Als ich Caleb den Speer durch die Kehle gerammt habe hörte Amalas Herz auf zu schlagen Als hätte sie damit ihren Zweck erfüllt ... »Lasst mich alleine«, murmelte Emir und setzte sich an den Rand des Bettes, als er hinter sich die Türe schließen hörte. Sacht streichelte er ihr über die Stirn, die sich eiskalt unter seiner Hand ausbreitete. »Es tut mir leid, dass ich nicht da war«, sagte der Prinz. »Und dass ich mein Versprechen nicht wahr machen konnte.« Wie sie da lag, wirkte sie so ruhig wie noch nie. »Du wirst eine Feuerbestattung bekommen, die einer Königin würdig ist. Und irgendwann werde ich dir ins Feuer folgen.«

Emir nahm Amalas Hand in seine und küsste sie, wie er es getan hatte, bevor er gegangen war. Durch die geschlossenen Fenster hörte er in der Ferne die Fanfaren, die im Einklang mit den Tempelglocken erschollen und seinen Sieg verkündeten. Seinen und ihren Sieg zugleich. »Das werde ich niemanden vergessen lassen ...« Zum Abschied beugte sich Emir vor und küsste seiner Königin die Stirn, bevor er sich umwandte und das Zimmer verließ.

 Ein seltsames Kribbeln hatte von ihm Besitz ergriffen, als er Amala den Rücken zukehrte, und zögerlich sah der Prinz an sich herab. Während seines Gesprächs mit seiner toten Geliebten hatte Hurairas Roter Stern hellzuleuchten begonnen.
 

Rot umgab die Dunkle Göttin, doch durch das intensive, pulsierende Licht sah Huraira die Umrisse des Mannes, der ihren Stern fest in der Hand hielt und immer wieder in den Rubin starrte, wie um sich zu versichern. Genau wie es sein sollte. Sowohl Caleb als auch Amala hatten ihr gute Dienste geleistet. Kurz warf sie einen Blick über die Schulter und betrachtete die beiden schwarzen Schatten, die sich zu ihrem eigenen gesellt hatten. Sehr gute Dienste … Durch diese geringen Einmischungen hatte sie Abhirati überlisten können und war unbemerkt hinter ihre letzte Schutzmauer gekommen. Direkt ins Herz ihres Sohnes. Und sie hatte es noch nicht einmal gemerkt, dieser ignorante Piepmatz!

Doch bald … bald würde sie es merken. Spätestens auf der Hochzeit ihres Sohnes würde Abhirati verstehen, dass sie überlistet worden war. Und das sie nun nichts mehr aufhalten würde …



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